Ai so en gude Palswoi

Von Der Brecher am 2.Feb. 2016

Freeridemekka Pfälzerwald! Der Pfälzerwald ist ein echter Freeride-Geheimtipp, inmitten des Rheinlandpfälzischen Urkönigreiches der Rieslingtraube gelegen und doch mitten in Deutschland. Noch nichts davon gehört? Der Brecher, Fotokünstler aus eben jenem geheimen Wald, hat dort den wohl besten Skitag der letzten Dekade dokumentiert.

Ich weiß jetzt nicht, wer von Euch die Winter im Pfälzerwald verfolgt hat, aber ich kann Euch sagen, die letzten 8 Jahre waren eher so mittelmäßig gut. Die Saison 13/14 war dann der traurige Höhepunkt der Mittelmäßigkeit, weil es eigentlich nur ein einziger großer Herbst war, der nahtlos in den Frühling überging. Also quasi die längste Bikesaison aller Zeiten, aber dafür ist das hier ja das falsche Forum. Trotz oder gerade wegen des daraus resultiert hohen Weinkonsums, überraschte der Winter 14/15 kurzzeitig mit recht ordentlichen Schneemengen ab ca. 400m. Da sich das weisse Zeug hier ja maximal eine Woche hält, bevor es dann wieder weggetaut ist, war Eile angesagt. Kurzes Sms-Geplänkel nach überraschender Neuschneesichtung:

„Yo Benni, war grad mit Wilma im Wald. Geschätzte 30 cm Schnee bei Johanniskreuz. Bock auf Skitour morgen?“

„Bin dabei!“

Zack, geritzt. Studenten sind der beste Freund des Selbstständigen. Also am nächsten Tag Ski und Wilma eingepackt, Benni und Barney aufgegabelt und dann ab Richtung höher als 400 m üNN.

Kaiserslautern hat keinen Millimeter Schnee. Ab Höhe Uni dann die ersten kleinen Fleckchen. Lächerlich. 15 min später schon so viel Schnee im Wald, dass man Schneemänner bauen könnte, und je höher wir kommen, was zugegebenermaßen nicht so viel ist, desto schwerer beladen sind die Bäume und desto tiefer hängen die Äste auf die Straße. Das klingt jetzt für den Alpenbewohner unspektakulär, aber der Pfälzer kommt aus dem Feiern gar nicht mehr raus: „Alter, das sind ja locker 40 cm Schnee!!1!elf!!“ „BOOOOOOAAAAAAAAH!!! SIEHST DU DAS????????? ICH RASTE AUS!!!“ Wie man sich in "Lautre" (= Kaiserslautern) so freut, eben. Ne? Die Hunde bleiben unbeeindruckt, bis die Tür aufgeht, um dann auch völlig auszuticken.

Schnee? GEIL!!!
Da wir keinen wirklichen Plan haben, was wir machen wollen, außer „Skitour“, schlappen wir mal in Richtung Luitpoldturm. Da in der Nähe gab’s sogar mal nen Skilift, man mag es kaum glauben. Wegen der irre guten Winter der letzten 10-20 Jahre, läuft der jetzt allerdings nicht mehr. Na ja. Der Turm selbst hat mit Sicherheit auch irgendeine tolle Geschichte, die ist uns aber ehrlich gesagt scheißegal, als wir dort ankommen, die Ski abschnallen und die Stufen nach oben stolpern. Die Aussicht ist gut, kann man getrost behaupten. Japan und so.

Der beste Skitag der letzten Dekade im Pfälzerwald
Wieder unten, wird der Monster-Drop aus dem Fenster im Tourenmodus genommen und die Hunde kommen auch wieder von irgendwoher angestaubt. Man orientiert sich grob Richtung dem von oben als „fahrbar aussehend“ bewerteten Hang und rutscht los, durch den unter der Last ächzenden Wald. Nach 20 min oder so, ist man dann auch da, und stellt fest, dass die Schneehöhe nach 50 Höhenmetern Abfahrt, auf 15 cm abgenommen hat. Als dann der erste größere Stein mit der Kante aus dem Hang gebrochen wurde, fellen wir halt wieder auf, und laufen zurück Richtung Auto. Unterwegs noch schnell nen Sandsteindrop eingebaut, und man hat so ziemlich den besten Skitag der letzten Dekade im Pfälzerwald abgehakt. Hätte man jetzt noch ne Portion Saumagen, man müsste auf der Stelle tot umfallen, weil es im Leben eigentlich nicht mehr schöner werden kann. Das Wetter wechselt zwischen Wolken und Sonnenschein, und ich kann immer noch nicht glauben, dass es hier gerade so viel Schnee hat! Ullr muss den Pfalzwein lieben.

