Interview: Phil Casabon & Gus Kenworthy

Von Jörg Angeli, Hans-Martin Kudlinski am 12.Feb. 2014

Auf dem freestyle.ch in Zürich hatten wir die Möglichkeit, uns mit Phil Casabon und Gus Kenworthy zusammenzusetzen, um über Freeskiing sowie Olympia zu reden und zwei konträre Ansichten zu den Themen zu bekommen.

Gus Kenworthy ist 22 Jahre alt, seine Facebookseite enthält eine schier endlose Liste an Top Results bei großen Freeski Contests, darunter mehrere Top 3 Platzierungen bei den X Games. Phil Casabon (24 Jahre) sorgte in den letzten Jahren zusammen mit seinem Kumpel Henrik Harlaut und deren Websiodes "The B&E Show" innerhalb der Szene für ordentlich Aufmerksamkeit durch ihren Fokus auf Style und kreative Tricks. Casabon nimmt nur sehr sporadisch - wie zu dem Interviewtermin beim freestyle.ch - an Contests teil und genießt sonst alle Freiheiten, die man als Freeski Pro ohne Contestzwang haben kann. Wir haben mit den beiden über Olympia, Style, Contestformate, Frauen, FIS, AFP sowie weitere Themen geredet und zum Teil unerwartet viele übereinstimmende Antworten der Beiden bekommen.

fs.net:
Welcome guys. Starten wir erstmal gemütlich. Wie geht's euch?

Phil: Good, good!

Gus:
Sehr gut, ich hatte eine gute Reise, all good!

fs.net:
Dann geht's los mit dem großen Thema Olympia. Gus, hast du das Gefühl, dass sich im Freeskiing etwas verändert hat seit bekannt ist, dass Slopestyle und Halfpipe bei den Olympischen Spielen mit dabei sein werden – für dich oder den Sport an sich?

Gus: Einige Leute haben definitiv angefangen das ganze ein bisschen zu ernst zu nehmen. Bei Events sieht man am Start Coaches, Techniker, Serviceleute, Physios etc. Aber ich denke, dass die Rider sich nicht verändert haben und sich selbst treu geblieben sind für den Sport den sie lieben. Sie gehen einfach raus, versuchen bei Contests eine gute Zeit zu haben, zu filmen oder was auch immer sie am liebsten machen.

fs.net: Phil, was waren die Hauptgründe für dich nicht an Olympia teilzunehmen?

Phil: Die Hauptgründe waren: Teil eines Teams zu sein, zu bestimmten Uhrzeiten an bestimmten Treffpunkten sein zu müssen, immer zusammen mit dem Team an den Berg zu gehen u.ä. Ich war am Anfang mit dabei und hab mich an die Regeln gehalten. Nachdem ich dann irgendwann lieber Airbag trainieren sollte, anstatt im Pow zu shredden, wollte ich nicht mehr mitziehen und daraufhin wurde ich dann aus dem Team gekicked. Es war einfach nichts für mich, da ich die Freiheiten beim Skifahren liebe und keinen Coach brauche. Ich sehe schon auch die Vorteile, wenn man bei Olympia antritt, aber der Weg dorthin ist nichts für mich. Ich verwirkliche mich lieber selber beim Filmen. Dort kann ich alles so umsetzen, wie ich es mir vorstelle.

fs.net: Was sagst du zu den von Phil angesprochenen Punkten Gus? Was waren deine Hauptgründe, um an Olympia teilzunehmen?

Gus: Man muss definitiv ein bisschen seiner Freiheit opfern, wenn man mit dabei sein will und kann nicht genau das tun was man will. So wie es beim Filmen ist. Das mögen die meisten Fahrer nicht, aber ich trete eben auch gerne in Wettkämpfen an. Ich denke, dass unser Team einen guten Job macht, die ganze Sache recht locker angeht und so der Spaß nicht verloren geht. Klar gibt es jetzt auch einen Coach, der mit uns über Runs redet, neue Ideen einbringt und versucht die Situation zu kontrollieren. Ich mag das und hatte nie irgendwelche Probleme mit den Coaches. Die Terminplanung ist natürlich etwas nervtötend und nicht wirklich ein großer Spaß.

fs.net: Wie wichtig war Geld für deine Pro-Olympia Entscheidung?

