Korsika – Mittelmeer Freeride Experience

Von Lukas Krec am 30.Mär. 2016

Xaver Kröll, David Stock und Bernhard „Bumsti" Ratschiller von Freeriderslife und Team Dynastar begeben sich gemeinsam mit Filmer Lukas Krec auf einen Roadtrip nach Korsika – mit nur einem Vorhaben: Freeriden. Eine Suche nach Biglines und Powder auf einer Mittelmeerinsel, die kontrastreicher nicht sein könnte.

„Auf Korsika kann man Skifahren?" Diese Frage haben wir im Vorfeld des Öfteren gehört, als wir mit Freunden über unser Vorhaben gesprochen haben, in Korsika für unser nächstes Freeride-Filmprojekt zu drehen. Soviel einmal vorweg: „Ja, man kann!".

Unser erster Eindruck nach der Ankunft mit der Fähre in Bastia löste, zugegeben, auch in uns erst einmal ein Gefühl von Sommerurlaub aus. Meer, Strand, Sonne, 23°C im Schatten, da denkt man nicht unbedingt gleich an Freeriden. Das sollte sich jedoch bald ändern. Auf dem Weg zu unserer „Homebase" für die zwei Wochen unseres Trips fahren wir erst durch  kleine französische Dörfer, dann durch saftig grüne Landschaften, vorbei an Bächen und Flüssen, dahin auf Bergstraßen, die stetig immer enger und steiler werden bis wir uns in  einem Canyon wiederfinden, der zerklüfteter und karger nicht sein könnte.

Die Temperaturen fallen allmählich mit zunehmender Seehöhe, nicht so die Geschwindigkeit überholender, einheimischer Autofahrer auf der vermeintlich „zweispurigen"  Bergstraße. Ja wir sind im Süden. Nach gefühlt 560 Kurven – und insgesamt einer ca. 15 stündigen Anreise – taucht vor uns langsam eine weiße Spitze auf. Der Anblick, auf den wir gewartet hatten: Schneebedeckte Berge.

Angekommen in der auf 793 Metern Seehöhe gelegenen Gemeinde Calacuccia – halbiert man die Höhenzahl und zieht noch ein wenig ab, ist man ca. bei der Einwohnerzahl –  beziehen wir unsere Hütte, mitten in einer der schönsten Kulissen, die sich Freerider von einer Südseeinsel erwarten können. Hinter uns der höchste Berg Korsikas, der Monte Cinto, der uns noch eine eigene Mission wert werden sollte, vor uns der Stausee Lac de Calacuccia, dahiner Berge wohin man schaut.

Sofort beginnt die Suche nach Lines und Couloirs, Ideen für die weitere Erkundung der Insel in den nächsten Tagen werden geboren, Karten studiert, Ski, Felle und Kamera  hergerichtet. Mit der ein oder anderen „Pietra" - Korsikas heimisches Bier – lassen wir den Anreisetag ausklingen.

„Korsische Schräglage"
Die kommenden Tage sollten wir die Schönheit und Vielfalt der Insel genauer kennenlernen. Mit dem Auto fahren wir quer über und durch die Insel, um uns einen genaueren  Überblick über die Berge und die Möglichkeiten zum Freeriden zu verschaffen. Die Herausforderung war es, fahr- und filmbare Spots zu finden, die einen Aufstieg mit Fellen und  eine gute Line zuließen. Die Schneeverhältnisse sind etwas schwierig, da es länger nicht geschneit hat und man im Allgemeinen auf Korsika einen ständigen Begleiter hat: den  Wind. Wir haben Einheimische gefragt, ob es auf Korsika manchmal windstill sei. „Es gab schon Tage...", war die Antwort. Auf Grund der teilweise sturmartigen Windverhältnisse  fanden wir uns öfters in einer etwas unnatürlichen, gegen den Wind geneigten Körperhaltung wieder, der, wie wir sie tauften, „korsischen Schräglage".

Nichts desto trotz finden wir gegen Ende der ersten Erkundungstour unser erstes Projekt, welches wir gleich am kommenden Tag in Angriff nehmen wollen. Zwischendurch machen wir noch einen Zwischenstopp am Meer und lassen die Freerideseelen etwas baumeln. Dann geht es zurück in die Berge, die erste Line in Korsika nur noch ein paar Stunden und einige Höhenmeter entfernt.

Die ersten Lines
Nach der zweiten Nacht in unserer Hütte geht es endlich das erste Mal in Richtung Schnee. Nach einem ausgiebigen Frühstück packen wir unser Equipment und machen uns auf zu dem für korsische Verhältnisse relativ nahe gelegenen Col de Vergio. Der Parkplatz am höchsten Punkt des Passes bietet uns eine gute Ausgangsposition für unseren ersten Hike in Richtung Col Saint Pierre.

