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Dienstag, 09 Februar 2021 14:03

Alpinistin Caro North im Interview

Caro North hat sich in den letzten Jahren einen Namen gemacht - als ehrgeizige, ambitionierte Alpinistin. Sie hat ein Palmares, das Kenner mit der Zunge schnalzen lassen. Wir haben uns mit ihr (online) zum Interview getroffen.

Hi Caro! Danke, dass du dir für uns Zeit nimmst! Wie geht’s dir denn?
Ja top, sauviel Schnee hats hier gerade (lacht).

Dann gleich los ins Interview! Ist dein Nachname denn so etwas wie die self fulfilling prophecy? Immer rauf?
Wahrscheinlich ist das so! Mit diesem Namen muss man ja fast Nordwände klettern und steile Nordhänge mit den Ski befahren… (lacht)

Wie bist du denn auf die Berge gekommen? Nur nach dem Skifahren zu fragen, erscheint mir fast zu einseitig für dich.
Tatsächlich kam das Skifahren zuerst. Ich bin in der Schweiz geboren und hab mit 3 Jahren angefangen, Ski zu fahren. Meine Eltern hatten immer schon in der Nähe von Verbier ein Haus, da ist es wohl ganz normal, dass man von klein auf auf Ski gestellt wird.

Mein Erstkontakt zu den Bergen ist also sicher auf Ski passiert. Später hab ich dann mit meinen Eltern viele Touren in den Bergen gemacht, von Hütte zu Hütte. Da mir immer die Kletterpassagen besonders Spaß gemacht haben, haben sie mich dann später in eine Klettergruppe beim Alpenverein gesteckt.

Vom Hobby zum Beruf ist es dann ja immer noch ein weiter Weg…
Ja stimmt. Ich bin dann auch Wettkämpfe geklettert, hab aber eigentlich immer schon das Abenteuer draußen gesucht. Mit 16 war ich dann auf meiner ersten Expedition. Ich habe damals in Argentinien gewohnt und mich auf zum Aconcagua gemacht. Und das hat mir voll getaugt, Expeditionen zu machen, das war für mich echt „Wow!“
Also bin ich immer weiter auf Expeditionen gegangen und mit der Zeit ist das zunehmend professioneller geworden. Und irgendwann war ich dann auch im DAV Expeditionskader, da hat sich das dann für mich sehr schnell weiterentwickelt.

Wie haben Deine Eltern denn darauf reagiert, dass du mit 16 auf eine Expedition wolltest?
Die haben mich voll unterstützt, sie mussten auch alle Formulare für mich ausfüllen, damit ich überhaupt zum Aconcagua konnte. Meine Eltern haben mir hier die Straße geebnet und den Weg eröffnet, ihnen verdanke ich, dass ich das machen konnte.

Wie siehst du deine Zeit im DAV Expedkader im Nachhinein?
Das war eine extrem coole Zeit, wir haben so viel miteinander gemacht. Ich konnte extrem viel dazulernen, vor allem im Eis und Mixed-Gelände. Ich hab vorher schon Erstbegehungen gemacht und war viel im Fels unterwegs, aber in diesen Bereichen war ich noch nicht so fit. Der Expedkader war für mich das Sprungbrett am Weg zum Profiathleten. Plötzlich gabs eine Plattform, und wir haben auch während der Zeit viele Touren zusammen gemacht.

War das der letztlich ausschlaggebende Punkt an dem du dich entschieden hast, Bergführerin werden zu wollen?
Den Traum hatte ich tatsächlich vorher schon, seit meinem Abi hab ich davon geträumt, Bergführer zu werden. Ich wurde regelrecht ausgelacht, wenn ich das erzählt habe, das konnte sich einfach niemand vorstellen in Darmstadt, was das sein soll, ein Bergführer. Mir fehlte sicher noch die Erfahrung, deshalb wollte ich vor der Ausbildung auch noch mehr Erfahrungen sammeln und mein Profi-Alpinismus-Ding durchziehen. Das lief ganz gut…

Wie war die Ausbildung für dich? Bergführerinnen sind ja immer noch relativ selten.
In der Schweiz ist die Bergführer-Ausbildung sehr selektiv, man muss immer alle Module bestehen, um weiter machen zu können. Ich hab zum Glück immer bestanden und konnte die Ausbildung sozusagen „zeitgerecht“ absolvieren. Am Anfang waren wir noch mehr Mädels, aber am Ende war ich dann in meinem Jahrgang die einzige.

Ich hatte damit nie ein Problem, ich wurde immer gleichbehandelt, sowohl von den Ausbildern als auch von den anderen in der Gruppe, das fand ich schon genial. Es macht auch Spaß und ist wirklich gut, aber wenn du eine 20-tägige Ausbildung zusammen mit 30 Männern, dann wünschst du dir schon manchmal mit einem anderen Mädel reden zu können.