Gus: Nicht sehr wichtig. Das US Skiteam finanziert sich aus privaten Geldern im Gegensatz zu vielen anderen Ländern wie zum Beispiel Neuseeland oder Frankreich, die mit staatlichen Geldern ausgestattet werden. US Rider bekommen dagegen kein Geld. Wir werden versichert und wenn wir uns verletzen bekommen wir Unterstützung, aber keine Entschädigung.
Es gibt natürlich ein Preisgeld bei Olympia selber, aber das war kein Grund für meine Entscheidung. Ich will einfach gern zu den Olympischen Spielen. Ich hab bereits an allen großen Events teilgenommen, die es im Freeskiing gibt und daher ist es nun auch cool bei Olympia mit dabei zu sein.



fs.net: Phil, wenn einer deiner Sponsoren dir ein unglaublich gutes Angebot machen würde, bei dem du sehr viel Geld bekommen würdest, aber an Olympia teilnehmen müsstest. Was würdest du antworten?

Phil: Nein! Man lebt nur einmal und die ganze Sache ist für mich mehr als nur Geld. Ich will mein Leben so gestalten, wie ich es mir vorstelle und ich breche nicht mit mir selbst für Geld. Außerdem würde ich nicht besser mit mehr Geld leben. So wie es momentan ist, lebe ich schon sehr gut.

fs.net: Gus, Ich habe in einem Interview gelesen, dass du es liebst, dass jeder Slopestyle Kurs anders ist, seine Eigenheiten besitzt, aber dass du befürchtest, dass sich das ändern könnte. Das IOC hat nun schon im letzten Sommer den Slopestyle Kurs für Olympia veröffentlicht. Was denkst du über diese Entscheidung?

Gus: Um ehrlich zu sein hasse ich diese Entscheidung. Ich mag es einfach, wenn man zu Slopestyle Contests fährt und keine Ahnung hat, wie das Setup aussieht. Man muss das Training dann nutzen, um einen guten Run zu finden, einen guten Mix zwischen Jumps und Rails auszuarbeiten und sich die richtigen Tricks auszudenken. Das ist ein wichtiger Teil des Sports und einen Kurs so weit im Voraus zu veröffentlichen ist eine Schande und ich war wirklich enttäuscht. Die Rider können jetzt auf den exakten Features trainieren und das macht den Contest mehr robotic, weniger spaßig, nimmt den Flow raus, verringert die Kreativität und das ist natürlich eine Enttäuschung. Der Kurs an sich sieht gut aus und sollte einige verschiedene Runs erlauben, auch wenn ich mir lieber vier Kicker gewünscht hätte, um in alle vier Richtungen spinnen zu können.

fs.net: Phil, wie siehst du das? Interessiert es dich, dass die Bilder so früh veröffentlicht wurden und befürchtest du, dass zu viele große Snowparks ähnliche Features bauen werden?

Phil: Nein nicht wirklich. Das Setup sieht nicht besonders speziell aus. Es ist ein typischer Slopestyle Kurs, daher interessiert es mich nicht so sehr.

fs.net: Alright. Dann eine Frage zu den Ladies. Denkt ihr, dass die Frauen Contests einen negativen Effekt auf Freeskiing haben werden, da sie nicht so beeindruckend sind, wie bei den Männern und Zuschauer dann vielleicht denken, dass es langweilig aussieht?
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Phil: Ich denke, dass Männer so etwas immer über Frauen sagen werden – das ist einfach so. Die Ladies haben aber einfach andere körperliche Voraussetzungen und müssen daher ganz andere Anstrengungen unternehmen. Ich würde daher nicht sagen, dass es lame ist. Man kann Frauen und Männer einfach nicht vergleichen, aber sie sind stoked, dass sie bei Olympia mit dabei sind, genauso wie alle anderen auch stoked deswegen sind.

Gus: Dem stimme ich voll und ganz zu. Dazu kommt, dass das Level bei den Frauen in den letzten Jahren massiv gestiegen ist und mich sehr beeindruckt hat. Ich hoffe, dass es bei ihnen so weiter geht, denn sie haben ihr eigentliches Potential noch nicht erreicht. Ich denke auch, dass sie den Sport in keinster Weise schlecht aussehen lassen. Nach Olympia werden sich hoffentlich noch mehr Girls für Freeskiing interessieren und das Level so weiter nach oben pushen. Es ist ja beim Filmen genau das gleiche. Dort gibt es viele Männer, die für Progression sorgen, ihr Ding durchziehen und immer verrücktere Sachen machen, während gleichzeitig viel weniger Frauen das gleiche tun also ist der Druck auch viel geringer. Ich hoffe, dass sich dies durch Olympia ändert.


fs.net: Lasst uns ein wenig über Style in Contests reden. In der Vergangenheit gab es viele Diskussionen über Style in Contests und wie dieser bewertet werden kann. Denkt ihr, dass es überhaupt möglich ist Style zu bewerten, weil wenn dem nicht so ist, wären auch die ganzen Diskussionen ziemlich sinnlos.

