Zu Besuch in der Lawinenwarnzentrale Bayern

Von Bernhard Scholz am 18.Mär. 2013

Nachdem wir das letzte Mal mit Kristian Rath am Berg unterwegs waren und ein Schneeprofil gegraben haben, schauen wir uns heute an, wie die gesammelten Daten weiterverarbeitet werden und daraus schließlich der Lawinenlagebericht entsteht.

Im Bayrischen Landesamt für Umwelt (BLU) in München hat die Lawinenwarnzentrale (LWZ) ihren Sitz. Wir werden von Dr. Bernhard Zenke empfangen. Er führt kurz durch die Räumlichkeiten und stellt seine 5 Mitarbeiter vor. Dann übergibt er uns an Georg Kronthaler, der gerade Dienst hat. Georg ist Berg- und Skiführer, außerdem kennt er sich sehr gut mit der notwendigen Informationstechnik aus. Von den Serverkapazitäten des BLU bekommt die LWZ den notwendigen Teil ab und es muss sich natürlich jemand darum kümmern.

Zentrale Sammelstelle
Wir sitzen in einem großen Raum mit mehreren Rechnern, großen Tafeln und Schaubildern sowie einem Konferenztisch. Hier ist die Zentrale, hier laufen die Daten zusammen. Auch der Schneedeckenbericht von Kristian Rath zählt dazu. Neben Rath gibt es noch 13 weitere dieser "Nachmittagsbeobachter". Sie übermitteln die gesammelten Werte direkt nach ihren Beobachtungen per Mail, Fax oder einfach am Telefon. Hinzu kommen die Daten von fünf ehrenamtlichen "Frühbeobachtern" - die schon ganz früh morgens etwa um halb sechs melden, wie die Situation an sieben Beobachtungsstationen ist. Letztlich gibt es noch 19 Schneemessfelder an denen alle zwei Wochen zusätzlich Schneeprofile erstellt werden.

Der frühe Vogel
Um den Lawinenlagebericht täglich zu erstellen, werden all diese Daten und der aktuelle Wetterbericht gebündelt sowie ausgewertet. Der Ablauf beginnt für den Diensthabenden sehr früh morgens. Schon um 4:00 Uhr heißt es aufstehen um rechtzeitig gegen 6:00 Uhr in der Zentrale zu sein. Keiner der Mitarbeiter der LWZ wohnt direkt in München - zumindest muss man um diese Uhrzeit noch keine Verkehrsstaus ausharren. Die Auswertung stützt sich dann in weiten Teilen auch auf Erfahrungswerte. Seit 1967 arbeitet die LWZ, Erfahrung ist also sehr viel vorhanden. Ergänzt wird dies durch immer ausgefeiltere Methoden am Rechner.

Messen, messen, messen
Auf den Bildschirmen kann man live sämtliche Daten der Messstationen abrufen. Das beginnt bei Schneehöhe, Windrichtung und -stärke, nächtliche Abstrahlung, Feuchtegehalt, Luft- und Schneetemperatur und noch einigen weiteren Werten die für Laien kaum noch verständlich sind. Daraus ergibt sich ein Bild über die lokalen Veränderungen was Grundlage für den aktuellen Lagebericht ist. Der Bericht wird täglich neu geschrieben und wer ein aufmerksamer und langjähriger Leser ist, der kann sogar erkennen wer gerade Dienst hat.

Der Bericht im Detail
Georg erklärt uns anschließend noch darüber auf, wie der Bericht gelesen werden muss. Von oben nach unten werden die Informationen immer detaillierter. Wer also einen groben Überblick braucht, der liest nur den ersten Absatz. Wer es ganz genau wissen will liest alles. Eines ist dabei immer wichtig zu wissen, die Gefahrenstufen und auch die einzelnen Details, gelten nie für einen einzelnen Hang, sondern immer für ein relativ weitläufiges, etwa 100 km² großes, Gebiet. Innerhalb dieses Bereichs kommt es zu den beschriebenen Ausprägungen. Lokal kann es jedoch durch Abschattung, Höhenlage, Düseneffekte, ständiges "Umgraben" in Skigebieten oder auf Modetouren usw. völlig anders aussehen.

Die Praxis I
Der Blick in die Schneedecke - selbst innerhalb eines konkreten Einzelhangs - ist daher nie verkehrt. Georg hat uns dann auch mit der Aussage überrascht, dass Triebschnee oftmals gar nicht so schlimm ist. Er ist dann gefährlich, wenn er auf eine mögliche Gleitschicht fällt. Erst wenn die Verbindung mit dem Untergrund schwach ist, kommt es zu Schneebrettern. Das ist auch logisch, wenn man es sich mal kurz überlegt. Ein mächtiges Triebschneepaket das sich gut mit der Schicht darunter verbunden hat bietet dagegen recht viel Sicherheit. Auch logisch.

