Report: Ein Shooting-Tag mit Eric Hjorleifson am Pitztaler Gletscher

Von Hans-Martin Kudlinski am 11.Mär. 2013

Wer in den letzten Jahren in Sachen Freeride nicht völlig hinter dem Mond lebte, dem wird beim Stichwort „Hoji" sofort ein Licht aufgehen. Der Kanadier mit dem unausprechlichem Nachnamen entdeckte vor vier Jahren den Pitztaler Gletscher als Freeride Spot für sich. Seitdem er diesen und die umliegenden Bergketten das erste Mal unter die Lupe und auch unter die Ski nehmen konnte, kehrte er seitdem in jedem Winter dorthin zurück. Wir hatten die Möglichkeit, ihn dort einen Tag lang zu begleiten.

Freitagmorgen, 8:00 Uhr an der Talstation der Rifflseebahn im Pitztal. Pünktlich haben wir es aus dem Allgäu über den Fernpass geschafft, um uns mit einem der besten Freerider der Welt zu treffen: Eric Hjorleifson oder kurz Hoji. „Einer der besten Freerider der Welt" - das klingt heutzutage fast schon nach einer abgedroschenen Marketingfloskel, doch wer die Videoparts des Kanadiers studiert, wird schnell zustimmen, dass diese Behauptung keine Übertreibung ist.

Waschtag
Nach und nach tröpfeln die ersten Touristen vor den Toren der Bahn ein und machen sich für den bevorstehenden Skitag bereit. Da biegt auch Hoji zusammen mit Matt Sterbenz (4FRNT Gründer) auf den Parkplatz ein. Die Begrüßung fällt zunächst knapp aus, denn auch Hoji muss seine Vorbereitungen für den Tag treffen. Allerdings bestehen diese zu unserer Verwunderung nicht aus dem üblichen Prozdere.

Stattdessen wirft er einen Seesack mit seinen Klamotten über die Schulter und steuert auf den Waschraum der Mitarbeiterwohnungen der Pitztaler Gletscherbahnen zu. Wie er uns später verrät, ist er quasi seit Beginn des Jahres nonstop auf Achse, da muss man jede Gelegenheit nutzen, um die Reisegarderobe auf Vordermann zu bringen.

Während also die Waschmaschine im Tal ihre Arbeit verrichtet, machen wir uns daran, unsere anzugehen. Matt und Hoji haben geplant, einen Run direkt unterhalb der Gondelbahn entlang der Lifttrasse für den neuen 4FRNT Film zu shooten. Schon während der Fahrt nach oben merkt man, dass der Kanadier voll in seinem Element ist. Aufmerksam registriert er das Gelände, spricht sich mit Matt über die filmische Umsetzung ab und kann es dann oben angekommen kaum erwarten in die Bindung zu steigen.

Warm-Up Run
Die Sonnenstrahlen beginnen über die angrenzenden Baumwipfel zu spitzeln, ein wenig Zeit bleibt also noch, bis das Licht den schmalen Korridor komplett erhellt. So wird zunächst ein „Aufwärm-Run" unternommen. Wie nicht anders zu erwarten ist das für Hoji gemütliche Tempo für uns bereits eine ordentliche Ansage – der Versuch mitzuhalten wird schon nach kurzer Zeit mit schmerzenden Oberschenkeln und obligatorischen Zwangspausen quittiert.

Wieder oben angekommen, gilt es dann. Da der normale Gondelbetrieb bereits in vollem Gange ist und für den Dreh nicht unterbrochen werden kann, wird improvisiert. Matt will mit zwei Kameras aus der offenen Materialgondel filmen. Sobald diese also oben ankommt, steigt er mit einem Mitarbeiter der Liftanlage ein. Die eine Kamera auf einem Stativ ausgerichtet, die andere in der Hand. Für die ideale Perspektive beugt sich Matt über den Rand der Gondel, der Liftmitarbeiter sichert ihn. Hoji wartet währenddessen bereits am Einstieg des Runs an der Lifttrasse.

Abstimmungssache
Dann ist Timing gefragt, schließlich soll der Eindruck einer Follow-Cam entstehen und dabei den kompletten Run dokumentieren. Für Eric besteht die Schwierigkeit daher darin, ständig einen möglichst gleichbleibenden Abstand zum Filmer einzuhalten. Wir staunen nicht schlecht, als wir ihn dabei beobachten, wie er einerseits den technisch anspruchsvollen Run bei wechselhaften Schneebedingungen scheinbar mühelos meistert und während der Fahrt immer wieder einen prüfenden Blick über die Schulter wirft, um den Abstand und damit auch seine Geschwindigkeit anzupassen.

Im Tal angekommen werden die Aufnahmen direkt kontrolliert, die Mundwinkel schnellen bei allen Beteiligten nach oben – auf Anhieb ist der Plan aufgegangen, selbst die „auf gut Glück" ausgerichtete Kamera auf dem Stativ hat Hoji über einen längeren Zeitraum perfekt im Bild gehabt. Ein idealer Start in den Shooting-Tag also. Zeit, die Location zu wechseln und direkt auf den Pitztaler Gletscher zu fahren.


„Tapetenwechsel"
Nachdem wir aus dem Gletscherexpress aussteigen, verlieren wir keine Zeit. Matt und Hoji waren schon vor einigen Tagen angereist, kennen das Gebiet zudem aus den Jahren zuvor und haben bereits eine ganz bestimmte Line geplant. Diese hält zu Beginn ein kleines, felsdurchsetztes Schneefeld bereit. Über eine kurze, sehr enge Rinne erfolgt dann der Einstieg zu einem offeneren Schneefeld mit einem abschließenden Drop.

