Wir stellen vor: Sweetsticks

Von Julian Lösche am 23.Sep. 2015

Wer im März bei unserem FreerideTestival im Kaunertal war, dem ist vielleicht zwischen den großen Ständen der Skifirmen ein kleiner, unscheinbarer Stand mit bunten Skistöcken aufgefallen. Die Rede ist von "Sweetsticks". Die Idee hinter dem Mini-Startup fanden wir cool, deshalben haben wir den Gründer Julian Lösche gebeten, uns ein wenig mehr über seine Idee zu Sweetsticks und zu deren Umsetzung zu erzählen.

Es ist Ende März, Zeit zum Tourengehen oder Parkshredden, aber ich sitze im Zug nach Berlin. Vor drei Wochen hat mein "Sweetsticks-Mobil" seinen Geist aufgegeben, jetzt endlich kann unser neues Gefährt zugelassen werden. "Technischer Totalschaden. Bei deiner alten Kiste würde ich keinen Cent mehr investieren." - Die alte Kiste ist mein lang gepflegter Traum. Selbst ausgebaut mit Bett, Küche, Schreibtisch und Laderaum für mein ganzes Leben als Freeride-Nomade. Und natürlich für Skistöcke.

Der K.O. kam mitten in der Vororder-Zeit der Sportgeschäfte für den nächsten Winter. Nach intensiver Suche nach einem neuen Transporter und steinzeitlichen Wartezeiten auf einen Zulassungstermin bin ich nun endlich am Ziel. Das heißt eigentlich am Anfang, denn damit unsere Skistöcke im Oktober im Geschäft stehen, muss ich gefühlt jedem Chef oder Einkäufer der Skigeschäfte zwischen Chamonix und Schladming die Hand schütteln und unsere Sweetsticks präsentieren und verkaufen.

Wer sich selbstständig macht, der begibt sich auf hohe See: Zwischen unfreiwilligen Nächten in unserem launigen Transporter, Einladung auf die ISPO, Hochwasser in Fertigungshallen und begeisterten Kunden. Was wir in den letzten 16 Monaten erfahren und erlebt haben, lässt sich mit nichts vergleichen, was wir vorher gekannt haben. Sowohl im Negativen als auch im Positiven. Vor 16 Monaten haben wir unserem Produzenten in Italien das erste Mal die Hand geschüttelt - "wir", das sind meine Freundin und ich.

Bei der Firmengründung dachten wir noch, wir holen uns einfach die Mindestbestellmenge vom Stock mit unserem geschützen Design, dem weltweit ersten Aluskistock in Holzoptik und verchecken das einfach über unsere Freunde und Kollegen und sehen dann mal, wie es läuft. Zwei Monate später stehen wir mit sieben weiteren Prototypen auf der ISPO, am Stand von Gabel, unserem Hersteller. Wir versuchen zu verstehen, was zum Beispiel ein Distributor macht und welche Möglichkeiten überhaupt vor uns liegen. Schon im nächsten Winter waren unsere Stöcke in über vierzig Geschäften zu kaufen und wurden auf Messen in den USA und China präsentiert.

Wie alles begann...
Meine Idee zu Sweetsticks geht immerhin bis ins Jahr 2009 zurück. In meiner ersten Skisaison in St. Anton musste ich irgendwie mein lahmes Outfit kompensieren und hab mit Klebefolien einfach meine Stöcke verziert und später auch die von anderen Seasonnaires. Nur zum Spaß eben. Besonders der "Rasta", "Spiral" und "Effekt", wie sie heute heißen, waren hoch im Kurs.

Bis Sandra und ich zusammen gekommen sind, habe ich lieber Teller gewaschen und gekellnert - wenig arbeiten, viel Skifahren oder eben Klettern und Surfen. Rock'n'Roll und Abenteuersport bis die Muckis weinen. "Studium als freischaffender Lebenskünstler", wenn ich mal seriös rüberkommen musste.

