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Streif - So zähmen sie das Monster
Auf der Streif, der brutalsten und gefährlichsten Skiabfahrt der Welt, werden Legenden geboren, aber auch Träume von Rennfahrern begraben. Nach schweren Schädelhirntraumen und Knochenbrüchen mussten einige ihre Karriere beenden. Mit einem Bündel an Maßnahmen haben die Kitzbüheler das Hahnenkamm-Rennen nun sicherer gemacht: Mit hochkomplexen Software-Lösungen werden riskante Sprünge zusammen mit Biomechanikern vorab simuliert, Güllewerfer aus der Landwirtschaft für die Eispiste eingesetzt, riesige Fitness-Studios auf dem Berg aufgebaut. Eine Inside-Reportage wie die Verantwortlichen das Ungeheuer bändigen wollen
Max Franz hatte keine Chance. 2016 war es auf der Streif, als der Österreicher nach dem Mausefallen-Sprung in die Kompression fuhr. Das Flachstück war einfach nur brutal eisig, brutal ruppig, hart wie Beton. Franz zerschmetterte sich in seinem Skischuh seine Ferse, so hart waren die Schläge, die der 100-Kilo-Mann aushalten musste. Das Außergewöhnliche: Max stürzte nicht, er fuhr weiter. Wie ist das aber möglich, dass ein Rennfahrer sich das Fersenbein, das in einem Skistiefel steckt, der so fest wie ein Schraubstock ist, bricht? Und das, ohne zu stürzen. Eine Erklärung hat Franz im Nachhinein. Franz vergleicht das mit einem Autounfall. Als würde man auf der Autobahn über einen Bordstein knallen. Danach sei einfach alles kaputt: Reifen, Felge, Achse, Auto. Alles Schrott.
Max wäre aber nicht Max, wäre er nicht zurückgekommen. Dann stürzte er in den USA erneut, brach sich beide Beine. Am linken hatte er einen offenen Unterschenkelbruch, bei dem ein Nerv durchtrennt wurde. Fünf Operationen folgten. Heute zieren von dem fürchterlichen Sturz Narben seinen Körper. Insgesamt sind sie 114 Zentimeter lang. „Ich werde nicht aufgeben“, sagt er. „Eines Tages fahre ich wieder im Weltcup, in Kitzbühel“. Davon ist Aleksander Aamodt Kilde weit entfernt. Der Norweger, der 2020 den Gesamtweltcup gewann, stürzte im vergangenen Januar in Wengen so schwer, dass es ungewiss ist, ob er jemals wieder in den Skizirkus einsteigen kann. Mit seinem messerscharfen Ski schnitt er sich selbst die halbe Wade ab. Ebenso Cyprien Sarrazin. 2024 gewann der Franzose noch die Streif. Nun erlitt er im Training in Bormio eine schwere Kopfverletzung. Die Ärzte mussten Sarrazin den Schädel aufbohren. „Ich weiß nicht, ob Cyprien wieder Skifahren wird. Ich weiß nur, dass wir für ihn da sein werden“, sagt sein Doc Stéphane Bulle. Deshalb schaut die Ski-Welt nun auf das legendäre Hahnenkamm-Rennen. Denn: In Kitzbühel werden Legenden wie Didier Cuche, Dominik Paris, Franz Klammer und Toni Sailer geboren, aber auch Träume von Rennfahrern wie Todd Brooker, Hans Grugger, Scott McCartney und Patrick Ortlieb begraben. Was die Crash-Piloten vereint? Nach schweren Schädelhirntraumen, schweren Knochenbrüchen und schweren Sehnenrissen mussten sie ihre Karriere beenden. Allein Todd Brooker überschlug es 1987 im Zielsprung ein Dutzend Mal, blieb regungslos liegen. „Wie eine Puppe wird er nach einem Überschlag den Zielhang hinunter geschleudert“, schrieben die Zeitungen.
