Lawinenausrüstung

Von Julia Schwarzmayr am 27.Okt. 2016

Der Winter naht in Riesenschritten und die meisten von uns haben schon die ersten Skitage hinter sich. Auch wenn die tiefen Powder Days erst kommen wäre jetzt die Zeit, die Lawinenausrüstung mal durchzuchecken. Das „mach ich, wenn es soweit ist" endet doch bekanntermaßen ziemlich oft so: es schneit, du willst so schnell wie möglich auf den Berg, die Überprüfung bleibt auf der Strecke...

Dass das Thema Sicherheit abseits der Pisten eine zentrale Rolle einnimmt, sollte jedem Freerider bewusst sein. Ebenso, dass es dabei nicht nur darum geht, die entsprechende Ausrüstung dabei zu haben und damit umgehen zu können, sondern auch, dass Prävention stets der beste Schutz ist. An erster Stelle steht immer die Eigenverantwortung der Sportler, umsichtig und defensiv vorzugehen, statt bedenkenlos der Versuchung von Neuschnee und der ersten Abfahrt zu erliegen. Eine detaillierte Tourenplanung inklusive Lektüre von Lawinenlage- und Wetterbericht, Kartenstudium und Routenwahl bis zur situativen Beurteilung vor Ort sind die Grundlage jedes guten Freeridetages. Manchmal muss man aber auch unangenehme Entscheidungen treffen und eventuell umdrehen. Trotz aller Sicherheitsvorkehrungen lassen sich nie sämtliche Risiken im freien Gelände vollständig eliminieren. Durch richtiges Verhalten und die passende Ausrüstung können sie aber stark reduziert werden. Um die Entscheidung treffen zu können, einen Hang zu fahren oder eben aber nicht, braucht es Wissen. Deshalb sollte der Besuch eines Lawinenkurses für jeden Freerider ein Pflichttermin vor der Saison sein. Wir haben HIER schon mal einige Angebote für euch zusammengefasst.

Betreffend der Ausrüstung gilt immer noch: LVS-Gerät, Schaufel und Sonde sind absolut obligatorisch, der Lawinenairbag eine sinnvolle Ergänzung. Dass man den Umgang mit dem Equipment auch im Ernstfall beherrschen muss, liegt auf der Hand – daher üben, üben, üben! Und Hand aufs Herz: eigentlich wäre man froh, wenn auch die Buddys wissen was zu tun ist, wenns drauf ankommt, oder?

LVS-GERÄT
Bei LVS-Geräten sind digitale 3-Antennen-Geräte der aktuelle Stand der Technik. Diese verbauten 3 Antennen ermöglichen eine wesentlich bessere und somit schnellere Feinortung von Verschütteten. Außerdem kann die Suche intuitiver und damit auch schneller erfolgen. Diese neueren Lawinenpiepser haben meistens auch eine Markierfunktion, die die Ortung bei Mehrfachverschüttungen erleichtert. Die Standardmodelle der verschiedenen Hersteller sind für den Normalverbraucher meist völlig ausreichend. Die Topmodelle sind mit Zusatzfunktionen wie z. Bsp. Einem Neigungsmesser ausgestattet, die Basisversionen mit vereinfachter Bedienung für Jugendliche und Gelegenheitsnutzer gedacht. Fazit: wer regelmäßig im Gelände unterwegs ist, sollte jedenfalls in ein 3-Antennen-LVS investieren, weil schnellere Ortung von Verschütteten deren Leben retten kann.

SCHAUFEL
Beinahe alle am Markt erhältlichen Lawinenschaufeln sind mittlerweile aus gehärtetem Aluminium hergestellt. Zu Plastikschaufeln sollte man keinesfalls greifen, da diese bei niedrigen Temperaturen und kompaktem harten Lawinenschnee brechen können. Es empfiehlt sich außerdem, die Schaufel vor dem Kauf in die Hand zu nehmen, da sich nicht jede Griffform für jeden gleich angenehm anfühlt. Um effizient schaufeln zu können, muss der Teleskopstiel lang genug sein, zusätzlich bietet eine gerade Oberkante eine gute Plattform, um mit Skischuhen kontrolliert die Schaufel in den Lawinenschnee drücken zu können. Schlussendlich sollte die Lawinenschaufel noch möglichst leicht und kompakt sein, damit sie im Rucksack nicht allzu viel Platz wegnimmt.

Mammut hat alle Lawinenschaufeln im Programm mit Stabilisationsrippen und Trittrastern auf der Oberkante ausgestattet, um ein Abrutschen der Skischuhe zu verhindern, wobei das leichteste Modell „Alugator Light" nur 460 Gramm wiegt. Solche Schaufeln mit Trittraster gibt es auch von Pieps oder Camp. ATK Race setzt für den Rennbereich auf Carbon, BCA und Ortovox bieten neu auch eine kombinierte Schaufel/Eisaxt oder ein Schaufel/Eispickel-Gerät an.

