Julbo White Session: The Volcanic Kingdom

Julbo White Session: The Volcanic Kingdom

Von Manuela Mandl am 19.Dez. 2017

Der Sprung ins kalte Wasser
Es ist dunkel, ich liege rücklings im Schnee und langsam wird mir kalt. Trotzdem kann ich den Blick nicht von den Nordlichtern am klaren Himmel über mir lösen. Neben mir liegt der Rest der Crew, aus dem anfänglichen, überdrehten Geplapper ist ein ehrfürchtiges Schweigen geworden. Hier, auf dem Bergrücken in Island mit Meerblick, wo wir diese Nacht campen werden, kann ich es spüren: Das volle Glück im Bauch.

Einige Tage zuvor sind wir uns das erste Mal begegnet. Darjan Andrejc, der uns zuerst mit seinem authentischen und lustigen Video überzeugt und dann beim Skype Gespräch mit Flo Orley und mir extrem symphytisch und sehr locker war, ist er der Gewinner der Julbo White Session 2017. Der gebürtige Slowene hatte auch noch einen extra Joker im Ärmel: Er ist Skifahrer, aber im Herzen immer noch Snowboarder. Kann also beides. Gut, dass die gegenseitige Sympathie auch offline und nicht nur auf Skype funktioniert.

Nachdem wir in Island angekommen, das Wohnmobil übernommen und die restliche Ausrüstung abgeholt haben, befällt Flo Orley auch schon der Tatendrang. Wellen!!! Nur eine Stunde Autofahrt entfernt. Ich bin etwas überrascht von so viel Motivation, sich ins eiskalte Wasser zu werfen.

Und tatsächlich: Die erste Turnstunde beginnt sofort: Wegen 2 Grad Außentemperatur wollen sich alle im Wohnmobil umziehen. Eine logistische Herausforderung. Flo Albert, der Filmer, und Klaus Polzer, der Fotograf stehen grinsend daneben und sind gar nicht traurig, dass sie jetzt nicht bei Wind ins 6°C warme Meer müssen. Für Darjan Andrejc (Drejc) und mich ist das hier in Þorlákshöfn der erste richtige Cold Water Surf überhaupt. Über große, runde Steine, bewachsen mit allerlei glitschigem Grünzeug geht es zum Wasser. Drejc ist mit seinem Schicksal versöhnt, als ein kleiner Seehund auftaucht und unsere ersten Duckdives durchs Weißwasser begleitet.

Das Wasser fühlt sich wärmer an, als erwartet. Solange man keine größeren Fehler macht und die Neoprenkapuze ordentlich sitzt. Wenn man doch einmal in den Strudel einer Welle kommt, explodiert vor Kälte fast der Kopf und eine kurze Panik kommt auf. Schon mal eine gute Einstimmung auf die unbarmherzige Natur hier in Island. Wegen der andauernden Strömung sind wir die ganze Zeit am Paddeln, zwischendurch ein paar Wellen gesurft, bevor die Oberarme leer und die Füße nicht mehr zu spüren sind.

Zurück ins rollende Zuhause und ab zum ersten Vulkan / Richtung Norden.
Schnee ist lange keiner zu sehen. Dafür befindet sich hinter jeder Kurve ein anderer, fantastischer Ausblick. Es gibt keine Bäume, nur Gestein verschiedenster Struktur und Farbe und bodennahe Gewächse, grünes Gras duckt sich in windgeschützte Spalten im schwarzen Lavagestein, das nordische Licht lässt die Farben der Landschaft fast unwirklich leuchten. Und zwischendurch grasen Islandpferde und erfüllen auch wirklich jedes Postkartenklischee. Freeriden auf Vulkanen mit Literaturbezug

Als Aufwärmübung wollen wir den Snæfellsjökull (1446 m) besteigen. Alpinistisch keine große Herausforderung, aber die Lage des Vulkans auf einer Landzunge, umgeben vom Meer, hat es uns angetan. Außerdem ist das jener sagenhafte Ort, an dem die Helden von Jules Verne's Buch 'Reise zum Mittelpunkt der Erde' zu ebendieser aufbrechen. Vielleicht färbt ja etwas vom Legendenstatus auf uns ab, oder wir werden zumindest am Kraterrand von der kreativen Muse geküsst. (So ein bisschen Inspiration kann ja niemals schaden.)

