Movie-Review: „T’es pas bien là?“

Von Bernhard Scholz am 6.Nov. 2013

Französisch sarkastisch bis besorgt für „Alles klar bei dir?“. Wird meist in Situationen verwendet die eine gewisse körperliche und/oder geistige Anspannung aufweisen.

Frankreich – Chamonix – 2013 - Sébastien Montaz-Rosset hat einen Film veröffentlicht. T’es pas bien là ist etwas anders. Nicht, weil der Schnitt besonders kreativ wäre oder im Soundmix neue Wege offenbart würden, nein, der Inhalt zeichnet den Film aus. Denn es geht um gerade mal 6 Abfahrten. Ziemlich wenig, verglichen mit dem Alaskajanischen Helikopterjojospielchen. Auch Pulver oder athletische Sprünge sind kaum zu finden.

Ein Film rund um Chamonix
Ja was denn dann? Der Film beginnt mit der Erstbefahrung den Chardonnet Éperon Migot hinunter, einem recht felsigen Schneegrat der bislang eher ein Eiskletterziel war. Stattgefunden hat das Ganze nicht irgendwann in den 70er Jahren sondern am 23.11.2012. Beteiligte: Vivian Bruchez und Kilian Jornet. Schwierigkeit: 45°/50° 500m 5.4 E4 ED (was übersetzt ungefähr heißt: 500 m lang sehr sehr steil mit noch steileren Abschnitten wobei alles so knapp am Abgrund ist, dass ein Wimpernschlag zum Absturz und dem damit verbundenen Ableben führt. Neukauf von Unterhosen wird empfohlen).

 Ziemlich steil, ziemlich schnell
Wie es dort so zugeht sieht man aus der Vogelperspektive und mittels Helmkameras, außerdem spricht Kilians Zitat für sich: (er hält sich mit Armen, Beinen, Oberkörper, Ski und Stöcken irgendwie an Fels und Eis fest um nicht in die Tiefe zu stürzen): „Eine wundervolle Rinne! Es wundert mich, dass hier noch niemand runter gefahren ist!“. Kilian ist übrigens der Mann, der diesen Sommer von Cervinia aus in 2h 56m auf das Matterhorn und einen Monat zuvor schon in 4h 57m auf den Mont Blanc gerannt ist. Hin und Rückweg, versteht sich, natürlich.

 Frohgemuter Blick nach unten
Dass die Beteiligten bei ihren Abfahrten durchaus Spaß haben bekommt der Zuschauer auch zu sehen. Insbesondere bei der Abfahrt den „perfekten Skiberg“ Les Courtes hinunter (Zitat Pierre Tardivel während eines Gesprächs mit dem Autor) zeigt sich der Humor, der messerscharf der gefährlichen Situation gleicht. „Abseilen? Nein, wir seilen nicht ab.“ – allgemeines Gelächter. Angesichts des gähnenden Abgrunds voller Fels- und Eis wird man schon als Zuschauer bleich.

Fazit:
Um nun nicht zu viel zu verraten, hier die Quintessenz. Der Film zeigt die aktuelle Steilwandszene rund um Chamonix, macht einen kurzen Stopp vor der Haustüre von Pierre Tardivel, wo dieser in den Aravais Bergen eine neue Abfahrt angeht und viele Tipps gibt wie man in gefrohrenem Gras aufsteigt und abfährt, kontrastiert mit dem herzlichen Humor der Protagonisten, einem lustig beschwingten Soundtrack und den haarstreubend gefährlichen Abfahrten in grandioser Szenerie.

Sébastien ist ein erfrischernder Film gelungen, der die junge Generation der Skifahrer anspricht, ehrlich begeistert und zeigt, dass es neben Pulverschnee, Rails und Park noch etwas ganz anderes gibt. Die Verbindung zur gloriosen Vergangenheit der 70er gelingt durch Sequenzen mit Patrick Vallençant und Anselme Baud, wobei letzterer kurze Interviews gibt. Tardivel schlägt als Altmeister, der die neue Generation lobt, die Brück ins Jetzt.

Was dem Film leider etwas fehlt ist ein durchgängiges Storytelling wie man es inzwischen von Skifilmen gewohnt ist. Die einzelnen Abfahrten wirken ein wenig wahllos aneinander gereiht und nicht immer ist auf den ersten Blick klar, dass nun eine weitere portraitiert wird. Angesichts der Klasse der Abfahrten und Aufnahmen ist das jedoch leicht zu verschmerzen.

Also: Anschauen!

Mit:
Vivian Bruchez, Kilian Jornet, Jonathan „Douds“ Charlet, Sébastien Montaz-Rosset, Pierre Tardivel, Ansleme Baud.

Doch nun genügend Worte, hier ist der Trailer:

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