Learning by Doing - Das SAAC Basic Camp am Arlberg

Von Julia Meischen, Hans-Martin Kudlinski am 26.Dez. 2012

Wie nahezu jeder andere Sport, so birgt auch das Freeriden einige Risiken. Daher liegt es auf der Hand, dass sich jeder, der oft und gerne im Gelände unterwegs ist, schon vorher über die damit verbundenen Gefahren informieren und entsprechend vorbereiten sollte. An dieser Stelle setzen die SAAC Basic Camps an. Wir waren bei einem dieser Camps vor Ort und geben euch nun einen Einblick in den Inhalt und den Ablauf des kostenlosen Safety-Lehrgangs.

Das Gelände einschätzen, Gefahrenzeichen erkennen, die Lawinenlage beurteilen und im Notfall richtig reagieren: Diese Fähigkeiten vermitteln knapp 30 qualifizierte Bergführer im Rahmen von insgesamt 24 Terminen zwischen November und April. Ins Leben gerufen wurden die SAAC – Snow and Avalanche Awareness Camps – 1998 von Snowboarder Flow Daniaux und Bergführer Klaus Kranebitter. Damals richtete sich das Camp noch regional an die jungen Snowboarder und Skifahrer Österreichs, die sich vermehrt abseits der Piste bewegten. Ein Stück Pionierarbeit, das fortan Früchte tragen sollte.

Heute sind die SAAC Basic Camps regelmäßig stattfindende, sehr gut besuchte Camps verteilt über ganz Österreich, die längst nicht mehr nur von den einheimischen Boardern und Skifahrern besucht werden. Die Teilnehmer nehmen mitunter lange Anreisen aus ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz in Kauf, wie zum Beispiel Sylvi und Daniel aus Berlin. Die gemeinsamen Urlaube verbringen die beiden gern auf der Piste und planen in Zukunft auch abseits der präparierten Abfahrten zu fahren. Off-Piste bewegen sich beide aber nur ruhigen Gewissens, wenn sie sich vorab das nötige Knowhow bezüglich möglicher Gefahrenquellen angeeignet haben.

Zuerst die Theorie
Andere Teilnehmer, wie Johannes (22) und Fabian (21) aus Innsbruck, sind schon länger jenseits der Kunstschneeautobahnen unterwegs. Sie sind zum einen angereist, um mehr über die unverzichtbare Ausrüstung zu erfahren, welche jeder Freerider im Rucksack bei sich tragen sollte. Zum anderen fehlt beiden bisher noch ein umfangreiches Wissen hinsichtlich alpiner Gefahren.

Mit der Vermittlung eben diesen Wissens beginnt der erste als Theorietag deklarierte Teil des Sicherheitscamps. Wider Erwarten handelt es sich jedoch nicht um einen trockenen, mit Infos überladenen „Bergsteiger-Monolog", sondern um einen erfrischend aufgelockerten und einprägsamen Vortrag mit viel Platz für Interaktion und Fragen von den Teilnehmern. Kein "Frontal-Unterricht" also - vielmehr handelt es sich um einen Dialog auf Augenhöhe.

So erarbeiten die Bergführer Robert Monz und Gerhard Mössmer gemeinsam mit den insgesamt 50 Teilnehmern bunt gemischten Alters, welche Lawinenarten zu unterscheiden sind, welche Gefahrenanzeichen es gibt und was hinter den ausgegebenen Lawinenwarnstufen steckt. Eingesträute zynische Sprüche a la „wenn dich hier eine Lawine durch die Verbauung drückt, dann kommst du dahinter als Pommes wieder raus" lockern die Stimmung, ohne jedoch den Ernst hinter der Sache aus den Augen zu verlieren.


Der Praxistag am Arlberg
Das vermittelte Wissen vom Vortag im Hinterkopf geht's dann am nächsten Morgen in Begleitung der Bergführer hoch auf den Berg. Wer keine eigene Sicherheitsausrüstung besitzt, der kann sich LVS, Sonde und Schaufel kostenlos von den Bergführern leihen. Nicht geliehen werden kann allerdings die Fahrpraxis im freien Gelände. Eine gewisse Vorerfahrung in Sachen Fahrtechnik im Gelände sollte hier nämlich bereits vorhanden sein, denn das Label "Basic" bezieht sich in erster Linie auf die Sicherheits-Thematik.