Über Nacht ist Neuschnee gefallen. Und trotz der fabelhaften Rückwärtsfahrkenntnisse von Flo Orley, der unser Wohnmobil mit Vollgas der Berg hinauf bugsiert, kommen wir nicht wirklich weit. Dafür fahren ein paar höhergelegte Jeeps mit monströsen Reifen und voll mit japanischen Touristen vorbei. Die wollen uns und unser Touren- und Gletscherequipment leider nicht mitnehmen.

Also gehen wir direkt los, zuerst die Straße entlang, bevor wir zwischen den Steinen eine Spur Richtung Kraterrand legen. Oder eigentlich geht die Spur nur nach oben, weil der Kraterrand hüllt sich die meiste Zeit in Nebel. Außer uns ist niemand hier. Hin und wieder können wir den Berg erahnen, aber anstatt, dass der Nebel sich verzieht, werden die Wolkenbänke immer dichter.

Irgendwann, es ist schon Nachmittag, fällt dann die Entscheidung: Das wird heute nichts mehr. Im Gegenteil, leichter Schneefall, immer stärker werdender, saukalter Wind und die Aussicht auf vergletschertes Gelände im vollkommenen Whiteout rauben uns langsam die Motivation.

Im nächsten Sonnenfenster fahren wir ab. Unsere ersten Turns mit Meerblick. Und es ist wirklich verdammt schön. Die Frustration des Umkehrens ist sofort vergessen. Die Schneequalität variiert stark, vom lautesten Bruchharsch, den ich je erlebt habe, bis zu feinstem Powder in windgeschützten Senken.

Auch am nächsten Tag hüllt sich der Snæfellsjökull in eine dichte weiße Haube. Dafür haben wir in unserem Wohnmobil direkt neben einem Naturdenkmal übernachtet, den beiden Felsnadeln von Lóndrangar. Auf den Steilklippen hoch über dem Meer genießen wir die fabelhafte Aussicht.

Hoch im Norden
In Ólafsfjörður auf dem Troll Peninsula werden wir von Viking Heliskiing erwartet. Zuallererst freuen wir uns über den heißen Pool in der Lodge - die letzte Dusche ist schon etwas länger her, doch das Wetter macht uns einen Strich durch die Rechnung. Kein Flugwetter in den nächsten Tagen. Also zurück auf die Straße.

So weit im Norden reicht der Schnee bis ans Meer, und man kann direkt von der Straße die Coloirs erkunden. Wie auch in den Alpen war die Wintersaison in Island eher mittelmäßig, und so richtig große Schneemengen gibt es nirgends. Glauben wir zumindest. Bei unserem ersten Versuch, eines der steilen Coloirs von unten zu durchsteigen und dann bis zum Meer abzufahren, versinken wir im letzten Drittel unerwartet im Triebschnee und kehren um. Wieder was gelernt. Aber in den richtigen Expositionen ist dieser Teil der Insel der perfekte Spielplatz.

Zwischendurch muss man aufpassen, dass einem die laut kreischenden Möwen, die oben in den Steilwänden ihre Nistplätze haben, nicht auf den Kopf kacken, und als Flo Orley zum Klo auserkoren wird, sorgt das für einige Lacher. Wir hiken zwischen Felswänden und auf ziemlich ausgesetzten Graten hinauf und schießen durch enge Coloirs wieder hinunter. Das Wohnmobil, das unten neben der Straße am Strand geparkt ist, im meistens Sichtfeld.

Das Gelände ist ziemlich anspruchsvoll, immer wieder gibt es ein paar perfekte Powderturns, bevor ein Coloir sich verengt oder doch wieder ein paar Steine im Weg liegen. Auch das Sluffmanagement ist in diesem verwinkelten Gelände durchaus speziell. Wir können nicht genug kriegen und machen weiter, bis es um 21:00 wegen der Bewölkung schon ziemlich düster wird.

Zurück im Wohnmobil wird wie jeden Abend mit schon knurrendem Magen ordentlich aufgekocht. Das Zusammenleben von fünf Personen auf allerengstem Raum funktioniert erstaunlich reibungslos. Der Beifahrersitz ist das Sekretariat, wo am Laptop Wetter, Schnee und Straßenbedingungen nachgesehen und der Ablauf der kommenden Tage geplant wird. In regelmäßigen Abständen verkrümeln Flo Orley, Drejc und ich uns in irgendwelche Ecken, damit Klaus und Flo Albert ihr Kameraequipment im 'Wohnzimmer' sortieren und reinigen können. Jeden Abend wrd der Tisch zum Bett, und die Dusche ist immer mit Equipment vollgestopft.

