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Welcome to Japan!

Kopfschütteln und große Augen ernte ich, wenn ich Leuten in meinem Umfeld erzähle, dass ich im Februar nach Japan in den Urlaub fliege. Wenn ich dann noch hinzufüge, dass ich unter anderem auch zum Snowboarden dort hinfliege, ist die Verwunderung komplett.

Februar 2020

Japan ist eines der schneereichsten Länder der Erde. Das wissen allerdings die Wenigsten - zumindest in meinem Bekanntenkreis. Nicht umsonst haben dort schon zwei Mal die olympischen Winterspiele stattgefunden, 1972 in Sapporo und 1998 in Nagano.
Japan bietet mannstiefen, unglaublich fluffigen Powder mit Tree Runs auf gleichmäßig steilen Vulkanrücken zwischen Birken und Bambus ebenso wie steile, deutlich alpinere Abfahrten in einem Gebirge, das Nihon Arupusu (Japanische Alpen) heißt und dessen höchste Gipfel über 3000 m hoch ist.
Aber Japan ist noch so viel mehr als das - deshalb fliege ich im Februar bereits zum zweiten Mal mit zwei Ramen-Spezln zum Snowboarden in das Land der aufgehenden Sonne. Von München aus gibt es Direktflüge nach Tokio und Osaka, Start in der Weißwursthauptstadt jeweils zur Mittagszeit, Landung morgens gegen 7 Uhr – höchst romantisch bei Sonnenaufgang – im Land der Essstäbchen, Pokemon, Ninjas, Soba-Nudeln und Puki Yuki Schnee. Bei den großen europäischen Airlines ist Skigepäck als zweites Aufgabegepäckstück übrigens praktischerweise im Flugpreis inbegriffen, man sollte es allerdings frühzeitig anmelden.

Viele Tourenanbieter organisieren Skiing Trips direkt von Deutschland nach Sapporo, Hauptstadt der nördlichsten Insel Hokkaido. Nach kurzer Akklimatisierung und Jetlag-Bewältigung in der Stadt (Zeitverschiebung im Winter acht Stunden) geht es anschließend in die großen und bekannten Skigebiete der Insel: Niseko, Rusutsu, Furano. Und nach etwa einer Woche Powderjagd wieder zurück in die Heimat. Freunde organisierter Reisen, die wirklich nur zum Skifahren oder Snowboarden nach Japan wollen, kommen dabei sicherlich auf ihre Kosten. Die Einzigartigkeit des Landes kommt - in meinen Augen - dabei jedoch deutlich zu kurz. Für mich ist es eine gesunde Mischung aus Kultur, Essen, Menschen und dem Wintersport, was einen einzigartigen Trip ins winterliche Japan ausmacht. Daher verbringen wir auf unserer Reise die Hälfte der Zeit mit Brettln, die andere Hälfte damit, Land und Leute kennenzulernen.
Skifahren und Snowboarden kann man hauptsächlich auf den beiden Inseln Honshu und Hokkaido. Honshu ist Japans Hauptinsel mit den größten Städten des Landes (Tokio, Osaka, Yokohama, etc.). Die Bergwelt dort setzt sich zusammen aus klassischen „Felsbergen“, wie die Alpen, und Vulkanen. Auf Hokkaido sind die Erhebungen gänzlich vulkanischen Ursprungs.

Resorts

Die Skigebiete variieren in ihrer Größe zwischen einer einzigen Gondel, die ein Backcountry-Eldorado erschließt, bis hin zu großen Skigebieten wie das Shigakogen Mountain Resort in Nagano mit 83 km Pisten auf Honshu. Liftpasspreise für einen Tag reichen von etwa 35 Euro in kleinen bzw. unbekannteren Skigebieten bis hin zu knapp 70 Euro in Niseko United – dem (auch international) bekanntesten und renommiertesten Skigebiet Japans. Im Preis inbegriffen ist dabei aber – sofern im Gebiet verfügbar – Nightskiing, sodass man sich auf einen Skitag von morgens bis teilweise nach 20 Uhr abends freuen kann. Money well spent!
Der Komfort der Liftanlagen ist allerdings definitiv nicht mit europäischen Standards zu vergleichen. Trotz Temperaturen von teilweise mehr als zehn Grad unter Null und einer ordentlichen Brise Wind kann man seinen verwöhnten europäischen Hintern beim Liften nicht mit einer Sitzheizung erfreuen. Eine Windhaube ist dann das höchste aller Gefühle. Teilweise schwebt man aber auch mit sehr gemütlicher Geschwindigkeit in Einersesseln (eher Gartenstühlen) ohne Fußraste oder gar Bügel bergan.

