Judging Kriterien

Von Jörg Angeli am 18.Okt. 2012

Bei den olympischen Winterspielen 2014 in Sochi, Russland werden, nach aktuellem Stand, die AFP Judging Kriterien für die Athletenbewertungen bei den Disziplinen Ski Slopestyle und Halfpipe angewandt. Wir wollen euch einen Einblick geben, wie die Bewertung eines Runs zustande kommt und welche Fähigkeiten ein Judge bei AFP Events bzw. bei den olympischen Spielen haben muss.

Die Bewertung eines Runs bei Freeski-Contests war schon immer eine sehr umstrittene und vor allem subjektive Angelegenheit. Um die Transparenz der Bewertungskriterien zu erhöhen, hat die AFP vor einigen Tagen die vollständigen Richtlinien für Judges auf ihrer Internetseite veröffentlicht.

Das wichtigste bzw. eigentlich auch einzige Bewertungskriterium ist die sogenannten Overall Impression, also der Gesamteindruck des Runs.  Diese Lösung sieht die AFP als die beste Bewertungsphilosophie an, da sie den Ansprüchen eines Freeski-Contests am ehesten entspricht. Auf diese Weise kann das "free" in "Freeskiing" am besten erhalten werden, wie sie es in ihrer Veröffentlichung bezeichnen. Dargestellt wird das Ergebnis (Score) am Ende auf einer Skala von 0 (am schlechtesten) bis 100 (bestmögliche Punktzahl).

Aufteilung der Overall Impression
Um ein möglichst objektives Ergebnis für die Overall Impression zu bekommen, teilt sich diese in einzelne Unterkategorien auf:
  • Ausführung (Execution)
  • Schwierigkeitsgrad (Difficulty)
  • Sprunghöhe (Amplitude)
  • Variation (Variety)
  • Kombination (Combinations)
  • Fortschritt (Progression)
Die einzelnen Teilbewertungen besitzen eine detaillierte Beschreibung, wie diese zu verstehen und zu bewerten sind.

Ausführung (Execution)
Bei der Ausführung müssen die Judges auf Punkte wie Absprung (Take-Off), Grabs, Kontrolle in der Luft, Stürze u.ä. achten. Es ist wichtig, dass die Judges einen guten von einem schlecht ausgeführten Run unterscheiden können. Bei der Bewertung hinsichtlich seiner Ausführung sollten sich die Judges die folgenden Fragen stellen:
  • Wie sauber ausgeführt waren die Absprünge? Waren sie clean, hektisch oder zu früh gestartet?
  • Wie lange wurde der Grab gehalten?
  • Wie war die Kontrolle in der Luft und musste der Fahrer zum Ausgleich die Arme nutzen?
  • Wurden die Rails bis zum Ende gefahren oder ist der Rider früher vom Rail gerutscht?
  • Waren die Landungen nach Sprüngen sauber? War die Hand oder andere Körperteile bei der Landung im Schnee?
  • Halfpipe: Fand die Landung in der Transition oder weiter unten im Flachen statt?
  • War der Run durch Halfpipe flüssig und wurden die Transitions sauber erwischt?
Schwierigkeitsgrad (Difficulty)
Um den Schwierigkeitsgrad eines Runs beurteilen zu können, muss der Judge ein Verständnis für die Schwierigkeit einzelner Tricks besitzen. Jeder Mensch besitzt eine natürliche (natural) und unnatürliche (unnatural) Drehrichtung. Der Judge muss auf die Rotationen achten und wissen, dass unnatural Drehungen schwieriger sind als natural. Folgende Punkte spielen eine Rolle bei der Bewertung:
  • Anzahl der Rotationen
  • Richtung der Rotation (links/lrechts/natural/unnatural)
  • Anfahrtsrichtung (vorwärts(forward)/rückwärts(switch))
  • Verschiedene Grabs stellen einen zusätzlichen Schwierigkeitsgrad dar, besonders bei einer hohen Anzahl an Rotationen
  • Richtung der Achse: Gerade, Off-axis (corked), Inverted, Flatspin, Doublecork
  • Zudem können kreative Lines und Transfers den Run zusätzlich schwieriger machen
Sprunghöhe (Amplitude)
Eine größere Sprunghöhe kann die saubere Ausführung eines Tricks verstärken und hinterlässt einen stärkeren Eindruck. Die Judges müssen die Sprunghöhe über einen gesamten Run beobachten. Eine durchgängig gute Höhe wird, besonders in der Half-Pipe, (mit Punkten) belohnt.

