Roll and Ride – mit E-Bikes über dem Polarkreis

Roll and Ride – mit E-Bikes über dem Polarkreis

Von Manuela Mandl am 4.Mär. 2019

Ohne Anstrengung auf einer Straße durch beeindruckende Landschaft gleiten, den Fahrtwind im Gesicht, den Blick über die umliegenden Berge schweifen lassen und einfach die nächste Line aussuchen. Also mit E-Bike, Zelt und Tourenausrüstung vogelfrei Freeriden gehen. Roll&Ride. Ohne Internet, ohne Auto, keine Glaswand zwischen sich selbst und der Welt, durch Regen, Schnee, Wind und hoffentlich viel Sonnenschein.

Die meisten Ideen fangen mit solchen vagen Visionen an. Dann schleppt man diese Visionen im Kopf herum, manche lassen einen wieder los und sind erledigt, andere bleiben hängen. Man fragt Freunde: Glaubst, das geht? Wer könnte sich damit auskennen? Wo kann man das machen? Wer sind andere Menschen, die bei so einer Idee an Board wären? Was braucht man an Ausrüstung und wieviel wird das kosten?

Diese Fragen sind idealerweise mehrere Monate vor der Reise beantwortet und dann werden Details organisiert. Bei Roll & Ride lief es ein bisschen anders. Die Idee gärte vor sich hin, aber die nähere Planung kam nicht in die Gänge.

Erst einige Wochen vor dem ziemlich spontan festgelegten Abreisetermin, fing die Planung an. Ich war gerade frisch gekrönter Freeride World Champion und voller Tatendrang. Am Ende der Saison wollte ich noch einmal ganz im Moment leben, draußen sein, ohne Internet, Zeit zum Nachdenken und reflektieren haben. Und natürlich ging ich mit endloser Naivität und Optimismus an die Sache heran.

Mit Melissa Brandner fand sich eine ideale und auch ziemlich abenteuerlustige Partnerin für so ein Unternehmen. Die gebürtige Engländerin hat einige Zeit Svalbard gelebt und ist Kälte gewohnt, kann Klettern, Eisklettern und ist Snowboarderin auf der Freeride World Qualifier Tour. Außerdem macht sie eigentlich grade ihren PHD in Meeresbiologie und sie lebt in Bodø - in Nordnorwegen, oberhalb des Polarkreises. Dort sollte es auch im Mai noch Schnee geben. Melissa übernahm die gesamte Planung vor Ort, beherbergte uns in ihrer winzigen Wohnung und holte uns von Flughafen ab. Außerdem kommunizierte sie mit lokalen Kooperationspartnern und machte diverse Routenvorschläge mit möglichst wenig Höhenmetern und vielen Steckdosen.

An dieser Stelle mal ein Dank an die lokalen Unternehmen, die uns von Fisch bis zu Angelruten und den E-Bikes alles Nötige zur Verfügung stellten! Überhaupt: Anders als bei so manchen anderen Destinationen, fanden es alle Locals ziemlich super, dass wir die Berge um Bodø erkunden wollten.

Daheim in Österreich waren auch Steffi Noppinger, Skifahrerin auf der Qualifier Tour, Ninja Warrior und Kletterin sowie Rene Barth, ihr Partner, der auch viel alpinistische Erfahrung mitbringt, voller Begeisterung für diese Idee.

Auch Kameramann Flo Albert ist passionierter Schitourengeher und Freeskier und hat ein sehr sonniges Gemüt und vor allem einen der kreativsten Köpfe, die mir je über den Weg gelaufen sind. Gemeinsam wollten wir unseren meditativen Saisonabschluss auch für andere erlebbar machen.

Dass man ein sonniges Gemüt für so eine Reise brauchen würde, war sehr schnell klar. Denn der Mai in Norwegen kann auch extrem regnerisch sein, der Wind ist beißend kalt, die Schlafsäcke nass, der E-Bike Akku leer und die Schneegrenze viel weiter oben, als gedacht. Außerdem waren die Anhänger unserer E-Bikes ziemlich schwer, die Tunnel dunkel und feucht, die alten Straßen zum Umfahren der Tunnel ziemlich abenteuerlich, steil und mit wesentlich mehr Höhenmetern, als wir uns das gedacht hatten. Andererseits wartete hinter jeder Kurve ein anderer Ausschnitt der wunderschönen Landschaft, wir zelteten neben einsamen Bergseen, auf weißen Stränden, und leeren Hochebenen. Auf dem Weg zu den Lines durchquerten wir eiskalte Flüsse und die Mitternachtssonne erlaubte uns endlos lange Tage am Berg. Kein Stress, lange Schlafen und zwischendurch mal Bouldern gehen. Wir wärmten unsere Füße und trockneten Kleidung am Lagerfeuer und fanden einige hilfsbereite NorwegerInnen, die uns bereitwillig Strom zum Aufladen der E-Bikes zur Verfügung stellten. Immer wieder sahen wir Elche und andere Tiere.