Nightskiing

Nightskiing wird von den meisten der großen Skigebiete angeboten. Dabei sind mehrere Pisten und Liftanlagen geöffnet und von einem (irgendwie) magisch violet-gelben Flutlicht angestrahlt. In vielen Gebieten läuft dazu Musik aus Lautsprechern an den Liftpfosten: japanischer Pop, Rock oder teilweise auch Japanese Metal. Auch zu den Klängen von N‘Sync haben wir beim Nightskiing schon Abfahrten gemacht. Alles in allem eine sehr entschleunigende, entspannte Kombination – im absoluten Gegensatz zum sich immer schneller drehenden europäischen Skicircus. Und: man steht kaum an den Liften an (außer, es hat die ganze Nacht geschneit und jeder will morgens der erste oben sein – wer kanns ihm verdenken?). Auch auf der Piste ist Platz, die Pisten sind breit, griffig und man kann nach Herzenslust carven und Gas geben. In Japan bin ich zum absoluten Carving-Fan geworden. Und das will als Snowboarder was heißen!
Wer es nicht bis zur letzten Flutlichtabfahrt auf den Brettern, die die Welt bedeuten, aushält, dem sei der Besuch eines Onsens wärmstens ans Herz gelegt. Ein Onsen ist ein heißes Dampfbad, kombiniert mit einer Art öffentlichen, nach Männlein und Weiblein getrennten Waschanstalt, gespeist aus einer heißen vulkanischen Quelle. In Sachen Popularität kann man es mit einer Sauna in Finnland vergleichen. Ein Onsen wird ebenfalls klassischerweise im Adamskostüm betreten, das Tragen von Badekleidung ist teilweise gestattet. Wichtigstes Accessoire ist ein kleines Handtuch, mit dem man beim Verlassen der Becken das Feigenblatt bedeckt. Im Becken selbst sitzend, dient das Handtuch, kurz in Wasser getaucht, als wärmendes oder kühlendes Stirntuch.

Japan kann auch Urig

Aufgrund der teilweise verdammt unwirtlichen Temperaturen zieht es den Wintersportler häufig in Hütten und Restaurants der Skigebiete. Diese sind meist weniger urig als die typischen Holzhütten unseres Alpenraums und bieten - eher im Stil einer Firmenkantine – eine Auswahl an Nudel- und Reisgerichten. Was dem Europäer die Currywurst oder Germknödel ist dem Japaner die Ramen- oder Rice-Bowl, je nach Vorliebe mit paniertem Schweineschnitzel, King Prawns oder Omelette. Für überraschend schmales Geld bekommt man ein üppiges, warmes Mittagessen. Zwei Ausnahmen zu den gewöhnlichen Kantinen seien hier unbedingt noch erwähnt. Im Gebiet Niseko United gibt es eine urige Holzhütte namens „Boyo-so“. Die Hütte liegt an einer der Hauptabfahrten und ist stark frequentiert, sodass man immer ein wenig auf einen freien Tisch warten muss. Hier gibt es, dicht gedrängt sitzend – wer hätte es gedacht – Ramen, Soba, Udon, Japanese Curry und Rice Bowls. Absolut empfehlenswert! Im Annupuri-Teil von Niseko kann man in der kleinen Holzhütte „Paradise Hut“ bei Kaffee und einer Zimtschnecke entspannen. Sehr, sehr gemütlich!
In Furano, nordöstlich von Sapporo im Herzen von Hokkaido gelegen, haben wir ein weiteres kulinarisches Pisten-Highlight entdeckt. An einem kleinen Foodtruck (Rojo Coffee) gab es einen richtig guten Espresso, einen der besten meines Lebens. Die Japaner können definitiv nicht nur Tee, sondern auch Kaffee. Die überraschend ausgeprägte Kaffeekultur des Landes kann man in vielen Städten erleben. In kleinen, mit Liebe zum Detail eingerichteten Cafés, wird Kaffee aus diversen Ländern der Erde, auf verschiedene Arten zubereitet und zu hausgemachtem Kuchen oder Muffins serviert. Und, wichtig für den Reisenden: WIFI ist so gut wie überall verfügbar! Mehr von den japanischen Städten soll später noch berichtet werden.

