Lawine! Ein Notfallplan für den Ernstfall

Von Marius Schwager am 16.Feb. 2015

„LAWINE!!!", schreit der Freeride-Buddy. Der Ernstfall beim Freeriden und Tourengehen tritt ein. Was macht man in einer solchen Notfallsituation? Panik, Angstmache und Wegrennen sind keine Option. Ein Überblick über die wichtigsten Schritte beim Lawinen-Notfallmanagement.

Wichtig: Die theoretischen Schritte müssen bei jedem Freerider sitzen und im Ernstfall unter Stress, Hektik und womöglich gar Panik funktionieren. Klärt vor dem Fahren in eurer Gruppe, wer im Notfall handeln kann und wer geübt ist. Ein entsprechender professioneller Rettungskurs und ein mehrfach jährliches Einüben der Abläufe sind Pflichtprogramm für jeden Freeskier, der sich abseits der Pisten bewegt.

Der aktuelle Winter 14/15 ist im Bereich des Risikomanagements ein sehr heikler. Eingeschneiter Oberflächenreif, sogenannter Tiefenreif, stellt eine unsichtbare Gefahr dar. Die Lawinengefahr ist oft auf Stufe 3 wie festgenagelt und die Sicherheitspolster in den verfügbaren Reduktionsmethoden sind auf ein Minimum heruntergefahren. Kleine Fehler können hier große Auswirkungen haben. Was tut man, wenn alle Vorsichtsmaßnahmen unwirksam waren oder Fehler gemacht wurden? Ein Notfallplan muss her.

Schnelle Rettung, effizienter Ressourceneinsatz und kein unnötiges Risiko für die Retter sind oberstes Gebot. Ein Überblick über die Strategie beim Lawinen-Notfall:

Situation erfassen
Ruhe bewahren und kontrolliert handeln und die eingeübten Abläufe abspulen. Wie fließt die Lawine, wer/wieviele Personen sind erfasst. Wichtig ist es, sich den letztmöglichen Sichtpunkt des Verunglückten zu merken. Sobald die Lawine zum Stillstand kommt, setzt hier später die Suche an.

Der Betroffene selbst sollte schnell handeln. Eine Fluchtfahrt seitlich bergab - sofern möglich - hilft oft. Ist man einmal zu Fall gekommen und von der Lawine erfasst, kann man prinzipiell nicht mehr viel tun. Die Schneesportgeräte und Stöcke weg (Ankerwirkung), den Airbag ziehen/Avalung in den Mund stecken. In der Lawine versuchen durch Schwimmbewegungen an der Oberfläche zu bleiben und gegen den Lawinensog nach unten ankämpfen. Den Mund schließen um die Atemwege möglichst frei zu halten und sobald die Lawine sich verlangsamt Arme vor das Gesicht halten. Ist man im weißen Grab einmal gefangen, kann man selbst nichts mehr tun, außer Ruhe zu bewahren und Sauerstoff zu sparen und auf Hilfe zu hoffen.

Organisation
Die Lawine ist zum Stillstand gekommen und (mind.) eine Person ist nicht mehr sichtbar. Der Erfahrenste übernimmt die weitere Koordination und entscheidet mit den Gruppenmitgliedern, wer welche Aufgaben übernimmt. Eine Person mit Lagekenntnissen setzt den Notruf ab und steht den professionellen Rettern (sofern möglich) zur Verfügung (Internationale Notrufnummer: 112). Die restlichen Gruppenmitglieder teilen sich zum Suchen und Ausgraben aus. Klare Anweisungen und schnelle Absprachen sind hier gefragt.

Anders als in vielen EU-Staaten muss in Deutschland eine aktivierte SIM-Karte im Mobiltelefon eingelegt sein, um einen Notruf absetzen zu können. Wenn das Mobilfunknetz des eigenen Anbieters nicht verfügbar ist, sucht sich das Mobiltelefon automatisch das stärkste Betreibernetz in der Umgebung, um den Notruf abzusetzen.

