Tripreport: Japan

Tripreport: Japan

Von Klaus Feistauer, Mario Illing und Michi Süß am 11.Mär. 2019

30./31. Dezember: Lack ma dé Goggn!
Es ist der 30. Dezember, 9:30 Uhr, und wir drei – Michi, Mario und Klausi – stehen am Flughafen in München und stoßen auf unser kommendes Abenteuer an. Wir werden um 12:00 Uhr nach einem zweiten Weißbier pünktlich boarden und über Helsinki und Nagoya nach Sapporo auf Hokkaido fliegen. Dort werden wir ausgeruht unser Leihauto in Empfang nehmen und in unser gebuchtes Quartier in Niseko fahren. Von wo aus wir in die besten Powderabfahrten unseres Leben starten werden. Soweit die Theorie.

Bis Helsinki läuft alles rund, 14 Rotwein und ziemlich wenig Schlaf später kommen wir in Nagoya an. Zum Inlandsflug nach Sapporo irren wir mit unseren 40 kg Gepäck erstmal durch den ganzen Flughafen. Natürlich konnten wir nicht alle einfach so durch den Security Check kommen: Michi hatte irgendwo im Medipack ein Feuerzeug und musste – dezent angetrunken – alles ausleeren…

Verspätet aber nicht verpasst steigen wir in den Flieger Richtung Sapporo. Das Auto hatten wir Deppen allerdings am Bahnhof gebucht! Eine Stunde später erreichen wir Sapporo MainSation. Wir irren schon wieder umher und permanent das scheiß Gepäck! Endlich findet einer von uns die Autovermietung und natürlich erhalten wir ein völlig anderes Auto als gebucht. Ein anderes haben sie nicht also probieren wir es aus. Gott sei Dank haben die Ski Platz, nur wir nicht mehr so richtig. Ohne was zu sehen, mit Kater in den Knochen und noch nie im Linksverkehr fahren wir drei Stunden bis zu unserem AirBnB nach Niseko.

Wir freuen uns auf die Unterkunft, die wir für uns alleine gebucht hatten. Und die sich dann als 1 (in Worten: ein!!!) Zimmer in einem Papphaus mit Kerosin-Heizer und ohne Betten herausstellt. Erste Fluchtgedanken – bis wir den Onsen hinterm Haus entdecken. Wir also schnurstracks rein, und waren platt: Wahnsinn.

Später am Abend wurden wir auf ein traditionell Japanisches Neujahrsmenü eingeladen. Gemeinsam mit einem Amerikanischen Pärchen essen wir und erzählen uns unsere Geschichten. Wir erfahren, dass die Amerikaner nicht mal Skifahren können. Völkerverständigung funktioniert aber: „Lack ma dé Goggn!“ Es ist kurz vor Mitternacht, wir telefonieren mit unseren Familien. Es schlägt 12. Ein paar einsame Raketen platzen am Himmel, wir zwitschern zwei oder auch drei, vier Schnapserl und verziehen uns ins Bett. Endlich schlafen!

1. Januar: Genialer Tag, geniales Leben!
Zum frühen Erwachen gibt es eine gute und eine schlechte Nachricht für uns: Erstens halten sich Jetlag und Kater in Grenzen, zweitens regnet es. Bei näherer Betrachtung schneit es aber bereits 20hm weiter oben, also schnell aufgestanden! Unsere Gastgeber Shin und seine Frau laden uns ein, mit ihnen zu Ehren des Neujahres den Tempel zu besuchen.

Der Tempelbesuch hat die Japanischen Schneegötter offenbar positiv gestimmt: Wir fahren mit unserem Auto Richtung Chisenupuri die 268er Passstraße rauf, um ein paar erste Touren zu gehen, da beginnt es stark zu schneien – Powder vom Allerfeinsten! Wir steigen vier Mal auf, machen 1200hm an diesem Tag und lassen uns anschließend glücklich in einen Onsen in der Nähe fallen.

Erst danach bringen wir die Ski zurück in die Unterkunft und fahren nach Hirafu zum Ramen essen. Genialer Tag, geniales Leben!