Japow

Zurück zum Wintersport. Dem versierten Backcountry-Enthusiasten stehen neben den offiziellen, markierten Abfahrten meist noch unzählige Routen im Hinterland zur Verfügung, zu denen man über sogenannte „Gates“ in den offiziellen Skigebietsgrenzen gelangt. Das Schöne an den unzähligen Varianten ist, dass obwohl teilweise stark frequentiert, sich immer und immer wieder ein Fleck unberührtes Weiß findet. Japanische Wälder bestehen klassischerweise aus Laubbäumen, zumeist Birken, die im Winter ihre Blätter verlieren und den Wald sehr licht werden lassen. Die Bäume stehen in idealem Slalom-Abstand. Auch das ein oder andere Pillow erfreut das Herz. So ergibt sich für den Europäer ein völlig ungewohntes Wintersporterlebnis.
Und selbst wenn der zerspurte Hang schon einem Acker gleicht, bleibt der Schnee weich und fluffig, was scheinbar, so sagt man, mit der Nähe zum Pazifik und der salzigen Luft zu tun hat. Und wenn man ein wenig Glück hat und „Puki Yuki snowfall“ ankündigt ist, dann schneit es richtig, aber so richtig, wie aus Eimern, wie ein Vorhang. Japanischer Schneefall ist stärker, als ich ihn bisher je woanders gesehen habe. Nicht umsonst sucht die jährliche kumulierte Schneemenge von mehr als vierzehn Metern in Skigebieten wie Niseko und Rusutsu, aber auch Hakuba auf Honshu, weltweit ihresgleichen.

Safety First

Lawinen und andere alpine Gefahren werden auch in Japan ernst genommen und die aktuelle Situation von offiziellen Stellen (nadare.jp – Japan Avalanche Network) täglich geprüft, eingeschätzt und kommuniziert. Wenn die Gates geschlossen sind, hat es also einen guten Grund und man sollte sich daranhalten. Für Touren ins Backcountry kann es definitiv nicht schaden, eine LVS-Ausrüstung mit sich zu führen. Diese kann praktischerweise in Sportgeschäften und Rental Shops der großen Gebiete auch ausgeliehen werden. Guides für Unternehmungen ins Hinterland, von der Schneeschuhtour bis hin zum Cat Skiing, sind ebenfalls verfügbar und freuen sich auf Touren mit den Westlern.
Das Wetter kann sich in den japanischen Bergen wirklich von einer Minute auf die nächste ändern. Wir sind mit unserem Mietwagen teilweise bei Sonnenschein ins Skigebiet aufgebrochen um fünf Minuten später in einer fiesen Mischung aus Nebel und Schneefall über die völlig verschneiten Straßen zu schleichen. Am selben Tag reißt dann mittags die Wolkendecke auf und beschert einen sonnigen Nachmittag mit Bergpanorama. Ein Wechselglas für die Goggle ist hier definitiv Gold wert (natürlich auch fürs Nightskiing)!

Einen guten Überblick über die unzähligen japanischen Skigebiete inkl. Bewertungen und Zusatzinformationen geben übrigens die Webpages skiresorts.de und powderhounds.com.

