Interview: Daniel Schießl und Tobi Reindl - Teil 1

Von Jörg Angeli am 29.Nov. 2012

Nachdem der IOC im letzten Jahr bekannt gegeben hatte, dass die Freeski Disziplinen Halfpipe und Slopestyle in das Programm der olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi aufgenommen werden, war es lange Zeit ruhig um die Entwicklungen des Nationalteams in Deutschland. Lediglich die Information, dass die beiden Freeskier Daniel Schießl und Tobi Reindl sich der Sache annehmen und die Szene gegenüber dem DSV vertreten, war bekannt. Wir haben uns nun rund ein Jahr später mit den beiden zusammengesetzt, um über den aktuellen Stand des Teams und weitere interessante Themen rund um Olympia zu sprechen.

fs.net: Hi Dani, Hi Tobi. Bitte stellt euch doch erst mal kurz vor  - wer seid ihr und wie seid ihr in das Thema Olympia involviert?

Dani: Ich bin Daniel Schießl,  bin schon seit längerer Zeit in der Freeski-Szene aktiv. Früher war ich selbst aktiver Athlet und bin aufgrund verschiedener Teammanager Jobs, zuerst bei K2 und jetzt seit einiger Zeit bei Oakley, immer noch sehr mit der Freeski Szene verbunden. Durch die starke Vernetzung innerhalb der deutschen Szene ist vor einiger Zeit die Situation entstanden, dass wir uns zusammengesetzt und überlegt haben, wie wir als Freeski Szene nach der Bekanntgabe der Aufnahme der Disziplinen Slopestyle und Halfpipe in das Programm für die Olympischen Winterspiele dem Deutschen Skiverband (DSV) gegenüber auftreten wollen. Damals haben der Tobi und ich entschieden, dass wir zunächst die Funktion als Sprachrohr für die Freeskier übernehmen und das hat sich dann step by step bis heute weiterentwickelt.

Tobi: Wie der Dani gerade schon gesagt hat, hat alles damit angefangen, dass man bzw. die Szene sich mit dem Thema Olympia auseinander setzen musste und wir haben uns dann hier im Legs of Steel House mit allen leistungsorientierten und erfolgreichen Freeskiern zusammengesetzt und haben dann beschlossen, dass wir gegenüber dem DSV gemeinsam auftreten und nicht jeder sein eigenes Ding macht, um so dann die eigentlichen Interessen durchsetzen zu können. Dabei geht's nicht darum, dass gewisse Regeln für Freeskier nicht gelten, sondern die Spielregeln aus dem Freeskisport beibehalten werden.

So sind wir dann gegenüber dem DSV auch aufgetreten und das hat bzw. macht noch immer einen guten Eindruck, weil viele einen Haufen wahnsinniger Chaoten erwartet haben und so waren alle Beteiligten positiv überrascht. Sie haben erkannt, dass wir trotz unseres Image richtige Sportler sind, die Ahnung von Leistungsdiagnostik, Training, Wettkämpfen etc. haben und das bereits über einen langen Zeitraum (über 10 Jahre). Das ist der eine Punkt und der andere ist, dass sie gemerkt haben, dass wir sehr umgängliche Typen sind, die nicht ständig nur "yo, yo" sagen, sich gut artikulieren und ihren Standpunkt klar vertreten können. Und wenn wir sagen, dass Freeskiing so bleiben soll wie es ist, es dabei nicht darum geht, dass wir drei Mal die Woche betrunken sein wollen, sondern die Sportart weiterhin cool und attraktiv halten wollen. Das war dann die Basis für die weiteren Schritte.

fs.net: Wie ist dann der aktuelle Stand? Wo steht das deutsche Team bzw. der Teamaufbau und wo steht die Zusammenarbeit mit dem DSV?

Dani: Nachdem im letzten Sommer noch keine Mittel verfügbar waren, hatten wir im August 2011 beschlossen, dass wir unabhängig von der Entwicklung beim DSV den Athleten weiterhelfen wollen. Wir haben dann erste Camps in der Area 47 veranstaltet, bei denen schon grob die Fahrer dabei waren, die auch jetzt im Nationalteam sind. Diese Trainingseinheiten waren losgelöst vom DSV und kamen aufgrund unserer Initiative zustande. Kurze Zeit später bekamen wir dann die Information von den Verantwortlichen des DSV, dass nun die Gelder des Bundesministerium des Innern, die der DOSB dann verteilt, verfügbar sind. Diese Fördermittel zielen auf die Förderung der Olympischen Sportarten ab.