Gus: Ich denke, dass der Begriff Style im Zusammenhang mit Contests oft missverstanden wird. In Contests bedeutet Style Sachen wie lange gehaltene Grabs, cleane Landings, einzigartige Tricks u.ä. – einfach ein guter, cleaner Run ohne Fehler, der insgesamt sauber aussieht und den Judges zeigt, dass der Fahrer genau das gemacht hat, was er wollte und das Ganze dabei souverän durchzieht. Style allgemein ist dann wieder etwas anders. Der Trick zum Beispiel, den Phil in einer der letzten B&E Episoden gemacht hat: Nosebutter auf ein Plateau, Revert Tailbutter und dann auf das Downrail – das war für mich DER stylischte Trick, den ich in meiner Skikarriere gesehen habe, aber es war eben kein Contest Trick. Dort ist Style eher der technischste Trick den du machen kannst und der dabei noch smooth und selbstbewusst aussiehst.

Phil: Dem stimme ich zu und vielen Dank für das Kompliment (Phil und Gus geben sich einen Fistbump). Style ist ganz klar eine Sache, die jeder selber für sich definiert und wie Gus schon sagte, es gibt beim Judgen keinen Faktor wie Style.



fs.net: Habt ihr ein Contestformat im Kopf, welches ihr gerne mal sehen würdet, es bisher noch nicht gab und bei dem der Style mitbewertet werden kann?

Phil: Die besten Contestformate, die ich bisher erlebt habe, waren beim Tanner Hall Invitational und Sammy Carlson Invitational. Dort haben die Rider entschieden wer gewinnt. Es ist aber sehr schwer, da man nicht immer die Zeit hat alle zu beobachten, wenn man sein eigenes Ding durchzieht. Das beste Format, das ich mir vorstellen kann ist folgendes: Man filmt alle Runs und am Abend checken die Rider die Aufnahmen aus und stimmen dann ab, wer der Beste war (Best Style, Best Creative, Best Allround etc.).



Gus: Dem würde ich zustimmen. Es ist ziemlich unkompliziert, die Rider bestimmen wer der Beste ist. Ich war mal in Österreich bei einem TTR Event und dort lief es genau so ab, wie Phil es beschrieben hat. Alle Runs wurden gefilmt, es fand kein Judging vor Ort statt und am Ende des Tages haben alle zusammen die Footage angeguckt und anonym abgestimmt. Mit dem Resultat hat dann auch keiner ein Problem und es gibt keine Diskussionen.

fs.net: Klingt gut. Lasst uns jetzt kurz unseren Blick in die Zukunft richten. Was sind eure Vorhersagen für Slopestyle und Halfpipe bei den Olympischen Spielen 2018? Wie werden in 4 Jahre Freeski Contests aussehen?

Gus: Das ist sehr schwer zu sagen. In der Vergangenheit hat sich Freeskiing schon so extrem weiterentwickelt, dass man kaum sagen kann, welche Tricks in Zukunft gemacht werden. Die Olympischen Spiele 2018 werden definitv beeindruckend werden, aber ich denke nicht, dass es auf einem abnormal anderem Level sein wird als heute. Die Runs werden meiner Meinung nach ähnlich aussehen wie dieses Jahr, aber natürlich immer noch ein wenig besser und vor allem cleaner.

fs.net: Hast du eine Vorhersage Phil?

Phil: Nein nicht wirklich und ich will auch gar keine wagen. Ich versuche nur von Tag zu Tag zu leben, weiterhin das zu tun, was ich mag und dann beobachte ich, wohin sich der Sport bewegt in den nächsten 4 Jahren. Im Moment bin ich sehr zufrieden wie es sich entwickelt.

fs.net: Unter welchen Umständen werden wir Phil Casabon bei den Olympischen Spielen 2018 sehen?

Phil: Oh, unter keinen Umständen (lacht). Wenn es eine Chance gegeben hat, dann wäre es bei diesen Spielen gewesen. Meine Olympische Karriere ist vorbei.

fs.net: Und unter welchen Umständen werden wir Gus Kenworthy bei den nächsten Olympischen Spielen nicht sehen?

Gus: Wenn ich mich nicht qualifiziere, mich verletzte oder meine Karriere beende - Ich habe keine Ahnung. Das ist noch ein langer Weg. Ich würde gerne bei den nächsten Spielen mit dabei sein, aber bis dahin bin ich 26 Jahre alt und unser Sport ist definitiv einer für junge Athleten. Daher weiß ich nicht, ob ich dann noch Contests fahren kann. Wir werden sehen.



fs.net: Hehe ok. Dann noch einige letzte Fragen zur FIS. Gus, hattest du jemals etwas mit der FIS zu tun und wenn ja, wie ist dein allgemeiner Eindruck von der ganzen Organisation?

