Subheadline: Toni Moßhammer & Guido Unterwurzacher - Wenn Blinde sehen lernen

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Wir haben die Bergführer-Kollegen und Freunde Toni Moßhammer und Guido Unterwurzacher zum Gespräch gebeten.
Freeriden hat für uns viel mit Freiheit zu tun, mit der Schönheit der Berge, mit dem Wegkommen von den Menschenmassen. Auffellen, irgendwohin aufsteigen und dann diese eine Abfahrt machen, die sich den ganzen Winter über halt nur an drei Tagen fahren lässt, das ist für uns das wahre Freeriden. 10.000 Höhenmeter an einem Tag im Tiefschnee zu fahren – also mit dem Lift rauf und neben der Piste runter – hat für uns damit eigentlich recht wenig gemeinsam. Trotzdem werden wir fast ausschließlich genau dafür gebucht. Wir selber würden uns eher einen Bergführer als Guide nehmen, wenn wir ein Gebiet nicht kennen: einen Tag lang mit dem Local herumfahren und die Hänge erkunden, und anschließend dann 5 Tage lang alles selber zusammenfahren. Vielleicht ist das vielen aber einfach zu anstrengend, sie wollen auf den Liftkomfort nicht verzichten und sich auch nicht so anstrengen.
Wobei man zufriedene Kunden, die öfter buchen, dann auch wirklich dazu motivieren kann, sich weiterzuentwickeln. Mit denen fährst du das erste Mal neben der Piste, beim zweiten Mal schon kleine Treeruns, dann gehst du einmal eine kleinere Tour und wenns ihnen gefällt, möchten die meisten danach selber schon einen „richtigen" Freeridetag abseits der Massen erleben. Das taugt uns dann schon ziemlich, wenn wir das bei jemandem erreicht haben. Klar müssen die Leute da einigermaßen gut am Ski stehen, aber das siehst eh nach zwei Schwüngen, ob einer nur quatscht. Ist uns aber auch schon passiert, dass ein Gast bei einer Skitour geredet hat wie der Oberpro, und wie wir dann oben stehen sagt er: „Du Guido, ich bin aber nicht der beste Skifahrer..." Der konnte wirklich nicht Skifahren! War jedenfalls spannend, den heil wieder runter zu bringen.

Das ist aber auch unser Job, deswegen nimmt man sich ja einen Bergführer: man möchte heil wieder unten ankommen, am besten mit einem fetten Grinser im Gesicht, weil der Tag so ein Hammer war. Als Bergführer musst du da wirklich immer auf der sicheren Seite sein. Du darfst dich nicht mitreissen lassen und denken „geht schon", wenn du mit guten Leuten unterwegs bist. Es waren schon Eltern bei uns, die uns für einen Tag Freeriden mit einer Gruppe Jugendlichen gebucht hatten. Da hatte es dann Lawinenwarnstufe 3 und beim Treffpunkt haben die Eltern gemeint: „Aber nur, dass Sie das wissen: drei der Väter sind Rechtsanwälte!" Da haben wir dann auch gesagt, wir lassen das. Wir lassen uns auch nicht erpressen. Im Endeffekt sind wir mit den Jugendlichen dann halt flache und sichere Sachen gefahren. Aber passieren kann einfach immer was, 100% Sicherheit bekommst du im Gelände nie.

Wobei die Freerider in diesem Bereich ein tolles Publikum sind eigentlich. Die hören meistens sehr genau zu, was du ihnen erzählst und über den Hang sagst. Da war bei den Contests auch noch nie jemand, der gemeint hat: „Lass den Toni reden!" Sie sind echt daran interessiert, wie der Schnee ist, wie die Landungen aussehen, warum wir was gesprengt haben usw. Auch mit den Gästen, die uns buchen, ist das so. Die kennen sich ja meistens gar nicht aus, und wenn dann sozusagen die Blinden ein bisschen sehen lernen, das macht unheimlich viel Spaß. Das taugt uns voll, wenn sie fragen anfangen, warum wir den Hang jetzt fahren und den anderen nicht, und welche Gefahrenmuster da jetzt vorherrschen. Da musst du selber auch wieder anfangen zu argumentieren und dein Wissen auspacken, echt cool. Wir versuchen, den Leuten ein bisschen was von unserem Wissen mitzugeben, damit sie in Zukunft ein bisschen mehr Verantwortung dafür übernehmen können, was sie im Gelände machen.