Im September diesen Jahres (2012) hatte sich der DSV dann entschieden, die neuartige Zusammenarbeit mit uns und das Projekt Freeski Olympia zu starten. Zu diesem Zeitpunkt war uns dann auch klar, dass nun die Möglichkeit besteht, die Athleten entscheidend zu fördern, so dass diese einen Mehrwert bekommen. Jetzt macht es für die Fahrer wirklich Sinn im Nationalkader zu sein, jetzt gibt es offizielle Vereinbarungen zwischen den Athleten und dem DSV, die für beide Seiten wirklich attraktiv sind.

Worin sich die Vereinbarung zu anderen Nationalteams wie Alpin, Buckelpiste o.ä. unterscheidet, ist, dass die Partnerschaft sehr offen und frei gehalten ist. Es gibt gegenüber den Athleten (Anm. d. Red.: des Freeski Nationalteams) keinerlei Auflagen, wie zum Beispiel einheitliche Sponsoren, einen Skipool oder ähnliches. Sie müssen sich nur an die geltenden Regeln bei Wettkämpfen halten, die von der FIS und vom IOC vorgegeben werden - was sich aber sowieso von selbst versteht. Unserer Meinung nach sind die Athleten, die jetzt im Nationalteam sind, in einer ganz guten Situation, weil sie weiterhin die Freiheiten genießen, die sie auch vorher hatten aber das Ganze auf einer professionelleren Basis umsetzen können.

fs.net: Wie lief die Zusammenarbeit mit dem DSV allgemein und gab bzw. gibt es eine Bevorzugung anderer etablierter Disziplinen wie z.B. Ski Alpin gegenüber Freeskiing?

Tobi: Wir mussten uns am Anfang zuerst mal damit auseinandersetzen, wie so ein Verband wie der DSV funktioniert und vor allem wie sich eine Sportart wie z.B. Ski Alpin finanziert. Bei Ski Alpin ist es so, dass sie sich von selber heraus finanziert durch Marketing, Skipools etc. Wir haben dann im Einvernehmen mit allen Beteiligten, was auch der Kernpunkt des ersten Treffens war, beschlossen, dass es auf diese Weise in unserem Sport nicht funktionieren wird.

Man kann Freeskiern nicht die Standard Wimpel auf die Anzüge nähen und sich hierüber finanzieren. Dies ist auch der Grund, warum es zunächst so langsam angelaufen ist, weil wir uns erst mal Gedanken machen mussten, wo man zum einen Gelder herbekommt, da es ohne einfach nicht geht und zum anderen, dass es in einer Art und Weise abläuft, in der es für Freeskiing überhaupt möglich bzw. tragbar ist. Dies ist dann in diesem Jahr passiert, indem Bundesfördermittel beantragt wurden, die keine Sponsorengelder sind. Diese stehen jetzt den Athleten und der ganzen (Freeskiing) Struktur zur Verfügung.

Dani: Man kann auch sagen, dass wir gleich von Anfang an davon beeindruckt waren, dass wir auf Augenhöhe mit dem DSV reden und diskutieren konnten und der DSV den Sport sehr respektiert. Sie haben gemerkt, dass unsere besten Sportler keine Kids ohne Skitechnik sind, die irgendwo rumspringen, sondern - und das hat uns auch bei den Gesprächen mit Wolfgang Maier (Sportdirektor des DSV) sehr geholfen - sehr solide Skifahrer sind die ihren Sport mit Herz und Seele betreiben.

Tobi: Ich geb auch ganz offen zu, dass ich am Anfang sehr skeptisch war. Ich bin generell kein großer Freund der ganzen Olympia Sache. Ich habe auch genau deswegen mit dem alpinen Skifahren aufgehört. Aber im Moment herrscht eine große Begeisterung beim DSV und sie haben auch gemerkt, dass man da nicht schnell das übliche DSV System drüberlegen und Freeskiing auf diese Weise integrieren kann. Sie haben gemeinsam und auf Augenhöhe mit uns diskutiert. Sie haben uns allerdings auch klar gemacht, dass wir uns an ein zwei Spielregeln halten müssen, da sie eben ein Verband sind. Und dann kommen auch von weiter oben wie etwa von der FIS und vom IOC Vorgaben, also nochmal von einer ganz anderen Ebene.

