Freerider Felix Wiemers im Interview

Von Julia Schwarzmayr am 8.Nov. 2016

Freeriden, Filmproduktionen und Bodenturnen – Andi Spies hat sich mit Felix Wiemers, dem derzeit besten deutschen Freerider auf der Freeride World Tour, über sein Filmprojekt „Characters On Skis" und noch so einige andere Dinge unterhalten.

Worum geht's in deinem aktuellen Film „Characters On Skis"?
Der Film dokumentiert wie wir Fahrer den Winter erleben. Die unterschiedlichen Charaktere werden vorgestellt und dann die gesamte Saison, vom Vorwinter bis ins Frühjahr mit der Kamera begleitet. Ein Fokus liegt dabei auf unseren beiden großen Trips nach Japan und Norwegen. Aber auch in den Alpen haben wir viele gute Sessions gefilmt.

Welche Fahrer sind involviert?
Für das gesamte Projekt haben wir mit sieben Fahrern den ganzen Winter 2015/16 gefilmt. Mit dabei waren außer mir noch der Max Kroneck, Jochen Mesle, Neil Willimann, Roman Rohrmoser, Lukas Ebenbichler und die Julia Neumann.

Wie lief denn die Produktion und wo wart ihr überall unterwegs?
Unser Plan war, dass wir mit dem Filmen schon früh im Winter anfangen wollten. Da sah es in unseren Breiten allerdings vom Schnee her ziemlich mau aus. Also bin ich mit einem Teil der Crew nach Japan geflogen, wo schon ordentlich Schnee lag. Da ich ja auch auf der Freeride World Tour starte, ist es nicht immer einfach die Drehtermine mit den Event-Terminen abzustimmen. So war mein Plan schon vor dem Tourstart im Januar ein paar gute Drehtage zu erwischen.

Und, hat das geklappt?
Durchaus. In Japan hatten wir zwar viel schlechtes Wetter, aber unglaublich viel Schnee. Ich glaube es hat dort 14 Tage dauerhaft geschneit. Ab und zu blitzte dann auch mal die Sonne durch. Für mich war es zudem mein erster Trip nach Japan und damit auch kulturell ein klasse Erlebnis.

Japan steht ja vor allem für trockenen Powder und lässige Treeruns. Haben sich diese Klischees für euch bewahrheitet?
In jedem Fall, das kann man auch wunderbar im fertigen Film sehen. Wir hatten ordentlich Tiefschnee und es kam jeden Tag noch mal eine Ladung obendrauf. Wenn man fast jeden Tag damit beschäftigt ist, sein Auto auszugraben, sind die Chancen auch ein paar gute Schwünge in den Schnee zu zaubern sicher nicht schlecht (lacht).

Was ist beim Skifahren anders in Japan als in den Alpen?
Generell sind die Runs verhältnismäßig kurz, weil die Berge einfach nicht so hoch sind. Wir hatten für ein paar Tage auch Snowmobile ausgeliehen und konnten so einige Runs direkt von der Straße aus erschließen. Das war auch ein spezielles Erlebnis. Freeriden in Japan war in jedem Fall eine sehr interessante Erfahrung und ich bin in so wenigen Tagen noch nie so viel Powder gefahren.

Worauf legst du Wert, wenn du dir eine Line für die Kamera raussuchst?
Zunächst ist es natürlich wichtig, dass man sich Runs aussucht, die zum eigenen Fahrstil passen, bei denen man sich wohl fühlt und seine Stärken zeigen kann. Man will ja nach dem Run auch ein wenig stolz sein, dass man ihn sauber runtergebracht hat. Für den einen Fahrer ist es vielleicht eher etwas Technisches und Steiles. Der andere bevorzugt vielleicht einen offenen, flacheren Hang mit schönen Sprüngen. Da ich ja früher auch Slopestyle gefahren bin und mir das Springen einfach viel Spaß macht, suche ich mir meistens Lines aus, in die ich auch Freestyle-Elemente integrieren kann.