2. Januar: What a Place to be!
Wir wiederholen den Vortag, nur etwas mehr Schlaf war drin. Mit zunehmender Höhe werden die Bäume weißer und die Schneewände beeindruckender. Nach drei Aufstiegen und traumhaften Pulverabfahrten in trockenem, fluffigem Neuschnee fahren wir nach Hause, hängen alles zum Trocknen auf und fahren zum Shoppen und Essen nach Hirafu. Wir müssen uns erst daran gewöhnen, dass man in Schlangen vor dem Wirtshaus steht und darauf wartet, einen Tisch zugewiesen zu bekommen. Die Erkenntnis des Tages: Deutsche Namen sind für Japaner schwer auszusprechen, nur Mario San funktioniert.

3. Januar: Moiwa
Wir stärken uns in der Früh noch schnell mit Japanischem Instant-Pulver-Kaffee bevor es ab ins Skigebiet nach Moiwa geht. Unser Vermieter Shin hatte schon in den letzten Tagen erwähnt, dass er dort arbeitet und eine kleine Überraschung für uns hätte: Mit einem Grinsen und einem „Happy new Year“ drückt er uns drei Tagespässe für das Skigebiet in die Hand – Wahnsinn. Wir platzen fast vor Freude.

Nach acht Runs in der Moiwa Bowl haben wir die Gates aufgegeben: Leider sehr sehr schnell zerfahren. Irgendwann treffen wir einen von Klausis Freunden. Markus guided hier in Japan Touristen. Auch anderweitig erweist sich die Moiwa Bowl als spannend: Einmal stellt einer der Snowboarder auf einem der Pumptracks quer und Klausi sägt ihn ab. Leck mich am Arsch können die Japaner furchteinflößend schimpfen! Wir steigen noch einmal 300hm auf bis zum höchsten Punkt des Gebiets und finden – unverspurten, perfekten Japow! Für uns gemacht! Geil hier zu sein!

Same procedure as every day: Nach dem Skifahren in den Onsen, Sachen trocknen und ab zum Essen. Wir verabreden uns mit Markus in Kutchan zum Essen „Osake-Style“. Nach einem ersten „Beinahe-Unfall“ – die Straßen sind sauglatt und die Spezialgummimischungen helfen da nicht viel – essen wir uns 2x durch die gesamte Speisekarte. Das „NO DOUBLE DIPPING!“-Schild stürzt Michi beinahe in Verzweiflung: Man darf seine Spieße nicht zwei Mal in die Sauce eintauchen. Außerdem führt es zu sehr, sehr zweideutigen Scherzen an unserem Tisch…

Danach decken wir uns mit Bier und Sake ein, laden Markus zu uns ein und sitzen bis 04:00 Uhr morgens auf der Couch.

4. Januar: Hangover
Wenig überraschend quälen wir uns am nächsten „Morgen“ gegen 11 Uhr aus den Betten. Das Katerfrühstück richtet uns einigermaßen her, sodass wir wieder in Richtung Chisenupuri aufbrechen.

Am Ende des Passes gibt es einen „Stinke-Onsen“ und 500 Meter dahinter Wahnsinns Pillowlines. Wir hacken verkatert über die Pillows, gehen kleine Touren, machen Fotos und genießen den Tag. Abends treffen wir uns nochmal mit Markus in Kutchan. Klausi schwärmt seit Tagen vom Sushi Train. Satt und fertig fallen wir ins Bett.

5. Januar: Mount Yotei
Heute soll der Mt. Yotei dran glauben! Ein großer Tag für uns, wir stehen früh auf und starten um 8:30 Uhr am Fuß des Yotei. 1000 Höhenmeter marschieren wir wie im Traum durch die Japanischen Wälder – dann kommt der Nebel. Zunächst mäßig, dann extrem, bis wir nach 1200hm im totalen Whiteout stehen. Wir können die Flächen nicht mehr einschätzen, verlieren uns mit 20 Metern Abstand aus den Augen und merken immer mehr wie die Gefahr steigt. Die Baumgrenze haben wir schon länger zurück gelassen und auf der windabgewandten Seite Rutschen 30cm dicke Schichten einfach ab. Wir entscheiden uns für den Abbruch und fellen knapp 130hm unter dem Gipfel ab.

