Interview: Daniel Schießl und Tobi Reindl - Teil 2

Von Jörg Angeli am 6.Dez. 2012

Im zweiten Teil unseres Interviews mit Dani Schießl und Tobi Reindl reden wir mit den beiden Teammanagern des deutschen Freeski Nationalteams unter anderem über den Qualifikationsmodus für die Olympischen Winterspiele, Trainingsmöglichkeiten und die Nachwuchsförderung in Deutschland.

fs.net: Wie funktioniert die Qualifikation für die Olympischen Spiele?

Dani: Der Qualifikationszeitraum geht von vergangenem August bis kurz vor die Olympischen Spiele 2014. In dieser Saison (12/13) gibt es für Halfpipe und Slopestyle Wettkämpfe, die für die Qualifikation für Olympia zählen. Je einen Halfpipe und Slopestyle Event hat das deutsche Team schon verpasst, da diese bereits im Sommer stattgefunden haben. Das ist natürlich schade, aber es ist trotzdem noch alles möglich. Nach diesem Qualifikationszeitraum gibt es jeweils für Halfpipe und Slopestyle, getrennt nach Frauen und Männern, eine FIS Punkteliste. Den nationalen Verbänden werden dann, abhängig von den Platzierungen in der Punkteliste, je nach Disziplin und Geschlecht, null bis vier Startplätze zugesprochen. Diese Startplätze werden an das Land und nicht direkt an die Athleten vergeben.

Pro Disziplin und pro Geschlecht gibt es also jeweils maximal vier Startplätze für ein Land. Das heißt,  wenn in den Top 24 der FIS Liste zehn Athleten aus den USA sind, kann die USA nur vier Plätze wahrnehmen und die anderen sechs Plätze werden an andere Nationen weitergereicht. Der nationale Verband legt dann interne Kriterien fest, die ein Athlet zur Teilnahme an den Olympischen Spielen erfüllen muss. Zusammenfassend heisst das, die Weltcups die jetzt stattfinden sind noch nicht dafür da,  sich persönlich zu qualifizieren, sondern man fährt einen Slot für sein Land raus und der nationale Verband legt dann intern fest, wie die Plätze vergeben werden.

fs.net: Gibt es schon eine feste Vorgehensweise, wie die verfügbaren Plätze in Deutschland vergeben werden?

Dani: Es gibt vom DSV eine Richtlinie, die sie in allen Alpindisziplinen verfolgen.  Wenn ein Athlet einmal Top 8 oder zweimal Top 15 in Weltcupwettkämpfen erreicht, kann ihm der Verband den hoffentlich verfügbaren Platz zuteilen. Ich schätze es wird nicht so sein, dass wir in allen Disziplinen vier Startplätze haben und nur zwei Athleten aufgrund der nationalen Kriterien hinschicken können, sondern es wird eher der umgekehrte Fall sein, dass wir gerne mehr Plätze hätten, aber vielleicht nur 1-2 herausgefahren wurden, die dann den Athleten zugesprochen werden, welche die besten Ergebnisse erzielt haben.

fs.net: Wie läuft die Sichtung von neuen Fahrern für das Team? Habt ihr spezielle Scouts, die nach neuen Athleten suchen oder können sich die Leute auch direkt bei euch bewerben?

Dani: Bisher war es so, dass wir versucht haben, die gesamte deutsche Freeskiszene zu sondieren. Wir haben uns die Contestergebnisse der letzten zwei Saisons angeschaut, um niemanden zu vergessen. Wir sind jetzt in Kontakt mit Athleten, die bereits gefragt haben, wie man sich qualifizieren kann und wie das alles abläuft. Momentan ist die einzige Struktur, die wirklich fest steht, das Nationalteam. Hier sind die Plätze natürlich beschränkt (14 Plätze momentan). Wir können bisher noch keine Strukturen für die Ebene darunter bieten, so wie es zum Beispiel im Rennlauf üblich ist durch weitere Kaderstrukturen und Vereine. Vielleicht ist das auch gar nicht im Sinne unserer Sportart. Das wird in Zukunft automatisch entstehen, wie genau wird sich noch zeigen. Im Moment ist es so, dass sich jeder an uns wenden kann, wenn Fragen aufkommen.

Tobi: Das Ganze ist ja noch sehr neu und dann ist es klar, dass man noch keine Strukturen bis ganz unten anbieten kann und wahrscheinlich wäre das auch noch gar nicht sinnvoll. Aber es ist natürlich unser Job, so gut wie möglich informiert zu sein zum Beispiel über Ergebnislisten von Contests. Wir werden jetzt natürlich jeden Contest beobachten aber auch im Internet aufmerksam sein. Im Moment ist die deutsche Freeskiszene ja noch sehr überschaubar und kurzfristig werden wir erst mal so weiter arbeiten. In der Zukunft werden die Strukturen dann eben auch weiter nach unten ausgebaut.

