Report - Eiger, Mönch

Report - Eiger, Mönch

Von Christiane Haller am 7.Nov. 2007

Wer kennt SIE nicht: das Dreigestirn der Berner Alpen, die oberhalb des Skigebiets von Grindelwald und Wengen thronen! Was aber wenn das „Skigebiet“ dort erst beginnt? 1800 m hohe Wände über 45° steil mit Adrenalin – Garantie.

 

Wer kennt SIE nicht: das Dreigestirn der Berner Alpen, die oberhalb des Skigebiets von Grindelwald und Wengen thronen! Was aber wenn das „Skigebiet“ dort erst beginnt? 1800 m hohe Wände über 45° steil mit Adrenalin – Garantie. In solchen Steilwänden ist vollste Konzentration gefragt. Ein Fehler kann tödlich sein.

Einer der Adrenalinsuchenden, Urs Baumgartner (CH), berichtet mir von seinen „Lieblingspisten“. Ganz selbstverständlich und als wäre es das Normalste der Welt versucht er mir einen kleinen Einblick in die Gefühle eines Extremskifahrers zu geben. Seine Motivation beschreibt er kurz und präzise: „Anders sein! Pisten fahren ist doch langweilig!“

Eiger (3970) 7.4.2007 Lange bevor der eigentliche Skibetrieb in Grindelwald beginnt setzt sich Urs mit einem guten Freund in den Zug. Umringt von Indern in Saris und Japanern mit Flip-Flops mit Ziel Jungfrau-Joch.

Ihr Ziel: Eiger! Doch zuerst gilt es über die Westflanke aufzusteigen. Bald zeigt sich, dass man die Felle wieder im Rucksack versorgen kann. Dann heisst es Steigeisen an und „stampfen“. Bei jedem Schritt werden die Schneeverhältnisse genau beurteilt. Ist es heute überhaupt möglich die steile Flanke zu befahren?

Der Aufstieg fordert das Gedächtnis: hier muss man sich schon genau anschauen, wo man wieder runter kommt. Normalerweise ist die Westflanke im Winter völlig verschneit. Doch der schneearme Winter macht es nicht gerade leicht einen Weg nach unten zu finden.

Der Gipfel!
3000 m über Grindelwald, über all dem Trubel auf der kleinen Scheidegg. Langsam wächst die Nervosität aber auch die Freude vor der Abfahrt. Skifahren ist für den Schweizer nicht nur ein Sport sondern eine Passion.

Von oben wird die ganze Wand noch einmal inspiziert: Wo hat es genügend Schnee? Wo ist er durch die Sonne schon weich? Wo ist die perfekte „Line“? Von nun an ist jeder auf sich allein gestellt. Urs wagt vorsichtig die erste Kurve: spürt wie der Schnee ist und…

Die ersten Kurven sind schwer. Der Schnee ist sehr hart. Aber bei diesem grossen Höhenunterschied ist es kaum möglich den ganzen Hang perfekte Bedingungen zu haben. Nun heisst es geniessen und konzentrieren. Man versucht die Schwünge aneinander zu reihen. Irgendwann merkt man, dass es ein Fluss ist: wirkliches Skifahren! Eine Art Meditation.

Urs kommt ins Schwärmen und erzählt mir, dass er mit den Skiern eine „Einheit“ bildet und von ihnen hinunter getragen wird. „Nur steuern muss man noch selbst.“ Doch bei jedem Bogen arbeitet das Gehirn über 100%: kann ich die Kurve stehen? Hält das Material? Deshalb sind Pausen wichtig! Sich von neuem Sammeln und kurz erholen.

Und der andere? Den hat man stets im Augenwinkel. Vor allem um darauf zu achten im Falle eines Sturzes nicht auf ihn zu fallen und von ihm, würde er stürzen, nicht mitgerissen zu werden. Ob es wohl jemand beobachtet?

Und ob: fassungslos sitzen einige Touristen auf der Terrasse der kleinen Scheidegg und starren gebannt Richtung Eiger. Ich bin ebenfalls unter ihnen und lausche den Bemerkungen. Von der Terrasse aus sind in der Flanke nur zwei kleine Punkte zu erkennen, die sich nach und nach als Skifahrer entpuppen.

