Workshop - Der "maßgeschneiderte" Skischuh

Von hans-martin kudlinski am 3.Dez. 2009

Knochenwucherungen, Blasen, Druckstellen, kalte und blaue Füße, abgefallene Zehennägel… All das gehört mit einem Skischuh nach Maß der Vergangenheit an…


Workshop - Der "maßgeschneiderte" Skischuh

Review

Warum der Rotstift nicht am Skischuh ansetzen sollte

Autor: Alexander Fechner Date: 1. Dezember 2009 Knochenwucherungen, Blasen, Druckstellen, kalte und blaue Füße, abgefallene Zehennägel… All das gehört mit einem Skischuh nach Maß der Vergangenheit an… Freud und Leid liegen dicht beisammen – viele Skifahrer können davon wohl ein Liedchen singen. So gerne man den ganzen Tag dieser wundervollen Sportart frönt, so sehr freut man sich nach einem langen Skitag darauf, seine Füße von den drückenden Skischuhen zu befreien.

Nach einiger Zeit mit dem falschen Fortbewegungsmittel im Schnee, habe ich vor ein paar Jahren die Liebe zum Skifahren wiederentdeckt. Was mir nach der ersten Saison blieb, waren neben jeder Menge Spass fiese Narben an den Schienbeinen und Knochenwucherungen an den Füßen.

Wie sehr sehnte ich mir doch meine Softboots zurück. Da das jedoch keine Option war, mussten neue Skischuhe her. Doch auch ein paar sündhaft teure Skischuhe, im Fachhandel aus 10 probierten Paaren ausgewählt, konnten die Schmerzen nicht verhindern. Es musste also eine andere Lösung gefunden werden.

Nachdem ich im Portal von freeskiers.net auf einen Artikel zu maßangepassten Skischuhen gestoßen bin und auch im Forum durchweg positive Resonanz dazu kam, war mein Plan gefasst, einen Spezialisten für maßangepasste Skischuhe um Rat zu fragen.

So machte ich mich also auf den weiten Weg nach München zu Ertl/Renz um meine Füße in die Hände des Spezialisten Martin Kirmair zu legen. In einem ersten Gespräch erzählte ich Martin von meinen Problemen. Zudem informierte er sich über meine Anforderungen an einen Schuh. Schließlich stellte er mir drei verschiedene Lösungsmöglichkeiten vor:

1. Herrichten meines alten Schuhs

Die günstigste Lösungsmöglichkeit wäre das Herrichten meines alten Schuhs gewesen. Einige Anpassungen, ein neuer Innenschuh und orthopädische Einlagen hätten wohl dafür gesorgt, dass mein Schuh halbwegs funktioniert hätte. Da der Schuh jedoch schon einige Tage auf dem Buckel hatte und ich nicht viel Geld für einen Schuh mit begrenzter Lebensdauer investieren wollte, entschied ich mich für einen anderen Lösungsansatz.

2. Neuer, maßangepasster Schuh

Da ein geschäumter Innenschuh nicht zwingend notwendig ist, um einen perfekt sitzenden Schuh zu haben, dafür aber um einiges teurer ist, entschied ich mich für einen neuen, maßangepassten Skischuh, ohne geschäumten Innenschuh, denn auch die herkömmlichen Innenschuhe bieten viele Möglichkeiten der Anpassung.

Um die Maße meines Fußes und Unterschenkels zu erhalten wurde ein 3D-Video-Scan gemacht. Dazu drückte mir Martin ein heißes Paar knall grüne, bzw. gelbe Socken mit einem Gittermuster in die Hand, die ich anziehen sollte. Damit stellte ich mich dann abwechselnd mit einem Fuß auf eine Druckempfindliche Platte und eine Kamera fuhr 360° um mein Bein herum.

Direkt im Anschluss konnten wir meinen Fuß dreidimensional auf einem Monitor betrachten. Maße wie Länge, Leistenbreite und Rissthöhe wurden angezeigt. Der Computer gab nun schon eine Auswahl an Skischuhen vor, die passen würden. Aufgrund meiner Angaben zu Fahrkönnen, meinem Gewicht und meinen Anforderungen suchte Martin ein passendes Modell aus.

Das konnte er dann auf dem Monitor transparent über das 3D-Bild meines Fußes legen und so auf Anhieb sehen, wo der Schuh drücken würde und demnach Anpassungen nötig wären. Zuversichtlich, dass dieser Schuh mir in nicht allzu langer Zeit wie angegossen passen würde, entließ Martin mich und ich machte mich auf die Heimreise.