Sie wollen aber mit uns einen neuen Weg gehen und es möglich machen, dass Freeskiing auch weiterhin authentisch bleibt. Davon bin ich jetzt immer noch sehr positiv überrascht. Wie der Dani auch schon gerade sagte, interessieren sie sich wirklich für die Sportart und gehen zum Beispiel auch zu unseren Videopremieren. Das ist auch gut so, denn so sehen sie, dass Freeskiing noch etwas größer ist als nur Halfpipe und Slopestyle. Sie sehen die ganze Freeski Szene drumherum und sie respektieren das alles sehr. Es ging jetzt nur noch darum, ein geeignetes Modell zu finden, das finanziell umsetzbar ist, denn Geld zu verschenken hat natürlich auch niemand.

fs.net: Stehen denn mittlerweile genug Mittel zur Verfügung, um die Athleten entsprechend zu unterstützen? Viele bzw. die meisten (FIS) Wettkämpfe finden ja auf der ganzen Welt statt und dabei entstehen natürlich auch riesige Kosten.

Dani: Die Fördermittel, die bis kurz nach Sotschi, also Mitte 2014, zur Verfügung stehen, sind nur für Honorar und Spesen vorgesehen und nicht für die Athleten. Wir haben uns dabei natürlich zuerst gedacht, warum man eine Struktur erstellen sollte, wenn man den Athleten dann nicht direkt finanziell aushelfen kann und haben uns für den in unseren Augen besten Mittelweg entschieden. Zusätzlich zu den genannten Fördermitteln gibt es punktuelle Unterstützungen für die Athleten wie zum Beispiel für den Trainingstrip nach Colorado von Mitte Dezember bis Mitte Januar. Dort können die Athleten dann auf dem besten Setup trainieren, das sie sich vorstellen können und müssen dafür nur Flug und Skiticket bezahlen. Auch findet in Colorado der nächste Slopestyle Qualifikationsevent statt, wo einige starten werden.

fs.net: Wie viele Athleten sind momentan im Team und wer ist das?

Dani: Momentan sind insgesamt 13 Athleten und Athletinnen im Team - vier Mädels und der Rest Jungs.
Damen:
  • Lena Stoffel
  • Sabrina Cakmakli
  • Sarah Pöppel
  • Lisa Zimmermann
Herren:
  • Roy Kittler
  • Benedikt Mayr
  • Sebastian Geiger
  • Florian Geyer
  • Thomas Hlawitschka
  • Lukas Joas
  • Lucas Mangold
  • Tobias Mangold
  • Sebastian Scheck
  • Johannes Drexl

fs.net:
War es schwierig Fahrer für das Team zu finden und gab es auch Leute, die abgesagt haben, weil sie gar keine Lust auf die ganze Olympia Geschichte und leistungsorientiertes Fahren haben?

Dani: Wir haben von Anfang an versucht, jedem klar zu sagen "mach das nur, wenn Olympia wirklich dein Ziel ist", ansonsten ist das einfach nicht zielführend. Erstaunlicherweise war das Feedback durchwegs positiv.

Tobi: Keiner ist ja gezwungen mitzumachen. Natürlich hatten alle am Anfang eine gewisse Skepsis - das ist klar - und vielleicht ist diese auch immer noch vorhanden aber jeder ist schwer motiviert, weil sie natürlich auch sehen, dass das eine Chance ist, die sie früher nicht gehabt haben. Das ist ein bisschen wie ein neuer Sponsor. Wir waren jetzt eine Woche in Hintertux mit dem Team und es waren alle vor Ort, es war eine super Stimmung und jeder freut sich, dass es jetzt mal losgeht. Die anderen Nationen haben ja auch schon Teams und dort funktioniert es auch super. Früher waren es halt Firmenteams und jetzt sind Nationalteams dazugekommen, aber es sind alle mit dabei.

fs.net: Wer übernimmt das Coaching des deutschen Nationalteams

Dani: Thomas Hlawitschka (sitzt ebenfalls mit am Tisch).

fs.net: Hallo Thomas. Kannst du dich kurz vorstellen und erzählen, wie es dazu kam, dass du das deutsche Nationalteam trainierst.

