Skitourenfelle für Freerider Vergleichstest

Von Marius Schwager am 6.Apr. 2016

Ein Skitourenfell gehört zur Grundausstattung eines Freeriders. Skitourenfelle ermöglichen einen recht unbeschwerten Aufstieg abseits von Liftanlagen mit einfachen Mitteln. Das FS.NET Team hat 12 der aktuell erhältlichen Tourenfelle für und auf breiten Freerideski ausführlich getestet und verglichen.

 Skigebiete werden immer voller und immer mehr Freerider tummeln sich in ihnen. Der Platz für mit Liften erreichbare und unverspurte Abfahrten wächst dabei leider nicht mit. Freeridevarianten werden wie im Zeitraffer zu Buckelpisten geformt, Zeit und Platz für die eigene Spur und Genuss bleibt da selten. Wer sich diesem Powder-Stress nicht aussetzen will, oder auch mehrere Tage nach einem Schneefall noch in Ruhe seine eigene Spur ziehen möchte, der muss aus eigener Kraft aufsteigen. Dass dies für Skifahrer fast immer am besten mit Skitourenfellen geht, ist keine Neuentdeckung. Seit dem erstem Aufkommen von skiartigen Holzbrettern schnallten sich Jäger und Sammler Tierfelle unter ihre Gleitgerätschaften – zeitlich übrigens mehrere Tausend Jahre vor der Erfindung des Rads!

Das Prinzip hat sich seitdem nicht verändert: Viele kleine Tier- oder Synthetikhäärchen sind in Laufrichtung auf einem Trägermaterial befestigt, erlauben vorwärtsgleiten und verhaken sich effektiv im Schnee, sollte einem einen Kraft (Erdanziehung, Wind, persönliches Unvermögen) nach hinten ziehen und halten durch Spannung oder und einen Kleber and er Unterseite der Ski.

Für den Freeridealltag gilt es das richtige Fell auszuwählen. Es soll leicht bergauf gleiten, auch in steilem Gelände zuverlässigen Halt vor zurückrutschen bieten. Möglichst kein Schnee soll auch nicht an ihnen hängen bleiben, mehrfaches Auf- und Abziehen soll ohne Verlust der Klebefähigkeit überstanden werden und die Handhabung muss auch noch einfach sein. Kurz gesagt: Es soll die harte Aufstiegsarbeit möglichst leicht machen, damit für die Abfahrt noch genug Power übrig sind, um sie auch voll genießen zu können ohne viel Zeit und Aufwand in das eigentliche Fell stecken zu müssen.

Das passende Fell

Zuschneidefelle haben sich für Freerider bewährt. Der Käufer muss zunächst ein passendes Fell auswählen – als Faustregel gilt bei klassisch taillierten Ski "Skimittelbreite plus mindestens 5 mm" – und schneidet seinen haarigen Kauf anschließend mit hoffentlich beigelegtem Messer selbst zurecht. Ein Sonderfall hingegen sind die sogenannten "Split-Felle". Hier sind zwei schmale Streifen pro Ski angedacht, die nur in der Länge grob zugeschnitten werden müssen und ansonsten ohne weiteren Beschnitt vor dem Aufsteigen an die je zwei Skikanten angeklebt werden. Aufgrund der höheren Angriffsfläche und schwierigeren Handhabung, führen Splitfelle ein Nischendasein, können für kurze und technisch leichte Aufstiege aber durchaus viel Sinn machen.

Materialien

Ein modernes Skitourenfell besteht grundsätzlich aus einem Trägermaterial, einem bestimmten Kleber, einem Front- und meist einem Endhaken zur Fixierung sowie den Fellhaaren. Bestanden diese in früheren Zeiten aus Naturhaar der verfügbaren Tierarten wie z.B. Seehund- oder Kuhfell, so werden heutzutage Synthetik- und Mohairfelle genutzt. Als Mohair (auch "Mohär" nach neuer deutscher Rechtschreibung) werden dabei die Haare der Angoraziege bezeichnet, die durch ihr leichtes Gewicht von Vorteil sind. Da Mohair ein Naturprodukt ist, benötigt es Pflege und unterliegt natürlichen Schwankungen. Vorteile des Naturhaars gegenüber den Kunstfasern aus Polyamid sind die eher besseren Gleiteigenschaften. Den Synthetikstoffen sagt man eine tendenziell längere Haltbarkeit und stärkere Robustheit nach.

