Die Preseason im Wandel der Zeit

Von Pius Schneider am 5.Nov. 2014

Jeder von euch kennt es, die meisten lieben es, und für einige ist es das Beste überhaupt: Das überflutende Gefühl, wenn man die Ski vor sich in den Schnee fallen lässt und erst der eine, dann der andere Boot mit einem satten „Klack" in die Bindung einrastet. Das Gefühl von Freiheit, das Gefühl, dass alle Sorgen mit dem Anschnallen der Ski verschwinden und man nur noch für die nächsten Stunden lebt - Das Gefühl purer Glückseligkeit.

Die lange Zeit des Wartens
Leider verhindert jedes Jahr eine nicht unbeträchtliche Zeitspanne namens „Sommer", dieses Gefühl zu erleben. Wer nicht zu den wenigen Glücklichen gehört, die diese Zeit auf der Südhalbkugel umgehen können, für den dauert das Warten auf den nächsten Skitag den Großteil des Jahres. Und Warten kann für einen Süchtigen sehr hart sein...

Diejenigen, die versuchen diese unerträglich lange Zeitspanne durch vorsaisonale Gletscherbesuche abzukürzen, werden allerdings schnell feststellen: Auch andere sind auf diese Idee gekommen!

Vor zirka 10 Jahren konnte ich es selbst das erste Mal nicht mehr erwarten auf zwei Brettern zu stehen. Ich packte also bei hochsommerlichen Temperaturen mitten im August meine Skisachen zusammen und fuhr nach Hintertux. Damals war der gesamte Funpark inklusive Proline noch den ganzen Sommer über geöffnet, der Gletscher reichte bis unter das Fernerhaus und von Schneemangel war wenig zu spüren.

Das Groß der anderen „Verrückten", die im Hochsommer den Schnee suchten, bestand aus Racern, unter die einige Snowboarder gemischt waren. Freeskier waren damals noch eher Exoten am Rande. Im Vergleich zu damals hat sich das Bild am Gletscher inzwischen stark gewandelt. Der Betterpark Hintertux hat im Sommer geschlossen und man muss den September abwarten, um wieder Luft unter die Ski zu bekommen. Doch auch die Anzahl der Schneehungrigen scheint gleichzeitg enorm gestiegen zu sein.

Massenansturm auf die Gletscher
Die Skigebiete haben am Beispiel Kaunertal Opening erkannt, dass es nicht nur Skiclubs und Rennfahrer im Frühherbst auf die Piste zieht und die Parkopenings daher zu regelrechten Großveranstaltungen ausgebaut. Skipässe wie die "Tirol Snow Card", welche die Skisaison bereits am 1. Oktober eröffnen, erlauben es zudem der breiten Skifahrermasse, die Vorsaison ohne echte Mehrkosten voll auszunutzen.

Der sich daraus ergebende, von Jahr zu Jahr größere Besucheransturm im Oktober und November bringt damit die wenigen bereits offenen Skigebiete zum überlaufen. Selbst riesige Parkplatzflächen wie am Stubaier Gletscher sind derartigen Massen nicht mehr gewachsen. Sogar unter der Woche ist man mittlerweile, geparkt weit abseits der Talstation, auf den Bus angewiesen um zur Talstation zu gelangen.

Doch da hört der Spaß nicht auf. Hat man es nach mindestens 30 minütiger Anstehzeit endlich auf den Berg geschafft, vermiesen überfüllte Pisten und überlange Liftschlangen schnell den Tag. Ein Backcountry, in das man sich flüchten könnte, ist um diese Jahreszeit leider noch nicht vorhanden und in den einst so leeren Funparks sagt sich mittlerweile halb Innsbruck "Hallo".



Der Gletscher als Trainingsareal
Die Gründe hierfür sind vielfältig: Freeskiing erlebte in den letzten Jahren einen gewaltigen Boom. Zusammen mit den Snowboardern machen die Freeskier mittlerweile einen nicht zu vernachlässigenden Teil der Wintersportler aus. Seit beide Disziplinen olympisch wurden werden ganze Trainingsarenen aus dem Gletschereis gestampft. Diese locken neben Topathleten aus der ganzen Welt auch den „normalen" Parkfahrer auf den Berg. Ebenso bei den Racern. Auf die Nachfrage nach ihrem Herkunftsland erfährt man, dass Nationalitäten von Finnland über Kanada bis Mazedonien vertreten sind.

Natürlich sind auch unsere näheren Nachbarn präsent. Sogar Schweizer, die selbst mit einigen Gletscherskigebieten gesegnet sind, trifft man zu Hauf, da sie den günstigen Euro-Franken-Kurs nutzen und daher in Österreich deutlich günstiger zum Skifahren kommen als zu Hause. Die Tiroler Gletscher stehen weltweit also hoch im Kurs. Doch auch beim „gewöhnlichen Skitouristen" scheint die Vorsaison angekommen zu sein, dem sie als kostengünstige Alternative in den Herbstferien angeboten wird.

Das Problem an der Sache: Der immer größer werdenden Nachfrage steht ein immer kleiner werdendes Angebot entgegen. Während, wie anfangs erwähnt, vor einigen Jahren Gletscherskigebiete noch ohne größere Probleme ganzjährig ihren Betrieb aufrecht erhalten konnten, ist dies mit dem immer mehr dahinschmelzenden Eis nicht mehr möglich.

Herbstbetrieb von Jahr zu Jahr schwieriger
Am Beispiel Zugspitze, dem ehemals einzigen Gletscherskigebiet in Deutschland, ist dies besonders gut ersichtlich. Wo früher das legendäre GAP 1328 Sommercamp mit Superpipe, Riesenhip und 4er Kickerline thronte, zeigt sich heute nur noch ein kümmerlicher Rest an Gletscher. Ein Skibetrieb vor Ende November ist undenkbar.

Auch andere Gletscherskigebiete müssen den vorsaisonalen Betrieb immer mehr einschränken. Wer heuer eines der Gletscheropenings besuchte, konnte dies mit eigenen Augen sehen. Sowohl im Kaunertal, als auch am Stubaier Gletscher waren, wenn überhaupt, nur einige wenige Pisten geöffnet.

Die Funparks beschränkten sich auf kleine zusammengeschobene Flecken Schnee, auf denen Rails aufgebaut waren. Kein Vergleich zu den stolzen Parks der vergangenen Jahre. Der Schnalstaler Funpark musste den Sommer- und Herbstbetrieb auf Grund des starken Gletscherschwundes sogar ganz einstellen. Und das, obwohl die Beschneiungsanlagen mittlerweile oft schon bis in die höchsten Gletscherareale reichen. Dies lässt auf keine rosige Zukunft des Gletscherskifahrens schließen.

Man darf daher gespannt sein, wie sich der Herbstskilauf in Zukunft entwickeln wird. Andererseits: Ungeachtet düsterer Zukunftsaussichten, trotz Touristenmassen und fehlendem Backcountry werde zumindest ich auch weiterhin im Herbst zum Gletscher pilgern um in den Schnee zu kommen. Denn selbst wenn ich gezwungen bin, den halben Tag fluchend in der Liftschlange zu stehen, werde ich alles dafür tun, das Klacken der einrastenden Bindung im Frühherbst anstatt zu Weihnachten das erste Mal zu hören.

Denn was darauf folgt, ist das Höchste der Gefühle.

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