Norwegen ist auch wegen des Jedermannsrechts die ideale Destination: Man darf fast überall sein Zelt aufbauen. Dadurch wird so eine Reise erst möglich.

Und dann noch: E-Bikes: Was für eine Revolution! Umweltfreundlich, und wenn man nicht so viel unnötiges Zeug mitschleppt, wie wir das getan haben, ist das tatsächlich eine sehr stressfreie und gemütliche Art, einen Urlaub zu verbringen. Auf den Anhängern ist genug Platz für Sportequipment und Campingzeug, und die Akkus halten mit ein bisschen dazustrampeln ziemlich lange durch. Man nimmt die Landschaft viel unmittelbarer wahr und entdeckt auch kleine Forststraßen, die zu guten Lines führen.

Unsere Route führte uns von Bodø entlang der Küste Richtung Süden. Diese Region von Norwegen ist ziemlich einsam, die meisten Menschen fliegen nach Bodø und nehmen die Fähre hinüber zu den Lofoten. Perfekt für uns, so konnten wir uns darauf verlassen auch nach der langen Schönwetterperiode noch unverspurte Hänge zu finden.

Das erste Highlight entlang der Route war die Fahrt über die Saltstraumen Brücke, der größte Gezeitenfluss der Welt verwandelt das Meer unter der Brücke in einen tosenden Wildfluss. Weiter entlang der Straße, das Meer auf der einen und Berge mit weißen Gipfeln auf der anderen Seite.

Entlang unserer Route bis zum Ziel und Umkehrpunkt Skjeggen fanden sich unzählige Skitouren und Lines, vom Skjeggen (904m), über den Diggra(928m) zum Høgnakken(1045m) bis zum Smatinden Massif (1200m) mit seinen bis zu 50° steilen Couloirs. Normalerweise gibt’s über dem Polarkreis im Mai mehr Schnee, als das im Frühjahr 2018 der Fall war, aber es fand sich doch immer wieder eine Forststraße die bis hinauf zur Schneegrenze führte.

Durch unsere bewusste, langsame Reisegeschwindigkeit erlebten wir alle, wie wir langsam aber sicher die Umgebung und die kleinen Besonderheiten der Landschaft viel intensiver wahrnehmen. Vergessen waren Uniprüfungen und Arbeitsstress. Jeder gemeinsame Abend am Lagerfeuer, jede Packerlsuppe vom Campingkocher fühlte sich an wie purer Luxus.


Infobox:

Anreise:
Flughafen Bodø – außer man bringt sehr viel Zeit mit, dann geht’s auch mit Öffis und Fähre oder dem Auto. Aus umwelttechnischer Sicht bleibt einem mit wenig Zeit nur übrig, den Flug mit CO2 Zertifikaten auszugleichen.

Equipment:
Wir waren mit den Merida Touring Bikes, die uns die Firma Tromso Outdoor (http://www.tromsooutdoor.no) mit der Fähre nach Bodø lieferte, extrem happy. Die Dinger haben eine Reichweite von 90 Kilometer, sind echt sehr stabil und wir hatten kein einziges technisches Problem. Und alles war auch für uns Fahrrad Novizen leicht zu verstehen.

Strom:
Entweder bei NorwegerInnen einfach anläuten und fragen, oder bei den nur im Sommer offenen Cafes und Campingplätzen die Outdoor Steckdosen nutzen.

Route:
Wegen der geringen Steigung bietet sich die Küstenstraße an. Zu beachten ist, dass in Straßentunnels Fahrradfahren verboten ist. Deswegen umfuhren wir die Tunnel auf den alten Straßen - und das ist manchmal ziemlich abenteuerlich.

Kosten:
E Bike Miete: 240€/Woche in Tromso, E Bike Transport mit dem Küstenschiff nach Bodø: 80€/Bike
Flug: etwa 250€ München/ Bodø plus 50€ für extra Gepäck
Verpflegung und ev. Taxi oder Mietauto vor Or

Roll & Ride:Der Film zur Story erscheint am 6. März 2019 um 19:30 Uhr in voller Länge auf Youtube.
Roll and Ride - a narrative essay about freeriding

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