Der Telefonist sollte folgende Informationen an die professionellen Retter ruhig und präzise weitergeben:
  • Wer – ist der Anrufende?
  • Was – ist geschehen?
  • Wo – ist der Unfallort? (Karte oder GPS)
  • Wann – ist der Unfall geschehen?
  • Wie viele – Verletzte (Verletzungsart), Retter?
  • Wetter – im Unfallgebiet?
Suchen
Der Verunglückte wird von einer oder mehreren Personen mit LVS gesucht. Alle weiteren Personen im Umkreis haben ihr LVS auch auf Suchen gestellt. Je nach Größe der Lawine suchen mehrere Personen oder bereiten Schaufel- und Sondeneinsatz vor. In Suchstreifen den Verschütteten ab dem letzten Verschwindepunkt suchen. Zunächst die Signalsuche per Piepston-Ortung beginnen, anschließend mit der Grob- und Feinsuche den Verschütteten lokalisieren. Hierzu müsst ihr „einfach" dem Pfeil eures digitalen LVS ruhigen Schrittes hinterherlaufen. Sollte sich der angezeigte Wert auf dem Display beim Laufen vergrößern, sofort eine 180° Kehrtwende machen und weitergehen.

Ab einem bestimmten Wert werdet ihr keinen kleineren Wert am Display erreichen. Nun heisst es zur Feinsuche übergehen und „Einkreuzen". Dazu geht ihr mit dem Gerät an die Schneeoberfläche und bewegt das Gerät in eine Richtung und genau solange bis der Wert wieder größer wird. Diesen Punkt markiert ihr und führt das Gerät anschließend direkt in die entgegengesetzte Richtung bis der Wert wieder größer wird. Das gleiche im Anschluss im 90° Winkel. Als Ergebnis habt ihr dann ein schönes Viereck im Schnee gezeichnet. Die Mitte des Vierecks ebenso deutlich markieren und ab hier in 20cm Abständen nun sondieren bis zum ersten validierten Sondentreffer. Die Sonde bleibt in dieser Position stecken.

Rettung
Freilegen und Bergung des Verschütteten: Je nach Verschüttungstiefe und Retteranzahl nimmt das Ausgraben mehrere Minuten in Anspruch. Voller Krafteinsatz und effizientes Graben (Förderbandtechnik) von schräg unten ist sinnvoll. Förderband bedeutet, dass eine Person vorne den Schnee zum Verschütteten hin angräbt, seitlich dahinter stehen die restlichen Personen und befördern den Schnee weg, wie bei einem Förderband. Mitunter und je nach Verschüttungstiefe kann hier ein recht ansehnlich großes Loch entstehen. Nach jeweils zirka 1-3 Minuten werden die Positionen zügig gewechselt. Der Vordermann muss hier vollen Körpereinsatz zeigen!

Ist der Verschüttete freigegraben, sollten zunächst die Atemwege bzw. der Mund freigelegt (ABC: Airway/Luftwege frei? Breathing? Circulation? Herzmassage CPR) und die Person auf Lebenszeichen geprüft werden. Sofern nötig lebenserhaltende Sofortmaßnahmen einleiten. Außerdem - und sofern klare Lebenszeichen und Bewusstseinszeichen vorhanden sind - für Schutz vor weiterer Auskühlung sorgen. Den Verschütteten wegen eventuell vorhandender Verletzungen zunächst nur sehr vorsichtig bewegen.

Falls nötig den Abtransport mit dem Helikopter vorbereiten. Das bedeutet, den Verschütteten komplett ausgraben und dem Rettungspersonal möglichst freien Zugang zum Verunglückten verschaffen. Dem Helikopter mit einem „Y", geformt durch seitliches Hochstrecken der Arme ein „Yes" (Ja, wir brauchen Hilfe) signalisieren. Keine Hilfe zeigt ihr mit einem „N" an, d.h. einen Arm nach oben, einer nach unten ausgestreckt.

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