Thomas: Ich bin 26 Jahre alt, seit 11 Jahren Freeskier und konnte so schon viel Erfahrung sammeln. Vor allem mit der Legs of Steel Crew habe ich gelernt ein Team zu führen und allen Beteiligten dabei zu helfen, nicht nur fahrerisch das Maximum aus sich rauszuholen. Europaweit bin ich so gut wie alle großen Wettkämpfe in allen Disziplinen ( Halfpipe, Slopestyle, Rails, Freeride, etc...) erfolgreich mitgefahren. Für mich war Freeskiing von Anfang an immer mit Training verbunden, das war für mich immer Teil des Ganzen.

Wenn man sich fahrerisch weiterentwickeln möchte, dann muss der Körper ebenso „weiterentwickelt" werden. Mein Sportstudium in Innsbruck sowie die Zusammenarbeit mit der Sportschule FFB-Puch liefert mir dafür den nötigen Background. Das Projekt Olympia ist jetzt doch sehr schnell gekommen. Ich übernehme die Rolle als Bundestrainer, was Rahmenkonzept, Trainingsplanung und Trainingsdurchführung bedeutet. Dani und Tobi sind eine große Hilfe für mich, da sie mir jederzeit unter die Arme greifen können und ich mich so voll auf meine Aufgabe konzentrieren kann.

fs.net: Bist du auch motiviert selbst bei Contests anzutreten, um noch einen Startplatz für Deutschland bei Olympia rauszufahren?

Thomas: Freeski ist nicht NUR Halfpipe und Slopestyle. Meine Rolle als Trainer werde ich in Form eines „Spielertrainers" beibehalten. Das war von Anfang an so abgesprochen und ist auch notwendig, um authentisch als „Freeski Coach" wahrgenommen zu werden. Das bedeutet, ich bereite mich ebenso auf die Wettkämpfe vor und möchte mich für Olympia qualifizieren. Dennoch ist mir weiterhin das Filmen mit Legs of Steel sehr wichtig.

fs.net: Konntest du dir in der Zeit mit dem deutschen Team schon einen Überblick verschaffen? Wie stark sind die einzelnen Fahrer und werden wir bei Olympia überhaupt eine Chance haben?

Thomas: Wir haben definitiv top Freeskier und Freeskierinnen. Olympia ist im Prinzip nur ein Wettkampf, der dazu gekommen ist. Unsere Athleten haben sich bereits sehr erfolgreich international gemessen und auch selbstständig auf die Saison vorbereitet. Nun haben wir aber die Möglichkeit diese „Einzelkämpfer" zu sammeln und als Team zu stärken und zu fördern. Eine weitere Aufgabe ist es nun Trainingsmöglichkeiten zu schaffen, was aber sicherlich nur bedingt vor Sotschi zu realisieren sein wird.

fs.net: Ist es für die Fahrer dann überhaupt ein Unterschied, ob sie nun bei der DEW Tour, den X-Games oder eben bei Olympia antreten?

Thomas: Das ist von Fahrer zu Fahrer unterschiedlich. Olympia wird sich erst noch zeigen, wie es abläuft und wie gut das für die Fahrer ist. Die X-Games werden weiterhin das Highlight der Saison bleiben und ich denke daraufhin sollte jeder hinarbeiten. Die beiden Sachen beißen sich ja auch nicht. Wer bei den X-Games gut ist, hat auch gute Chancen bei Olympia.

Tobi: Olympia ist natürlich noch ein bisschen größer als die X-Games von der Breite aber auch die X-Games haben mittlerweile eine extrem hohe Breitenwirkung. Man kann es noch nicht genau abschätzen wie es nun bei Olympia wird aber man sieht ja was sich seit dem im Snowboarding verändert hat. Wenn die Eltern der Welt nun auch mal sehen, was Ski Halfpipe und Slopestyle ist, dann glaube ich schon, dass das für jeden eine große Motivation ist dort hinzugehen und wenn Sportler ein Ziel vor Augen haben, dann wollen sie das auch schaffen.

Teil 2
Der zweite Teil des Interviews wird Anfang nächster Woche veröffentlicht. Dann sprechen wir mit Dani und Tobi unter anderem über den Qualifikationsmodus für Olympia, die Nachwuchsförderung, Trainingsmöglichkeiten und die langfristige Planung des Teams.

>> Hier gehts zum zweiten Teil.
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