Der Wind bläst erbarmungslos, es ist unglaublich kalt, die Jacken frieren langsam steif, uns klebt Reif im Gesicht. Komplett ausgekühlt starten wir langsam und vorsichtig und ohne etwas zu sehen bergab. Schon nach ein paar Metern reißt der Nebel auf und die Abfahrt ist überwältigend! Definitiv unter unseren Top 3 aller Zeiten! Eines steht fest: Wir kommen wieder! Und dann wirst du uns nicht los bis wir dich bezwungen haben.

Mario nervt schon seit Tagen, er sucht überall nach Schalen und Schüsseln für zuhause. Wir finden auf dem Rückweg einen Baumarkt und einen 100 Yen Shop, was im besten, lustigsten Shoppingtag aller Zeiten resultiert. Wir kaufen Affenmasken und widerliche Süßigkeiten mit getrocknetem Fisch, Schokolade mit Wasabi und allen möglichen Kram. Da es unser vorletzter Tag in Niseko ist, laden wir unsere Vermieter zum Essen ein. Wir dürfen einen tollen, kulturübergreifenden und erinnerungswürdigen Abend mit vielen Gesprächen, viel Gelächter und vor allem am fetzn Rausch erleben.

6. Januar: Anapuri
Einmal mehr sitzen wir verkatert am Frühstückstisch um anschließend ins Anapuri-Skigebiet aufzubrechen. Wir verfahren uns total, was uns zwar 2,5 Stunden kostet aber andererseits ganz gelegen kommt, so fertig wie wir waren. Das Gebiet war schon sehr zerfahren, aber die letzte Fahrt über die Moiwa Bowl: Ein Traum! 500, 600 geniale Höhenmeter… Ein letztes Mal nach Kutchan zum Einkaufen, Sushi zum Abendessen, Sachen packen und irgendwie in die Knutschkugel stopfen…

7. Januar: Schnee?
Wir brechen am Morgen auf nach Shichiku Garden. Nach sechs Stunden Autofahrt kommen wir endlich an. Die Enttäuschung steht uns allen dreien ins Gesicht geschrieben: Kein Schnee! Klaus und Mario können es nicht glauben, machen sich auf in die unmittelbare Gegend um auszukundschaften, wo wir am nächsten Tag Skifahren können, aber: Nichts. Alle Wälder sind entweder zu dicht bewachsen um Ski zu fahren oder wie Pässe wegen Bärengefahr gesperrt. Die Stimmung ist am Boden und wir überlegen, gleich weiter zu ziehen.

Abends wurden wir von unseren neuen Vermietern zum Kennenlernen eingeladen. Auch diesmal hatten wir eine ganze Unterkunft gebucht. Auch diesmal sah das etwas anders aus: Es gab einen umgebauten Wohnwagen mit Ofen. Keine Küche, kein Klo, nichts. Wir kochten uns also unsere Nudeln in der Familienküche und wollten uns anschließend in unseren Wohnwagen zurückziehen. Durften wir aber nicht. Die Omi der Großfamilie hat im Endeffekt für uns gekocht. Nette Omi!

Unsere Gastgeber waren Toyama und seine schwangere Frau, unsere Köchin war Seiko, Toyamas Mutter. Wer uns aber am meisten begeisterte war ihr Vater Tokou: Da er selbst begeisterter Skifahrer ist hat er uns gleiche seine eigenen Ski gebracht und Alben mit Fotos vom Skifahren am Matterhorn in den 70ern.

8. Januar: Furano
Nachdem wir in der Nähe keine Schneeflocke gefunden hatten und auch keinen weiteren Ruhetag wollten, brechen wir um 7:00 Uhr morgens Richtung Furano auf. Dort finden wir jede Menge zerfahrenes Gelände, was nicht das war, was wir an diesem Tag gebraucht hätten: Wir waren müde, fertig und die Beine waren schwach. Die letzte Fahrt versöhnte uns allerdings. Wir sind am Ende kleine Varianten gegangen und haben insgesamt vielleicht 400hm gemacht, die waren aber der Oberwahnsinn in tiefem, unverspurten Pulver.

