Interview: Aurélien Ducroz

Von Julia Schwarzmayr am 30.Mär. 2017

Viele werden sich an den Franzosen aus Chamonix aus der Freeride World Tour erinnern, wo er sich 2009 und 2011 zum Weltmeister gekürt hat. Darüber hinaus konnte er insgesamt vier Mal das XTreme Verbier gewinnen. Seit einigen Jahren produziert er „Cham'Lines", eine Serie von Videos, die seinen Homespot Chamonix zeigt. Dass es in den Filmen nicht nur um „Easy Skiing" geht, dürfte klar sein, wenn man Aurélien mal fahren gesehen hat... Das ist aber nicht alles: 2010 entdeckte er das Segeln und seitdem nimmt er ziemlich erfolgreich an Regatten teil – und zwar nicht an kleinen Teichserien, sondern gleich Transatlantikrennen. Wir konnten uns mit dem 34jährigen, der den Anschein erweckt, nichts – aber auch gar nichts – nur halb zu machen, unterhalten.

FS.net: Hallo Aurélien! Wie geht's dir?
AD: Mir geht's super! Ich komme grad von einem großartigen Powdertag zurück, ich bin so glücklich!

FS.net: Würdest du dich bitte kurz vorstellen?
AD: Ich bin ein französischer Freerider aus Chamonix und seit einigen Jahren auch Segler. Ich lebe mein Leben zwischen Chamonix und Großbritannien, und zwischen meinen Leidenschaften - den Bergen und dem Meer.

FS.net: Deine Filmserie „Cham'Lines" wirkt wie eine Liebeserklärung an deine Heimat Chamonix. Wie bist du auf die Idee für die Serie gekommen und was wolltest du damit bewirken?
AD: Naja, ich bin für sehr viele verschiedene Projekte und für die ganzen Competitions rund um die Welt gereist und habe irgendwann realisiert, dass ich eigentlich gar nicht mehr zuhause Ski fahre. Da hab ich beschlossen ein Projekt in meiner Heimatstadt zu entwickeln, daraus sind dann vor vier Jahren die Cham'Lines geworden. Außerdem gab mir das die Möglichkeit, mehr Zeit mit meiner Familie zu verbringen.

FS.net: Dein Skifahren, und besonders in den Cham'Lines zeigt sehr viel vom bergsteigerischen Aspekt des Freeriden. Gibt's für dich eigentlich noch diese „Easy-Skiing Powderdays"?
AD: Oh ja sicher! Ich liebe es, so wie heute, in den Grands Montets mit Freunden unterwegs zu sein und einfach so viele Runs wie möglich zu machen. Ohne Druck, einfach zum Spaß. Das ist sehr wichtig für mich. Trotzdem stimmt es schon, dass wir in Cham'Lines mehr und mehr Ski Mountaineering einbringen. Das liebe ich genauso, weil ich dadurch so viel lernen kann.

FS.net: Nach vielen Jahren bei Dynastar arbeitest du jetzt mit Movement Skis. Wie kam es dazu?
AD: Das war überhaupt nicht geplant, es war eine Möglichkeit, die ich wahrnehmen wollte. Für mich ist es ein großes Glück, dass ich Teil eines so dynamischen, leidenschaftlichen und motivierten Teams sein darf. Und es war die Chance für mich etwas zu ändern, mich selbst neu zu motivieren und eine neue Vision von Skiern zu entdecken.

FS.net: Was macht Movement für dich so speziell? Welche Gründe haben dich bewogen, die Skifirma noch einmal zu wechseln?
AD: In allererster Linie die Ski! Nach meinem ersten Testtag hab ich mich richtig gut auf den Skiern gefühlt und das Gefühl gehabt, hier etwas Besonderes entdeckt zu haben. Diese „Skiability" hab ich vorher noch nicht gekannt.

FS.net: Hat es sofort "Klick" gemacht oder brauchtest du eine Zeit, um dich auf das neue Umfeld einzustellen?
AD: Ich hab mich von Anfang an mit dem Team sehr wohl gefühlt, es ist wirklich alles sehr schnell gegangen. Wir hatten die gleiche Vision, die Kommunikation hat sofort gut geklappt. Ich hab mittlerweile echt das Gefühl, immer für Movement gefahren zu sein.

FS:net: Du bist hier jetzt auch stark in die Skientwicklung eingebunden. Was genau sind deine Aufgaben, was machst du?
AD: Die Idee ist, dass ich – besonders hinsichtlich der Freeride Ski – in die Produktentwicklung eingebunden bin und meine Vorstellungen einbringe, wie die Freeride Ski der kommenden Saison aussehen und funktionieren sollen. Da gehört auch die Entwicklung neuer Ski dazu, und natürlich Testen und Ausprobieren. Ich bin voll in das R&D-Team integriert, damit was weiter geht!