Dani: Seit kurzem gibt es eine offiziele Partnerschaft zwischen DSV/SVD (Snowboard Verband Deutschland) und der Wir Schanzen Tour, welche in Zukunft wohl als Scouting- bzw. Qualifikationsserie eingesetzt wird. Die Kids können dort dann eindeutiger sehen, auf welchem Level sie mitfahren, sich weiter verbessern und sich dann so nach oben durcharbeiten können. Bisher gab es im Freeskiing meist keine festen Regeln und das war auch gut so. In Zukunft wird es hoffentlich ein gesunder Mittelweg.

fs.net: Welche Trainingsmöglichkeiten habt ihr momentan mit dem Team und gibt es diese auch in Deutschland oder müsst ihr dafür noch ins Ausland reisen?

Dani: Die dauerhaften Möglichkeiten, die die Athleten aufgrund des Nationalteams haben, sind z.B. die Nutzung der Olympiastützpunkte in München, Berchtesgarden, Garmisch, Oberstdorf und ein deutschlandweites Netzwerk der besten Sportärzte und Sportphysiotherapeuten. Hier können die Strukturen des DSV voll mit genutzt werden. Was den Athleten natürlich weiterhin zur Verfügung steht, sind die Strukturen, die sich die Szene selbst über die letzten Jahre aufgebaut hat. Viele deutsche aber auch österreichische Athleten z.B. gestalten ihr Training in enger Zusammenarbeit mit der Sportschule Fürstenfeldbruck. Eine private Sporteinrichtung, die schon über ca. 7 Jahre mit Freeski-Sportlern zusammen arbeitet.

Durch Kooperationen konnte den Athleten angeboten werden, dort zu trainieren und die beste Unterstützung zu bekommen. Das hat für uns in den letzten Jahren die Rolle eines Olympiastützpunktes übernommen und wird definitiv auch weiterhin unser Kompetenzzentrum bleiben. In letzter Zeit, abgesehen vom Trockentraining, waren wir drei Mal für mehrere Tage in der Area 47. Das Team war nicht ausschließlich auf der Wasserschanze oder dem Trampolin. Thomas, der momentan die komplette sportliche Leitung hat, hat wie immer versucht möglichst viele Aspekte einzubringen, um ein ausgeglichenes Training zu gestalten. In den bayrischen Herbstferien waren wir dann noch die ganze Woche in Hintertux. Der nächste feste Lehrgang bzw. wir nennen es eher Camp, ist dann in Colorado (USA) von Mitte Dezember bis Mitte/Ende Januar. Dort werden wir dann auch entscheiden, welche Athleten beim nächsten Qualifikationswettkampf mitfahren werden. Dieser findet vom 7.-13.1.13 in Copper Mountain statt.

fs.net: Wie sieht es in Deutschland mit speziellen für Freeskier angepassten Trainingseinrichtung aus wie es zum Beispiel die Schweiz mit der Freestyle Academy bereits hat?

Dani: Es gehört zum Aufgabenbereich vom Tobi und mir mit Einrichtungen wie z.B. der Area 47 Kooperationen einzugehen, so dass für unsere Athleten bestmögliche Trainingsbedingungen herrschen. Das soll allerdings nicht nur für Kaderathleten der beiden olympischen Disziplinen gelten, sondern unser Ziel für die Zukunft ist es, solche Möglichkeiten für Freeskier aller Disziplinen bieten zu können. Eine Trainingsmöglichkeit in der Dimension wie Woodward oder die etwas kleinere Freestyle Academy in Laax gibt es noch nicht, aber mal sehen wie es mit dem in Lenggries geplanten Woodward Europe weitergeht.

Tobi: In Deutschland sieht es leider in dieser Richtung noch sehr mau aus, auch was zum Beispiel Möglichkeiten zum Trainieren auf Trampolins angeht. Wir müssen momentan, was solche Sachen und auch Funparks angeht, immer noch oft nach Österreich fahren.

fs.net: Kurzfristig ist das Ziel natürlich erst mal erfolgreich Startplätze für Olympia rauszufahren. Wie sieht es mit langfristigen Zielen und Plänen aus?

