Movie-Review: Salomon Freeski TV - Tempting Fear

Von Bernhard Scholz am 27.Sep. 2012

Skifilme sind wie Pornos, immer nur das alte „Rein-Raus Spiel“ – ohne Heirat. Mit der Realität hat das wenig zu tun. "Tempting Fear", ist ein völlig anderer Skifilm, er zeigt mehr. Wir hatten die Möglichkeit, den Film bereits vor seinem Online-Release zu sehen und schildern euch, was ihr von diesem Highlight der diesjährigen Salomon Freeski TV Staffel erwarten dürft.

Der Film beginnt theatralisch mit einer Bergaufnahme und einer Einstellung des Bahnhofs von Chamonix – gesehen vom Friedhof – schwenkt dann zu einer Helmkameraaufnahme die erst Andreas Fransson selbst, und dann seine Sicht in eine steile Rinne zeigt. Er seilt sich ab, die Ausgesetztheit ergreift den Zuschauer beim Anblick des von Granitfelsen flankierten Schneetrichters und zieht nach unten, tief in den entfernten Abgrund. Man wird in die Welt des Extremskifahrens, des Skialpinisten gesaugt. In die Welt, in der Andreas Fransson seine Skispuren zieht.

Andreas kommentiert seine Sicht selbst, spricht über die Motive für das gewagte Spiel auf Schnee, Eis und Fels. Er beginnt mit dem Comeback nach seinem Unfall, bei dem er sich das Genick brach. Die Befahrung des Col d’Aiguille Verte Sattels – direkt. Selbst Eiskletterer sehen die Route als Herausforderung an. Mit Ski dort abzufahren wo sonst nur Alpinisten im Aufstieg unterwegs sind, das ist echtes Steilwandskifahren. Das hat mit Pulverschnee, langen Vollgasschwüngen und hohen Drops nicht viel zu tun. Im Englischen Sprachraum nennt man es „Survival Skiing“ – Überlebensskifahren. Kontrolle!

Ausrufezeichen am Denali
Im Film geht es ein Kapitel weiter und dieses Mal ist der Zuschauer mit auf Reisen dabei. Erst wie Andreas nachts am Chimborazo (Ecuador) aufsteigt, daraufhin führt der Film zu einem der größten Erfolge des jüngeren Steilwandskifahrens. Die Südwestflanke des Denali, auch Mount McKinkley genannt, in Alaska. Ein Abenteuer, das unter Regie von Blubberbrausegetränkeherstellern alleine schon einen mehrstündigen Film füllen würde. Hier ist das nicht notwendig, hier ist alles echt und nichts künstlich überhöht. Immer untermalt mit den sehr persönlichen Anmerkungen von Andreas, mit Gedanken über das Tun und den Zweck selbst. Den Ursprung des Mannes lernt man auch kurz kennen ... Luela in Schweden.

Damit das Skifahren nicht zu kurz kommt sitzt man daraufhin in der ersten Reihe bei einer der schwersten Abfahrten, die es in den Alpen gibt. Das Mallory Couloir an der Aiguille du Midi, Chamonix. Perfekte Bedingungen, da sieht es gar nicht mehr so schwer aus.

Im nächsten Schritt findet sich ein Begleiter bei Andreas ein, der ein ähnliches Kaliber darstellt. Der Snowboarder Xavier de le Rue. Zusammen befahren sie den Nordgletscher der Aiguille du Plan bei nicht ganz ideale Bedingungen. Xavier nannte die Abfahrt später, in einem Interview mit einem der fs.net Redakteure: „Mountaineering down a mountain“. Gänsehaut.

Licht und Schatten
Gelungene Abfahrten sind bei derartigen Routen leider nicht an der Tagesordnung und so zeigt der Film auch, was Jeden, der oft und viel in schweren Routen unterwegs ist, trifft. Verlust. Der Tod hält auch in Andreas Leben Einzug. Seine Gedanken dazu formuliert er sehr klar, die Nähe wird deutlich wie es kaum ein anderer Film schafft. Und auch die Notwendigkeit, die sich aus solchen Ereignissen heraus ergibt an seiner eigenen Vision fest zu halten, sein eigenes Leben so ausgefüllt wie möglich zu leben.

Von einem Tiefpunkt der Gefühlswelt schwenkt der Film gekonnt zu einem Highlight in der Skisaison von Andreas Fransson. Ein Trip nach Norwegen in die Lyngen Alpen entpuppte sich als äußerst erfolgreich im Bezug auf Erstbefahrungen und zudem noch als spaßige Unternehmung. Ebenso war ein Highlight der Huascaran in Bolivien. Ein 6768m hoher Berg über eine bislang noch unbefahrene Linie. Im Alleingang! Die Anstrengungen springen vom Film auf den Zuseher über, er leidet mit, bei jedem Schritt in der dünnen Höhenluft der Anden.

Der Film schließt mit weiteren Gedanken und zudem Informationen zu Andreas Unfall, seinen bedeutendsten Erstbefahrungen und zum Tod seines Freundes Felix Hentz. Und wer schon immer mal einen nackt tanzenden Steilwandskifahrer im Winter auf einem Steg eines norwegischen Fjords sehen wollte kommt auch auf seine Kosten.