Gus: Ich hatte nie viel mit der FIS zu tun. Ich denke, dass sie sich nicht mit der gleichen Hingabe für unseren Sport interessieren, wie wir Athleten. Ihnen fehlt zudem das Wissen woher wir kommen, welche Werte wir verfolgen und was wir von Contests erwarten, zu denen wir fahren. Sie drängen sich momentan in unseren Sport und wissen dabei zu wenig über uns. Sie wollen jedoch, dass es bei den Olympischen Spielen gut läuft und das wollen wir auch. Bei den Spielen wird es sich zeigen, wie gut es mit der FIS zusammen läuft.

Phil: Ich habe nicht wirklich eine Meinung über die FIS.

fs.net: Hast du eine Meinung dazu, ob die FIS gut oder schlecht für die Sportart ist?

Phil: Ich würde sie eher auf die schlechte Seite stellen, weil sie – wie Gus bereits erwähnte – nicht genug über unseren Sport und deren Wurzeln wissen. Sie wollen nur Kontrolle und ihre eigenen Vorteile daraus schlagen. Mich persönlich beeinträchtigt es aber nicht, da ich weiterhin mache was ich will und die FIS wird mich nicht stoppen.

Gus: Dem stimme ich zu. Ich denke, dass die FIS versucht zu viel zu regulieren und dabei aber keine Ahnung von dem Sport hat. Sie haben das auch in anderen Sportarten gemacht und dort Skilängen, maximale Gewichte u.ä. reguliert. Das kommt bei uns zwar nicht in Frage, aber es vermittelt eben den Eindruck, dass sie viele Sachen vorschreiben und dadurch die Freiheit der Rider eingeschränkt wird. Es gibt daher einige negative Punkte bezüglich der FIS, aber ich hoffe es kommen auch positive dazu. Wir werden sehen.


fs.net: Die AFP (Association of Freeskiing Professionals) wurde unter anderem deswegen gegründet, um mehr Strukturen in den Sport zu bringen und aber auch um den Weg zu Olympia zu ebnen. Wie kommt es, dass fast jeder Freeskier – egal ob Pro oder Amateur – die AFP supportet aber nicht jeder will Freeskiing in den Olmypischen Spielen sehen? Woher kommt diese Differenz?

Gus: Für mich ist die AFP eine zentrale Instanz, die hilft ein Ranking für alle Contestfahrer aufzustellen und die verschiedenen Events gewichtet (Silver, Gold, Platin etc.). Das ist cool, weil man so sehen kann, wo man insgesamt steht als Contestfahrer. Zudem können so die Einladungen für Invitationals wie die X Games oder die DEW Tour fair geregelt werden. Außerdem ist es super für Nachwuchsathleten, die sich im Ranking langsam hocharbeiten und so auch eine Chance auf die großen Events bekommen können. Ich denke, dass die AFP eine großartige Organisation ist, die alles versucht, um den Sport zu pushen, aber vor allem eben ein Ranking für alle Contestfahrer etabliert.

fs.net: Wissen die Rider überhaupt, dass die AFP unter anderem aus dem Grund, Freeskiing in die Olmypischen Spiele zu bringen, gegründet wurde? Es macht nicht so den Eindruck, als würde es die Fahrer interessieren, dass dies einer der Gründe war und es jeder nur als Rankingorganisation ansieht.

Gus: Es war definitiv einer der Gründe, warum die AFP aufgebaut wurde. Unsere Sportart war früher extrem zerstreut und die Invites zu großen Events waren oft unfair. Es fehlten Strukturen und um in die Olympischen Spiele zu kommen, werden diese benötigt. Um dies zu schaffen und gleichzeitig uns selbst treu zu bleiben, wurde die AFP gegründet. Es hat sich danach im Grunde auch nichts verändert. Die Events sind die gleichen geblieben, nur dass es jetzt eben ein Ranking gibt und so eine fairere Einteilung der Einladungen möglich ist. Zudem ist dadurch dann auch erst die Integration in Olympia möglich geworden, da Strukturen und Rankings für so etwas nötig sind.

fs.net: Letzte Shout Outs?

Phil: Check out the B&E Movie "Let it Flow"!



fs.net: Alright, vielen Dank für eure Antworten und habt noch eine schöne Zeit hier in Zürich.

/ Das Interview führte Jörg Angeli
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