Dani: Unser Ziel ist es ein bestmögliches System für den gesamten Freeskisport zu schaffen und nicht nur für die olympischen Disziplinen. Das ist unsere Grundmotivation und ein Teil davon ist es, den Athleten, die nach Sotschi wollen, das auch zu ermöglichen. Darüber hinaus wollen wir in Deutschland eine bessere Freeskistruktur aufbauen, so dass deutlich mehr Freeskier ihr Ziel eines Profilebens   oder eines leistungsorientierten Skifahrens erreichen können. Egal ob es beim Filmen, beim Freeriden oder eben in einer der beiden olympischen Disziplinen ist.

fs.net: Ihr hattet ja bereits gesagt, dass momentan die Mittel für den Nationalkader genutzt werden bzw. mehr Gelder im Moment einfach nicht zur Verfügung stehen. Habt ihr trotzdem schon Pläne und Ideen, wie der Nachwuchs langfristig gefördert werden kann, um dann bei den übernächsten olympischen Winterspielen 2018 auch ganz oben in den Wettkämpfen mitspielen zu können?

Tobi: Wie du schon sagst, ist der Fokus momentan die direkte Olympiaqualifikation 2014 aber das Team ist auch schon jetzt zweigleisig aufgebaut. Mit dem Roy (Anm. d. Red.: Kittler) und Bene (Anm. d. Red.:  Mayr)   sind ein paar erfahrenere Leute im Team und der Rest ist noch sehr jung. Das sind im Prinzip alles 15-16 Jährige, die wir jetzt schon aufbauen. Der nächste Schritt wäre jetzt natürlich die Generation darunter.

Diese Gruppe ist gerade jedoch noch nicht überschaubar und es ist vielleicht auch gar nicht unbedingt gut, die Strukturen so früh anzusetzen. Wir merken es bei den Skiclubs, dass diese immer mehr Anfragen für Freestyle Trainings bekommen. Wir stehen dann beratend zur Verfügung und versuchen in Gebieten wie Garmisch oder Oberstdorf kleine Zellen zu schaffen. Mit dem Skiclub Oberstdorf haben wir zum Beispiel einen engen Kontakt, da diese eine sehr hohe Nachfrage von Kids haben, die gerne Freeskiing unter Betreuung lernen würden. Ich glaube, dass man da ansetzen muss und Ansprechpartnern bei den Skiclubs schaffen muss.

Dani: Momentan gibt es einfach noch keine feste Struktur für den Nachwuchsbereich, sondern es läuft eben wie in den letzten Jahren auch im Freeskiing. Das war bisher nicht der Fokus aber das wird sich in den nächsten Jahren automatisch ändern. Es wird sich etwas umstrukturieren und wir werden versuchen, alles möglichst im Sinne unserer Sportart zu beeinflussen.

fs.net: Klingt alles wirklich super. Vielen Dank an dieser Stelle schon mal für eure Zeit und die Antworten. Letzte Worte von eurer Seite?

Dani: Mir ist wichtig, dass die Nachwuchsathleten sich bewusst sind, wo sie sich in Zukunft hin entwickeln wollen und sich nicht von der tollen Scheinwelt der olympischen Spiele blenden lassen und das dann als ihr eigentliches Ziel ansehen. Olympia ist definitiv nicht das Nonplusultra im Freeskiing. Jeder Athlet sollte sich bewusst sein, wo er hin will und das dann auch konsequent umsetzen. Lieber die Art des Freeskiings verfolgen, die man wirklich machen will und dabei einer der Besten werden, als ein mittelmäßiger Athlet zu sein, der versucht sich für die Olympischen Spiele zu qualifizieren. Oder anders, etwas poetischer ausgedrückt: Man sollte nicht verlernen über die Bäume hinweg den Wald zu erkennen.

Tobi: Es ist eigentlich egal ob für oder gegen Olympia - wenn man Wettkämpfe fahren will, dann ist das jetzt eine gute Gelegenheit für einen Freeskier und für einen jungen Fahrer einen besseren Support zu bekommen. Sie sollen aber nicht denken, dass es nur wegen Olympia keinen anderen Weg mehr gibt professioneller Freeskier zu werden, wenn man wirklich die Ambitionen dazu hat. Das ist das Wichtigste und das werden wir auch immer beibehalten. Die ganzen anderen 50% von Freeskiing, wie ich sie immer nenne, die keine Wettkämpfe fahren, kommen in unserem Denken nicht zu kurz. Der DSV und Olympia ist einer von vielen Wegen. Das heißt aber nicht, dass Freeskiing nur Halfpipe und Slopestyle ist.
Hinterlasse eine Antwort
Bitte anmelden, um einen Kommentar zu posten