Rossignol FKS - Die Geschichte einer Bindung

Von Bernhard Scholz am 13.Mai. 2013

Jeder, der sich mit dem Thema Freeskiing auseinandersetzt, wird sie kennen, viele schwören auf ihre Eigenschaften: Die Rossignol FKS bzw. Look Pivot. Doch wo kommt diese Bindung eigentlich her? Wer und was steckt dahinter? Wir haben bei Rossignol nachgefragt und liefern euch die Antworten in unserem Artikel über die Ursprünge und die Entwicklung der FKS.

Die Ahnen
Auf der Suche nach dem Ursprung der FKS muss man weit in die Skivergangenheit zurück. Als in den 40er Jahren noch mit Bindungen gefahren wurde, die keine Sicherheitsbindungen waren, kam es zu relativ vielen Knochenbrüchen. Ein seitliches Auslösen war nicht möglich, da der Schuh vorne festgehalten und das hintere Spannsystem für die Abfahrt am Ski fixiert wurde. Die langen Holzbretter entwickelten sehr große Hebelwirkungen und in den schweren Lederschuhen schwamm man nicht sonderlich stark (auch wenn man sich das heutzutage kaum noch vorstellen kann). Da oft im Frühjahr in schwerem Schnee gefahren wurde war das gebrochene Skifahrerbein fast schon Normalität.

Rotation

Die erste Lösung war eine rotierende Grundplatte, die der Franzose Jean Beyl 1948 erfunden hatte. Er selbst hatte einen Beinbruch erlitten und ging das Problem aus der Sicht eines Maschinenbauingenieurs an. Seine erste Bindung löste zwar nicht wie eine moderne Bindung aus sondern drehte sich lediglich um 360° auf dem Ski, aber dafür reduzierte sie die Gefahr von verdreht gebrochenen Knochen bereits deutlich. Sogar die französische Skinationalmannschaft vertraute von Anfang an auf dieses System. Die Bindung wurde mehrere Jahre lang angeboten, verkaufte sich aber zunächst eher schleppend.

Jean Beyl und Look
Beyl gilt seither neben Hannes Marker als einer der Erfinder der Sicherheitsbindungen. Er gründete 1951 das Unternehmen "Look". Den Namen wählte er, da er gerne "sexy" englischsprachig klingende Namen verwendete. Seine "Platte" war aber offensichtlich nicht ideal und schon 1956 kam die erste Bindung auf den Markt, die am Vorderbacken das bis heute verwendete Prinzip der seitlichen Auslösung nutzt. Eine Feder hielt eine halbmondgeformte Metallplatte in horizontaler Richtung. Der Schuhrand klemmte unter dieser Metallplatte und konnte aufgrund der Federwirkung nur durch Krafteinwirkung (etwa bei einem Sturz) nach rechts oder links auslösen. Wieder gab Beyl dem ganzen einen englischsprachigen Namen: "Nevada".

Eine Erfolgsgeschichte
Die "Nevada" wurde in den 50er Jahren ein voller Erfolg. Die Vorteile waren offensichtlich. Sichere Auslösung, mit fast jedem Bergschuh verwendbar (damals fuhr man noch in normalen Bergschuhen Ski), leicht und solide. Es folgte die "Nevada 2" - sie hatte bereits einen zweigeteilten Vorderbacken dessen Seitenteile separat voneinander auslösen konnten. Die beiden Backen vergrößerten den Auslöseweg und zudem war ab diesem Zeitpunkt die Verwendung mit weiteren Schuhmodellen möglich. Zeitgleich brachte Beyl den "Grand Prix" Hinterbacken auf den Markt. Er funktionierte wie ein seitlich aufgestellter Nevada Vorderbacken und bot als erste Bindung den "Step-In" Komfort.