DIY

Eine kleine Anekdote zu den vereinzelt unwirtlichen klimatischen Bedingungen und der japanischen Sprache und ihrer Wortentlehnungen aus der englischen Sprache sei an dieser Stelle erzählt. Einer meiner Mitstreiter hat es – vermutlich aufgrund der Kombination aus tiefen Temperaturen und, nennen wir es, „progressiver“ Fahrweise - während des letzten Trips geschafft, einen nicht unerheblichen (Aluminium-)Teil seiner Bindung zu brechen (interessanterweise ist ihm das gleiche Malheur auch vor drei Jahren schon wiederfahren!). Der gewiefte Bastler hat sich kurzerhand Kabelbinder im Baumarkt besorgen wollen. Nachdem der Durchschnittsjapaner außerhalb der Großstädte entweder nur beschränkt des Englischen mächtig ist (oder sich nicht traut zu sprechen) und unsere Japanischkenntnisse bisher leider ebenfalls kaum über „konichiwa“ und „arrigato (mata ne)“ hinausgehen, galt es, das Wort auf Japanisch in einem einschlägigen Wörterbuch nachzuschlagen: Google Translate. Gerade bei Sprachen, die andere Zeichen nutzen als die uns geläufigen, kann Übersetzen per Handykamera, sehr hilfreich, aber auch sehr witzig sein, da sich teilweise äußerst wilde Übersetzungen ergeben. Das japanische Wort für Kabelbinder ist übrigens „Keburutai“. Der findige Fuchs bemerkt beim Aussprechen direkt die Ähnlichkeit zum englischen Ausdruck „cable tie“, nur ein Beispiel von vielen aus einer anderen Sprache ins Japanische übernommenen Worten.

Abseits der Powderjagd

Neben breiten, kaum frequentierten Pisten, Puki Yuki Powder bis zur Hüfte, Nightskiing, Tree runs und heißen Quellen sind es aber ebenso die Städte, die Kultur, die Bevölkerung und definitiv auch das Essen, die einen Trip ins ferne Japan so einzigartig machen. Japan ist, trotz der wie in Deutschland hochgeschätzten Liebe zu Pünktlichkeit und Ordnung, Reinlichkeit und Sauberkeit aber auch Bürokratie, eine völlig andere Welt. Selbst in Asien sticht Japan durch seine Einzigartigkeit heraus. Tokio ist das Finanzzentrum und strahlende Metropole mit riesigen, bunten Leuchtreklamen, Hektik, Anzugträgern (der Japaner sagt, dass man nach Tokio muss, wenn man etwas im Leben erreichen will), U-Bahn-Schläfern und Hochhäusern. Es gibt sogar eigene Viertel für Manga-, Anime- und Gaming-Fans! Die Stadt ist unfassbar sauber, und das, obwohl es seit einem Terroranschlag auf die Tokioter U-Bahn im Jahr 1995 im ganzen Land so gut wie keine öffentlichen Mülleimer mehr gibt.
Osaka ist Tokios Gegenpol, eine „lebende“, nahbare Großstadt, Japans Hauptstadt des Essens. Take away und auf der Straße essen, wie es bei uns Gang und Gebe ist, wird in Japan Großteils mit Argwohn beäugt, in Osaka aber toleriert. Es heißt: Nach Osaka kommt man mit leerem Magen und geht mit leerem Geldbeutel. Speisen werden an allen Ecken serviert, in noch so kleinen Suppenküchen und Grills und auf Märkten. Eine Spezialität ist Okonomiyaki (zu Deutsch „gegrillt nach deinem Belieben“), eine Art Pfannkuchen mit Lauch und allem, wonach einem der Sinn steht. Klassisch, auch in Tokio und anderen Städten sehr beliebt, ist Takoyaki, kleine frittierte Teigbällchen gefüllt mit einem Stück Oktopus (Vorsicht, die Dinger sind innen unglaublich heiß!). Auch Sushi mit allerlei wirklich frischem Fisch findet man in Osaka reichlich: „Itadaki Masu“ (Guten Appetit)!