FS.net: Wo liegen deiner Ansicht nach die Herausforderungen, wenn eine neue Skilinie entwickelt werden soll?
AD: Die große Herausforderung ist meiner Meinung nach zu verstehen, wonach Skifahrer suchen. Und die größte, sie mit einem Produkt zu überraschen, das sie nicht erwartet haben.

FS.net: Was möchtest du mit Movement gerne erreichen?
AD: Mein Ziel ist es, Movement als Referenz im Freeriden zu etablieren. Ich möchte dazu unbedingt meinen Teil beitragen.

FS.net: Das erste, das auf deiner Homepage ins Auge fällt, ist „Latitude Neige, Longitude Mer" (Breitengrad Schnee, Längengrad Meer). Was bedeutet das für dich?
AD: Für mich ist das die perfekte Kombination im Leben: Die senkrechten Berge und das waagrechte Meer.

FS.net: Segeln wirkt ja momentan ein wenig wie das "Next Big Thing" für Freerider. Travis Rice segelt in The Fourth Phase, Ski & Sail Trips boomen... Wie bist du aufs Segelboot gekommen? Für jemanden aus Chamonix wirkt das nicht total naheliegend...
AD: Auch das war wieder Zufall. 2008 fragte mich ein Skipper namens Adrien Hardy, ob ich sein Boot taufen wollte. Von diesem Zeitpunkt an hab ich ihn und seine Reisen und Abenteuer verfolgt. Dadurch hatte ich die Möglichkeit nicht nur das Segeln, sondern auch jede Menge Segler kennen zu lernen: unter anderem Francois Gabart, Michel Desjoyeau und Armel Lecléach. Die haben mich mit ihrer Leidenschaft angesteckt und so entschied ich 2010, dass ich in einer Mini 650 versuchen wollte, solo den Atlantik zu überqueren. Nach dieser ersten Erfahrung im Langstrecken-Solo-Segeln war für mich klar, dass das ab sofort Teil meines Lebens sein wird.

FS.net: Was macht Segeln besonders? Und gibt es Gemeinsamkeiten mit dem Freeriden?
AD: Solo – und Langstrecken-Segeln ist eine sehr spezielle Erfahrung: alles dreht sich nur um dich, dein Boot und den Ozean. In den Bergen ist es dasselbe: es geht nur um dich und den Berg. Die Art und Weise, wie du das Meer oder die Berge kennen lernst, ist sehr ähnlich. Das hat mir sehr geholfen und ist auch ein Grund dafür, dass ich mich auf dem Ozean wohl fühle. Wirklich, meine Erfahrung in den Bergen war extrem hilfreich für das Segeln.

FS.net: Du bist lange Zeit Freeride Contests gefahren, jetzt nimmst du an Segelregatten teil. Geht's dir immer um den Wettbewerb, machst du diese Dinge noch aus reiner Freude an der Tätigkeit heraus?
AD: Ich habe Competitions immer geliebt, weil ich es liebe, mich weiter zu entwickeln, mehr und mehr zu lernen und mich selbst zu pushen. Für das sind Wettbewerbe und Konkurrenz einfach der beste Weg. Andererseits liebe ich es genauso, nur zum Spaß Ski zu fahren oder zu segeln, nur für mich, oder mit meiner Familie. Natürlich wurden meine Leidenschaften zu meinen Jobs, aber als allererstes waren sie meine Passionen!

FS.net: Du bist mittlerweile verheiratet und hast Kinder, hast das Segeln entdeckt und produzierst deine Filmserie - haben sich deine Prioritäten im Gegensatz zu früher verändert?
AD: Nein, nicht wirklich. Ich habe immer versucht, mein Leben dort aufzubauen wo ich mich wohl fühle. In den Bergen, am Meer – und auch und ganz speziell zuhause.

FS:net: Hast du für dieses Jahr noch spezielle Pläne?
AD: Neben den Cham'Lines plane ich ein großes Ski & Sail Programm mit drei Dokumentationen, die meine beiden großen Leidenschaften in perfekter Harmonie zeigen sollen: Grönland, Svalbard und Südamerika. Der Frühling wird also ganz schön intensiv werden zwischen all diesen Reisen und der Segelsaison!

FS.net: Mit deinen mindestens drei Jobs können wir also davon ausgehen, dass dir auch in Zukunft nicht langweilig werden wird. Was erwartest du dir für die nächsten Jahre? Wo siehst du dich selbst, wenn du einmal 40 bist?
AD: Puh, keine Ahnung. Ich liebe mein Leben und ich hoffe, dass ich es immer noch zwischen diesen beiden Elementen leben darf, wenn ich einmal 40 werde!

Hinterlasse eine Antwort
Bitte anmelden, um einen Kommentar zu posten
vorheriger Artikel

nächster Artikel

Im Portrait: Jamie Laidlaw