People - Eva Walkner

Von Hans-Martin Kudlinski am 29.Apr. 2014

Frisch aus dem Freeride-Mekka Alaska heimgekehrt, hatten wir Zeit, mit einer der erfolgreichsten österreichischen Freeriderinnen zu sprechen: Eva Walkner. Die ABS-Teamfahrerin gab uns Einblicke in ihren Umgang mit Verletzungen, ihre Saisongestaltung ohne Contestdruck und erklärte uns, auf welche Eigenschaften es bei einem modernen Freeskier in erster Linie ankommt.

fs.net: In Sachen Verletzungspech hast Du mehr Erfahrung als Dir lieb sein dürfte. Ohne alte Wunden aufreißen zu wollen: Welche „Leidensgeschichte" hast Du bereits hinter Dir?

Eva: Ok, ich versuch mich kurz zu halten: Dreimal Kreuzbandriss, einmal Meniskus, Bänderriss im Sprunggelenk, Knorpelschaden, Schulterbruch, chronische Beinhautentzündungen, Rippenfraktur mit fünf gebrochenen Rippen, kollabierte Lunge sowie Milz- und Nierenprellung bzw. –einriss ... Hab ich etwas vergessen? Ein paar Zerrungen halt noch, aber nix Schlimmes.

fs.net: Gerade Dein Unfall 2007 hätte sicherlich den ein oder anderen zu der Überlegung gebracht, das Ganze an den Nagel zu hängen. So etwas steckt man mental sicher nicht ohne weiteres weg. Was hält dich immer wieder am Ball?

Eva: Also auf der Intensivstation hab ich schon wieder an mein Filmprojekt gedacht und meinte, in zwei Monaten bin ich wieder fit und kann filmen. Daraus wurden dann zwar am Ende viele Monate mehr, aber ich denke, wenn man den Sport lebt, dann verschwendet man keinen Gedanken ans Aufhören.

Außerdem wäre Aufhören nach einer Verletzung für mich soviel wie Aufgeben. Und ich bin kein Mensch, der aufgibt. Zurückzukommen ist dann mein großes Ziel, an dem ich sehr hart arbeite. Mental hat man natürlich große Probleme und das wird von Verletzung zu Verletzung schlimmer. Aber ich sehe das als Herausforderung und nicht als Problem.

fs.net: Wie bereitest Du Deinen Körper nach Deiner Knieverletzung bei der FWT auf die Belastungen vor und wie baust Du das Vertrauen in Deinen regenerierten Körper auf? Sprich: Wann weißt Du "Jetzt bin ich wieder soweit, das Knie hält, ich habe keine Einschränkungen mehr und bin wieder voll da".

Eva: Also speziell nach meinem letzten Kreuzbandriss hat sich das alles als sehr schwer herausgestellt. Es ist nichts planmäßig verlaufen. Ich will natürlich immer schneller sein als meine Verletzung es zulässt, aber man lernt sehr schnell, dass das Knie der Boss ist und das Sagen hat. Man kann immer nur so schnell sein wie es die Verletzung und der Heilungsprozess erlauben und das dauert bei mir mittlerweile schon mehr als 15 Monate.

Man MUSS sich in Geduld üben, mit der ich leider nicht sehr großzügig gesegnet wurde, aber man wird dazu gezwungen - ob man will oder nicht. Voll zurück ist man erst dann, wenn man wieder alles wie zuvor fahren und springen kann, ohne dabei ständig an das Knie zu denken. Meistens dauert so etwas zwei bis drei Winter.

fs.net: Hast Du während Deines Comebacks in diesem Winter Rückschläge erlitten und wie bist Du damit umgegangen?

Eva: Ich habe eigentlich fast nur Rückschläge erlitten. Manchmal gab es kleine positive Lichtblicke, ich konnte z.B. 12 Monate nach der Kreuzband OP zum ersten mal Stufen steigen, ganz ohne Schmerzen!  Das hört sich jetzt blöd an, aber das war für mich ein Riesenerfolg. Ich kann seit ein paar Wochen auch wieder mit Skiern am Rucksack steile Sachen hinauf hiken. Zwar noch immer mit vielen Schmerzen, aber es geht, es geht vor allem immer besser.

Es ist verdammt hart um ehrlich zu sein und es war vermutlich die schwerste Zeit für mich. Bis November hatte ich mir noch fest vorgenommen, wieder an der Freeride World Tour teilzunehmen, aber es war unmöglich. Dann habe ich mich nur noch voll und ganz auf mein Alaska-Projekt konzentriert und darauf hingearbeitet. Ich konnte zwar sicher nicht Vollgas geben, aber ich war dabei und das ist die größte Belohnung für mich, die ich mir selbst mit viel Fleiß und Durchhaltevermögen erarbeitet habe.

fs.net: Heutzutage erhält man über die Social Media Kanäle viele Einblicke in das Leben von Athleten. So auch bei Dir. Was man so sehen konnte, hast Du in diesem Winter einen vergleichsweise lockeren Zugang zum Skifahren gesucht. Helfen neonfarbene Leggins dabei, die unverkrampfte Leidenschaft zum Sport neu zu befeuern, die während der Contestjahre eventuell etwas in den Hintergrund rückte?