Variation (Variety)
Ein Run, egal ob Slopestyle oder Halfpipe, sollte immer eine hohe Variation an Tricks, Grabs und verschiedenen Achsendrehungen beinhalten. Dies zeigt, dass der Rider ein großes Trickrepertoire besitzt. Einzelne Tricks sollten in einem Run nie doppelt ausgeführt werden. Falls dies doch geschieht, muss dies einen Punkteabzug zur Folge haben. Judges sollten auf die folgenden Aspekte achten:
  • Verschiedene Anfahrtsrichtungen: Vorwärts und switch
  • Verschiedene Drehrichtungen: Links und recht
  • Verschiedene Achsendrehungen: Gerade, Off-axis, Inverted, Flatspin und Doublecork
  • Halfpipe: Down the Pipe Spins (Drehungen in Fahrtrichtung) und Ally-Oop Spins (Drehungen gegen die Fahrtrichtung)
  • Verschiedene Grabs: Niemand will immer wieder die gleichen Grabs sehen. Eine hohe Variation in der Auswahl der Grabs wird (mit Punkten) belohnt
Kombinationen (Combinations)
Unter Kombinationen versteht man das Verbinden verschiedener einzelner Tricks. Gute Kombinationen können den Run insgesamt aufwerten und mit Punkten belohnt werden. Fahrer sollten niemals Reverts machen. Darunter versteht man das ändern der Anfahrtsrichtung. Wenn ein Rider beispielsweise switch von einem Rail kommt und dann ohne ein Obstacle auf Vorwärtsfahren wechselt, wird dies mit Punktabzug bestraft. Reverts stellen einen Bruch im Flow des Runs dar und zeigen fehlende Fähigkeiten bei der Verbindung verschiedener Tricks auf.

Fortschritt (Progression)
Um die Fortschrittlichkeit eines Tricks bewerten zu können, muss der Judge ein ausführliches Wissen über den aktuellen Stand von Contesttricks besitzen. Neue Tricks sorgen dafür, dass sich Freeskiing immer weiter entwickelt und werden mit Punkten belohnt. Besonders neue Tricks können zudem auch bei nicht perfekter Ausführung belohnt werden. Die folgenden Kriterien spielen bei der Beurteilung eine Rolle:
  • Neue und ungewöhnliche Tricks
  • Neue oder technischere Achsendrehungen und Rotationen
  • Neue, ungwöhnliche oder schwierige Grabs
  • Neue Variationen bestehender Tricks oder Grabs
  • Kreativität (Grabs,  Fahrlinie, Nutzung des Kurses)
Weitere Anforderungen
Neben der Beurteilung der oben genannten Punkte, müssen die Judges weitere Fähigkeiten besitzen. Eine der wichtigsten ist das Erkennen der gezeigten Tricks. Dieser Prozess muss automatisch, schnell und ohne großes Nachdenken im Kopf ablaufen. Wichtig ist zudem die Kommunikation mit den anderen Judges sowie den Athleten und das Beobachten relevanter Contests um nicht aufgrund der schnellen Entwicklung im Freeskiing zurückzufallen.

AFP Judges müssen erkennen können, was ein schlecht und was ein gut ausgeführter Trick ist und wie sich dies auf die Punktevergabe auswirkt.

Als letzten Punkt nennt die AFP in ihren Judging Kriterien die Fokussierung auf das endgültige Ranking. Die Scores, die bei verschiedenen Contests erreicht werden, sind nicht miteinander vergleichbar. Der gleiche Run eines Fahrers kann bei bestimmten Events eine 75er Wertung erreichen und bei einem anderen lediglich eine Punktzahl von 75 Zählern. Entscheidend ist jedoch nicht diese Zahl sondern das Ranking, also die Reihenfolge der Athleten. Der Score ist nur das Tool während einer Competition, um die Fahrer miteinander zu vergleichen und die Rangordnung festzulegen.

Den englischsprachigen Originalartikel findet ihr in den weiterführende Links unter diesem Text.
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