SONDE
Die Sonde spielt bei der Punktortung die entscheidende Rolle. Da es im Ernstfall um Tempo geht, muss sie sich schnell zusammensetzen lassen. Dabei ist die Verbindung zwischen den vier bis acht Segmenten entscheidend: scharfe offene Enden sind ungünstig, der Spannmechanismus darf nur sehr wenig Spiel zulassen. Dieser Mechanismus erfolgt derzeit am besten über ein ummanteltes Stahlkabel. Zur Fixierung und Verriegelung gibt es jede Menge unterschiedliche Mechanismen, wobei vor allem Schraubmechanismen sehr zeitaufwändig sind. Zusätzlich sollten Lawinensonden ergonomisch im Gebrauch und kompakt im Rucksack sein und müssen der mechanischen Belastung standhalten. Auf dem Markt gibt es Sonden aus Aluminium oder Carbon, wobei sich zweitere aufgrund von niedrigem Gewicht und hoher Steifigkeit für den normalen Skitouren- und Freeridegebrauch als hervorragend geeignet erwiesen haben. Da eine Lawinensonde umso instabiler wird, je kleiner ihr Durchmesser ist, sollte (auch bei Carbonsonden) auf einen ausreichenden Durchmesser geachtet werden. Bewährt hat sich eine Länge von 240 cm für den Touren- oder Freerideeinsatz. Sinnvoll ist außerdem eine Zentimeterskalierung auf der Sonde, um die Verschüttungstiefe exakt feststellen zu können. Außerdem gleitet der Schaft der Sonde leichter durch den Schnee, wenn die Spitze größer ist als der restliche Durchmesser.

AIRBAG
Ein Lawinenairbag erhöht die Wahrscheinlichkeit einer geringen Verschüttungstiefe und die Chance, an der Oberfläche sichtbar liegen zu bleiben. Das zugrunde liegende Prinzip nennt man inverse Segregation oder auch Paranuss-Prinzip. In einer sich gleichmäßig bewegenden Masse orientieren sich die kleineren Partikel nach unten und die größeren schwimmen obenauf. Der Lawinenairbag vergrößert das Volumen des Verunfallten und verstärkt diesen Effekt. So bleibt der Körper an der Schneeoberfläche und eine Komplettverschüttung wird verhindern. Dank der Größe und Signalfarbe des Lawinenairbags ist dann eine schnelle Lokalisierung möglich. Das funktioniert wie früher mit den Geschenken in der Cornflakes-Packung: schüttelt man die Packung, schwimmen die größeren Geschenke nach oben und man muss nicht mit der Hand drin herumwühlen, um das Spielzeug heraus zu bekommen.

Ein Lawinenairbag hilft also nicht beim Ausgraben eines Verschütteten – ohne LVS, Sonde und Schaufel dabei zu haben und damit umgehen zu können macht er also keinen Sinn. Trotzdem ist ein Lawinenrucksack eine sinnvolle Investition in die eigene Sicherheit. Der Boom von Freeriden und Skitouren hat in den letzten Jahren zu einer starken Weiterentwicklung der Airbag-Rucksäcke geführt. Nachdem es bis 2013 weltweit nur fünf verschiedene Lawinenairbagsysteme gab, sind mittlerweile in Europa zehn Systeme in unzähligen Rucksackvarianten erhältlich – mehr als 150 Modelle insgesamt. Die etablierten Hersteller wie Mammut und ABS haben ihre langjährig erprobten Systeme weiterentwickelt, andere wie Arc'teryx, Arva oder Ortovox bringen erstmals eigene Entwicklungen auf den Markt.

Der Schweizer Hersteller Mammut hat das seit 2013 verwendete P.A.S. (Protection Airbag System) und das seit 2011 am Markt befindliche leichtere R.A.S. (Removable Airbag System) jeweils zur der 3.0-Version weiterentwickelt. Dabei wurden Auslöseeinheit und –griff neu konstruiert sowie der Ballon überarbeitet. Außerdem gibt es mit dem 18 Liter fassenden Ultralight Removable Airbag 3.0 neu einen Lawinenrucksack mit einem Gesamtgewicht von nur 1,5 kg. Das Gewicht gilt sicher nicht mehr als Ausrede dafür, keinen Airbag dabei zu haben.

Die ABS-Neuentwicklung ist das P.Ride-System: innerhalb einer Gruppe können funkgesteuert entweder nur der eigene Airbag, der eines Einzelfahrers oder aber auch die Airbags aller Gruppenmitglieder ausgelöst werden. Weiters wurden die TwinBags überarbeitet und deren Oberfläche vergrößert.

Black Diamond setzt mit dem JetForce-System weiterhin auf elektronische Auslösung, ebenso das neue VoltAir-System von Arc'teryx. Das Alpride-System verwendet ein anderes Gasgemisch als die Mitbewerber, beim Reactor-System von Arva werden die beiden Teile eines Zweikammerballons getrennt aufgeblasen. Ortovox hat mit dem AVABAG-System ein sehr leichtes und kleines System entwickelt, das sich zu Übungszwecken ohne Kartusche unbegrenzt oft auslösen lassen kann.

Es lassen sich beim Freeriden nicht alle Risiken vollkommen ausschalten – die Überprüfung der Lawinennotfallausrüstung ist aber ein erster Schritt, um sicher durch den Powder zu kommen.

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