Hast du denn das Gefühl, dass du als Bergführerin Entscheidungen manchmal anders triffst als deine männlichen Kollegen?
Hmmm… Hin und wieder schon, aber ich glaube, dass es vor allem eine Typsache ist, wie du Entscheidungen triffst. Es gibt männliche Bergführer, die einfühlsamer sind als andere und die besser auf ihre Gäste eingehen können als andere, aber das ist bei Frauen dasselbe, würde ich sagen.

Ich glaube aber, dass ich als Frau besser auf ganz praktische Probleme von Frauen am Berg eingehen kann. Also sowas wie mit Klettergurt und zehntausend Sachen dran pinkeln (lacht). Ich kann das halt auch verstehen, wenn eine sagt sie ist total platt, sie hat ihre Tage, da tut sich ein Mann wahrscheinlich schwerer.

Ansonsten denke ich wirklich, dass das ganz stark Typsache ist, wie man als Bergführer entscheidet. Es gibt Bergführer, die ihre Entscheidungen ganz anders fällen wie ich, es gibt aber auch welche, die sehr ähnlich entscheiden. Aber natürlich gibt’s Unterschiede, wie in jedem Beruf. Ich hab sicher nicht so viel Kraft wie ein Mann, kann das aber mit Technik wett machen. Wo ich an meine Limits komme ist aber auch klar: Ich kann niemanden führen, der 100 Kilo wiegt und riesengroß ist, aber das kann auch ein kleiner Mann nicht.

Zurück zu deinen Expeditionen. In einer Dokumentation sagte jemand über dich: „Weit weg sein und unterwegs sein ist ihr Traum, heimkommen fällt ihr dagegen manchmal schwer.“ Wie ist es dir da mit Corona gegangen?
Haha, ja. Ehrlich gesagt ist es mir ganz gut gegangen. Corona hat mich dazu gezwungen, auch mal zuhause zu bleiben und mich mit mir selbst zu beschäftigen, und mir für Dinge Zeit zu nehmen, die mich wirklich beschäftigen. In den zwei Jahren davor habe ich viele Freunde in den Bergen verloren, habe mir aber nie wirklich die Zeit dafür genommen, das zu verarbeiten. Ich bin von einer Reise zur nächsten, von einem Arbeiten zum nächsten. Deshalb hat es mir eher gutgetan, mal ruhiger machen zu müssen, mir Zeit für mich selber zu nehmen und auch meinem Körper die Zeit zum Regenerieren zu geben.

Im Endeffekt habe ich aber sehr viel in der Schweiz gemacht, da gibt es noch so viel zu entdecken, dass einem die Ideen nicht so schnell ausgehen (lacht).

Zahlreiche deiner Projekte, zum Beispiel die Antarktis-Expedition, würden viele als „extrem“ bezeichnen. Ist „extrem“ eine Eigenschaft, mit der du dich selbst beschreiben würdest?
Ich weiß nicht, extrem ist ein großes Wort, aber ich habe schon das Gefühl, dass ich in vielen Dingen anders bin als andere Leute. Ich ziehe mein Ding durch und auch mein Lebensrhythmus unterscheidet sich ziemlich von dem der meisten anderen.

Deshalb fällt mir oftmals das Zurückkommen so schwer, weil ich gefühlt total gegen den Rhythmus der Gesellschaft lebe. Alleine schon, dass ich unter der Woche frei habe und am Wochenende arbeite. Dann habe ich zwei Monate frei und bin dann wieder durchgehend wochenlang am arbeiten unter Hochdruck, während für alle anderen der normale Trott weiter geht. Ich komme dann wieder und habe so viel erlebt, aber hier ist alles immer noch ganz normal.

Manchmal ist dieses Zurückkommen dann nicht so leicht und ich fühle, dass ich ein ganz anderes Leben als die meisten führe. Vielleicht ist es schon auch ein Leben der Extreme, ich bin auch jemand, der Vollgas unterwegs ist, Vollgas am Berg ist. Du hast eine unwahrscheinlich intensive Zeit, bringst deinen Körper an seine absolute Leistungsgrenze – was ich auch total gerne mache, meinen Körper voll fordern – und dann kommt danach aber auch immer ein Tief. Weil mein Körper das zurückfordert, was er braucht.

Mein Leben ist sicher eines der Extreme, bei mir kommen komplette Hochs auf komplette Tiefs. Aber das suche ich auch, immer in der Mitte bleiben, das bin ich einfach nicht.