Kultur

Nach dem Essen stößt man gerne mit Sake an. Dabei handelt es sich keineswegs – wie hierzulande fälschlicherweise oft angenommen - um einen eher lauwarm servierten Pflaumenwein, den es beim Chinesen ums Eck vor und nach der Pekingente gibt. Der Reiswein hat eine Jahrhunderte alte Tradition und steht in seiner Vielfalt den klassischen Traubenweinen in nichts nach. Unbedingt probieren! Den Abend verbringt man gerne in Kneipen (Izakayas) oder amüsiert sich beim Karaoke. Ohne Witz, das ist kein Stereotyp, die Japaner lieben Karaoke! Und sie sind entsprechend gut, haben Stimmen wie Engel. Auch wenn sie vermutlich kein Wort verstehen von dem, was sie da eigentlich singen. Wir konnten mit unseren europäischen Kehlen nicht mithalten – selbst die Backstreet Boys konnten uns nicht retten! In engen Gassen drängt sich Izakaya an Izakaya, Ramen-Shop an Sushi-Laden. Teilweise sind die kleinen Kneipen so winzig, dass inklusive Wirt nicht mehr als eine Handvoll Leute reinpassen. Ein absolutes Must see (and drink)!
Das Bier in Japan ist übrigens sehr schmackhaft. Asahi und Kirin auf Honshu, auf Hokkaido trinkt man traditionell Sapporo. Die Hauptstadt der Nordinsel ist eine sehr junge und lebendige Stadt, insbesondere das Viertel Susukino rund um den Odori-Park, wo nicht nur ein Maibaum als Geschenk der Partnerstadt München zu den Winterspielen ’72 steht, sondern jährlich Anfang Februar das Sapporo Snow Festival stattfindet. Das Fest mit seinen meterhohen Schnee- und Eisskulpturen ist weit über die Stadt- und Landesgrenzen hinaus bekannt und beliebt. Auch in Sapporo reihen sich kleine Bars und Restaurants dicht aneinander, teilweise auch übereinander. Bei eisigen Temperaturen im Februar äußerst willkommene Orte zum Aufwärmen und Stärken.
Tempel und Schreine, wie man sie aus Bruce-Lee-Filmen kennt, findet man in jeder japanischen Stadt. Besonders viele aber im eher ruhigen und gemütlichen Kyoto, der ehemaligen Hauptstadt Japans. Ich bin ja bei Leibe kein großer Kirchenbesichtiger. Aber die expansiven Tempelanlagen dort sind schon sehr beeindruckend!

Der ausdauernde Leser merkt, dass ich noch stundenlang aus dem Land der Samurai, Hello Kitty und Ramen erzählen könnte. Es ist die Kombination aus wirklich großartigen Schnee- und Pistenverhältnissen und dem Land mit seinen Leuten und Eigenarten, seiner Jahrtausende alten Kultur und seiner Kulinarik, die einen Wintersport-Trip nach Japan einzigartig macht. Es gibt so unglaublich viel zu sehen und entdecken. Ich kann es nur jedem empfehlen, es selbst zu erfahren. Man muss es einfach selbst erleben!

Publiziert in Reports
Donnerstag, 24 Oktober 2019 13:45

Crossing Lebanon - Mit Ski durch den Nahen Osten

Zwei Freunde ein Ziel

Neun Tage, 8500 Höhenmeter, 100 Kilometer auf Tourenski und dann thront er vor uns: Der 3083 Meter hohe Qoernet el Swada, der höchste Berg des Nahen Ostens. Unter uns schneebedeckte Gipfel, am Horizont das Meer. Wir sind am Ende unserer Kräfte aber überglücklich. Nico und ich haben uns einen Traum erfüllt und auf Tourenski das Hochgebirge des Nahen Ostens überquert.