Fazit:

Lässt sich die Geschichte einer Person in 25 Minuten erzählen? Bei manchen Menschen geht das, bei anderen könnte die Erzählung wesentlich länger weiter gehen. So ein Mensch ist Andreas Fransson – er bezeichnet sich selbst als Skifahrer, und trifft damit ins Schwarze. Denn Skifahrer sind vielschichtig, es gibt ein Leben auf dem Berg, ein Leben abseits davon und natürlich alles dazwischen. Was andere oft ausblenden spricht er an.


Mike Douglas und Bjarne Sahlén habe ein sehr gutes Profil von Andreas geschaffen und damit noch weit mehr erzählt. In Skifilmen bewegt sich der Grad der erreichten Tiefe meist zwischen äußerst rar bis nicht vorhanden. Dick Barrymore, der Altmeister des Skifilms, bezeichnet die Banalität mit „ich habe tausende Meter Filmrollen mit irgendeinem Typ drauf der von verschiedenen Felsen springt, und verschieden Typen die vom gleichen Felsen springen.“ In diese Falle sind die Macher von „Tempting Fear“ nicht gestolpert. Sie zeigen wie viele Aspekte im Leben eines Skifahrers eine Rolle spielen, es geht nicht nur um Schnee unter den Brettern, es geht um eine Lebenseinstellung, um das Suchen von Zielen als Lebensaufgabe, um eine lebensbejahende Grundhaltung bei der das Ende stets präsent ist. Damit zeigt der Film auf gekonnte Weise, dass ein bewusster Weg zur äußerster Gefahr hin eine logische Entscheidung ist um über sich selbst hinaus zu wachsen.

Wir empfehlen diesen Film uneingeschränkt allen, die sich mit der Realität eines am Limit lebenden Menschen auseinander setzten wollen und dabei die Sichtweise sowie Philosophie verstehen möchten. Zudem sei der Film allen angeraten, die nicht immer nur das gleiche Rein-Raus anschauen wollen sondern endlich etwas mit mehr „Fleisch um die Hüften“ brauchen – es war an der Zeit, dass etwas vergleichbares über die Bildschirme flimmert. Vielen Dank!

Hier zunächst der Trailer zu Tempting Fear - Im Anschluss lassen wir die Köpfe dahinter, Andreas Fransson und Mike Douglas, zu Wort kommen.


Kurzinterview mit Andreas Fransson:

fs.net: Andreas, wie gefällt Dir der Film?
Andreas: Er ist sehr gut geworden. Vor allem ist er ganz anders als alles was man sonst so kennt. Mir ist er vielleicht hier und da ein ganz klein wenig zu düster!

fs.net: Wie war es denn mit Mike und Salomon an dem Film zu arbeiten?
Andreas: Es hat großen Spaß gemacht mit Mike, Blair und Jeff von Switchback, sowie mit der Salomon Crew zu arbeiten. Mike und seine Jungs haben es wirklich drauf und ich glaube sie sind ganz vorne mit dabei wenn es um Adventure Filme heutzutage geht. Genauso sind die Jungs von Salomon absolute Spitzenklasse in dem was sie tun. Ich habe sehr viel von Ihnen allen gelernt. Insbesondere Mike hat mir viel über die professionelle Arbeit beigebracht, die man als Sportler im Skizirkus tun muss. Außerdem hatten wir zusammen einfach eine echt gute Zeit.

fs.net: Welche Botschaft wolltest Du aus Deiner Sicht heraus mit dem Film mitteilen?
Andreas: Mike hatte von meiner Seite aus jeden kreativen Freiraum, er wählte dann mit mir zusammen Auszüge aus meinem Blog aus. Ich glaube nicht, dass wir den Film mit einer bestimmten Botschaft im Kopf gemacht haben. Es ist eher so wie das Leben selbst: Ein paar Ereignisse reihen sich aneinander und erst hinterher sieht man mit etwas Abstand was daraus geworden ist. Man findet das Konzept durch das alles verbunden ist und allem eine Bedeutung gibt erst später.


Statement zum Film von Mike Douglas – dem Kopf hinter Salomon Freeski TV

"Eigentlich wollten wir gar keinen richtigen Film drehen. Anfangs sollte es einfach nur eine 5 Minuten Episode für Salomon Freeski TV werden – einfach um Andreas vorzustellen. Als ich anfing mich über Andreas schlau zu machen habe ich aber schnell gemerkt, dass er ein sehr interessanter Typ ist der alle seine Schritte gut durchdenkt. Mir war also schnell klar, dass wir mit ihm etwas Größeres machen müssen. Seine Geschichte braucht einfach mehr Platz. Mit Salomon Freeski TV wollen wir interessante Geschichte aus der Welt des Skifahrens erzählen, da passt Andreas perfekt. Der Unterschied zu den normalen Salomon Freeski TV Folgen liegt eigentlich nur in der Länge, anstatt in 5 Minuten erzählen wir 25 Minuten lang.

Mit Andreas und Bjarne zu arbeiten war super. Beide haben sofort verstanden was ich mit dem Film sagen will. Ohne die beiden und ihre harte Arbeit wäre es auch gar nicht möglich gewesen das Projekt so erfolgreich durchzuziehen. Das erste Mal wird der Film jetzt am 5. Oktober beim Adventure Film Festival in Boulder Colorado zu sehen sein. Später läuft er ganz normal bei Salomon Freeski TV."

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