In der Praxis geht es dann darum, sich das Erlernte vom Vortag ins Gedächtnis zu rufen und direkt am (Arl)Berg anzuwenden. Zunächst werden Kleingruppen gebildet und der aktuelle Lawinenlagebericht im Detail gemeinsam durchgesprochen. Im Anschluss messen die einzelnen Teams auf ihrem Weg durchs Skigebiet und unter Hilfestellung des Bergführers immer wieder die Hangneigungen, halten Ausschau nach gefährlichen Geländeformen, bestimmen unter Rückbesinnung auf den LLB Wind- und Himmelsrichtungen und lernen Gefahrenanzeichen zu deuten und diese in der Folge zu umgehen. Das Graben eines Schneeprofils und das Durchführen eines Rutschblocktest sorgen zudem für einen interessanten Einblick in das komplexe Thema der Schneekunde.

Auch die eigenen Fähigkeiten sind immer wieder Thema. „Schlechte Sicht gleich Verzicht" legt der langjährige Bergführer Robert Monz nahe – auch der beste Fahrer könne das Gelände bei ungünstigen Sichtverhältnissen nicht einschätzen und riskiere dadurch Stürze und durch die Zusatzbelastung für die Schneedecke in der Konsequenz auch das Auslösen einer Lawine. Das Thema Selbstüberschätzung in Verbindung mit vermeintlichen "Traumbedingungen", wie etwa dem ersten Sonnentag nach ergiebigen Schneefällen, wird dabei als einer der Hauptauslöser für Lawinenunglücke angeführt. Daher wird immer wieder zum Hinterfragen der eigenen "Befangenheit" aufgerufen.

Verschüttetensuche am Nachmittag
Was im Falle eines Lawinenabgangs und der Verschüttung von Fahrern zu tun ist, das zeigen die Bergführer ihren Teams am Nachmittag. Nachdem Sonde, Schaufel und LVS einsatzbereit sind, werden kleine Suchteams gebildet. Innerhalb dieser Teams wird dann jeweils ein Rucksack mit einem LVS im Sendemodus vergraben. Dieser muss im Anschluss von den Teammitgliedern gesucht und geborgen werden. Natürlich handelt es sich dabei um eine Trockenübung, die nicht annähernd an die Bedingungen beim Ernstfall herankommen.

Jedoch lernen gerade Einsteiger die Grundlagen im Umgang mit dem LVS-Gerät, das Sondieren und das Freischaufeln eines Verschütteten – wichtige Basics, die bei einem Lawinenunglück Leben retten können. Dass dieses Vorgehen allerdings im Anschluss an das Camp so oft wie möglich wiederholt werden sollte, muss jedem bewusst sein. Ein einmaliges Durchspielen des Szenarios gibt dem Teilnehmer lediglich das Rüstzeug, um das Erlernte eigenständig zu wiederholen und irgendwann in "Fleisch und Blut übergehen zu lassen". Hier kommt die bekannte Eigenverantwortlichkeit ins Spiel.


Fazit
Ob Skifahrer oder Snowboarder – all denen, die gern den Blick über den (Teller-)Rand der präparierten Pisten werfen möchten, ist das SAAC Basic Camp wärmstens zu empfehlen! An nur zwei Tagen wird hier wirklich sehr viel interessantes Know How und wertvolle Tipps vermittelt. Trotz der enormen Komplexität, die das Thema Sicherheit am Berg mit sich bringt, gelang es dem Team, die notwendigen Grundlagen so abzudecken, dass die Teilnehmer mit einer größeren Kompetenz und einem sensibilisierten Sicherheitsbewusstsein ins Gelände fahren können.

Die Anregung, sich auch nach Beendigung des Camps weiterhin immer wieder mit der Thematik auseinander zu setzen, kam bei den Teilnehmern an. So hielt auch Sylvi aus Berlin für sich fest, dass es sich um einen ständigen Prozess handelt: "Ich habe mich zwar schon vorab durch die Lektüre einiger Bücher über die unterschiedlichen Punkte informiert, aber schon bei der Theorie-Einheit habe ich gemerkt, dass man nicht mehr so "up-to-date" ist, wenn man sich nicht wirklich regelmäßig damit beschäftigt."

Für die beiden Bergführer Robert und Gerhard hat sich das Wochenende am Arlberg auf jeden Fall gelohnt. Zum einen, weil das Basic Camp erstmalig in St. Anton stattfand und sehr gut verlaufen ist. Zum anderen, „weil mit jedem Wochenende und jedem weiteren Teilnehmer vielleicht ein weiteres Lawinenunglück verhindert werden kann", so hofft Mössmer.

Wer bereits das SAAC Basic Camp absolviert hat, der kann und darf gerne an der Fortsetzung – dem SAACnd Step Camp – teilnehmen. Bei dem drei- bis fünftägigen Aufbaukurs steht dann das alpine Erleben im Vordergrund. Wichtig hier: Das routinierte Fahren im Tiefschnee, sowie das mehrstündige Aufsteigen sollten kein Problem sein! Alle Informationen hierzu findet Ihr auf www.saac.at.
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