Besonders schlimm traf es Daniel Albrecht, der 2009 mit 140 Sachen nach dem Zielsprung auf die Eispiste knallte. Die Bindung riss es ihm von den Skiern, die Eisenstangen zerbrachen wie Mikado-Stäbchen. „Mein Oberstübchen war auf Werkseinstellung zurückgesetzt“, sagt Daniel nun über seinen damaligen Gesundheitszustand. Er wusste nicht mehr, wer er war. Seine damalige Freundin Kerstin brachte ihm Wimmelbücher ins Spital. „Schau, Dani: Das ist eine Giraffe, die hat einen langen Hals. Und das ist ein Löwe, der kann beißen. Beide Tiere leben in Afrika. Das ist weit ganz weg von uns.“ Wie ein Kleinkind musste er alles wieder erlernen. Aksel Lund Svindal, der Ski-Weltmeister sagt: „In Kitzbühel geht es ums blanke Überleben.“
Die Verantwortlichen des Kitzbüheler Ski-Club (KSC) wollen wie in Bormio nun keine Verletzten mehr zu verantworten haben. Sie wissen: Eine schlecht präparierte Stelle kann, wie im Falle Sarasin das Karriereende bedeuten. Das wäre nicht gut, gar nicht. Schließlich sind auch 2025 mehr als 50 TV-Stationen vor Ort, 300 Millionen Menschen live vor dem Fernseher. Mit einem Bündel an drastischen Maßnahmen versuchen sie nun wieder das Monster, die Streif, zu zähmen. Schließlich kann der Weltverband, die FIS, nur Rennfahrer vermarkten, die laut Svindal „auch an einem Stück unten im Ziel ankommen“. Daher ist das Ziel klar definiert: „Das Wohl und Wehe der Rennfahrer steht über allem“, sagt Rennleiter Mario Weinhandl, der einst Felix Neureuther und Linus Straßer – die beiden deutschen Vorzeige-Rennfahrer – trainierte. „Es gibt nichts, was für uns mehr Priorität hat als die Gesundheit der Athleten“, ergänzt Anton „Toni“ Bodner, Chef der Bergbahnen.
Ein wichtiger Mosaikstein ist die Verpflichtung von Kurt Schindelwig durch die FIS. Schindelwig, Professor am Institut für Sportwissenschaft an der Universität Innsbruck, schrieb bereits 2014 schrieb im „Scandinavian Journal of Medicine & Science in Sports“, dass Weltcup-Skirennen absoluter Hochrisikosport sei. Schuld seien die weiten und riskanten Sprünge. Es gab Veranstalter, so Schindelwig, die hätten schlicht und einfach den Sprung falsch eingeschätzt, erklärt er. Falsch eingeschätzt? „Am Schluss ging der Sprung dann doch 10, 15 Meter weiter als gedacht“, sagt er. Das kann bei einem Speed der Top-Fahrer von 130, 140 Sachen verheerende Auswirkungen haben. Aus diesem Grund reiste der Universitäts-Professor bereits am vergangenen Sonntag – also vor dem ersten Training – nach Kitzbühel und vermaß zusammen mit Rennleiter Mario Weinhandl und Pisten-Chef Herbert Hauser die Streif. Was heißt das aber, die Streif zu vermessen?
Erst fährt Schindelwig selbst an die Mausefalle, die gefühlt so steil wie eine Hauswand ist. Bevor die Rennfahrer zu dieser kommen, beschleunigen die Gladiatoren binnen drei Sekunden auf 100 km/h, donnern dann 80 Meter weit. Schindelwig steht nun genau an dieser Stelle, legte seinen zwei Meter langen Neigungsmesser an und gibt die Daten vom Sprung in die speziell für den Ski-Weltcup entwickelte Simulationssoftware ein. Das gleiche macht das Sicherheits-Quartett um den Renndirektor der Speed-Bewerbe der FIS Hannes Trinkl, Pistenchef Herbert Hauser, Rennleiter Mario Weinhandl und Schindelwig an der „Alten Schneise“, bei dem der Sprung bis zu 30 Meter weit geht.
