Movie-Review: Happy Winter

Von Hans-Martin Kudlinski am 22.Nov. 2013

Andreas Franssons Interpretation des Freeskiings mag etwas "freier" sein, als gemeinhin üblich. Für manche hat das Steilwandskifahren sogar nichts mehr mit dem eigentlichen "Freeriden" zu tun. Parkfahrer verstehen die Welt nicht mehr, Powderfreaks machen sich in die Buxe, wenn sie sehen, wie dehnbar der Begriff "Comfort Zone" für Fransson und den Filmer Bjarne Salèn ist. Deren Kurzfilm "Happy Winter" sollte allerdings jeder Skifahrer etwas abgewinnen können.

Gute Filmemacher wählen eine Introsequenz so aus, dass sie den Zuschauer sofort in ihren Bann ziehen und idealerweise stellvertretend für die Kernidee stehen. Bjarne Salèn ist ein guter Filmemacher. Aus diesem Grund blicken wir zum Einstieg durch die auf Hüfthöhe angebrachte Helmkamera Franssons. Er selbst befindet sich irgendwo im Nirgendwo angeseilt in einer schneebedeckten Wand und bekommt eine kaum enden wollende Sluff-Dusche ab. Ein Grund Trübsal zu blasen? Nein, stattdessen hört man Andreas lachend "This is fuckin' Rock 'n Roll!" rufen.

"I love being out in the mountains!"
Eine sinnbildliche Szene für das was kommen wird: Eine Art Liebeserklärung an das Leben und Erleben am Berg. Auf seine gewohnt refelektierte und offene Art und Weise lässt uns Fransson an den Beweggründen für seine Interpretation des Freeskiings teilhaben. Und diese besteht nicht selten aus dem Anspruchsvollsten, was man auf zwei Ski bewältigen kann.

Doch in "Happy Winter" geht es nicht darum, diese Tatsache zu glorifizieren. Vielmehr spiegelt der Kurzfilm die Dankbarkeit wieder, die Fransson nicht nur den wenigen perfekten Tagen entgegenbringt, an denen einfach alles passt und die Natur sich gnädig zeigt. Ebenso schätzt er auch die Tage, an denen es zunächst schwer fällt, sich aufzuraffen und entgegen der wenig einladenden Prognosen "den Arsch hoch zu bekommen". Auch diese Tage lohnen sich spätestens in der Rückbetrachtung.

"But it's not only about escaping reality. It's also about diving straight into it."
Der Berg dient quasi als Prüfstein. Nicht zwangsläufig steht dabei die sportliche Leistung im Vordergrund. Vielmehr sind die Herausforderungen, denen sich Fransson in dieser Umgebung stellt ein Mittel zum Zweck. Dem Zweck der Selbstfindung. Wer an die Grenzen seiner körperlichen Leistungsfähigkeit geht, wird auch seinen Charakter, seinen Geist dabei auf die Probe stellen. Dazu gehören Hochs ebenso sehr wie Tiefs. Am Ende steht weit mehr als der Sport an sich.

Fazit:
Die 7 Minuten und 37 Sekunden seiner Lebenszeit, die man hier aufbringt, sind sinnvoll investiert. Wem die Ausführungen Franssons hier und da zu tiefgründig erscheinen sollten, der kann sich an den wunderbaren Bildern erfreuen, die der Kurzfilm zu bieten hat. Wer den Worten, mit denen diese Bilder unterlegt sind, hingegen nur ansatzweise Gehör schenken wird, kann mehr mitnehmen. Und zwar einen Reminder, dass man die Tage am Berg ungeachtet der äußeren Bedingungen zu schätzen wissen sollte.

Hatten wir nicht alle schon einmal einen Skitag, der trotz Whiteout, trotz widrigem Wetter, trotz schlechtester Schneeverhältnisse ein Großartiger gewesen ist? Allein aufgrund der Freunde, mit denen man ihn geteilt hat oder der inneren Einstellung? "Happy Winter" ist für mich eine klare Aufforderung an alle Skifahrer - ungeachtet ob Park, Powder, etc. - die Freude am Skifahren nicht zu verlieren und die Zeit, die man im Schnee verbringen kann, so gut wie möglich zu nutzen. Schwierig, dem zu widersprechen.

 

Endless Winter

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