„Ihr wollt Skifahren gehen im Libanon?” Das war die häufigste, verwunderte Frage, wenn wir von unserem Wunschziel erzählten. Wer an den Libanon denkt, denkt an den Nahostkonflikt, an trockene Hitze, verdorrte Sträucher, alte, historische Bauwerke, vielleicht noch an Falafel. An Skifahren denkt zunächst niemand. Tatsächlich aber sind hier, wie in einer künstlich erschaffenen Traumwelt, Berge und Meer so nah zusammen, dass Schneedecken und Palmen nur eine Autostunde voneinander entfernt sind. Verliebt in das Land mit seinen Gegensätzen und Möglichkeiten hat sich Nico im Auslandssemester in Beirut. Als leidenschaftlicher Skifahrer hat ihn seit dem seinem Besuch im libanesischen Gebirge ein Gedanke nicht mehr losgelassen: Dort Skitouren und Freeriden zu gehen. Da Nico und ich schon diverse Abenteuer zusammen erlebt hatten, musste auch ich nicht lange von diesem außergewöhnlichen Vorhaben überzeugt werden. Nach Monaten der Planung und Vorbereitung landen wir im Februar 2019 in Beirut, der Hauptstadt des Landes. Der Libanon, auch die „Schweiz des Nahen Ostens“ genannt, ist Finanzhochburg und vor mir türmen sich Wolkenkratzer mit futuristischer Glasverkleidung. Dort treffen wir Halim, Nicos libanesischer Freund, der uns bei unserem Abendteuer begleitet. Halim ist ein erfahrender Tourengeher,
aber einem solchen Wagnis hat auch er sich noch nie gestellt und ist deshalb gespannt und bereit, neue Seiten seines Heimatlands zu entdecken. Da sind wir also: Drei Männer, ein Zelt, Proviant für elf Tage, drei Powerbanks, zwei Solarplatten, drei Kameras und eine Drohne. Das sind insgesamt 25 kg Gepäck für jeden und die Reise beginnt. Wir starten auf 1500 hm in Mzaar, dem größten Skigebiet des Landes, das mich an ein Nobelskigebiet in den Alpen erinnert. Der erste Anstieg führt in Richtung des großen Kessels “Grande Coulée” und schon der Start des geplanten zehntägigen Abenteuers verläuft ganz anders als erwartet. In der ersten Nacht tobt ein Schneesturm und minus 15 Grad Celsius lassen uns im Zelt eng zusammenrücken.

Trotz guter Wettervorhersage erwachen wir am zweiten Tag in dichten Wolkenschleiern mit immer wiederkehrenden Schneestürmen. Wir haben keine andere Wahl, als im Zelt abzuwarten, Karten zu spielen und Tee zu trinken, alles andere als die erwartete abenteuerliche Skitour. Doch die Stunden des Wartens werden am Tag darauf mit einem traumhaften Skitag belohnt. Bei goldenem Morgenlicht ziehen wir die ersten Linien im feinen Pulverschnee.

Auf die atemberaubend schöne Abfahrt folgen bis zur Abenddämmerung vier Stunden GPS-Navigation durch dichten Nebel. Mittlerweile hat sich eine Routine eingespielt: Sobald die Sonne untergegangen ist, schlagen wir schnellstmöglich unser Zelt auf, da die Temperaturen von plus 15 Grad Celsius am Tag auf -15 Grad in der Nacht schnell sinken. Das reichhaltige „Instant-Chilli“ wird zubereitet und schon
gegen 19:30 Uhr rollen wir uns in den Schlafsäcken zusammen. Am Morgen klingelt um 5:00 Uhr der Wecker, nach dem Frühstück erfolgt der Zeltabbau und die Rucksäcke werden neu gepackt. Wir setzen unsere Tour fort und mir wird immer wieder bewusst, dass dieses Gebirge nicht mit unseren heimischen Bergen vergleichbar ist. Hier, unter der Schneedecke begraben, befinden sich Zeitzeugen der „eisigen“ Geschichte des Landes: Alte zerfallene Bunker erinnern an den Bürgerkrieg zwischen Christen und Muslimen in den Jahren von 1975 bis 1990 und auch der Blick über die Grenze nach Syrien bringt mich wiederholt zum Nachdenken.