Ebenso beim „Seidlalmsprung“ (bis 40 Meter), am „Hausberg“ (bis 30) und am „Zielschuss“ (bis 70). Binnen Minuten können sie sofort sehen, wo Korrekturbedarf ist. In den letzten Jahren musste der Professor an der Streif nicht eingreifen, die Sprünge waren alle perfekt präpariert. Oft reiche jedoch nur eine minimale Veränderung von nur einem Grad aus, ob ein Fahrer nun 70 oder 80 Meter springt. Schindelweg weiß das alles dank seiner intelligenten Software: Wie wird die Flugkurve der Skistars um den Schweizer Marco Odermatt oder den Italiener Dominik Paris sein. Er weiß auch, wie ihr Luftwiderstand ist, wie hoch ihr Luftauftrieb. Selbst die Wucht des Aufpralls mit ihren 20 Kilo schweren Rennski kann der Hobby-Skifahrer vorhersagen. Zwar prügeln Medien gerne auf den Weltskiverband ein, zur Wahrheit gehört aber auch, dass bei den vergangenen 40 Abfahrten, bei denen Schindelwig Messungen durchführte, keine schweren Verletzungen aufgrund von Sprüngen auftraten. Wenn jedoch ein Rennfahrer wie Hans Grugger 2011 einen Fahrfehler an der Mausefalle macht, bringen auch die Berechnungen Schindelwigs nichts. Grugger zog sich lebensgefährliche Verletzungen an Lunge und Schädel zu, musste nach einem Monat auf der Intensivstation seine Karriere beenden. Schindelwig, der Biomechaniker, ist kein lauter Mann. Am Schluss tragen die FIS-Manager die Verantwortung für die Sprünge. Er sei „nur bei der Entscheidungsfindung behilflich“.
Eigentlich, so sagt es Jan Überall, der Generalsekretär des Kitzbüheler Ski Club und Geschäftsführer des Streif-Ausrichters, der „Hahnenkamm GmbH“, hätte er gegenüber den Athleten zwei Aufgaben. Einerseits sei es seine Pflicht, den Adrenalin-Junkies eine herausragende Rennpiste zu präsentieren. Dann müsse er aber auch gegen die Interessen der Rennfahrer zu deren Wohl handeln. Denn die wollen nur eines: So schnell als möglich ins Tal rasen. „Manchmal müssen wir sie einbremsen“, sagt Überall. „Unsere wichtigste Aufgabe ist es, alle sicher ins Tal zu bringen und zu sorgen, dass die Rennstrecke trotz dem aggressiven Material noch fahrbar bleibt “, sagt Ober-Kindergärtner Überall. Dafür habe er wie kein anderes Organisationsteam auf dieser Welt einen Riesen-Vorteil: Während bei anderen Downhill-Rennen viele Freiwillige mithelfen würden, wäre das in Kitzbühel nicht möglich. „120 Menschen arbeiten mit einem festen Arbeitsvertrag für das Rennen, in der Wettkampfwoche sind es sogar 360 Leute.“ 1500 Männer und Frauen sind es am Renntag. Damit sei gewährleistet, dass nur Profis am Werk seien, die ihr Handwerk verstehen würden. Der Lieblingssatz von Überall: „Sicherheit geht vor Spektakel.“
Wenn einer weiß, wie sehr die Sicherheitsvorkehrungen verschärft wurden, dann ist es Tom Voithofer. Tom ist der Sicherheitschef und damit der „Herr der Netze“. Früher, gesteht sein Vorgänger Franz Pfurtscheller, seien die Rennfahrer noch in die gefrorenen Strohballen geknallt oder über den Holzzaun geflogen. „Solche Horrorstürze sind nicht mehr möglich“, sagt Tom, der Zimmerer. Allein in den vergangenen Tagen verlegte er mit seinen 30 „Sicherheitsbeamten“ 1700 Meter A-Netze und 1300 Gleitplanen. Die seien die wichtigsten, sagt Voithofer, weil sie an den Passagen verlegt wurden, an denen es besonders heikel zugeht, wie der 85 Grad steilen Mausefalle oder dem Steilhang.