Du warst ja bisher auch als Leistungsturner in der 1. Bundesliga aktiv. Nun bist du parallel dazu seit den letzten Jahren auch Freeride-Profi. Lässt sich das beides nach wie vor miteinander vereinen?
Lange Zeit hat sich das Turnen und das Skifahren bei mir die Waage gehalten. Aber inzwischen ist es sicher so, dass sich mein Leben stärker auf das Freeriden ausrichtet. Dennoch, wenn ich zu Hause bin oder im Sommer versuche ich nach wie vor so viel Zeit wie möglich in der Turnhalle zu verbringen und zu trainieren. Ich bin auch noch aktiv bei Wettkämpfen dabei. Bis zum Herbst 2015 habe ich noch in der 1. Bundesliga geturnt. Mal sehn, wie das in diesem Jahr weitergeht. Vielleicht turne ich dann nur noch in der zweiten Mannschaft, die in der Regionalliga startet und kann hier die Youngster ein wenig unterstützen. Mit meinen 28 Jahren komme ich im Leistungsturnen ja nun auch langsam ins Rentenalter (lacht). Es ist einfach nicht mehr so, dass ich mich von Jahr zu Jahr steigere und die Zeit für den hohen Trainingsaufwand habe. Aber ich versuche mein Level zu halten und von der Fitness und Koordination profitiere ich sicher auch beim Skifahren.

Hört sich so an als sei das Turnen für dich jetzt eher ein Ausgleichssport und Fitness-Training. Betreibst du auch noch andere Sportarten um dich fit zu halten?
Ja, ich fahre im Sommer fast jeden Tag Mountainbike und starte zum Spaß auch bei Enduro-Rennen und Bike-Marathons. Da habe ich keine großen Ambitionen, aber als Wettkampftyp messe ich mich einfach gerne mit anderen. Zudem ist das Radfahren für mich eine super Vorbereitung für den Winter. Gerade bei den Downhills muss man schnell antizipieren, seine Linie richtig lesen – das sind Dinge, die ich beim Skifahren im Gelände auch beherrschen muss. Und beim Hochkurbeln bringe ich meine Beinmuskeln in Schwung.

Du gehst auch zum Windsurfen, richtig?
Ja, das ist für mich im Sommer ein perfekter Ausgleich. Ich mag es einfach übers Wasser zu gleiten und dabei abzuschalten.

Ganz ohne Gedanken ans Training?
Genau. Es muss im Sommer für mich auch Dinge geben, die gar nichts mit dem Skifahren zu tun haben. Dann kann ich mich im Herbst wieder auf die Bretter stellen und bin richtig heiß aufs Skifahren. Es gab ja auch Sommer, in denen ich in Chile zum Skifahren war. Aber ich merke, dass mit diese Skitage nicht unbedingt fehlen und ich ohne solche Trips im Herbst voll motiviert bin.

Deine Wettkampf-Karriere im Skifahren hat aber im Slopestyle begonnen. Wie kam es dazu?
Als ich im Skigebiet die ersten Freestyler im Funpark gesehen hatte, dachte ich mir: „Als Turner kannst du das doch auch!" Und da mussten erst mal ein Paar Twin-Tips her. Das hat mir großen Spaß gemacht und ich hab dann im Alter von 15 Jahren hier ordentlich Gas gegeben. Zum Freeriden bin ich über meine Eltern gekommen, die mich auch immer mit ins Gelände genommen haben.

Was hat dich in den Anfängen beim Skifahren inspiriert? Hattest du Idole?
Ich habe mir viele Skifilme angeguckt, aber nie einem speziellen Fahrer nachgeeifert. Dadurch dass ich ja in Hessen weit entfernt von den Bergen aufgewachsen bin, hab ich alle Magazine und Filme die ich in die Finger bekommen konnte, verschlungen.