Wir erreichen das Bergdorf Aaqoura, wo wir uns von Halim nach fünf kräftezehrenden Tagen und einer Erfrierung an der Zehenspitze verabschieden müssen, da er für seine Arbeit nach Beirut zurück muss. Ein wenig sind wir auch neidisch, dass unser Freund die Nächte nun wieder im warmen, gemütlichen Bett verbringen darf. Zu zweit und mit deutlich schwererem Gepäck machen wir uns weiter auf in Richtung Norden. Eine Strecke, die durch eine an Dünen erinnernde Felswüstenlandschaft führt und uns durch das ständige Auf und Ab den Weg und das Leben schwer macht. Es gibt keine schützenden Bäume oder Felsvorsprünge, wodurch wir durchgehend der prallen Sonne ausgeliefert sind. Um genügend Schnee für zum Trinken und für unser Mittagessen zu schmelzen, sind wir zu ausgedehnten Pausen gezwungen.

Im Norden des Landes in der Nähe des zweitgrößten libanesischen Skigebietes finden wir nach Tagen des Auf und Ab endlich Bilderbuch-Abfahrten mit perfektem Powder. Der etwas feuchte Mittelmeer- Neuschnee hat sich gut mit den unteren Schichten verbunden, wodurch das Risiko für Lawinen gering ist. Die weiten Nordhänge mit kleinen Sprüngen lassen mich alle Anstrengungen der letzten Tage vergessen und zaubern mir ein Freudenstahlen ins Gesicht. Doch auf ein Hoch folgt wieder ein Tief. In der folgenden Nacht läuft bei eisiger Kälte meine Thermosflasche, die mich eigentlich wärmen sollte, in meinem Schlafsack aus. Nach einem kurzen Anfall von Panik aus Angst vor dem Erfrieren fällt mir ein, dass ich einen Biwaksack mitgebracht habe, mit dem ich mich in den nassen Schlafsack lege. Ungemütlich aber zumindest etwas geschützt vor den Minusgraden, versuche ich, für einige Stunden Schlaf zu finden.

Am Tag acht unserer Reise nehmen wir Kurs auf den „Endgegner“: den 3083 hohen Qoernet el Sawda. Zwei scheißtreibende Tage, an denen uns zunehmend die Mittagshitze zu schaffen macht, die den Schnee pappig werden lässt, sodass sich schwere Stollen an unseren Tourenfellen bilden. Die Kommunikation zwischen Nico und mir beschränkt sich nur noch auf das Nötigste. Endlich erreichen wir den Gipfel; ein unbeschreibliches Gefühl: Erschöpft, aber gleichzeitig federleicht und überglücklich: Jetzt haben wir es endlich geschafft und sind die höchsten Menschen des Nahen Ostens. Als vermutlich Erste haben wir das libanesische Gebirge von Süden nach Norden mit Tourenski überquert. Die Vorstellung so hoch über dem Orient zu thronen scheint immer noch unbegreiflich.

Nun liegt eine Abfahrt von 2000 Höhenmeter zu den größten libanesischen Zedernwäldern vor uns, wo wir uns am Ende des langen Abenteurers – ganz bayrisch – ein Bier teilen, das uns die Reise über begleitet hatte. Wie Außerirdische, gestrandet auf einem fremden Planeten laufen wir in Skiausrüstung durch das Bergdorf Ehden, vorbei an Einheimischen und orientalischer Architektur. Nach zehn Tagen und 120 Kilometer auf Ski im libanesischen Hinterland sprühen wir voller Stolz und Euphorie: Wir sind nicht nur am Ende aller Kräfte, sondern auch am Ziel unserer Reise, ein Traum wurde wahr.