Am Abend wurden wir anlässlich eines Feiertages des „Tag der Erwachsenen“ zum Familienessen einladen. Es kamen noch einige Geschwister und Cousins, einer der Brüder hatte sogar per Post riesige Königskrabben an die Familie geschickt. Die gab es dann als mehrgängige Miso Suppe – UNGLAUBLICH gut! Und eine wirkliche Ehre dabei gewesen zu sein. Die Familie ist sehr hilfsbereit und hilft uns eine Location für den morgigen Tag zu finden. Sie erzählen uns von einem Skigebiet bei dem der höchste Lift aufgrund Wartungen nicht mehr in Betrieb ist und wir sehen unsere Chance…

9. Januar: Nukabira Gensenkyo
Wir starten früh und sind vollkommen verblüfft, als wir ankommen: Das Nukabira Gensenkyo Ski Area ist flacher, als man es sich vorstellen kann, dennoch findet ein offizielles FIS Rennen erwachsener Herren dort statt! Wir sind faul, kaufen uns eine einmalige Bergfahrt und gehen den Rest. Der malerische und romantische Aufstieg entschädigt uns ein wenig für die flache Abfahrt: Der Schnee leicht feucht, so dass man fast stehen bleibt.

10 Januar: Tokou klaut Bier
Tags zuvor war uns auf der Fahrt nach Furano ein Pass aufgefallen, den steuern wir an. Das Auto parken wir direkt an einem Tunnel. Der Wind bläst wie verrückt über den Kamm, der sehr steile Hang liegt auch nicht optimal – wir steigen also nur zwei Mal auf und finden Harsch und Pulver im Wechsel.

Zuhause blödeln wir mit Tokou, zeigen ihm die Videos unserer Reise und trinken das eine oder andere Feierabendbier. Er darf eigentlich nichts trinken, klaut sich aber immer bei uns einen Schluck Bier für seine Tasse – zum Anstoßen.
Seine Tochter bewirtet uns mit frischem, traditionellem Sushi, das sie selbst zubereitet hat. Unglaublich gut! Nur der rohe Oktopussaugknopf zwingt uns in die Knie.

11. Januar: Konayuki!
Unser letzter Skitag hier in Japan! Wir brechen auch heute wieder in Richtung der Passhöhe auf, da wir gestern was entdeckt haben. Wir unternehmen eine lange Tour durch die Japanischen Wälder und genießen dann JAPOW. Von Tokou haben wir das eine Wort gelernt, das diesen Tag perfekt beschreibt: Konayuki. Das bedeutet „tiefer Schnee“. Wir fahren zwei Mal 500hm in tiefstem Powder und sind dankbar für diesen unglaublichen Skitag. Für uns ist die Welt wieder in Ordnung.

Nach unserem obligatorischen Besuch im Onsen gibt es zum Abschlussessen mit der ganzen Familie Gyoza: Ca. 200 kleine Schlutzkrapfen warten darauf, von uns verspeist zu werden. Wow! Wir sind unglaublich froh, nicht umgezogen zu sein und schenken Tokou noch ein Cap zur Erinnerung.

12./13. Januar: Arigato!
Wir frühstücken das erste Mal während unseres Aufenthalts mit Seiko und Tokou. Erst jetzt begreifen wir, wie viel Glück wir hatten, uns bei der Halbpension für Abendessen entschieden zu haben, denn es gibt Reisbrei mit Algen und Fisch… Zum Abschied schneit es sogar für uns…

Auch die Rückgabe des Autos funktioniert nicht ganz problemlos: Michi bleibt mit dem Gepäck am Flughafen während die beiden anderen das Auto zurückbringen und mit dem Bus wieder kommen. Wir wollen die Nacht am Flughafen verbringen und morgens in den Flieger nach Nagoya steigen – dürfen wir aber nicht. Den Spa-bereich dürfen wir ebenfalls nicht betreten – Tattoos sind verboten wegen der Yakuza… Uns bleibt nichts anderes übrig als uns für unglaublich viel Geld in ein Airport Hotel einzumieten. Vorteil: Es gibt eine richtige Dusche und ein richtiges Bett.

Auf dem zehnstündigen, engen Flug nach Helsinki lassen wir diesen Wahnsinnstrip Revue passieren. Davon werden wir noch unseren Enkeln erzählen, soviel ist sicher. Dennoch freuen wir uns jetzt auf unsere Familien und die heimische Couch, auf richtiges Brot und g’scheites Bier. Dass in München unser halbes Gepäck fehlt – was soll‘s (es wird am nächsten Tag nachgeliefert).

Was bleibt ist die Erinnerung an einen unvergesslichen Trip mit zwei Freunden und 14 Tagen Japow. Arigatou gozaimasu!

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