Mit Motorkraft hinauf
Und dann ist es endlich so weit: Die Wettervorhersage stimmt. Nach einem hastigen Frühstück kauern wir im Schnee und die vom Helikopter aufgewirbelten Flocken fühlen sich wie tausende kleine Nadelstiche an. Oben, auf dem ersten Gipfel des Tages, ist eine spezielle Anspannung zu spüren. Normalerweise entwickelt man schon beim langen Aufstieg ein gutes Gefühl für (den Berg,) die Geländemorphologie und die Schneedecke. Klar, sowohl wir als auch die Guides haben Schneeprofile gegraben. Aber es ist doch etwas Anderes, den Schnee erst dann zum ersten Mal richtig zu spüren, wenn man schon mitten im Hang ist.

Nach einem gefühlten Wimpernschlag ist die erste Abfahrt auch schon vorbei. Es ist schwer zu sagen, wer bei all den Powderturns mit Meerblick am lautesten gejuchzt hat. Unten am Strand holt uns der Helikopter wieder ab und schon geht’s zur nächste Linie. Wir wagen uns an immer steilere Abfahrten auf den schönsten Bergen. Drejc springt über eine Wechte in ein tiefeingeschnittenes Coloir und fährt mit runden Turns und viel Geschwindigkeit die ästhetischste Linie des Tages. Flo und ich haben noch etwas Größeres vor: The Wall – eine Erstbefahrung, die auf den ersten Blick fast unmöglich scheint, weil es kaum durchgängige Linien mit genügend Schnee gibt. Unser Guide schluckt schwer, als wir ihm von unserem Vorhaben erzählen. Schließlich bekommen wir doch die Erlaubnis, hinauf zu fliegen.

Die Aussicht vom Drop In ist beängstigend, wegen der Steilheit sind nur die ersten Meter zu sehen. Nur, weil wir uns mit der Schneedeckenstabilität ganz sicher sind, wagen wir uns an so eine Abfahrt heran. Es ist trotzdem viel zu viel Adrenalin. Vorab haben wir genau besprochen, wie wir die No Fall Zones mit dem geringsten Risiko durchfahren können. Jede unserer Lines hat eine Schlüsselstelle, wo die Schneedecke etwas dünn ist. Flo startet mit großen Turns durch eine natürliche Halfpipe und bewältigt auch die ausgesetzte Schlüsselstelle und die nachfolgende Straight Line ohne Probleme. Auch bei mir läuft im oberen Teil alles glatt, bei der Schlüsselstelle liegt dann noch weniger Schnee, als erwartet. Nach kurzem Überlegen entscheide ich mich für die direkte Linie – einfach über einen Drop dem Lockerschnee hinterher. Schon in der Luft sehe ich, dass in der Landung leider ein Stein an die Oberfläche gekommen ist. Beim nachfolgenden Sturz nutze ich den Sturzraum zwischen den Felsen optimal aus und komme unverletzt unten an. Nur der Rest der Crew ist etwas verschreckt.

Unterm Himmelszelt
Wieder einmal weht der Wind. Nur stehen wir diesmal auf unserem Zeltplatz mit Meerblick und schaufeln schon seit Stunden. Langsam nimmt die Windmauer um unser Zelt Gestalt an. Von hier oben aus wollen wir einige speziellere Lines in Angriff nehmen.

Am Abend sind wir noch lange draußen, der Sonnenuntergang ist unwirklich schön. Kalt ist es aber auch, im Zelt bereiten wir unsere Tütennahrung zu und futtern Unmengen an Cookies. Zum Warmwerden schaufeln wir in der Nacht noch einen Kicker und beim Zähneputzen danach liegt ein seltsamer grüner Schleier auf dem Himmel. Ist das jetzt ein Nordlicht? Minuten später ist das Schauspiel in vollem Gange – grüne Flammen tanzen über den Himmel. Wie schnell dieses Licht pulsiert und immer wieder die Form ändert. In echt ist die Aurora Borealis noch viel beeindruckender, als ich mir das vorgestellt habe.

