Interview: Tobi Tritscher

Von Julia Schwarzmayr am 30.Nov. 2016

Tiefenentspannt und gar nicht aufdringlich sitzt er da. Obwohl er zu den besten Freeskiern seiner Generation zählt, gehört Tobi nicht zu den Menschen, die das unbedingt groß rausposaunen müssen. Statt nur zu reden, entwickelt er sich kontinuierlich weiter und setzt in Freeridefilmen Maßstäbe für den europäischen Freeridezirkus. „Es gibt nichts Besseres, als sich eine coole Line herauszusuchen, die einen richtig fordert. Und wenn dann alles, was ich mir für den Run vorgenommen hab, geklappt hat, möchte ich einfach sofort weiter machen und die nächste Line fahren."


Du kommst ja eigentlich aus dem Freestylen und bist auch sehr erfolgreich bei Freestylecontests mitgefahren. Wie hast du dich zu so einem guten Freerider entwickelt?
Ich war schon während meiner Anfangszeit in der Skihauptschule oft mit Freunden Kicker bauen. Ich hab dann mit den Skirennen aufgehört und bin klassischerweise zum Freestylen gekommen. Damals hat es die ersten Parks gegeben, wobei man die damaligen Setups nicht mit dem vergleichen kann, was den Kids heute geboten wird. Mit 13 bin ich auf Twintips umgestiegen, und dann die nächsten sieben, acht Jahre Freestylecontests gefahren. Ich habe auch einmal den Trubel bei der WM mitgemacht. Während dieser gesamten Zeit kam es mir allerdings immer komisch vor, mein Können vor einer Jury zu präsentieren und quasi für die Bewertung durch andere Leute mein Bestes zu geben. Mit der Zeit bin ich immer weniger Freestyle Contests gefahren und habe meine Tricks im Backcountry und auf Powder Kickern geübt, dadurch habe ich mich in das Powder-Fahren verliebt und ganz mit den Freestyle Contests aufgehört. Ich hab dann sogar eine Saison bei einigen Freeride Contests mitgemacht, aber dieses Gefühl, dabei nur für andere zu fahren, blieb gleich. Beim Filmen im Backcountry kann ich meine Leidenschaft für den Powder und mein Freestyle-Können perfekt kombinieren.
So bin ich dann 2011 bei Legs of Steel reingerutscht, war sehr viel mit den Jungs unterwegs und bin eher nebenher noch einige Events von Red Bull, wie den Line Catcher und den Cold Rush, mitgefahren. In den letzten zwei Jahren habe ich bei keinem Contest mehr mitgemacht. Ich war nur noch in Lines unterwegs und hab einiges ausprobiert. Ja, und dann waren wir 2015 in Alaska, wo man irgendwie ja schon als kleiner Bub hin will, weil's in allen Ski- und Snowboardfilmen vorkommt.

Wie kam es dazu, mit Legs of Steel nach Alaska zu fahren?
Wir haben zwei, drei Jahre lang immer kleinere Movies gemacht, die sind auch bei den Sponsoren richtig gut angekommen, dadurch haben wir mehr Budget für die nächsten Jahre gekriegt. Und wir haben dann auch was Neues machen wollen – oder müssen – und sind mit Legs of Steel auf den filmischen Zwei-Jahres-Hype aufgesprungen. Und da war es klar, dass man ein Alaska Segment braucht. Athleten und Filmer haben dann alles gemeinsam mit der Kerncrew von Legs of Steel koordiniert. Wir haben aber ziemlich unterschätzt, wie viel noch vor Ort zu organisieren ist. In Haines sind brutal viele Filmcrews unterwegs. Da geht's teilweise zu wie im Krieg, weil fünf Crews das gleiche Face fahren wollen. Trotzdem, wenn man das erste Mal dort ist, ist man sofort mit dem Hype infiziert. Allerdings hat man am Anfang vor allem brutal viel Respekt!

Im Film gibt es eine Szene, in der alle ziemlich massiv stürzen. Wie lange habt ihr euch da die Lines angesehen?
Gar nicht lange. Das war der erste Tag und eine andere Crew ist kurz vorher dort gelandet, wo wir eigentlich hinwollten. Wir mussten also auf das nächstbeste Face ausweichen, und der Guide hatte nichts dagegen. Allerdings waren wir alle ziemlich gestresst wegen der Planänderung und auch wegen der Helikopterfliegerei. Normalerweise sieht man sich am Vortag Fotos vom Face an oder ist schon öfter an einer Line vorbeigeflogen und mit dem Terrain vertraut. Es ist nicht gut, wenn man sich das eineinhalb Minuten anschaut und dann direkt loslegt.
Manchmal bringt auch die beste Vorbereitung nichts. In Alaska sind die Faces ein Meer aus Spines, und wenn man sich auf Fotos denkt, dass man da von der einen Spine rechts auf die andere fahren wird, und dann ist die Spine auf einmal eine zwei Meter hohe Eiswand, und es gibt nur einen kleinen Channel, wo du mit deinen Skiern rauf sollst, wird das vielleicht ein Problem. Aber trotzdem ist das irgendwie ein Luxusproblem.