In den 60er Jahren wurde das Gesamtpaket "Nevada 2" und "Grand Prix" dann noch etwas weiterentwickelt und in "Look Nevada N17" umbenannt. Insbesondere hatte jetzt der Hinterbacken einen Drehteller bekommen um die Seitwärtsauslösung vorne zu untersützten, bzw. um vorzeitigem Auslösen vorzubeugen. Der Hinterbacken konnte ab jetzt also frei auf dem Ski rotieren. Ein weiterer Vorteil dieses "Drehtellers" ist, dass er direkt auf der Achse des Schienbeinknochens liegt und dadurch kompliziert gedrehte Splitterbrüche nahezu ausschließt. Zusammen mit den "rotierenden" Vorderbacken stand nun das Grundprinzip wie es bis heute gebaut wird. Rotieren = pivotieren, und daher auch der Name des Prinzips: "Double Pivot". Vorne und hinten.

Entwicklung steht an erster Stelle
Es folgten noch Änderungen am Design und den Materialien. So verwendete man beispielsweise Tefloneinsätze, um an den Auflageflächen der Skischuhe ein besseres Gleiten zu ermöglichen. Außerdem wurden die Namen so abgewandelt, dass sie in den 70ern auf die Ahnen schließen ließen: Die N57 blieb weitgehend die gleiche Bindung und bei der N77 kam erstmals eine Skibremse hinzu. Zunächst am Vorderbacken, später dann, 1982/83, am Hinterbacken. Die Bremse blieb seither nahezu unverändert. Da sich der Hinterbacken noch völlig frei drehte, hat man hier Ende der 80er noch ein kleines Rückhaltesystem integriert, damit der relativ lange Hinterbacken beispielsweise beim Transport auf dem Autodach keine Probleme bereitet. Die Fortführung der Nummern in der Modellbezeichnung endete schließlich mit der Look N99.

Die Pivot
Mitte der 80er wurden die Bindungen in verschiedene Kategorieren von "Anfänger" bis "Experte" unterteilt. Ab diesem Zeitpunkt wurden sie "Pivot" genannt - der Name, den die Bindung unter dem Markennamen Look bis heute trägt. Sie unterschieden sich in der Federhärte. Zudem wurde der Vorderbacken in seiner Funktion erweitert, er kann seither zusätzlich nach oben auslösen, also beispielsweise bei einem Sturz nach hinten. Außerdem wurde eine Art Knopf, es ist eher eine Funktion, in den Vorderbacken integriert die dafür sorgt, dass die Bindung leichter auslöst wenn der Druck nach vorne zu hoch wird. Die Federhärte verringert sich sozusagen. Die Entwicklung der Skibindung ist natürlich bis heute nicht abgeschlossen und als jüngste Verbesserung gelten die seit 2009 verfügbaren großzügiger diemensionierten Stopper für die breiteren Skimodelle.

Umfirmierung
1994 wurde die Marke "Look" von "Rossignol" übernommen und Rossignol brachte die Bindung unter dem eigenen Namen "FKS" auf den Markt. Die "Look Pivot" gibt es weiterhin, schlicht unter anderem Markennamen. Technisch sind die Bindungen identisch. Unterschiede bestehen in den Farben und Schriftzügen. Außerdem liegen natürlich noch Patente von einigen Prinzipien bei "Look" - etwa dem "Double Pivot" System oder den längenverstellbaren Metallstiften, die den Hinterbacken halten. Aufgrund des hohen Alters sind zahlreiche dieser Patente allerdings bereits öffentlich verfügbar und können daher frei verwendet werden. Die Marke "Look" lebt darüber hinaus im Radsport weiter. Anfang der 80er wurde das Prinzip der federgespannten Bindung auf Rennradpedale angewendet. Bei der Tour de France zeigten sich die Vorteile des Systems und seither sind die Pedale aus dem Rennradsport nicht mehr weg zu denken.