Eva: Ich muss sagen, ich hatte in dieser Saison einen der besten Winter. Es gab keinen Druck, am Podium stehen zu müssen und die größten Cliffs zu springen. Ich habe meinen Winter in den Dolomiten extrem genossen und die andere Seite unseres Sports wieder etwas mehr gelebt: Die Seite ohne Contests und ohne den damit verbundenen Druck. Ich hab viel geshootet, viele Magazingeschichten produziert und ich erfülle mir gerade meinen großen Traum von einem Filmprojekt in Alaska.

Und wenn ich dann auf meine Freunde schaue, die bei der Freeride World Tour mit dabei sind und die nur mit Verschiebungen, Absagen, Wartezeiten und bescheidenen Schneebedingungen gekämpft haben, dann bin ich im Nachhinein sogar etwas froh darüber, dass ich heuer nicht starten konnte.

fs.net: Haben sich Deine skifahrerischen Schwerpunkte im Laufe dieser Saison verschoben? Man hat Dich des öfteren in den Steilrinnen der Dolomiten gesehen – ist der Skialpinismus evtl. eine Richtung, die Du in Zukunft stärker einschlagen möchtest?

Eva: Ich habe Giulia Monego in Cortina getroffen und wir haben ein bisschen gequatscht. Sie sagte dann zu mir: „Well Eva, this ist the future". Damit meinte sie Freeski Mountaineering und Touring. Und ja, ich denke ich könnte mich mit dem Gedanken anfreunden, dass es auch meine Zukunft werden könnte.

Natürlich habe ich in diesem Bereich noch sehr viel zu lernen. Oft sind ja nicht die Abfahrten das Schwierige, sondern die Zustiege. Aber es ist spannend und ich lasse mich sehr gerne darauf ein. Es ist wieder ein ganz anderer Zugang, wo ich noch sehr viel lernen kann. Genau daran finde ich Spaß und werde die nächsten Jahre versuchen mehr in diese Richtung zu machen.

fs.net: Werden wir Dich in der nächsten Saison wieder in der Freeride World Tour sehen?

Eva: Ja, ich hoffe doch. Ich werde diesen Sommer versuchen, wieder zu 100% fit zu werden und möchte dann auf jeden Fall noch einmal angreifen. Ich habe vor zwei Jahren mit dem 2. Gesamtrang aufgehört und will natürlich versuchen, dieses Ergebnis zu toppen. Vor allem aber ist es schön, wieder alle Gesichter zu sehen. Einige Leute auf der Tour vermisse ich schon sehr.

fs.net: Du bist gerade aus Alaska zurückgekehrt. Was kannst Du uns an dieser Stelle bereits über Dein dortiges Projekt verraten?

Eva: Wir sind dabei, einen sehr hochwertigen Film zu produzieren – mit einem Teil Heliskiing in Haines und der Hauptpart wird dann eine Erstbefahrung in Valdez werden. Das war zumindest mal der Plan. Wir wollten uns reinfliegen lassen, am Gletscher ein Camp aufschlagen und versuchen unser Projekt erfolgreich auszuführen. Der Film soll sehr emotional und authentisch werden. Wir wollen keine Helden spielen oder zeigen wie cool wir sind, sondern unsere Emotionen und Erlebnisse authentisch rüber bringen. Auch ein Scheitern hätte dabei natürlich ein Teil der Geschichte sein können.

Leider lief es nun doch ein wenig anders. Nadine hatte sich bei einem Sturz in Haines verletzt und wir mussten abbrechen. Wir sehen es aber von der positiven Seite: Wir „müssen" nächsten Winter wieder zurück kommen und den Film fertig machen (lacht).

fs.net: Man darf also auf die Bilder gespannt sein, die Ihr mit nach Hause gebracht habt und noch bringen werdet. Geschieht die Planung einer solchen Geschichte komplett in Eigenregie oder wird Dir dabei von Deinen Sponsoren unter die Arme gegriffen?

Eva: Nach meinem Kreuzbandriss war ich natürlich total am Boden zerstört, also hab ich mir überlegt: Was ist dein großer Traum, was willst du unbedingt noch mal machen?! Die Antwort war: Alaska. Dann hab ich mich hinter meinen Schreibtisch geklemmt und während es draußen riesige Flocken geschneit hat, habe ich mich abgelenkt und jede freie Minute daran gearbeitet, mir meinen Traum zu erfüllen.

