Wie der Mitsubishi Delica unser bester Freund wurde

Wie der Mitsubishi Delica unser bester Freund wurde

Von Gregor Arndt am 5.Dez. 2023

Catskiing in Georgien

Es war, als ob die georgische Landschaft uns herausfordern wollte – eine Mischung aus atemberaubenden Berglandschaften, endlosen Schotterstraßen und unvorhersehbaren Ereignissen, die unsere Reise in ein ziemliches Abenteuer verwandelten. Die Landung in Kutaissi war der erste Schritt ins Kurzabenteuer, und der Mitsubishi Delica, der uns erwartete, sollte bald einer unserer treuesten Gefährten werden.

Unser Delica und Fahrer Georgi, empfangen uns klassisch mit einem selbstgemalten Schild. Englischkenntnisse: Nein; Sprachbarriere: Ja. Wir verstanden uns trotzdem auf Anhieb und freuten uns auf 7 Tage Freeriden. Als wir uns auf den Weg zum Goderdzi Pass machten, wurde klar, dass dieses rustikale Fahrzeug mehr war als nur ein Fortbewegungsmittel – Wenn man in Georgien einen Delica besitzt, fährt man ihn nicht, man lebt ihn. Wirklich jeden entgegenkommenden Delica-Fahrer grüßte Georgi mit einem kurzen Hupen, bei uns der klassische Motorradgruß, in Georgien ein Zeichen für den inoffiziellen „Delica-Fanclub“.

Die 14-stündige Odyssee vom Flughafen zum Freeridespot stellte unsere Gruppe auf die Probe. Straßen mit festem Belag – Fehlanzeige! Hangsicherung im Gebirge – Was ist das? Es kam, wie es kommen musste, plötzlich tat sich vor uns eine riesige Gerölllawine auf und die georgische Polizei bat uns mit Nachdruck umzudrehen und morgen wieder zu kommen. Tornike unser Guide sah den „Landslide“ eher als Herausforderung, er sprach kurz mit den Polizisten organisierte schnell einen weiteren Delica auf der anderen Seite der Lawine und bat uns all unseren Stuff in die Hand zu nehmen, um mit ihm einen „Spaziergang“ zu machen. 400m hieß es, am Ende waren es gefühlt 5km, die Wahrheit liegt vermutlich irgendwo in der Mitte. Und so erreichten wir schließlich den Goderdzi Pass, wo uns ein verlassenes Hotel empfing, gefühlt mitten Im Nirgendwo.

Die Sterne funkelten am Himmel, und wir realisierten, dass wir die einzigen Gäste für die nächsten Tage sein sollten. Die Familie, die es führte, begrüßte uns mit offenen Armen und einem Lächeln, das genauso warm war wie ihre hausgemachten Gerichte. Zum Glück, denn nach dem ersten Eindruck des Hotels kamen „Shining-Vibes“ in jedem von uns auf!

Die georgische Küche entfaltete sich vor uns wie ein kulinarisches Märchen. Khachapuri, Khinkali und reichlich Kartoffeln. Die Gastgeber, die mit Leidenschaft und Hingabe kochten, teilten nicht nur ihr Essen, sondern auch ihren berüchtigten Chacha aus Plastikflaschen. Der bringt am einen Tag eine Menge Spaß, dafür aber am nächsten Tag höllische Kopfschmerzen. Auch beim Essen darf man nicht zu wählerisch sein: Hackfleisch gilt auf dieser Höhe als vegetarisch und mit Koriander wird auch nicht gespart. Geschmeckt hat es uns allen und wirklich leichter sind wir nach der Woche auch nicht zurückgekommen – den großen Portionen sei Dank.

In den folgenden Tagen erkundeten wir mit alten ausgemusterten Pistenbullys von Käsbohrer die schier endlosen Möglichkeiten der umliegenden Berge. Jeder Tag brachte neue Herausforderungen und unvergessliche Erlebnisse. Zum Glück gab es eine Ersatz-Raupe, denn unser Hauptfahrzeug musste leider nach einem Kettenriss in die Knie gehen. Mitten im Nirgendwo abgestellt antwortete unser Guide Tornike auf die Frage, was denn jetzt mit der Maschine passiere, nur mit einem verschmitzten Lächeln: „Darüber machen sich die Besitzer im Sommer Gedanken, im Winter gibt es hier oben sowieso keine Ersatzteile“.

Der Goderdzi Pass erhebt sich auf über 2.000 Metern und präsentiert eine faszinierende Mischung aus schneebedeckten Berggipfeln, tiefen Tälern und Treeruns im „Japan-Style“. Die geringe touristische Erschließung macht den Pass zu einem Ort, an dem wir den Luxus hatten, unberührte Hänge zu erkunden und das all day long. Die Jagd nach First-Lines war daher nicht existent, da jeder Run unberührt war. Das Terrain rund um den Goderdzi Pass ist vielseitig und perfekt geeignet fürs Catskiing. Wer jedoch nach steilen Couloires sucht ist hier fehl am Platz. Vielmehr geht es um Soulturns und Skifahren zwischen zusammengenagelten Holzhütten, die über den Winter dermaßen eingeschneit sind, dass man mit den Ski direkt ins Dachgeschoss fahren könnte.

Inmitten der Begeisterung und den atemberaubenden Erlebnissen unseres Trips im März 2023 wurden wir ganz unerwartet mit einer ganz anderen Realität konfrontiert. Die Unruhen, die Tiflis zu dieser Zeit erschütterten, rückten die Perspektive unseres Abenteuers in den Hintergrund. In nur vier Flugstunden von zuhause entfernt, fanden wir uns in einem Land wieder, das mit ganz anderen Herausforderungen kämpfte als das tägliche Verlangen um den nächsten Powderday. Die Infrastrukturprobleme, die eklatante Kluft zwischen Arm und Reich, die Straßenproteste und die spürbare Angst der Bevölkerung vor dem Verlust ihrer Unabhängigkeit schärften unsere Wahrnehmung. Plötzlich wurde uns bewusst, welches Glück man hat, in einem Land in Zentral-Europa aufgewachsen zu sein, wo die Sorgen des Alltags oft von anderen Dimensionen sind.

Unser Trip durch die georgischen Berge neigte sich dem Ende zu, und wir waren uns bewusst, dass uns eine ebenso lange Rückreise wie Anreise bevorstand. Dieses Mal wählten wir jedoch die Route über Batumi, eine pulsierende Stadt am Schwarzen Meer, um die letzten Tage unseres Urlaubs noch gebührend abzuschließen. Etwas müde brachte uns ein Delica wieder nach Kutaissi, wo unser Flieger schon auf uns wartete. Nach der Landung in Memmingen brach im Flugzeug ein begeisternder Applaus aus – ein spontanes Dankeschön an die Crew oder vielleicht die pure Anerkennung an die Piloten? Ein Blick durch die Reihen, ein gemeinsames Schmunzeln – wir alle teilten diesen Augenblick der doch etwas unerwarteten Fröhlichkeit und während wir uns auf die heimischen Berge freuten, ahnten wir noch nicht, dass die eigentliche Powdersaison im Jahr 2023 erst Mitte März so richtig durchstarten würde!

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