Soweit die Theorie. In der Praxis steht nun zunächst der Aufstieg Richtung Mittagsschartl auf dem Programm. Bevor dieses erreicht wird, führt der Weg jedoch in westlicher Richtung weiter nach oben – zunächst mit aufgefelltem Ski, dann zu Fuß. Während wir uns für die Film- und Fotoaufnahmen positionieren, bricht auch Hoji auf, um sein Ziel zu erreichen. Auch diesmal machen sich die „Klassenunterschiede" zum Otto-Normal-Freerider bemerkbar. Scheinbar mühelos überwindet Eric den Höhenunterschied zum Einstiegspunkt in kürzester Zeit.

Was nach dem Drop In passiert, ist dann nicht weniger beeindruckend. Die relativ dünne Schneedecke im exponierten, felsigen Gelände oberhalb der Rinne hindert Hoji nicht daran, unbeirrt und selbstsicher die geplanten Turns zu ziehen und anschließend in die Rinne einzufahren. Im unteren Schneefeld angekommen, reduziert er seine Geschwindigkeit durch zwei weitere Turns, steuert auf den anvisierten Drop zu und stellt diesen unbeirrt in die Landung. Die ganze Geschichte inkl. Aufstieg hat gerade einmal eine knappe Dreiviertelstunde in Anspruch genommen und sorgt einmal mehr für zufriedene Gesichter bei allen Beteiligten.


Bislang eine gute Ausbeute, es kommt die Überlegung auf, eine Pause im Gletscherrestaurant einzulegen. Auf dem Weg dorthin wirft Hoji noch einmal einen Blick über die Schulter und entdeckt auf Anhieb ein Cliff, das sich beim aktuellen Lichteinfall für weitere Aufnahmen anbieten würde. Etwa gute 10 Meter hoch, mit einer von schroffen Felsen umrahmten Landung. Bei Matt stößt Eric damit natürlich auf offene Ohren und so sehen wir ihm wenige Minuten später bereits wieder dabei zu, wie er seine erste Spitzkehre in Angriff nimmt.

Einmal mehr zeigt sich, dass Hoji sein Handwerk versteht. Alles verläuft nach Plan, auch wenn der Drop dann im Endeffekt doch etwas höher ausfiel als zuvor gedacht, wie er uns anschließend lachend wissen lässt. Dass Matt den Shot offenbar im Kasten hat, verraten uns seine begeisterten "Yeah, Hoj!" Rufe, die zu uns hinüberschallen. Mit dem bislang abgearbeiteten Pensum lässt sich dann auch beruhigt die zuvor geplante Pause im Gletscherrestaurant einlegen und das weitere Vorgehen besprechen.

Nach der Arbeit das Vergnügen...
Beim Mittagessen nutzen wir dann die Gelegenheit, um mit Eric ein paar Worte über die neu entwickelte Dynafit Beast zu wechseln, die in er auch auf seinem Trip nach Österreich testet. Dieses Interview findet ihr HIER.

Während unserer Essenspause kommen wir dann zu dem Schluss, dass sich vor allem Matt nach einer guten Woche gefüllt mit erfolgreichen Filmtagen im Kauner- und Pitztal ein paar Runs ohne den schweren Kamerarucksack am Rücken verdient hat. Besonders angesichts der Tatsache, dass er am bevorstehenden Tag schon früh am Morgen zum Flughafen aufbrechen und den Heimweg in die USA antreten wird. Ganz offensichtlich war sowohl Hoji als auch Matt anzumerken, dass sie beide nach wie vor mit voller Leidenschaft bei der Sache sind, wenn es darum geht, ein paar Runs nur um des Skifahren willens zu absolvieren. Es braucht also keine lange Überzeugungsarbeit, der Beschluss ist gefasst.


So lässt es sich dann Stefan Richter als Vertreter der Pitztaler Gletscherbahnen nicht nehmen, mit der ganzen Truppe im Anschluss noch zum Mittagsschartl hinaufzusteigen und uns im Zuge der etwa 1.400hm langen Abfahrt nach Mandarfen zielsicher zu einigen, noch unverspurten Lines zu leiten. So findet unser Tag am Pitztaler Gletscher zusammen mit Hoji und Matt einen Abschluss, der uns noch eine ganze Weile im Gedächtnis bleiben wird. Denn wann hat man schließlich schon einmal die Möglichkeit, zusammen mit einem der besten Freerider unserer Zeit bei etwa 40cm unberührtem Powder seiner Lieblingsbeschäftigung nachzugehen?

Selbst zum Abschluss passt das Timing wieder perfekt. Während die letzten Sonnenstrahlen über die umliegenden Gebirgskämme ins Pitztal gelangen, absolvieren wir den Schlussteil unserer Abfahrt. Einen Treerun bis hinunter auf die Höhe des Parkplatzes und schieben dann überaus zufrieden die letzten Meter zurück zu unserem Auto. Auf den Abschluss eines hervorragenden Tages am Berg stoßen wir dann gemeinsam mit einem wohlverdienten Radler an und lassen die Ereignisse des Tages noch einmal Revue passieren. Auch für Hoji gab es ein persönliches "Happy End": Seine Wäsche hatte die morgendliche Reinigungsaktion und den anschließenden Trockenschleudergang schadlos überstanden und wartete bereits im Tal abholbereit auf ihn...
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