Besonders heikel? Vor Jahren hat mal Ex-Rennleiter Axel Naglich, der bekannt wurde durch den Spruch „Wenn's gut geht, bist a Held, wenn's schief geht, bist halt tot!", einen Dummy in die Netze im Steilhang geschickt. Er konnte es nicht glauben. Wenn ein Rennfahrer wie das „Dickerchen“ – so nennen Freunde Italo-Abfahrer Dominik Paris – in das Fangnetz knallt, wirken Kräfte von 14G. Paris muss 1600 Kilo Fliehkraft aushalten. 1600!
Eigentlich hält sich der Redakteur dieser Geschichte auch für einen guten Skifahrer. Den Steilhang mit Weltcup-Präparierung zu fahren, wäre laut Svindal keine gute Idee. „Deine Knochen würden wie Zahnstocher auseinanderbrechen.“ Damit das nicht den Rennfahrern passiert, verlegt Voithofer weitere 13000 Meter B-Netze, 1800 Meter BC-Netze, 1500 Meter Gleitzaun, 132 riesige Luftmatten und 180 Aufprallschutzmatten. Was aber ist der Unterschied zwischen einem A-Netz und einem B-Netz? „Der Fahrer, der mit Voll-Speed in ein A-Netz fliegt, wird durch dieses erst abgefedert, dann auf die Piste zurückbefördert", erklärt Tom. Und die B-Netze? Diese sollen peu à peu die Geschwindigkeit der Racer beim Unfall rausnehmen. Und was heißt das? Tom sagt das mit ausdrucksloser Miene. „Er kracht von einem Netz durchs Nächste.“ Wenn’s weiter nix ist. „Seit Anfang 2000 haben wir den Sicherheits-Umfang materialtechnisch um mehr als 50 Prozent erhöht“ erklärt Tom. Sicherheit geht vor Spektakel.
Das lebt besonders Rennleiter Mario Weinhandl vor. Besonders stolz ist er auf seine „Güllewerfer made by Kitzbühel“. Statt Kuhmist versprüht Weinhandl mit seinem Team tausende Liter Wasser. „Viele denken ja immer, dass wir Spaß daran hätten, die Streif besonders eisig zu machen“, sagt Weinhandl. Das sei Blödsinn. Weinhandl macht das nur wegen der Sicherheit der Fahrer. Würde Weinhandl das nicht machen, würde bereits der vierte oder fünfte Fahrer mit seinen Skalpell-scharfen Kanten tiefe Furchen in den Schnee bohren. Die Folge: Die Fahrer, die danach starten würden, würden wie auf einer Bobbahn fahren und im schlimmsten Fall in hohem Bogen aus dieser fliegen. „Die Startnummer 70 hat bei uns die gleiche Siegchancen wie Startnummer 1“, sagt der Rennleiter. Das ginge nur mit einer Eispiste. Oder wie es die „Zeit“ mal geschrieben hat, haben die Kitzbüheler früher dank ihrer Sprühbalken aus der Streif ein furchteinflößendes Monster gemacht. „Ein Heer von Soldaten striegelt dem Ungetüm das Fell gegen den Strich, damit jede Kante und jeder Sprung dazu taugen, den Fahrern das Fleisch vom Skelett zu beuteln.“
Was es heißt, auf dem Ungetüm zu arbeiten, davon kann Gerhard Hühnersbichler ein Lied singen. Jeden Morgen, wenn er sich Richtung Streif aufmacht, zieht ihn seine Frau Katrin zu sich her und sagt: „Pass bitte auf Dich heute auf“. Dann steigt Gerry in sein 14 Tonnen schweren Pistenbully, streift die Hausbergkante und die Traverse glatt. Im Jahr 2016 krachten dort Hannes Reichelt, Georg Streitberger und Aksel Lund Svindal, alle drei Favoriten, erst aufs blanke Eis. Danach lagen alle im Krankenhaus. „In dem Moment, als ich durch die Luft flog, sah ich wie die Ärzte und Rettungssanitäter schon rannten“, sagte Svindal mal.