Ich hab das richtige Team gefunden, ein wenig Glück gehabt und so haben wir ein sehr gutes Budget aufgestellt. Auch dank ServusTV, die den Film als erstes ausstrahlen werden. Das ist also alles in Eigenregie passiert. Es war sehr viel Arbeit, aber jede einzelne Sekunde war es wert. Neben einer guten Ablenkung war es auch noch die beste Motivation, die man sich vorstellen kann.


fs.net: Wie würdest Du demnach eine Stellenausschreibung für Deinen Job als Freeski-Pro formulieren? Welche Anforderungen werden neben dem Skifahren gestellt?

Eva: Hmm, also Freeski-Profi, das heißt was ich persönlich darunter verstehe: Ein richtig gutes Skilevel ist Voraussetzung. Ein Racing-Background hilft sehr. Ein Freestyle-Background oder die Motivation, Tricks zu erlernen, ist erwünscht. "Dicke Eier", aber trotzdem eine gute Selbsteinschätzung sind ebenfalls nützlich. Gute "Vermarktungseigenschaften" sollte man ebenfalls mitbringen und fleißig zu sein ist auch vorteilhaft. Ganz wichtig aber aus meiner Sicht: Authentiziät! Die Motivation sollte in meinen Augen immer der Sport an sich sein, also die Leidenschaft für das Freeriden und nicht der Wunsch, berühmt oder reich zu werden.

fs.net: Bevor Du das Freeriden zu Deinem Beruf gemacht hast, warst Du im Journalismus unterwegs. Würdest Du behaupten, dass diese Erfahrung einen großen Teil zu deinem Erfolg beigetragen hat?

Eva: Eigentlich war ich ja bis 23 alpine Rennläuferin, dann hab ich 4 Jahre eine Abzweigung in den Journalismus gemacht. Ja, es hilft mir manchmal schon sehr. Ich kann meine Texte selber schreiben, weiß was Journalisten wollen, was eine gute Geschichte ausmacht und ich kenne verdammt viele Medienleute. Trotzdem muss ich immer noch Geschichten produzieren, Top-Platzierungen in der Freeride World Tour rausfahren und immer am Ball bleiben. Auch ich bekomme nichts geschenkt (lacht).

fs.net: Was ist im heutigen Freeski-Sport wichtiger? Mediale Vermarktbarkeit von Athleten oder deren sportliche Leistungsfähigkeit?

Eva: Das ist eine wirklich gute Frage, über die ich mir sehr oft Gedanken mache und mich manchmal auch etwas wundere. Generell hängt sehr viel davon ab, wie man sich selbst verkauft. Es gibt Freeskier, die ein wahnsinns Level haben, aber nicht die Besten im Vermarkten sind und deshalb auch immer um Sponsoren kämpfen müssen. Leider.

Dann gibt es Einige die an das wirkliche Pro Level - sportlich gesehen - nicht herankommen, aber trotzdem medial sehr präsent sind. Diejenigen sind dann einfach hinter dem Computer und beim Reden fleißiger und besser.

Beides hat seine Berechtigung. Um schöne Magazingeschichten zu produzieren oder auch einen Filmtrip, wo es nicht nur um die  extremste Action geht, muss man nicht immer Profi sein. Das ist auch gut so finde ich. Es muss eben nicht immer extrem und das Top Level sein. Aber wenn man sich wirklich Profi nennen will, dann steht meiner Meinung nach die Leistung an oberster Stelle! Nur weil ich einen coolen Edit auf Youtube stelle oder ein Bild von mir in einem Magazin finde, bin ich noch lange kein Profi. Dazu gehört sehr viel mehr.

fs.net: Kann das Eine ohne das Andere zum Erfolg führen?

Eva: Ja schon. Man muss sagen, vielen ist der Erfolg ja auch total egal, die fahren Ski um Spaß zu haben und wollen damit gar nicht wirklich Geld verdienen. Der beste Freeskier muss nicht immer der Bekannteste sein und umgekehrt. Es gibt viele, die extrem gut in ihrer Vermarktung sind, da muss man dann auch nicht unbedingt auf dem höchsten Level unterwegs sein.

Die einen beeindrucken durch gute World Tour Platzierungen oder wahnsinns Filmparts und die anderen eben durch schöne Bilder, Geschichten und Filme für die man nicht unbedingt zur Weltspitze gehören muss. Für den sportlichen Erfolg sollte man schon zu den Besten gehören, für den medialen Erfolg muss man mehr PR und Marketing skills haben. Ideal ist natürlich wenn beides vorhanden ist ;)

fs.net: Vielen Dank für Deine Zeit, Eva!

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