Geschafft! Sie sind unten! Mit zittrigen Beinen schauen sie zurück und mischen sich langsam wieder unter die „Normalen“!


Vor einer Woche stand Urs schon davor: vor dem riesigen Eis – Bollwerk, dem Mönchs – Nollen. Zuhause studiert er die gemachten Fotos und fragt sich, ob es momentan überhaupt möglich ist. Nun geht’s mit dem Zug hinauf auf das Jungfrau – Joch. Aber wenn man schon mal hier ist: warum nicht die Mönch – Südwand als „Aufwärm – Training“ benützen!

Mönch(4107) 25./26.4.2007 Wieder ist Urs mit einem Freund unterwegs. Gemeinsam steigen sie über die Südwand hinauf zum Gipfel. Oben blicken sie die steile Wand hinab. Sie sehen wie das Eis durch denn Schnee schimmert. Die Angst ist nun nicht mehr zu verbergen!

Ist die Wand bei solchen Bedingungen fahrbar? Wenn der Schnee zu hart ist oder gar zu wenig Schnee auf dem Gletscher liegt, ist in solchem Gelände an Skifahren nicht zu denken. Einen kurzen Moment zweifeln die beiden an ihrem Projekt. Doch die Ski wieder runter tragen: Nein danke! Die Blöse wollen sie sich nicht geben.

Nach den ersten zaghaften Schwüngen stellt sich heraus, dass es wider Erwarten doch eine genussvolle Frühlingsabfahrt wird. Nun wird auch deutlich wie lange die Wand eigentlich ist: man fährt und fährt und hat das Gefühl immer am gleichen Ort zu sein. Besonders im unteren Teil ist die genaue Auswahl der Linie wichtig. Der Hang ist mit Gletscherspalten bestückt und ein Bergschrund teilt in fast in zwei Teile.

Unten steigt die Freude auf den nächsten Tag: da ist die andere Seite dran!

Über die Normalroute machen sich die zwei Skifahrer am nächsten Morgen wieder auf den Weg zum Gipfel. Oben geniessen sie die Stille und Einsamkeit. Völlig anders als im Sommer sind sie hier oben heute völlig allein. Doch Zeit zum geniessen bleibt kaum. Wieder ist maximale Konzentration gefragt. „Sonst tut`s weh!“

Vorsichtig fahren sie den steilen Gipfelhang hinab zu dem riesigen Eiswulst. Besonders wichtig ist nun die richtige Stelle zu finden, um Ski gegen Steigeisen zu tauschen. Urs geht langsam zu dem Punkt, an dem sich das Nordwestbollwerk langsam bildet und das Gelände immer steiler wird. Die Ski werden auf den Rucksack gebunden.

Der Eisbuckel ist zum Teil senkrecht. Ab hier ist nicht einmal mehr das Gehen mit Steigeisen möglich. Abseilen! Hundert Meter im blanken, steilen Eis. Urs bohrt mit Eisschrauben Löcher in das Eis um eine Abseilstelle einzurichten. Hält das Eis? Ist die Abseilstelle wirklich stabil genug, um ihr das Leben anzuvertrauen?

Zögerlich belastet er das Seil und begibt sich langsam in die Tiefe. Kaum vorzustellen was so eine Sanduhr im Eis aushält! Nun haben die beiden endlich wieder festen Boden unter den Füssen: Schnee! Von Entspannen kann hier jedoch noch keine Rede sein. Es gleicht einem Zirkusakt in solchem Gelände die Ski wieder anzuziehen.

Die Fahrt geht weiter. Es ist immer noch sehr steil und die warme Frühlingssonne hat dem Schnee stark zugesetzt. Er ist sehr weich und immer mehr Steine kommen zum Vorschein. Das Ziel vor Augen wird einem langsam bewusst, dass man es bald geschafft hat.

Die letzen Kurven versucht man noch intensiver zu fahren und zu geniessen. Man will dem ganzen Vorhaben ein optimales Ende setzten. Unten blicken die beiden erleichtert zurück und freuen sich über ihre gelungene „Skitour“.

Urs ist sich sicher: es war nicht das letzte Mal. Und es gibt noch viele andere Steilwände…

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