Keine FKS/Pivot mehr?
Im Jahr 2004 wurden die FKS und die Pivot Bindung vom Markt genommen. Dafür gab es letztlich zwei Gründe. Zum einen benötigten die Rennläufer eine Bindung, die der Biegelinie der neuen kurzen Carvingski besser entsprach. Auch sollte sie leichter einstellbar sein und einen größeren Längenverstellbereich aufweisen. Da die FKS mit sehr hohen Z-Werten ausgerüstet ist und die neu entwickelte AXIAL² 200 WC bzw. PX18 sich ebenfalls an ein Publikum richtet, das solch eine Bindung benötigt, wurde die FKS aus dieser Sichtweise sozusagen überflüssig. Der zweite Grund war, dass die Produktionsmaschinen für die Bindung so langsam in die Jahre gekommen waren und Investitionen erforderlich gewesen wären, um sie weiterhin auf dem gewohnt hohen Niveau bauen zu können. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht sowie im Hinblick auf den Markt, der mit den Bindungen abgedeckt werden sollte, passte die FKS/Pivot nicht mehr so richtig ins Gesamtkonzept des Unternehmens.

Die Freeskier holen sie zurück
2009 änderte sich dies allerdings wieder. Inzwischen war die Szene der Freeskier enorm gewachsen. Insbesondere die Profis erkannten, dass die alten FKS/Pivot Bindungen sehr gut zu ihrem Fahrstil passten, die beste Sicherheit boten und zudem solide waren. Ein Blick auf den Markt der hier entstanden war genügte dann und Rossignol ließ die Bindung wieder aufleben. Der Maschinenpark wurde modernisiert, ein paar Hebel bei der Farbgebung umgelegt und inzwischen sieht man wieder einen überwiegenden Teil der Profifreeskier - ob nun von Rossignol oder einer anderen Marke gesponsert - mit einer FKS/Pivot fahren. Die Bindung wird wie zuvor im Herzen Frankreichs, im kleinen Ort Nevers, gefertigt. Pro Stunde können etwa 60 Bindungen gebaut werden - was etwa viermal weniger ist als bei anderen Bindungen, da die Produktion aufwendiger ist. Jede Bindung besteht aus etwa 50 Einzelteilen. Ein ziemlicher Sprung, wenn man sich überlegt, dass die erste Bindung von Beyl nur aus einer handvoll Teilchen zusammengeschraubt war.

Soviel zur Geschichte der Bindung, nun zur Technik. Warum der überwiegende Teil der Freeride und Freestyle Profis auf das gute Stück schwört, erfahrt ihr auf der nächsten Seite?



Auslösewert & Elastizität

Um sich mit diesem Themenbereich auseinanderzusetzen, muss man zwei Dinge wissen: Jede Skibindung hat einen Auslösewert (Z-Wert) und eine Elastizität. Der Auslösewert bestimmt, ab welchem Krafteintrag die Bindung damit beginnt den Schuh los zu lassen. Die Elastizität ist dann dafür zuständig den Schuh noch so lange wie möglich in der Bindung zu halten, denn es könnte ja sein, dass gar kein Sturz geschehen ist und nur ein harter Schlag den Auslösewert kurz überschritten hat. Sollte dies der Fall sein und die Bindung würde auslösen, so spräche man von einer Fehlauslösung.

Bei der FKS/Pivot hat man hierbei ganz deutliche Vorteile gegenüber jeder anderen erhältlichen Bindung. Zum einen liegt dies an der großen Elastizität die durch die große Feder im Hinterbacken ermöglicht wird. Man kann sich das leicht vorstellen indem man sich den Skischuh an einem Gummiband vorstellt. Je mehr man daran zieht, desto weiter dehnt sich das Gummi - je länger das Gummiband, desto weiter kann man ihn aus der ursprünglichen Position heraus ziehen. Lässt man los, so federt er automatisch zurück. Ist das Gummiband jedoch kurz, dann reißt es früher -> der Schuh ist nicht mehr in der Bindung.