Anpassung des Schuhs in Handarbeit

Für Martin begann nun die Arbeit und für mich die Zeit der Vorfreude. Der technische Umbau des Schuhs war angesagt. In Handarbeit bearbeitete Martin die Winkelstellung, die Vorlage sowie den Flex des Schuhs und fräste bzw. dehnte Stellen aus, die ohne eine Bearbeitung später sehr unangenehm geworden wären.

Dann musste ein Holzleisten, also ein Holznachbau meines Fußes angefertigt werden, welcher der weiteren Anpassung der Schale diente. Diese wurde erst erhitzt und dann der Leisten in die Schale gepresst. Mindestens 12 Stunden musste der Leisten im Schuh bleiben, damit der im Anschluss den richtigen Umfang für meinen Fuß hatte.

Nachdem Martin alle oben genannten Anpassungen erledigt hatte, war es für mich wieder Zeit das Parkett zu betreten und so machte ich mich erneut auf nach München.

Es war an der Zeit die Einlagen anzufertigen. Ich muss mich dazu zuerst auf ein thermoplastisches Kissen stellen, um darauf einen negativ von meinem Fußabdruck zu hinterlassen. Dort wurden dann die zuvor erhitzten Einlagen hineingelegt und ich stellte mich für fünf bis zehn Minuten in die Form. Damit war die Einlage an den Negativfußabdruck eingepasst.

Betrachtet man meine Fußabdrücke in den Kissen und vergleicht die Seriensohle aus dem Schuh mit der neuen nach dem Anpassen, wird schnell klar, dass die Seriensohle nie wirklich gut sein kann. Martin verschwand dann ein letztes Mal in der Werkstatt, um die Einlagen so zuzuschleifen, dass sie in die Skischuhe passen.

Nun war es endlich soweit und ich durfte zum ersten Mal die neuen Skischuhe anprobieren. Da ich auf Anhieb keine Schwachstellen feststellen konnte, wurden nur noch die Schnallen und das Canting eingestellt und ich konnte den Schuh erstmal mitnehmen. Sollte sich bei späteren Härtetests im Schnee Passungenauigkeiten ergeben, würde Martin den Schuh noch mal kostenlos bearbeiten, versprach er mir.

Nach einigen Tagen im Schnee kann ich sagen, dass ein maßangefertigter Schuh genial ist. Keine Druckstellen, keine Schmerzen. Der Schuh sitzt auch mit nur leicht geschlossenen Schnallen. Da sich das Material mit der Zeit etwas ausdehnt und der Schuh weiter wird, muss man die Schnallen nach und nach etwas fester zumachen. Ich bin gespannt ob das weiterhin ohne Druckstellen geht. Für etwaige später auftauchende Probleme habe ich ja aber mit Martin einen kompetenten Ansprechpartner, der wie versprochen im Nachgang noch kleinere Änderungen vornehmen würde.

3. Neuer, maßangepasster Schuh, mit geschäumten Innenschuh

Bei dieser Variante finden alle Anpassungen statt, die auch an meinem Schuh vorgenommen wurden. Hinzukommt das Anfertigen eines geschäumten Innenschuhs.

Dazu schlüpft man mit den Zehen in kleine Neoprensöckchen. Zusätzlich werden empfindliche Stellen, wie Knochenwucherungen mit Moosgummi abgeklebt. Dadurch wird vermieden, dass der Schuh nach dem Schäumen an diesen Stellen zu eng sitzt.

Dann wird über Schläuche der Schaum in den Innenschuh gespritzt. Dieser Prozess geht zügig. Nach dem Aushärten werden die Schläuche entfernt und gegebenenfalls der obere Teil des Innenschuhs, wo kein Schaum hinkommt, bearbeitet. Bei dünnen Beinen bedeutet das, dass Formteile aus einer Schaumstoffplatte ausgeschnitten und eingepasst werden.

Somit hat man einen Innenschuh, der überall an den Fuß angepasst ist.

Schlusswort:

Viele User klagen ja über Schmerzen an den Schienbeinen und versuchen, durch abkleben, auspolstern o. Ä. Abhilfe zu schaffen. Dies ist aber oft nur ein Versuch, die Symptome zu verbessern. Die eigentliche Ursache liegt häufig darin, dass der Schuh nicht richtig passt, sich der Fuß daher zu sehr bewegen kann und die entstehenden Kräfte schließlich, über Hebel verstärkt, vom Schienbein abgefangen werden müssen. Bevor man da lange selbst erfolglos rumprobiert, würde ich empfehlen, von einem Fachmann prüfen zu lassen, ob nicht andere Maßnahmen zu einem besseren Ergebnis führen würden.

Zum Schluss noch ein Wort zu den Socken. Die Skisocken sollten möglichst dünn sein, denn dicke Socken saugen sich gern voll Flüssigkeit und verursachen dann kalte Füße..

Additional Information
www.ertl-renz.de
Blog des Autors (Alexander Fechner)
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