Trip Report - Heliskiing ohne Hubschrauber

Von christian fink am 28.Jun. 2009

Carven in den Alpen, Schnorcheln im Roten Meer und American Football ausschließlich in den USA – das war einmal. Der Sport globalisiert. Längst fliegt das Kunstlederei auch in der German Football League. Wasserratten tauchen in aufgelassenen oberbayerischen Sauerkrautfabriken, und beharrliche...


Trip Report - Heliskiing ohne Hubschrauber

Report

Sie sind dünn gesät, die Tiefschnee-Paradiese dieser Erde – Andreas Prielmaier fand eins in Kaschmir

Autor: Peter Borchers / Münchner Merkur Date: 06. Mai 2009 Carven in den Alpen, Schnorcheln im Roten Meer und American Football ausschließlich in den USA – das war einmal. Der Sport globalisiert. Längst fliegt das Kunstlederei auch in der German Football League. Wasserratten tauchen in aufgelassenen oberbayerischen Sauerkrautfabriken, und beharrliche Kitzbühel- Verachter reisen ihren per Luftfracht verschickten Skiern in ziemlich exotische Gegenden hinterher. Im Tal gedeihen die Palmen, weiter oben Träume von jungfräulichem Pulverschnee. In Kashmir, dem Dreiländereck zwischen Indien, Pakistan und China, werden solche Träume wahr. Bis vor wenigen Jahren zog diese Region allenfalls Teppichhändler und Aussteiger an. Vielleicht auch ein paar Gefahrensucher. Kashmir ist seit Jahrzehnten Zankapfel der Erzfeinde Indien und Pakistan.

Trotz des Konfliktes, der dem deutschen Auswärtigen Amt sogar eine Reisewarnung wert ist, lockt der Landstrich am westlichen Ausläufer des Himalayas immer mehr Skifahrer, in erster Linie die Tiefschneefraktion unter ihnen. Andreas Prielmaier konnte dieser Versuchung ebenfalls nicht widerstehen. Der ehemalige Weltcup-Snowboarder lebt seine Leidenschaft, ist als Autor für Fachmagazine ein Globetrotter in Sachen Outdoorsport geworden.

Kein Winkel der Erde ist dem 38-Jährigen zu entlegen, um dort nicht Berge zu besteigen, Mountainbike-Trails zu erkunden oder Erstabfahrten auf dem Board oder Skiern zu wagen. Er war mit seinen Freunden in Burma, Grönland, Alaska, Neuseeland und Südamerika. Prielmaiers Motivation: „Wir sind auf der Suche nach dem perfekten Hang, dem ,fluffy powder‘, dem Glücksgefühl, dem Grinsen, das sich einstellt auf der Suche nach Freiheit, nach dem perfektem Moment.“

Wer wie Prielmaier und seine Begleiter, der Fotograf Franz Faltermaier, Stefan Kappl und Thomas Friedrich, ins Skiresort Gulmarg gelangen will, muss sich auf kleine Abenteuer einstellen. Das erste erwartete die Vier bei der Sicherheitskontrolle auf dem Istanbuler Airport. Die – Prielmaier beschönigt da gar nichts – „Bomben sehr ähnelnden“ Patronen im Gepäck, nötig zur Zündung der Airbags in den Lawinenrucksäcken, erschienen den Türken in Kombination mit den bärtigen Gesichtern der Deutschen und den Kaftans, die zwei von ihnen trugen, überaus verdächtig. Und spätestens bei der Nennung des Reiseziels „standen wir unter Terrorismusverdacht“, erzählt der Ickinger, der in Gmund am Tegernsee lebt.

Selbst das mitgeführte Unbedenklichkeitszertifikat der International Air Transport Association habe die Türken nicht besänftigt. Viel Zeit, wegen des wartenden Anschlussfliegers nach Neu Delhi beinahe zu viel, und einige Nerven sind draufgegangen, bis die Deutschen die Security- Leute überzeugt hatten, „dass wir in Kashmir nichts sprengen wollen, sondern nur Ski fahren“.