Den nächsten Tag beginnen wir mit einer kleinen Kicker-Session und ein paar Mini Lines. Wieder einmal frischt sehr plötzlich der Wind auf und wir befinden uns mitten im Schneesturm. Wir warten etwas ab, wie so oft ändert sich das Wetter und es klart etwas auf. So können wir die langersehnte lange Abfahrt auf die andere Seite des Berges doch noch machen. Auf unserem Roadtrip hat sich das Wohnmobil als erstaunlich geländegängig erwiesen. Klar, wir sind im Schnee und auch im Schlamm schon stecken geblieben. Aber mit ein bisschen Muskelkraft haben wir es immer wieder weitergeschafft. Doch auf dem Weg vom Norden in den Westen der Insel kommen wir tatsächlich an unsere Grenzen. Ein richtiger Wintersturm mit Schneefall und extrem starkem Wind fegt über Island. Die Asphaltstraße ist spiegelglatt, und mittlerweile haben sich durch das flotte Fahren auf Schotterstraßen fast alle Spikes aus den Reifen gelöst. Die Straße führt bergauf zum Pass, und irgendwann fangen wir an, rückwärts wieder hinunter zu rutschen. Mit etwas Mühe kehren wir um und probieren es über einen anderen Weg. Auf den Schotterstraßen entlang der Küste liegt mehr Schnee, aber dafür haben wir mehr Grip.

Mittlerweile ist es mitten in der Nacht, und der Wind hat Orkanstärke erreicht. Als die Straße wieder einen Asphaltbelag hat, passiert es: Der Wind versetzt das gesamte Fahrzeug während der langsamen Fahrt um einen halben Meter Richtung Klippen. Wir erschrecken uns ordentlich und übernachten im schwankenden Wohnmobil neben der Straße. Am nächsten Morgen ist die Welt schon wieder eine andere, und wir können unsere Fahrt Richtung Westfjorde fortsetzen.

Wilde Westfjorde - Freunde von Freunden
Einige Teile Islands sind nicht mit Straßen erschlossen und im Winter auch nicht über den Landweg zu erreichen. Also braucht man ein Boot. Alle Isländer, die getroffen haben, waren extrem hilfsbereit, und auch das Boot mitsamt Captain wurde uns über Freunde vermittelt.

Im leichten Schneefall sehen wir den Zweimaster in zum ersten Mal. Der Captain erklärt stolz, dass dieses Segelboot mit der detailreichen Einrichtung ein Ferrozement Boot ist. Also eigentlich fahren wir mit einem Betonboot durch das 4°C kalte Meer. Wo man nicht über die Reling fallen sollte, weil das einem Todesurteil gleicht. Gruselige Vorstellung. Ein Teil der Crew packt gleich Mal die Klettergurte aus und bindet sich am Boot fest, während der Captain von seinen Expeditionen mit Seekajaks erzählt. Und auch davon, dass dann hin und wieder Wale ganz nahekommen, und man aufpassen muss, dass das Kayak nicht umgeschubst wird.

Auf dem Weg auf die andere Seite des Fjordes schlagen die Wellen gegen den Rumpf und es geht ordentlich rauf und runter. Erst als die Segel gehisst sind, liegt das Boot etwas ruhiger im Wasser. Am Horizont nur schneebedeckte Berge. Die Überfahrt auf die unbewohnte andere Seite des Fjords dauert einige Stunden, aber plötzlich biegen wir um die Ecke und der Wellengang ist weg. Wir sind im Seitenarm des Fjords angelangt.

Auf einmal ein großes Plätschern: Da ist tatsächlich ein Wal. Ein paar Mal taucht er auf und sprüht eine Fontäne aus seinem Atemloch, bevor er mit einem majestätischen Wippen der Schwanzflosse wieder abtaucht. Natürlich hat niemand eine Kamera griffbereit.

Mit Dinghis, die wegen dem Gewicht tief im Wasser liegen, setzen wir aufs Land. Am Boot gab es gutes Kartenmaterial, und wir finden einige lohnende Abfahrten. Trotzdem ist das Highlight der Blick von oben auf das im Fjord einsam daliegende Segelboot. Dieses Gefühl, ganz alleine so weit weg von der Zivilisation zu sein, ist überwältigend.

Unsere Zeit in Island neigt sich langsam dem Ende zu und wir gewöhnen uns mit zwei Partynächten und etwas Sightseeing in Reykjavik wieder an die Zivilisation.

Was bleibt? Vor allem der Drang, sobald wie möglich wieder nach Island zu fahren. Immerhin haben wir nur einen Bruchteil dieses magischen Fleckchens erkundet. Und die Erkenntnis, dass mit der richtigen Crew weder gutes Wetter noch viel Wohnraum nötig ist, um den perfekten Freeride-Trip zu erleben.

Wo wird der Film auf Großleinwand gezeigt?
Zürich Riff Raff (580 plus 500 Franken) 21. November 2017
KUGL St.Gallen 28. November 2017
Salzburg 30. November 2017
St.Pölten Cinema Paradiso 14. Dezember 2017
Baden Cinema Paradiso 15. Dezember 2017
Wien Admiralkino 16. Dezember 2017
Graz Schubertkino 18. Dezember 2017

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