Welcher Moment ist dir von Alaska am meisten in Erinnerung geblieben?
Die Emotionen in den Outruns von Dirty Needle und Battery, den beiden Lines, die mir richtig aufgegangen sind. Beide Lines waren recht steil, bedeckt mit mega Powder und das war einfach unvergesslich.
Weil, es war ja eigentlich so: Wir sind nach Haines gekommen und hatten einen Tag mit gutem Wetter. Dann war zehn Tage Schlechtwetter, dann waren wieder zwei Tage gut und dann wieder neun Tage schlecht. An den Downdays kann man nicht wirklich etwas machen. Man tut einfach nicht viel, hängt nur im Zimmer herum, geht vielleicht Fischen, macht ein Workout oder fährt nach Haines, was echt nicht so aufregend ist. Und zwischendurch spielt man eine Runde Billard und futtert eine Unmenge Cookies. Aber wenn ich an Alaska denke, kommen diese Erinnerungen erst viel später, zuerst denke ich an diese mega Lines.

Du bist ja einer der vielseitigen Skifahrer, die auch Tricks in ihre Lines einbauen. Warum sieht man das immer noch selten?
Ich glaube, dass es bei den Contests auf der Freeride World Tour heuer schon viel besser geworden ist, weil sich auch mehr jüngere Fahrer qualifiziert haben. Die Älteren sehen da auch sicher eine Konkurrenz. Wenn du auf der Worldtour in der Line einen Trick landest, dann bist du ja gut dabei.
Beim Filmen ist es oft schwierig umsetzbar, deswegen wird's dann doch nicht so oft gemacht. In so endlos großen Gebieten wie Alaska muss man erst einmal gute Spots finden, zum Beispiel eine gemütliche Windlip, wo man einmal einen Dreier oder einen Flatspin ausprobieren kann. Das ist mit einer begrenzten Anzahl an Flugstunden schwieriger als man denkt. Es muss beim Filmen einfach alles schnell gehen, und vor allem muss es auch beim ersten Versuch klappen. Wenn ein Sprung nicht funktioniert, muss man warten, bis es wieder schneit und die Spuren nicht mehr zu sehen sind, und kann es erst dann noch einmal probieren.

Unter welchen Umständen fährst du am besten Ski?
Wenn ich mich wohl fühle! Wenn ich in einem Gebiet zwanzig Mal in der Saison fahre, habe ich ein besseres Gefühl für das Terrain. Wenn ich wo zum ersten Mal bin, spielt oft auch das Glück eine Rolle. In einer neuen Umgebung kann es einem besser aufgehen oder im schlimmsten Fall nie. Man vermeidet sinnlose Aktionen und Sachen, die schwierig scheinen. Man begrenzt die Risiken und schaut sich nur Dinge an, die sicher machbar sind.

Freeriden wird immer mehr zu einem Breitensport. Wie möchtest du als Meinungsbildner die Szene beeinflussen und welche Message willst du rüberbringen?
Es ist super, dass immer mehr Leute, vor allem Kids, das Freeriden für sich entdecken. Aber es besteht die Gefahr, dass sie den Sport anfangen und denken, dass alles möglich ist, sobald sie die nötige Ausrüstung und einen Airbag Rucksack haben. Deswegen muss man verstärkt über alpine Gefahren aufklären. Es ist wichtig, dass man die Schneeverhältnisse einschätzen kann. Noch wichtiger ist es, dass man selbst weiß, was man kann und seine Grenzen kennt. Man muss sich immer bewusst machen, dass die Schneeverhältnisse vorgeben, was möglich ist.
Ich selbst sehe mich schon als jemanden, der zeigt, dass der klassische Freestyle und das Freeriden sich nicht gegenseitig ausschließen, und ich möchte weiter daran arbeiten, Freestyle im Backcountry und auch in Big Mountain Lines zu pushen.

Was machst du noch außer Skifahren?
Ich bin auch ohne Ski viel am Berg unterwegs. Im Sommer gehe ich gerne Golfen und spiele sogar hier und da Tourniere. Letztes Jahr habe ich auch mit dem Segelfliegen angefangen. Das hat dazu geführt, dass ich aktuell sogar meine Motorfluglizenz mache, und wer weiß, vielleicht bin ich irgendwann derjenige, der mit seinem Flieger neue Lines spottet und die Jungs dann dort absetzt. Ansonsten trainiere ich viel, um mich auf die Saison vorzubereiten, und bin eigentlich generell für jede Sportart zu haben.

Was möchtest du nach deiner Profikarriere machen?
Ganz prinzipiell möchte ich so lange wie möglich Skifahren, so lange es noch Schnee gibt auf der Welt. Ich könnte mir gut vorstellen, in der Sportindustrie zu bleiben oder vielleicht Trainer im Freestylebereich zu werden. Vielleicht ergibt sich aber auch etwas mit der Fliegerei, wer weiß. Aktuell will ich mich einfach zu hundert Prozent aufs Skifahren konzentrieren.

Facts:
DoB: 15.2.1990
Home: Schladming
Beruf: Profi-Freerider
Erfolge: Winner Freeride Festival by Eric Themel Hochjoch 2012
           Winner Total Fight Andorra Grandvalira 2009
           2nd Redbull Playstreets Bad Gastein 2009
Sponsoren: Atomic, Norrøna, Adidas Eyewear, Absolutpark
Geht gar nicht: hektische und stressige Leute
Geht nicht besser: Powder natürlich, wenn er einfach nur so dahinrinnt. Mir taugt's, wenn man mit dem Schnee arbeiten muss, schauen muss, wo er hinslufft.

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