Logischerweise kann man bei Bindungen mit langem Federweg, also einer hohen Elastizität, relativ niedrige Z-Werte fahren. Sie beginnen dann zwar früher damit auszulösen, aber durch den längeren Federweg lassen sie im Endeffekt mehr Spielraum, bis der Schuh die Bindung endgültig verlässt. Kurze Federn lösen schnell komplett aus und der Ski ist weg. Man muss sie so weit zudrehen, sprich den Z-Wert so hoch einstellen, dass auch bei einem hohen Krafteintrag, wie zB. einem Sprung, kein Auslösen der Bindung möglich ist. Das geht dann logischerweise zu Lasten der Sicherheit. Da Bindungen so konzipiert wurden, dass sie im Sturzfall vor Verletzungen schützen sollen, können sie dieser Aufgabe bei hoch eingestelltem Z-Wert dann nur noch bei einem sehr hohen Krafteintrag nachkommen - einem Krafteintrag, der womöglich zu hoch für Bänder oder Knochen ist.

Weitere Vorteile

Das Gleiche gilt für den Vorderbacken. Die Pivot/FKS hat auch hier besonders lange Auslösewege und bietet daher ein höchstes Maß an Sicherheit - und auch wenn der Z-Wert relativ niedrig eingestellt ist kommt es selten zu Fehlauslösungen. Alleine diese Eigenschaften, niedriger Auslösewert gepaart mit hoher Elastizität, sind schon sehr gute Argumente für eine Bindung. Da die FKS/Pivot jedoch auch noch einen sehr kurzen Abstand zwischen den vorderen und hinteren Bohrlöchern hat, ermöglicht die Bindung eine sehr natürliche Skibiegung. Der Ski kann mit seinem natürlichen Flex arbeiten, wird also nicht durch weit auseinander liegenden Schrauben daran gehindert.

Das wirkt sich natürlich auf das Fahrverhalten aus: Alles fühlt sich ruhiger, geschmeidiger an. Letztlich hat man also mehr Spaß und muss weniger kämpfen. Außerdem ist die FKS/Pivot eine sehr solide Bindung die lange hält. Es ist keine Seltenheit, dass eine solche Rossignol oder Look viele neue Skimodelle kommen und gehen sieht. Der Autor selbst verwendet sowohl eine Rossignol und eine Look mit jeweils weit über 200+ Skitagen.

Nachteile
Wo Licht ist, da gibt es natürlich auch Schatten. Es ist kein Geheimnis, dass die FKS/Pivot eine relativ teure Bindung ist. Für deutlich weniger Geld bekommt man auch Bindungen anderer Hersteller und es ist relativ selten, dass man ein Schnäppchen findet. Außerdem gibt es keine Verleihversion, der Einstellbereich ist von Haus aus bereits eher klein (maximal etwa 2cm). Andere Hersteller bieten solche Features und auch im Hause Rossignol/Look gibt es Bindungen mit einem weit größeren Einstellbereich.

Letztlich gibt es noch eine Schwierigkeit was das Einstellen der Bindung angeht. Es ist nicht ganz leicht den korrekten Anpressdruck zu finden. Um hier ein optimales Ergebnis zu bekommen ist durchaus etwas Übung und Erfahrung von Nöten. Außerdem hat man in der aktuellen Fertigungsreihe nur die Wahl zwischen einer Bindung die bis zum Z-Wert 14 geht und einer bis 18. Das sind Werte die in der Regel ausschließlich sehr große und schwere Menschen oder eben exzellente Skifahrer benötigen. Sie ist und bleibt daher eine Bindung für Experten.

Danke an Rossignol und alle Freeskier
Viele fuhren die FKS/Pivot schon zu Skiclubzeiten, als es noch um Sekundenbruchteile zwischen bunten Fähnchen im Stangenwald ging. Jetzt im Pulverschnee oder im Park kann man ebenfalls wieder auf die solide Bindung aus Frankreich vertrauen. Das ist im Endeffekt den vielen Freeskiern zu verdanken, die bei Rossignol und Look angeklopft haben um die Bindung wieder aufleben zu lassen.

Das "Revival" hat sich aus Sicht des Autors in jedem Fall gelohnt. Er hat zwar noch ein paar der guten alten Stücke aus dem Jahr 2004 gehortet, doch irgendwann - und sei es erst in 20 Jahren - werden wohl auch diese einmal das Zeitliche segnen. Sollte dieser Fall dann eintreten, kann er wieder auf die aktuellen Modelle zurückgreifen.
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