Johannes Mitterer, der die österreichische Mannschaft seit 1995 während der Rennwoche unterbringt, sagt. „Das drückt schon ganz schön auf die Stimmung, wenn jeden Abend ein weiteres Teammitglied beim Essen fehlt“, so der Hoteldirektor des Kitzhofs. Dass das nicht wieder passiert, arbeitet Hühnersbichler rund um die Uhr. Gefährlich ist es trotzdem. Sollte sein Pistenbully ins Rutschen kommen, wäre das nicht gut. Zwar hat seine Schneewalze eine Seilwinde, diese hält jedoch nur 4,5 Tonnen. Zu wenig. Deshalb muss er höllisch darauf aufpassen, dass er niemals ins Rutschen kommt. Aus diesem Grund hat vor Jahren der Veranstalter einen Sicherheitszaun für Pistenmaschinen unterhalb des Steilhanges gebaut. Sollte ein Pistenbully-Fahrer abrutschen, würde er wie ein Rennfahrer im Fangzaun landen. Das Problem von Hühnersbichler: An der Hausbergkante gibt es keinen Fangzaun und überhaupt keine Auslaufzone. Nur Bäume und Wald. Und freier Fall!
Herbert Hauser, der Pisten-Chef, arbeitet aber auch an diesem Problem. Wahrscheinlich gibt es niemanden auf der Welt, der so viel von der Präparierung versteht wie der Herbert. Seit 2007 ist er der Pistenchef, seit 2007 lieben ihn Fahrer wie Kitzbühel-Sieger Thomas Dreßen oder Didier Cuche. Und wenn ein Rennfahrer mal am Abend zu tief ins Glas geschaut und seine Ski vergessen hat, dann nimmt ihn der Herbert Huckepack, fährt einen Superstar wie Bode Miller persönlich zum Start. Hauser, der jeden Morgen um halb sechs seine 18 Jungviecher im Stall versorgt, ist deswegen so etwas ein Hirte. Herberts Ziel ist immer, dass er am Renntag alle seine Schafe gesund und munter in den Stall bringt. Denn: „Der einzige Schwachpunkt, den es auf dieser brutalen Abfahrt gibt, ist unser Körper. Die Eispiste wird niemals nachgeben – unser Körper schon“, sagt Svindal. Wie sich ein Rennfahrer während der Fahrt fühlt, das beschreibt Svindal so: „Mein ganzes Nervensystem ist in Alarmbereitschaft, pumpt Adrenalin und Endorphine wie wild durch meinen Körper. Das muss wie bei einem Autounfall sein – nur zwei Minuten am Stück.“
Unterstützung bekommt Hauser von Stefan Seeber. Stefan sitzt im Büro der Bergbahn Kitzbühel, hat drei riesige Bildschirme vor sich und hat wie ein Wall-Street-Händler die blinkenden Zahlen voll im Griff. Stefan weiß einfach alles. Der „Head of Snow“ kann bis auf den Zentimeter genau nachschauen, wie viel Schnee auf der Streif liegt. Braun bedeutet, hier liegt mehr als einen Meter Schnee. Blau zwischen 50 und 75, grün zwischen 25 und 50 Zentimeter. Heikel wird es bei Rot: Rot heißt weniger als 25 Zentimeter. Alarmstufe rot. Damit es nie rot aufleuchtet, hat die Bergbahn zusammen mit dem Kitzbüheler Skiclub die Pumpleistung im vergangenen Sommer erhöht. Und zwar massiv. Mittlerweile kann Seeber 540 Liter je Sekunde aus den beiden Speicherteichen auf die Hahnenkamm-Abfahrt rauspusten – bisher waren es nur 325. „Somit können wir im Vergleich zum Vorjahr in der Hälfte der Zeit die Streif beschneien“, erklärt Seeber. Warum ist das wichtig?