Der Kleber

Damit ein Fell auf einem Ski haftet, ist ein Klebstoff notwendig. Derzeit gibt es drei verschiedene Kleberarten, die die Felle auf den Ski fixieren. Ein klassischer Kleber, ein Adhäsionskleber, der auf Druck haftet und ein Kleber auf Silikonbasis, der ähnlich wie der Adhäsionskleber funktioniert. Klassischer Kleber kann in besonders kalten Temperaturen Haftprobleme äußern, Adhäsions- und Silikon"kleber" sind bei eher warmen Temperaturen anfälliger.

Um sich im harten Skitouren-Alltag nicht nur auf einen Kleber verlassen zu müssen, bieten alle erhältlichen Felle ein Front- und meist auch ein Endbefestigungssystem an, um das Fell zu fixieren und im besten Fall auf Spannung zu setzen. Ein Endbefestigungssystem muss bei einem guten Kleber oder nur einfachem Einsatz nicht vorhanden sein, es kann in der Praxis aber sehr nützlich sein, wenn der Kleber aufgrund von Kälte, Feuchtigkeit oder seines Alters gerade bei mehrmaligem An- bzw. Abfellen nicht mehr seine volle Klebekraft hat.

Der Zuschnitt

Freerider kaufen ihre Felle im Gegensatz zu klassischen Tourengehern eher individuell und nicht passend zugeschnitten. Folgerichtig muss man den Zuschnitt selbst erledigen. Ein unschwieriges Unterfangen, sinnvoll ist ein scharfes Messer (z.b. Teppichmesser) zu nehmen, sofern nicht im Lieferumfang. Wichtig ist das Fell zunächst richtig aufzukleben und nachdem eine Seite beschnitten wurde erneut "richtig", d.h.etwa 2 mm nach innen versetzt aufzukleben, damit die zweite Seite den passenden Endbeschnitt erreicht.

Das perfekte Skitourenfell für Freerider

In einer perfekten Welt, gäbe es nicht nur Pulverschnee und Sonne für alle, sondern auch immer perfekte Produkte. Ein gutes Skitourenfell kann jedoch manchmal über das Gelingen oder Scheitern einer Tour den Ausschlag geben, oder zumindest den Spaß auf Aufsteigen ermöglichen. Eine Tour abzubrechen muss man dann, wenn der Kleber nicht mehr klebt, das Befestigungssystem ausfällt, der Schnee an den Fellhaaren stollt, oder beispielweise weil die Steigeigenschaften des Fells nicht ausreichend für die steile Aufstiegsspur sind. Daher sind in einem Felltest folgende Kriterien zur Performance zu beachten: Steigeigenschaften, Stollneigung, Wasseraufnahme, Klebefähigkeit sowie die Gleiteigenschaften. Zudem sollte ein gutes Fell zügig und intuitiv zu befestigen und in der Handhabung unkompliziert sein. Hierzu muss das Zuschneiden, wie auch das An- und Abfellen einfach funktionieren, im Besten Fall ist kein zusätzliches Werkzeug nötig und man kann direkt losstarten.