Zurück im schneefreien Kaiserslautern, zieht man Bilanz: Hin und zurück je eine Stunde Fahrt, 3 Stunden „Skitour“ bzw. härtester Hundekampf im Vollsprint, Sonnenschein und Sandsteindrop. Macht nen halben Tag Geilheit, auch ohne Saumagen. Best day of the (Pfalz-)Season 14/15! In 10 Jahren ist dann die Kalmit dran. Ich glaube, das wird geil…

Begriffskunde
Natürlich ist Freeriden im Pfälzer Wald mehr eine Art Notsport für die ganz Verzweifelten, oder eben für Freeridehund-Besitzer. Oder man ist eben Biker und denkt, Radfahren auf einem der vielen flachen Wanderwege wäre Freeriden. Einige Besonderheiten dieser Region, sollte sie durch den Klimawandel doch entgegen aller Trends zum Freeridemekka werden kurz zusammengefasst:

„Halt“: Ist ein sehr wichtiges Füllwort im pfälzischem Dialekt ohne wirklichen Nutzen. Muss laut eigener Recherchen in mindestens jedem zweiten Satz verwendet werden. Das ist halt einfach so.

„Sandstein“: Gemeint ist die im Pfälzer Wald vorherrschende Gesteinsart Buntsandstein. Buntsandstein ist gut für den Weinbau und falls dieses wichtige Thema jemand tiefergehend umgraben möchte hilft Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Geologie_des_Pf%C3%A4lzerwaldes

„Saumache“: Saumagen, Pfälzer Fleischspezialität. Damit hat schon Helmut Kohl bei den Staatsempfängen seine Kontrahenten um den Finger gewickelt. Man munkelt der Saumagen hätte auch an seiner stattlich staatsmännischen Figur mitgewirkt. Der Magen eines Schweins (Sau-Magen) wird dabei übrigens nicht verzehrt, die Magenwand ist Formgeber und wird nicht mitgegessen.

„Keschde“: Esskastanien. Genau die, die man sonst auf jedem Weihnachtsmarkt bekommt. Fallen im Herbst von ziemlich vielen Keschde-Beem (=Kastanienbäume) und sind gratis und sehr lecker.

 „Pfalzhütte“: Der Pfälzerwald-Verein ist ein ziemlich aktiver Wanderclub. In den vielen familiär bewirtschafteden Hütten gibt es gutbürgerliches, traditionelles Essen zu guten Preisen. Wir müssen hier nicht erwähnen, dass „gutbürgerliches Essen“ auch gleichzeitig „viel Essen“ bedeutet.

„Kalmit“: Höchster Berg im Pfälzer Wald. Ziemlich schöne Aussicht und nettes Wandern mit Blick auf die Weinberge.

„Palswoi“: Wein aus der Pfalz, vorrangig Weißwein und von der Rieslingtraube. Trinkt man am besten eher viel davon.

„Dubbeglas“: Das bevorzugte Sommergetränk der Pfälzer ist Weinschorle (Wein mit ein bisschen, oft sehr wenig, Wasser gemischt) und wird im 0,4l Glas serviert. Das Glas besitzt runde Einkerbungen, die den Halt des Glases auch nach mehreren „Dubbe“ erleichtern.

Weinprobe: Allgemeingesellschaftlich anerkannte Ausrede, um sich gepflegt einen hinter die Binde zu kippen. Vorrangig geht es natürlich darum den „besten“ Wein für einen bestimmten Anlass zu erkundschaften. Meist braucht es – welch Tragik – mehrere Weinproben dazu.

„Straußewärtschoft“: Straußenwirtschaften sind kleine, familiäre von Winzern und Weinbauern saisonal geöffnete Gastbetriebe, in denen die Erzeuger ihren selbsterzeugten Wein direkt vermarkten. Dazu gibt es gutbürgerlich-regionale Küche – also wieder hauptsächlich viel Essen. Vielerorts wird zum Essen direkt Silberfolie gereicht, damit man die nicht aufgegessenen Reste mit nach Hause nehmen kann.

Mandelblüten: Die wohl schönste Zeit den Pfälzer Wald zu besichtigen ist zur Mandelblütenzeit, wenn die Bäume rosa erleuchten. Total romantisch übrigens.

„Najer Woi“: Noch nicht fertig gegärter Traubenmost, der noch keiner Filterung unterzogen ist. Auch bekannt als „Rauscher“, „Weißer Sturm“, „Sauser“, „Bitzler“ oder schlicht „neuer Wein“. Wird in der Pfalz traditionell im 3, 5 oder 10 Literkanister an jedem zweiten Halteplatz an einer Landstraße verkauft und mit Zwiwwelkuche (=Zwiebelkuchen) zu sich genommen. Beides regt die Verdauung an.

Pfälzer Gemütlichkeit: Man nehme die obigen Fachbegriffe, addiere sie und schaue sich das politische Führungspersonal an. Das ist halt Pfälzer Gemütlichkeit.

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