Wieso bist du dann nicht beim Slopestyle geblieben, wenn er dir so viel Spaß gemacht hat?
Das ist eine gute Frage. Sicher, ich habe über das Freestyle-Skifahren zu meinen ersten Sponsoren gekommen und die Wettkämpfe liefen eigentlich auch ganz gut. Im Januar 2009 habe ich mir dann aber das Kreuzband gerissen und damit war die ganze Saison im Eimer. Im Winter 2010 habe ich mir eine Auszeit vom Studium gegönnt um einen Winter komplett nur Skizufahren. Doch nach der Verletzungspause hatte ich gar nicht mehr so den Drive im Slopestyle wieder anzugreifen. Ich bin dann meinen ersten Freeride-Contest gefahren und habe gemerkt, dass mir das Freeriden auch sehr gut liegt und ich eine Menge Spaß daran habe. So bin ich Stück für Stück mehr in die Freeride-Szene hineingerutscht.

Ist es für dich ein Unterschied ob du auf „3-2-1" beim Filmen in einen Hang dropst oder dich der Starter auf der FWT in den Hang schickt?
Ja, das ist für mich ein großer Unterschied. Im Contest spüre ich einen viel größeren Druck. Beim Filmen bin ich da eher entspannt.

Warum ist das so?
Schwer zu sagen. Vielleicht liegt es an der Tatsache, dass bei den Contests mehr Leute zuschauen? Wobei ich da am Start eigentlich gar nicht dran denke. Vermutlich liegt es daran, dass ein missglückter Run auf der Freeride World Tour größere Konsequenzen hat als beim Filmen. Möglicher Weise ist der Druck auch dadurch größer, dass die Judges meine Leistung bewerten. Wenn ich beim Filmen einen Run durch einen Sturz versaue, ist das zwar auch ärgerlich. Aber hier hab ich ja die Chance, dass über den Winter bei anderen Aufnahmen wieder gut zu machen.

Wenn du auf die vergangene FWT-Saison zurückblickst: Was waren deine persönlichen Highlights?
Mein bestes Ergebnis hatte ich ja mit dem dritten Platz in Fieberbrunn eingefahren. Dort hatte ich den größten Druck. Hätte ich einen schlechten Run hingelegt, wäre die Tour für mich zu Ende gewesen. Das Ergebnis war dann wie ein Befreiungsschlag für mich. Meinen persönlichen Highlight-Run hatte ich allerdings in Alaska. Da hat fast alles gepasst und es hat mir am meisten Spaß gemacht, obwohl ich dort nur Fünfter wurde.

Was machst du anders als deine Kontrahenten, was sind deine Stärken, deine Schwächen?
Eine Stärke von mir ist vielleicht, dass ich mit Drucksituationen ganz gut umgehen kann. Wenn ich in der Vergangenheit ein gutes Resultat gebraucht habe, habe ich das auch meist eingefahren. Meine Schwäche ist vielleicht, dass es mir nicht gelingt die guten Ergebnisse vorher zu erzielen, damit ich gar nicht erst in eine Situation mit großem Druck komme (lacht).

Setzt du dir konkrete Ziele oder was hast du dir für den Winter 2017 vorgenommen?
Wenn ich im Contest einen Hang befahre, plane ich meine Linie ja ganz genau. Wenn es mir dann gelingt diese Line genau so zu fahren, bin ich schon mal zufrieden. Ich setzte mir in jedem Fall keine konkreten Platzierungen als Ziel. Wenn ich meinen Run sauber runterbringe und ich trotzdem nur Siebzehnter werde, waren die anderen an diesem Tag wohl besser. Wenn es für eine Top-Platzierung reicht, freue ich mich natürlich. Für den kommenden Winter ist mein Ziel konstanter zu fahren.

Nimmt das Interesse von Mainstream-Medien in Deutschland mit deinen Erfolgen auf der World Tour zu?
Ich denke schon. Das passiert eigentlich seit ein paar Jahren. Ich hatte Auftritte im TV, Interviews in größeren Zeitungen und Magazinen wie dem Kicker oder dem Playboy. Freeriden ist durchaus auch für Medien außerhalb der Szene interessant. Für mich als Sportler, der davon lebt und sich selbst vermarktet, ist das natürlich positiv.

Die Freeride World Tour 2017 startet vom 27. Januar bis 2. Februar 2017 in Chamonix-Mont-Blanc (FRA).

 

 

Hinterlasse eine Antwort
Bitte anmelden, um einen Kommentar zu posten