Die Praxis II
Entscheidend ist dabei auch die Dicke der jeweiligen Schichten. Für einen einzelnen Skifahrer ist es beispielsweise sehr schwer einen Auslösepunkt zu treffen, der tiefer als 70 cm liegt. Die Schicht darüber verteilt den Druck. Bei mehreren Schichten gilt natürlich das gleiche: Je tiefer sich die Schwachschicht befindet, desto geringer die Chance/das Pech, die darüber liegende Schicht durch das eigene (Zusatz)Gewicht auszulösen. Große Mengen Neuschnee, die relativ kompakt fallen, können daher tatsächlich auch schnell zu relativ sicheren Verhältnissen führen.

Die Verteilung
Der Lawinenlagebericht wird natürlich möglichst breit verteilt damit er von möglichst vielen aktiven Wintersportlern gesehen und gelesen wird. In der Saison 10/11 wurden 139 Lageberichte und 6 Kurzfinformationen zur Lawinenlage erstellt. Diese wurden 1.110.113 mal über das Internet abgerufen. Hinzu kamen die Zugriffe auf das anschauliche Material auf der Website (sehr zu emfehlen!). Den Lagebericht als Newsletter bekamen 4300 Empfänger. Wie viele Personen noch die Bandansage abgehört und die Videotexttafel des BR3 (Seitennummer 646) aufgerufen haben, lässt sich nicht mehr sagen. Die einzelnen Möglichkeiten, wie man den Bericht empfangen kann, haben wir unten in den jeweiligen Links hinterlegt.

Lawinenkommissionen
Aber mit der Erstellung des Lageberichts hören die Aufgaben der Lawinenwarnzentrale noch lange nicht auf. Sie ist ebenfalls dafür zuständig den 35 Lawinenkommissionen, bestehend aus insgesamt rund 350 ehrenamtlichen Personen, die notwendigen Hilfestellungen zu geben wenn es etwa um Straßensperren oder dergleichen geht. Die erfolgreiche Bilanz bis jetzt: Seit dem Bestehen der Zentrale kam es dort wo etwas gesperrt wurde zu keinem tödlichen Lawinenabgang im bayrischen Alpenraum. Die Krux bei der Sache, so Georg, ist jedoch eine Sperrung wieder aufzuheben. Gesperrt ist leicht - die Sperre wieder aufzuheben ist deutlich schwieriger zu entscheiden.

Gutachten
Und wenn doch etwas passiert - bislang wie gesagt nur bei Wintersportlern, nicht auf Straßen oder in Ortschaften - dann wird polizeilich ermittelt und die Mitarbeiter der Lawinenwarnzentrale stehen als Gutachter bereit. Da muss dann meist direkt zum Unfallort gefahren und die Situation möglichst taufrisch untersucht werden. Die Erkenntnisse  dienen den entscheidenden Richtern bei ihrer Arbeit. Gutachten werden darüber hinaus auch für den Straßen-, Brücken- und Gebäudebau erstellt. Insbesondere der Chef, Dr. Zenke, hat sich auf diesen Gebieten international einen Ruf als Koryphäe erarbeitet. Wenn in heiklen Gegenden gebaut wird, dann klingelt bei ihm das Telefon.

Ausbildung
Damit die einzelnen Lawinenkommissionen möglichst eigenständig arbeiten können, bildet die Lawinenwarnzentrale natürlich aus. Ständig finden Lehrgänge statt, um die Mitglieder der Kommissionen auf einen noch besseren Kenntnisstand zu bringen. Und da Bayern nicht alleine auf der Welt ist, treffen sich die Mitglieder der Lawinenwarnzentrale regelmäßig mit ihren Kollegen aus Tirol, Salzburg und der Schweiz - auch das dient dann letztlich der Wissensvermittlung - in alle Richtungen.

Abschluss
Nach ein paar Stunden haben wir Georg dann genug Löcher in den Bauch gefragt und verabschieden uns. Die meisten der Mitarbeiter in der Lawinenwarnzentrale sind übrigens selbst als Wintersportler aktiv und wissen daher auch, auf was es ihren Gleichgesinnten am Berg wirklich ankommt. Uns hat der Besuch eine riesige Fülle an Informationen gebracht und auch neue Erkenntnisse für die persönliche Tourenplanung und Durchführung haben wir mit im Gepäck. Vielen Dank an der Stelle an das Team um Dr. Bernhard Zenke und insbesondere Georg Kronthaler.

In der nächsten Folge sind wir dann bei einer Lawinenkommission zu Besuch und schauen zu wie ein Skigebiet reagiert, wenn es daran geht die Pisten zu sichern.

Diese Reportage schließt an unseren Artikel "Unterwegs mit dem Bayerischen Lawinenwarndienst" an, welcher die Analyse des Schneedeckenaufbaus in der Praxis wiedergibt.
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Hierbei handelt es sich um ein digitales 3-Antennen-Lawinenverschüttetensuchgerät, welches dank Eintastenbedienung und übersichtlichem Display besonders leicht verständlich und unkompliziert in der Handhabung sein soll. Zur Liste der Features gehören u.A. auch die Signalanalyse, eine Verschüttetenliste sowie eine Markierfunktion, welche beim Szenario einer Mehrfachverschüttungen zum Tragen kommt.

Im Vergleich zum "großen Bruder", dem Barryvox Pulse wurde bei diesem Modell u.A. auf einen Analogmodus und die Anzeige von Vitaldaten bei Verschütteten verzichtet.

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