Im Portrait: Lena Stoffel

Im Portrait: Lena Stoffel

Von JuliaS am 8.Feb. 2023

Wo kommst du her und wie kamst du zum Skifahren?
Ich komme aus dem oberschwäbischen Alllgäu, aus einem kleinen Dorf bei Leutkirch im Allgäu. Meine Eltern sind leidenschaftliche Skifahrer:innen und haben mich schon ganz früh auf die Ski gestellt. Dann haben sie mich und meinen Bruder im alpinen Rennlauf für eine Weile engagiert begleitet und den regionalen Bezirk mit allen Kindern trainiert. So bin ich wirklich von klein auf ins Skifahren reingewachsen und es gehörte immer ganz natürlich zum Leben dazu.

Du bist zu Beginn deiner Karriere noch viele Rennen gefahren. Wie kam es zu dem Wechsel in Richtung Freeride und Freestyle?
Ja genau, ich bin dann in meinen Teenager Jahren im Jugend Nationalkader FIS Rennen gefahren. Jedoch wollte ich nach dem Abitur nicht nur durch Stangen fahren und habe mich entschieden, einen anderen Weg einzuschlagen. Ich bin nach Innsbruck, um zu studieren und bin hier in die Freeride und Freestyle Szene hineingeraten und mit ihr gewachsen. Ich habe während meines Studiums an regionalen Contests teilgenommen und nach und nach wurde es immer internationaler. 2010 war ich dann bei den X-Games in Tignes im Slopestyle am Start und bin damals Fünfte geworden. Ich bin auch den ein oder anderen Freeride Contest gefahren, da mir das Skifahren im freien Gelände schon immer Spaß gemacht hat.

Wann und warum hast du der Contest-Szene dann ganz den Rücken zugewandt?
2011 hatte ich dann leider meine erste Kreuzband- und Meniskus-Verletzung. Ich habe mich zurückgekämpft und war auf dem Weg, mich für Olympia 2014 in Sotschi zu qualifizieren. Da kam dann aber 2013 die zweite Knieverletzung am selben Knie dazwischen. Im folgenden Winter habe ich dann entschieden, Wettkämpfe sein zu lassen und lieber so Ski zu fahren, wie ich es eh am liebsten habe - im freien Gelände und im Tiefschnee. Ich habe im Winter meinen staatlichen Skilehrer abgeschlossen und bin dann im Frühjahr mit Aline Bock zusammen für ein Filmprojekt nach Norwegen. WAY NORTH ist dabei entstanden. Wir haben irgendwie den Zahn der Zeit getroffen und der Film kam gut an. Zwei Frauen, Skifahren, Snowboarden und Surfen zu verbinden, gab es damals noch nicht so viel. Das hat uns beiden den Weg eröffnet, noch einige Filmprojekte in den Jahren danach umzusetzen.

Diese Filmprojekte folgen dir hauptsächlich ins Backcountry. Was ist es, was dich am Skifahren neben der Piste so begeistert?
Das ist recht einfach zu beantworten. Es ist die Natur, die Berge und die Ruhe. Nicht in den Massen Ski zu fahren und versuchen schöne Berge zu sehen und sie ab zu fahren. Optimalerweise natürlich im Tiefschnee.

Eins der Projekte, in denen du involviert warst, Vanishing Lines, erschien letzten Winter und handelt von mehr als nur dem Skifahren. Worum geht es bei dem Film?
Ja, das war ein tolles Filmprojekt und es hat mich gefreut, Teil davon sein zu dürfen. Die Idee kam von Mitch Tölderer, einem Innsbrucker Snowboarder, der die Veränderung, die hier in Tirol stattfindet und stattgefunden hat, aus erster Hand erfährt. Im Film geht es grundsätzlich um den Schutz der letzten wilden Natur hier in Tirol und sinnbildlich natürlich für alle Berge, hauptsächlich in den Alpen. Erzählt wird das an dem Beispiel der Pläne, die es für die Zusammenschließung vom Pitztaler und Ötztaler Gletscher gab. Gott sei dank kann ich “gab” sagen, da diese Pläne durch Bürgerinitiativen und Petitionen und andere Aktionen nun nicht mehr auf dem Tisch liegen.

Wie genau wird das im Film dargestellt?
Man sieht erschreckende Bilder von Großbaustellen in schöner Wilder Natur und im Gegensatz dazu aber wunderschöne Aufnahmen von Mitch, wie er im Karwendel eine Rinne fährt und mich wie ich in den Kalkkögeln tolle Skiabfahrten habe.

Gletscher sind hochsensible und wunderschöne Ökosysteme und große Wasserspeicher. Deswegen ist es wichtig, diese auch zu schützen.