Was das Quartett in Gulmarg erlebte, entschädigte für den Ärger. Kashmir ist für Prielmaier „Freeriden, kombiniert mit Abenteuer, Exotik“ – und einer liebenswerten Prise Chaos. Das Revier ist einzigartig. Eine betagte Gondelbahn, in den 70ern für ein paar indische Snobs gebaut, führt von 2500 Meter hinauf auf eine knapp 4000 Meter hoch liegende Bergkette. Die eröffnet dem Skifahrer rund 20 verschiedene Rinnen aller Neigungen, den Blick auf das Hochgebirge, allen voran den Nanga Parbat, und den Zugang zu einem fantastischen Hochtourenrevier.

Die Couloirs sind in der Regel gefüllt mit fluffigem Puder, natürlich unpräpariert. „Das Wetter dort ist meist stabil – ohne plötzliche Wärmeeinbrüche. Der Schnee ist trockener als in den Alpen“, sagt Andreas Prielmaier. Was aber nicht heiße, dass es dort ungefährlich ist. „Alpine Erfahrung ist auch hier wichtig.“ Und ein Führer noch besser. Um das Gebiet genauer erkunden zu können, nahmen sich die Deutschen einen Guide – Mohammed, ein Moslem, wie der überwiegende Teil der Kashmiris.

Ein wacher Kerl, der, wundert sich Prielmaier, „sogar relativ gut Ski fährt“. Die Ausbildung der Führer orientiere sich an europäischen Verhältnissen. „Mohammed wurde uns vom Alpine Club Kashmir empfohlen.“ Mindestens genauso beeindruckt wie vom Skigebiet waren die vier Deutschen vom Drumherum.

Statt DJ Ötzis Stern Affengebrüll am Monkey Mountain
Hierzulande beschallt DJ Ötzis Stern die Pisten. Am Monkey Mountain, dem das Quartett auf Mohammeds Tipp hin bei dichtem Schneefall einen Besuch abstattete, kann es sein, dass einen während der Abfahrt durch den Wald das Gekreische von Dutzenden von Affen begleitet, die durch die Baumkronen tollen. An einem anderen Tag zogen die Bayern ihre Spuren durch 50 Zentimeter frischen Puder über 2400 Höhenmeter hinab in ein kleines Dorf.

Während sie dort Brotzeit machten, tobten zehn, 15 Kinder um die sonderlichen Fremden mit ihren breiten Brettern und machten sich einen Spaß draus, deren Utensilien zu stibitzen. In den Hotels, Überbleibseln aus der britischen Kolonialzeit, fühlt man sich zurückversetzt in vergangene Zeiten. Ein „Dear Sir“ steht jedem Satz des livrierten Personals voran. Holzöfen als einzige Wärmequellen und die manchmal bis zur Hälfte zugeschneiten Fenster verbreiten Höhlencharme.

Und auch Spaziergänge haben es in sich. Wobei der Warnruf eines Kashmiris während eines abendlichen Streifzugs durch Gulmarg nicht zwingend im Zusammenhang mit der starken Präsenz des Militärs steht. Im Fall der Deutschen war eine tief hängende Leitung – stromführend – der Anlass. Für Andreas Prielmaier ist Gulmarg fraglos „eine gute Alternative“ zu den teuren Freeride-Zonen in den Alpen und in Übersee, es ist das „nahezu perfekte Revier“.

Die Kosten für ihren zweiwöchigen Trip beliefen sich auf rund 2200 Euro, inklusive Flug, Transfer, Unterkunft und Liftticket. Dafür – Globalisierung hin oder her – hebt ein Hubschrauber zum Heliskiing in der Schweiz oder in Alaska nicht oft ab.

Infos im Internet
Interessierte können sich unter der E-Mmail Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! melden. Ab dem kommenden Herbst ist ebenfalls eine Website www.gulmarg-freeride.de geplant.
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