Seeber gibt ein Beispiel. Er kann nur dann Schnee herstellen, wenn es mindestens minus 2,5 Grad kalt ist. Diese „Schneifenster“ werden jedoch immer kürzer. Wenn es also kalt sei, könne man viel effizienter Kunstschnee produzieren. Somit sei die Sicherheit der Rennfahrer, ja sogar das Rennwochenende, gesichert. Durch die Kühlung des Wassers mit der neuen Kühlturmanlage kann Seeber aus dem Wasser mehr Schnee in besserer Qualität zaubern, erklärt er. Und woher kommt das Wasser? Aus den Speicherteichen Seidlalmkopf und Seidlalm II. Einer fasst 36.000 Kubikmeter, der andere 119.000. Seeber ist eines noch ganz wichtig. Die meisten Menschen würden immer denken, dass die Schneekanonen den ganzen Winter über laufen würden und wie wild Wasser verbrauchen. Das sei völlig falsch. Jede Schneekanone läuft nur rund 200 Stunden pro Saison – als gerade mal acht Tage bei 24 Stunden Leistung.
Stundenlang warm machen sich auch die Rennfahrer vor dem Start. Während in fast 99 Prozent aller Rennen ein Partyzelt mit halb gefrorenen Snacks rumsteht, steht am Start der Streif ein riesiges Haus, die Red Bull-Energy-Station. Frische Pasta gibt es, frische Früchte, selbst ein Barista macht den Racern noch einen leckeren Cappuccino, bevor sie sich ins Tal stürzen. Noch wichtiger sind aber die Möglichkeiten, sich vorzubereiten. Ein halbes Dutzend Spinning-Bikes stehen bereit, Ergometer, Faszienrollen, Gymnastikbänder – ja ein halbes Fitnessstudio – hat der Brausekonzern auf 1665 Metern aufgebaut. „So etwas gibt es sonst nirgendwo auf dieser Welt“, sagt Generalsekretär Überall.
Die Österreicher um Vincent Kriechmayr, der 2023 die Abfahrt gewann, freut sich heute schon auf den After-Race-Lunch. „Die Skirennfahrer kommen zu uns, weil wir extremen Wert auf gute Qualität legen“, sagt Hoteldirektor Johannes Mitterer, der erst vor wenigen Tagen zusammen mit Heidi Beckenbauer das legendäre Karpfenessen an Dreikönig ausrichtete und zudem Fußballklubs aus Hoffenheim und Stuttgart beheimatet. Am Abend wird es lokalen Saibling aus Schwendt geben, das Black Angus-Rind kommt aus Hall in Tirol, das Kalbfleisch für das Wiener Schnitzel aus Fieberbrunn. Die ÖSV-Heroes freuen sich auch heute auf die Minuten nach dem Rennen. Küchenchef Jürgen Bartl steht mit Buchteln und Vanillesauce und Kaiserschmarren schon bereit. Hotelchef Mitterer, ein gebürtiger Kärntner, kann es sich aber nicht verkneifen immer und immer wieder gerne die Geschichte zu erzählen, dass sein Bad Kleinkirchheim 1988 das Hahnenkamm-Rennen wegen Schneemangel ausrichtete. Mitterer kommt woher? Bad Kleinkirchheim. „Ich bin mit ƒSkiern an den Füßen auf die Welt gekommen“, sagt er.
Dieses Wochenende startet im Kitzhof die legendäre „Hummer-Party“. Warum? Das Hahnenkamm-Rennen ist „unser Monaco der Formel 1“, erklärt Mitterer. Wer dieses Jahr bei der Party am Start stehen wird, darüber schweigt er. Nur so viel: In den vergangenen Jahren waren Sportstars wie Formel 1-Fahrer Sebastian Vettel und Ski-Legenden wie Franz Klammer und Karl Schranz bei der Sause, aber auch Andreas Gabalier und Arnold Schwarzenegger. Hotels in Kitzbühel brauchen das Rennen im Winter, so Mitterer.