Als ich später die Holzfolie entdeckte, hat es eben Klick gemacht. Das gab's noch nicht, sah einfach geil aus und ließ sich sogar als Design schützen. Und dann trat Sandra in mein Leben. Wir beide hatten schon immer den Traum, uns mit einer eigenen Firma selbstständig zu machen. Und so haben wir uns, kurz nachdem wir zusammenkamen, dazu entschlossen, Sweetsticks als unser gemeinsames "Baby" großzuziehen. Wir sind recht unterschiedliche Charaktere, trotzdem haben wir beide unsere Vison für das, was aus Sweetsticks werden kann und wie es umzusetzen ist.

Mit allem, was dazu gehört
So fingen wir nun an, Schritt für Schritt unser Projekt in die Tat umzusetzen. Gründerworkshop, Gewerbeanmeldung, Produzentensuche, Produktentwicklung, Homepage, Buchführung, Transporterkauf und -ausbau, Druck von Flyern und Visitenkarten, Verkauf und Marketing. Das sind einige der wichtigsten Themen, die uns beschäftigten, noch bevor überhaupt der erste Skistock hergestellt war. Man erkennt, wie komplex die Welt doch ist. Viele Aufgabenbereiche sind eigene Ausbildungsberufe.

"Auf eigene Rechnung" betrifft am Anfang natürlich im wesentlichen die Ausgaben. Hinter all dem steht viel Recherchearbeit, nächtelanges Lernen und wieder und wieder probieren, schreiben, basteln, telefonieren, nebenbei im festen Job arbeiten, skifahren, ein bisschen Freizeit alle paar Wochen. Das hört sich nicht nur schwierig und anstrengend an, das ist es auch. Aber ihr seid ja auch Sportler, ihr wisst wie das ist. Bails auf rails oder schmerzende Schenkel, Bruchharsch und so weiter. Wenn man ein Ziel hat, lernt man auch den harten Weg zu genießen.

Die Suche nach einem Hersteller
Oft werden wir gefragt, wie wir an unseren Hersteller gekommen sind: Die Suche hat einige Zeit gedauert. Wir haben ungefähr jeden Hersteller von Skistöcken in Europa auf die eine oder andere Art kontaktiert. Tschechen, Deutsche, Franzosen, Österreicher und zu guter Letzt eben Italiener. Oft haben wir über Tage und Wochen hinweg mit einem potentiellen Partner telefoniert und geschrieben, um dann doch eine bessere Kooperation zu finden.

Qualität, Konditionen, Kommunikation und Servicebereitschaft. Die Firma Gabel aus Italien hat sich nach einiger Zeit als bester Partner herausgestellt. Mit dem Chef, dessen Vater die Firma vor über 50 Jahren gegründet hat, haben wir nun ein fast freundschaftliches Verhältnis. Er ermöglicht uns kleine Serien und stellt uns wichtigen Kontakten vor. Überhaupt scheint das Skistockgeschäft mehr in den Händen der Generation 50+ zu sein ;)

Der Lohn der Arbeit ist, zu sehen, was wir geschafft oder geschaffen haben: Unsere Stöcke auf einem Podium, in einem Magazin oder im Schaufenster zu sehen, über 850 Skistöcke auszuliefern und natürlich die Umsätze aufs Konto segeln zu sehen. Die schönste Belohnung ist sicherlich, dass so viele Leute unsere Marke und die Produkte cool finden und an uns glauben: Freeskier, Ladenbesitzer, Medienleute, Fotografen, andere Marken und jeder, der unsere Produkte kauft und benutzt.

Wir fühlen uns willkommen in der Businesswelt. Die Reaktionen anderer auf das, was wir machen, sind oft überwältigend und jede Unterhaltung oder Kritik bringt uns ein Stück weiter. Auch Freeski Crew aus Innsbruck und unsere anderen Sponsoren sind wichtige Partner, die helfen, den Stoke zu transportieren und die Produkte zu testen.

Nicht jeder weiß, was es bedeutet, so ein Unterfangen zu realisieren. Wir wussten es ehrlich gesagt auch nicht, bis wir dann wirklich drin waren. Leidenschaft, Hobby und Arbeit werden eins. Alles für das eigene Projekt und die Existenz. Die Erfahrungen prägen den Charakter für immer. Hartes Brot, magische Momente, viel lernen und viel arbeiten.

So looks it out and now you know.
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