Auf welche deiner Leistungen bist du besonders stolz, wenn du zurückdenkst?
Das ist sicher die erste Frauenseilschaft-Begehung am Cerro Torre, damit hab ich mir auch ein bisschen meinen Namen gemacht. Auch weil ich drei Anläufe gebraucht habe. Schon im ersten Jahr war ich drei Seillängen vorm Gipfel unterwegs, musste dann aber umdrehen. Im nächsten Jahr hatten wir überhaupt keine Chance, den Cerro Torre anzugehen. Im dritten Jahr hats dann endlich geklappt.

Das ist schon ein Riesenerlebnis, wenn du so viel Zeit in eine Expedition reingesteckt hast. Das ist dann schon was, wo du denkst: „Boah, krass! Und cool, dass es dann endlich geklappt hat.“

Du hast schon so viele spannende Projekte verwirklicht. Was steht denn noch auf deiner Bucket List?
Es gibt noch extrem viel, von dem ich träume, auch in Sachen Expeditionen. Was ich jetzt gemerkt habe, dass es mich immer stärker dahinzieht, weniger zu fliegen. Ich war viele Jahre sehr viel mit dem Flugzeug unterwegs und spüre im Moment, dass ich sehr gerne mehr mit dem Segelboot machen will. Also mit dem Segelboot nach Grönland, mit dem Segelboot nach Baffin Island, und dann vom Boot aus klettern.

Mit dem Segelboot in die Antarktis war ein unglaubliches Erlebnis, man muss sich halt die Zeit dafür nehmen. Das ist ganz einfach: Wenn du nicht mit dem Flugzeug reist, musst du dir Zeit nehmen, weil alle anderen Möglichkeiten viel länger dauern. Aber ich bin dafür bereit, mich reizt das Abenteuer und ich denke, es ist wichtig zu versuchen, anders zu reisen. Ich würde auch gerne wieder in die Antarktis, da gibt es noch viel zu tun (lacht).

Was ist denn das schönste für dich am Reisen?
Die ganzen neuen Erfahrungen, die du machst. Und die Menschen, die du triffst. Für mich sind die Menschen, die ich auf meinen Reisen kennen gelernt habe und mit denen ich diese Erlebnisse teile, sehr wichtig. Das Entdecken neuer Kulturen, aber natürlich auch von neuen Bergen und Landschaften. Für mich ist es ein Zusammenspiel von neuen Kulturen, neuen Bergen und den Menschen.

Und das beste am Heimkommen?
Dass man seine Freunde wieder trifft. Das ist für mich unterwegs schon schwierig, dass man niemanden sieht. Und meine Freunde und meine Familie wiederzusehen ist schön. Das ist das, worüber ich mich am meisten freue. Ansonsten bin ich persönlich nicht auf einen Ort fixiert, wo ich mein ganzes Leben bleiben will oder muss.

Und kocht deine Mama für dich, wenn du heim kommst?
(Lacht): Ja, das was ich mir wünsche. Im Gegensatz zu früher, wo sie geschaut hat, dass ich selbstständig bin und selbst für mich kochen kann, das ist jetzt genau umgekehrt, jetzt fragt sie, was ich gerne essen würde. Ist auch schön (lacht).

Zum Schluss: Müsstest du dich entscheiden – Skifahren oder klettern?
Oh, was für eine gemeine Frage! Ich finde gut, dass ich immer den Wechsel von beidem habe. Hmmm, aber wenn ich eines gar nicht mehr machen könnte (überlegt)… oh làlà, da wär ich aber traurig…

Wie schön, ich hab was gefunden, wo du keine Entscheidung treffen kannst. Du bist kommende Woche ja schon wieder unterwegs, deswegen von unserer Seite nochmal danke, dass du dir zeit für das Interview genommen hast! Und viel Erfolg und Spaß bei deinen nächsten Abenteuern!
Gerne, hat mich sehr gefreut!

Zur Person:
Caro North
Alter: 29
Beruf: Alpinistin und Bergführerin
Homespot: La Tzoumaz/Verbier
Sponsoren: Völkl, Mammut, Julbo, Scarpa,
Karrierehighlights:
2. Winterbegehung des Walkerpfeilers an den Grandes Jorasses in einem Tag, 2019
Skiexpedition mit dem Segelboot in die Antarktis, 2018
Erstbegehungen in Alaska und British Columbia in Fels und Eis, 2018
Erstbesteigung und Befahrung mit Ski des Cerro Gallie in Patagonien, 2017
Erstbesteigung Monte Iñaki, 5300m, Kishtwar, 2016
Erste freie Frauenseilschaft auf den Cerro Torre, 2015
Onsight-Begehung von Astroman, Yosemite 2015
Bigwall-Erstbegehung in Albanien, 2010
Mitglied im ersten DAV Damen-Expeditionskader

Media: @caronorthofficial

Publiziert in People