Dass, was er und alle anderen wollen, ist, dass Fahrer wie Max Franz und Cypien Sarrazin schon bald wieder ganz gesund werden, bald wieder mit nacktem Oberkörper im „Londoner“ in der Kitzbüheler Innenstadt nach dem Höllenritt stehen. Das ist Tradition der Gladiatoren. Das Motto des Pubs, indem im vergangenen Jahr Streif-Sieger Sarrazin eine Runde Schnaps nach der anderen ausgab, heißt: „If the downhill does not kill you, the Londoner will“, auf Deutsch: „Wenn dich die Abfahrt nicht umbringt, wird es das Londoner.“ Hoffentlich hat Max Franz bald wieder eine Chance…
The End.
„Der weiße Rausch“ – Ende April findet das 23. Mal das Abfahrtsrennen der besonderen Art statt
Das Saisonende in St. Anton am Arlberg fordert noch einmal heraus
Am 25. April 2020 ist es wieder soweit: in St. Anton am Arlberg findet das Abfahrtsrennen „Der weiße Rausch“ statt. Für die 555 Teilnehmer geht es dann am Vallugagrat eine 9 Kilometer lange, unpräparierte Piste mit knapp 1.300 Höhenmetern runter. Anschließend folgt ein Zwischenaufstieg am „Schmerzensberg“, bevor es die Kandahar-Piste wieder runtergeht. Los geht es am späten Nachmittag um 17 Uhr, für Kinder und Jugendliche zwischen 11 und 16 Jahren gibt es um 16.30 Uhr eine verkürzte Version des Rennens oberhalb der Sennhütte.
„Der weiße Rausch” ist Teil des alpinen Arlberger Triathlons, der aus insgesamt drei Rennen besteht: dem weißen Rausch, den Arlberger Wadlbeisser am 11. Juli und als letzte Disziplin den Arlberger Bike Marathon am 22. August. Auch an diesen Wettkämpfen gibt es jeweils wieder eine verkürzte Version für Jugendliche.
Weitere Informationen unter: St. Anton am Arlberg
Buchrezension: Freeski Tirol
Rezension - Powderguide - Die besten Freeride-Gebiete der Alpen
Der Buchmarkt für Freerider ist um einen Titel reicher, denn seit kurzem ist das neue Buch „Powderguide – Die besten Freeride-Gebietee der Alpen“ im Handel erhältlich. Schon der Titel legt die Messlatte nicht gerade niedrig, denn wo das „Beste“ draufsteht, sollte auch das „Beste“ drin sein. Wir haben uns eingehend mit dem Buch beschäftigt und verraten, ob sich der Kauf lohnt.
Review - Nebelhorn Classics 2010
Wie so viele andere Veranstaltungen in letzter Zeit blieben auch die Nebelhorn Classics nicht vom Wetterpech verschont. Wie bereits in den letzten drei Jahren mussten die Veranstalter den Start weiter nach unten verlegen. Dem Erfolg des Events und einem spannenden Rennverlauf tat das jedoch keinen Abbruch.
Review - Livingroom Downhill 2010
Insgesamt fanden sich am Sonntag, den 21. Februar knapp 40 unerschrockene Freerider in Mühlbach beim Arthurhaus ein, um beim Livingroom Downhill gegeneinander anzutreten. Wie im Format der First Tracks Inferno Tour üblich, absolvierten die Teilnehmer die Abfahrt vom Hochkeil nach einem Massenstart und sorgten dabei für spektakuläre Szenen. Bei idealen Wetterbedingungen stellten die Fahrer aus Österreich, Deutschland, Italien und Belgien ihr Können unter Beweis.