Sollten wir also gar keine Lifte mehr zum Skifahren nutzen?
Nein, das finde ich nicht. Ich finde es wirklich toll, was wir hier in den Skigebieten für Möglichkeiten haben. Die bestehenden Gebiete bringen Menschen in die Berge und machen diese für viele zugänglich. So sehen viele die Schönheit der Natur der hochalpinen Landschaften und ich glaube, dass das eine Chance ist, alle diese Menschen aktiv im Naturschutz wiederzufinden. Ich finde, wir sollten versuchen, die kleinen Skigebiete so gut es geht zu unterstützen und auch mal in solche zum Skifahren zu gehen. Ich bin nur dafür, dass was schon da ist verantwortungsvoll besser zu machen und nicht immer mehr zu bauen. Wir haben ja schließlich genug Pistenkilometer.

Wie siehst du das Reisen und die Auswirkungen auf die Umwelt, wenn du um die Welt reist, um Schnee zu finden- eine endliche Ressource, die durch den Klimawandel bedroht ist?
Ich liebe es, verschiedene Berge zu sehen und etwas über andere Kulturen zu erfahren. Ich habe mich immer privilegiert gefühlt, diese Orte in ihrem wahren Zauber und ihrer Schönheit zeigen zu können, und zwar mit meinen Augen und aus meiner Position als Skifahrerin heraus. Deshalb möchte ich Menschen dazu inspirieren, verantwortungsbewusst zu reisen, lokale Unternehmen zu unterstützen und Orte so zu hinterlassen, wie sie sie vorgefunden haben.

So sehr das Reisen mich und meine Verbindung zur Natur geprägt hat, vor allem in Japan, aber auch in Norwegen, kann ich diese Schönheit auch zu Hause immer wieder finden. Andererseits verstehe ich natürlich den Widerspruch. Schnee als endliche Ressource ist definitiv bedroht, und weite Reisen, vor allem mit dem Flugzeug, nur um ihn zu finden, verschlimmern die ganze Sache noch. Ich versuche also, meine eigenen Auswirkungen zu minimieren und durch meine Arbeit zu zeigen, wie schön und wie wichtig es ist, den Winter zu schützen.

Seit kurzem bist du auch Vize-Präsidentin bei Protect Our Winters (POW) Austria. Warum bist du bei POW dabei und was beinhaltet ihre Arbeit?
Ich bin bei POW schon länger als Botschafterin dabei. Es war mir ein grundlegendes Bedürfnis, mich bei einer NGO zu engagieren, die versucht die natürlichen Interessen aller Berg- bzw. Wintersportler:innen zu bündeln und somit auch unser aller Spielplätze zu schützen.

Die Arbeit ist vor allem durch positive Kommunikation und Sensibilisierung geprägt. Wir wollen alle Outdoorenthusiast:innen mit an Bord holen und dieser Gemeinschaft eine gemeinsame, starke Stimme geben. Wichtige Themen für uns sind unter anderem auch die direkte Lobbyarbeit mit der Politik sowie Bildungsinitiativen und viel zum Thema Mobility. Es gibt Workshops in Schulen, die nun nach den schwierigen Corona Zeiten auch wieder starten. Sie heißen Hot Planet Cool Athletes Workshops und unsere Botschafter:innen sind dort stark involviert. Sie halten die Workshops teilweise und sind so Vorbilder und coole Klimaschützer:innen. Dann versuchen wir im Thema Mobility, vor allem die Anreise zu unseren geliebten Orten, wo wir Skitouren gehen, Klettern, wandern, snowboarden usw., strukturell zu verbessern, und auf der anderen Seite auch als Vorbilder zu agieren und mit Kampagnen zu informieren.

Wie kann man mitmachen oder euch bei POW unterstützen? Seid ihr auch international aktiv?
Auf der POW Website kann man sich informieren, ganz einfach Mitglied werden und herausfinden, wie man sich sonst engagieren kann.
Und ja, POW ist international. Es gibt in vielen Städten eine Community, die sich regelmäßig trifft, wie z.B. in München, Innsbruck oder Graz sowie in anderen Städten in Europa und auf der ganzen Welt.

An welchen Beispielen erkennst du die Klimakrise auf deinen Trips in verschiedenen Regionen?
Man erkennt die Klimakrise vor allem an den abnormalen Wettermustern, die wir erleben. Überall, wohin ich reise, und wenn ich mit Einheimischen spreche, scheint es, dass die Winter in einem Jahr zunehmend extrem trocken sind und im nächsten Jahr starker Schneefall eintritt. Ich bin zwar immer auf der Suche nach Schnee oder Wellen, aber es scheint, dass sich die üblichen Wettermuster ändern oder einfach verschwinden. Am deutlichsten kann ich die Veränderungen vor meiner Haustür, in Innsbruck, sehen, wo der Stubaier Gletscher immer weiter verschwindet.

Welche Projekte stehen bei dir als nächstes an?
Ich habe für ein Foto Essay eine Reise ins Piemont geplant, in ein Tal, das keine Lifte hat und besonders reich an Tradition ist. Und es ist ein Skitouren-Paradies - wenn es Schnee hat. Eventuell müssen wir es jedoch auf später im Jahr verschieben. Ansonsten versuche ich einfach so viel Zeit wie möglich in den Bergen zu verbringen, da kommen die guten Ideen und die Kraft für meine persönlichen und auch die Projekte mit POW letztendlich her.

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