Nach einem kurzen Check sind die Lines, die Bernhard „Bumsti" Ratschiller, Xaver Kröll und David Stock fahren wollen, klar. Die Schneebedingungen waren sicher, aber wie zu erwarten sehr hart und windverblasen. Nichts desto trotz absolut gelungene erste Lines auf der Mittelmeerinsel. „We are stoked". Zufrieden geht es – mit gewohntem Gegenwind -  wieder zurück zu unserer Base. Unser Vermieter empfängt uns mit den Worten, wir sollen in der Nacht alle Fensterläden schließen und uns verbarrikadieren, es werden Windspitzen bis zu 130km/h erwartet und es herrscht Sturmwarnung. Dann der alles entscheidende Beisatz: Es soll schneien. Bis auf 400m herunter...

Tiefschnee am Mittelmeer
Und tatsächlich. Am nächsten Morgen schauen wir aus dem Fenster auf eine komplett verschneite Landschaft. Wir entscheiden uns dazu nach Ghisoni zu fahren, ein kleiner Ort im Inneren der Insel, in dem eine von zwei noch bestehenden Lift-Anlagen auf Korsika zu finden ist. Die Anreise war etwas „tricky", da man auf Korsika mit dem Schneeräumen der  Bergstraßen nicht ganz so schnell ist wie bei uns zu Lande; aber es sollte sich auszahlen. Bei der „Station de Ski" angekommen, werden wir mit einem „high five" und den Worten  „yeah, the riders are here" von Vince, einem ansässigen Kellner und Guide in Empfang genommen. „The place to be", dachten wir uns und lassen uns ein kleines aber feines Zimmer für die kommenden zwei Nächte geben. Danach geht es gleich mal in den Wald. Bei ca. 50cm Neuschnee lässt es sich schön zwischen den Bäumen hindurch powdern, die gefilmten Shots sprechen wohl für sich. Powdern auf einer Mittelmeerinsel, wer hätte sich das gedacht?

Nach den Treeruns geht es ab in die Hütte, wo wir mit Vince und dem Hüttenwirt über Korsika plaudern, Bergerfahrungen und Ski- bzw. Snowboarderfahrungen austauschen,  genauso wie heimische Schnäpse und lassen den Abend nach einem ausgiebigen Abendessen ausklingen.

Höher hinaus – Biglines mit Meerblick
In den nächsten zwei Tagen erkunden wir ausgiebig das Gebiet rund um Ghisoni. So schnell der Neuschnee gekommen war, so schnell hat ihn der korsische Wind auch wieder  verblasen. Trotzdem finden wir schnell die nächsten kleineren Lines und ein großes Abschlussprojekt für den letzten Tag, welches wir hiken und filmen wollten. Sicherlich eine  Besonderheit ist der Blick auf das Meer, welches man bei klarer Sicht vom Gipfel sieht. Der Hike auf den Monte Ritondu, dem zweithöchsten Berg Korsikas war eine Berg und Talfahrt, im wahrsten Sinne des Wortes. Wir mussten zuerst auf einen vorgelegenen Gipfel, von dort aus wieder abfahren und von unten dann gute drei Stunden auf den eigentlichen Berg hinauf. Die Belohnung eine lange Abfahrt mit für korsische Verhältnisse guten Schneebedingungen. Der einzige Haken: der erneute einstündige Hike zurück zur Skihütte nach der Bigline. Müde aber glücklich geht es nach dem Projekt wieder zum Auto und zurück zu unserer Homebase nach Calacuccia.

Asco – Steile Rinnen und Lawinenkurse für Kids
Nach einem Tag wetter- und kräftebedingter Pause geht es ins Asco-Tal. Unseren Ausgangspunkt für unseren Hike war eine ehemalige Skistation, die Liftanlage selbst ist aber laut  Erzählungen eines einheimischen Skilehrers von einem Steinschlag zerstört worden und seit dem nicht mehr in Betrieb gewesen. Mit den Fellen geht es also vorbei an alten,  rostigen Liftstützen Richtung „oben". Einige Höhenmeter später findet Xaver seine Line, eine steile Rinne die mit Steigeisen und Pickel bewältigt werden muss um zum Drop-In-Point zu gelangen. Die Line erweist sich sehr schnell als pickel-hart, vereist und daher technisch sehr anspruchsvoll.

Neben der Rinne ist ein anderes Culouir, welches Bumsti ins Auge gefasst hatte. Nach der Hälfte des Aufstiegs muss er aber abbrechen, da die Schneebedingungen einfach zu  gefährlich waren und den sicheren Aufstieg nicht zuließen. Auch solche Entscheidungen gehören einfach dazu. „Safety first", das scheinen auch die Korsen groß zu schreiben. Als wir nach dem Filmen wieder unten im Tal ankommen, treffen wir auf eine Gruppe von Kindern – im Schnitt sicher nicht älter als zehn Jahre - die, von einem Bergführer begleitet, den sicheren Umgang mit LVS-Geräten in der Praxis erlernen. Es hat uns zugegebener Maßen beeindruckt und erfreut, dass scheinbar einerseits der Wintersport auf Korsika selbst, aber
auch die damit einhergehenden Gefahren und der sichere Umgang miteinander am Berg, so im Vordergrund stehen und auch schon so früh vermittelt werden. Respekt!