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Freitag, 12 April 2013 17:10

Das Salomon Soul Side Project

Von Jahr zu Jahr übertreffen sich die großen Freeski-Filmproduktionen immer wieder auf's Neue. Sowohl was das fahrerische Können betrifft, als auch im Bezug auf die Locations. Je entlegener und exotischer, desto besser - zumindest entsteht dieser Eindruck. Dass es sich dabei zwar um Stoff zum Träumen handelt, dieser aber für die wenigsten von uns wirklich einmal in Erfüllung gehen wird, hat das deutsche Salomon Team um Jochen Reiser das "Soul Side Project" ins Leben gerufen. Ziel ist es, sich im Rahmen der Videos auf das Wesentliche und Naheliegende zu beschränken. Denn auch im Alpenraum gibt es genügend Spielraum, um die Begehrlichkeiten der Freeskier zu wecken.
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Dienstag, 24 Januar 2012 17:01

Produktnews: Douchebags - Ein neuartiges Skibag

Unter dem selbstironischem Namen "Douchebags" haben sich sich die Firmengründer der Marke für Accessoires im Wintersportbereich zusammen gefunden. Durch die Mithilfe von Jon Olsson entstand eine innovatives Skibag, das sich variabel auf die aktuell zu transportierende Skilänge anpassen lässt.

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Donnerstag, 27 Oktober 2011 19:00

"A Journey to India" mit Caja und Lena

Selten wurde ein Blick über den eigenen Tellerrand bestraft. Wer sich immer nur in seiner gewohnten Umgebung bewegt, wird irgendwann bemerken, dass das Leben spurlos einem vorüber gezogen ist. Um genau dieses zu vermeiden, machten sich Caja Schöpf und Lena Stoffel nebst Filmer, Felix Urbauer, und Fotograf, Roman Lachner, auf den Weg nach Indien. Die Eindrücke dieses außergewöhnlichen Trips könnt ihr nun dank des „A Journey to India“– Trailers auf euch wirken lassen.

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Wer beim momentanen Blick aus dem Fenster die Selbstdiagnose "Fernweh" stellt, sollte nun hellhörig werden. Denn passend zum sich anbahnenden Jahreszeitenwechsel startet Salewa das Facebook-Gewinnspiel „Soultrip Argentina“. Der Spieler, der es schafft, den virtuellen Gipfel des Vulkans Lanin als Erster zu erklimmen, darf dieses Highlight schließlich im Rahmen eines Südamerika-Trips auch in der Realität in sein Gipfelbuch eintragen.

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Besonders ein Sport wie das Freeskiing profitiert von den jungen Talenten, die immer wieder dafür sorgen, dass der fahrerische Level von Jahr zu Jahr auf's Neue vorangetrieben wird. Doch damit es überhaupt so weit kommt, dass die nachfolgenden Generationen das Skifahren vermehrt für sich entdecken, muss der Nachwuchs zunächst sinnvoll gefördert werden.

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Freitag, 22 Januar 2010 14:35

Preview - Girls rock the Park 2010

Wie bereits im Vorjahr laden auch 2010 die Veranstalter der "Girls rock the Park" Tour ihre Teilnehmerinnen wieder zum Stopp im Kleinwalsertal ein. Im Quiksilver Crystal Ground Snowpark an der Talstation der Kanzelwandbahn heißt es dann vom 26. - 28. Februar „riden und wohl fühlen, only for Girls“.

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Donnerstag, 21 Januar 2010 02:00

Preview - Unichamp 2010

Wintersportbegeisterte Studenten finden sich vom 20. - 27. März in Les Deux Alpes ein, um dort im Rahmen des UniChamp 2010 die „Deutschen Hochschulmeisterschaften Snowboard" und die „Offenen Deutschen Hochschulmeisterschaften Freeski" auszutragen. So begibt man sich...

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Dienstag, 19 Januar 2010 20:58

Preview - Freeride Days im Zillertal

Freeride Days – das Off-Piste-Erlebnis auch für Einsteiger erfahrbar machen. Ihr habt genug vom regen Treiben auf den Pisten der überlaufenen Skigebiete und wollt die Berge von einer anderen Seite kennenlernen? Um euch auch abseits der markierten Pisten sicher durchs Gelände zu bewegen sind...

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