Bewertungskriterien

Ready to go: Kann direkt nach dem Kauf (nach zuschneiden) losgegangen werden? Werkzeug nötig oder sonstige Hindernisse? Falls ein Punkt vorhanden -> nein

Bewertung: 0-5 Sterne (Schulnotenskala 1-6): 0 = Durchgefallen, 1 = Gerade so annehmbar, 2 = Mäßig, 3 = gut, 4 = sehr gut, 5 = Herausragend

Die Schulnotenskala 1-6 bzw 0-5 Sterne wurde im Vergleich um eine Stufe höher gesetzt um genauere Bewertungen zuzulassen. Wirklich schlechte Felle wurden im Voraus bei der Produktentscheidung ausgeschlossen, um dies zu ermöglichen.

Kriterien Lieferumfang: Trennnetz, Cutter, Tasche

Die Testsieger

Drei wirkliche Top-Skitourenfelle kristallierten sich heraus. Allesamt bieten sie durchweg eine gute oder sehr gute Erfüllung der Testkriterien und erlauben sich keine wirklichen Schwächen. Das Black Diamond Glidelite Mix STS bietet den Starken BD Kleber, erfüllte alle Kriterien mit "sehr gut" und wäre fast der alleinige Testsieger, wäre da nicht die umständliche Montage und die mittelmässige Befestigung. Den Platz an der Sonne teilen sich ausserdem das Colltex CT40 Camlock und Kohla Vacuum Base. Beide Felle haben in allen Kriterien ein mindestens "sehr gut" und nur leichte Schwächen in der Befestigung und sind absolut empfehlenswert.

Topfelle: Die zweite Garde

Keinen Fehler macht man beim Kauf dieser Produkte. Alle getesteten Produkte erfüllen die praktischen Anforderungen gut, haben individuelle Stärken und Schwächen, sind aber im Gesamtumfang eine Note schlechter als die drei Testsieger. Das BD Ascension Nylon STS ist ein äusserst haltbares Fell mit herausragenden Steigeigenschaften, gleitet allerdings quasi überhaupt nicht und wird liebevoll "der Teppich" genannt. Das Contour Hybrid Pure ist ein ebenso sehr gutes Fell mit leichten Schwächen beim Kleber und beim Steigen und ist dabei dem Colltex Mix Camlock+ recht ähnlich. Ebenso sehr solide ist das G3 Alpinist Momix mit dem besten Befestigungssystem des Tests. Das Kohla Multifit Fell I-Clip ist ebenso durchweg gut, im Steigen und bei der Stollneigung allerdings ein bisschen schlechter als sein Schwesterfell. Auch mit den beiden getesteten Modelle von Pomoca Free Carv'It und Climb pro Glide fühlten sich unsere Tester rundum wohl, mit verkraftbaren Abzügen durch die Endhaken und das Fehlen einer tauglichen Trennfolie.

Kategorie: "Naja, geht so"

Zwei Felle hinken dem breiten und guten Mittelfeld merklich hinterher. Das einzige Spiltfell im Test, das Contour Hybrid free hat die typischen Nachteile eines Splitfells beim Steigen, Handling und der Klebefähigkeit durch die erhöhte Angriffsfläche und wirkt wie das hinkenden Entlein des Vergleichstests. Wer mit den Nachteilen des Konzepts leben kann, findet im Hybrid free immerhin das beste uns bekannte Splitfell und ist daher auch in diesem Test. Trotz, oder vielleicht auch gerade wegen des Hinkebeins.

Wirklich schlecht ist auch das G3 Alpinist nicht, hat allerdings vergleichsweise eine deutlich schlechtere Performance beim Steigen und in der Wasseraufnahme, bietet aber immerhin das tolle G3 Befestigungssystems. Andere Felle des Hauses G3 sind hier merklich besser und daher, falls möglich, vorzuziehen. In jedem Fall ist auch das Alpinist fast immer noch deutlich besser als die meisten günstigen NoName Felle.

Zur Diskussion im Forum

Offenlegung: Alle Felle wurden von den Herstellern zur Verfügung gestellt, jeder Hersteller durfte zwei Produkte nach Wahl für die Zielgruppe Freerider einsenden. Vielen Dank für die Kooperation. Die Meinung unserer Tester ist davon unbeeinflusst.

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