Auf dem Rückweg fahren wir wieder durch das Tal, vorbei an der Rückseite des Monte Cinto, des höchsten Berges auf Korsika. Dieser soll unser letztes aber auch größtes Projekt auf unserem Trip werden...

Insel der Kontraste – Der Monte Cinto
„Wir können Korsika nicht verlassen ohne auf dem höchsten Berg der Insel den Abdruck unserer Ski bzw. Boards zu hinterlassen." Nach einem bis jetzt genialen Skitrip auf der  Mittelmeerinsel hatten wir nur noch ein Vorhaben: den Monte Cinto. Schon Tage zuvor hatten wir uns, vor Geländekarten sitzend, überlegt wie wir den 2706 Meter hohem Berg am  besten bezwingen, und vor allem auch wann. Die Wettersituation war sehr wechselhaft, ließ uns jedoch auf ein Fenster für unser 2-Tagesprojekt hoffen. Die Mission: Aufstieg bis zur Schutzhütte auf 1667m und am nächsten ganz hinauf. Die Challenge: der Aufstieg über fast 900 Höhenmeter zu Fuß und zu Fell mit jeder ca. 40kg „Marschgepäck" bis zum Refuge de l'Erco. Das Ziel: drei schöne Lines in den Schnee des Monte Cinto zeichnen.

Sobald die genaue Route klar war, die wir gehen wollten, machten wir uns ans packen. Neben dem Üblichen musste auch ein ganzer Haufen Feuerholz mit auf die Hütte, da diese im Winter wenig genutzt und daher auch der Holzvorrat nicht aufgefüllt wir. Und die ganze Nacht frieren war keine Option. Alles gepackt, dann konnte es losgehen, im wahrsten  Sinne des Wortes. Nach dem Aufstieg zur Hütte waren wir nicht ganz sicher, welche Hälfte des Weges anstrengender war: die erste zu Fuß oder die zweite auf den Skiern. Jedenfalls erwartete uns nach knapp 900 Höhenmetern eine schöne alte Schutzhütte direkt am Fuße des Monte Cinto, Sundowner und Sternenhimmel inklusive.

Nachdem wir bei Tageslicht noch die Lines für den kommenden Morgen gecheckt hatten, wurde der Ofen angeheizt und das Abendessen im Kocher zubereitet. Selten haben Suppe und Nudeln so gut geschmeckt. Der Abend klingt nach einer kurzen Foto- und Timelapse-Session unter Sternenhimmel bei Tee, Bier und unter Vorfreude auf den kommenden Tag aus.

Guten Morgen Monte Cinto, heute bis du fällig. Ein schnelles Frühstück und dann geht es gleich auf Richtung Drop-In Points. Der Aufstieg sollte sich auf Grund der Schneesituation als etwas schwieriger und kräfteraubender als gedacht gestalten. Auch filmtechnisch war es nicht einfach die Lines gut einzufangen, da diese sehr weit auseinander waren und der Auf- und Umstieg sehr viel Zeit in Anspruch nahm. Vor allem wenn man nur mit Skischuhen unterwegs war. Die Bindung unseres Kameramanns musste in einer kurzen Notaktion auf die von Xav ummontiert werden, da seine am Vorabend beim Aufstieg gebrochen war. Doch auch das war letzten Endes kein Hindernis für uns.

Dave, Bumsti und Xaver wurden für den Aufstieg mit drei Lines belohnt, welche die Anstrengungen allemal wert waren. Nach einer kurzen Verschnaufpause bei der Hütte geht es gleich wieder abwärts Richtung Homebase und dann auch wirklich bald wieder Richtung „home".

Alles in allem waren es zwei unglaubliche Wochen auf einer unglaublich schönen und abwechslungsreichen Mittelmeerinsel, die sehr wohl auch im Winter ihre Vorzüge zeigt, und das zurecht. Nach anfänglicher Skepsis, ob wir hier überhaupt eine einzige Line fahren können, wurden wir, trotz teils schwieriger Bedingungen – oder vielleicht auch deswegen – eindeutig eines besseren belehrt. Bigmountain Skiing – teils mit Meerblick, lange Aufstiege aber auch lange Runs, Hüttenabende, Powderruns - auch wenn nur an einem Tag, aber es gab sie – und einfach eine unglaublich schöne Kulisse und eine sehr feine Zeit am Berg. Diese Erfahrungen gemeinsam zu machen und zu teilen, ist, worum es geht. Und Korsika hat uns sicher nicht zum letzten Mal gesehen, darüber waren wir uns alle einig. In diesem Sinne: Au revoir.

Riders: Xaver Kröll, Berhard „Bumsti" Ratschiller, David Stock
Filmer und Writer: Lukas Krec
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