
Ein warmer Winter: Chancen und Herausforderungen für Freerider
Das Positive: Es wird ein warmer Winter
Wie wird der Winter?! Ein Thema, das uns alle beschäftigt und polarisiert. Und wer kennt´s nicht, das Durchforsten der Wetter-Apps, sozialen Medien und des World Wide Webs. Natürlich braucht es keine Glaskugel, um vorherzusagen, dass die Winter wärmer werden als der Durchschnitt, aber lasst uns, bei all dem Grundpessimismus der herrscht, auch das Positive hervorheben und einen kleinen Ausflug in die wunderbare Welt des Wetters machen. Dafür habe ich mir wieder eine absolute Koryphäe geholt. Michael Winkler von der GeoSphere Austria ist nicht nur Meteorologe und verantwortlich für Expeditionsberatungen, er ist auch Bergführer und erster Ansprechpartner, wenn die Freeride World Tour in Fieberbrunn wetterbedingte Entscheidungen treffen muss. Mike gibt uns einen guten Einblick und erklärt, warum ein warmer Winter auch Vorteile mit sich bringen kann.
Was hältst du von Bauernregeln und Volksweisheiten, Königskerzen und Wespen als Wetterorakel?
Von den letzten Beispielen halte ich nichts. Bauernregeln bewahrheiten sich allerdings immer wieder. So wie das Weihnachtstauwetter oder die Eisheiligen, das sind Singularitäten, die eine gewisse Berechtigung haben. War es bis zur Weihnachtszeit schon mal richtig Winter und kalt, gibt es oft nochmal eine Phase, die warmes Wetter bringt und den Schnee wieder wegschmilzt.
Es soll uns ein El Niño Winter bevorstehen. Was erwartet uns diese Saison?
El Niño ist ein mehrjähriger Zyklus im Pazifik, also richtig weit weg von uns. Man kann an den Ozeanoberflächentemperaturen im Pazifik relativ klar erkennen, dass ein El Niño Jahr kommt. Zeitverzögert beeinflusst dies das Wetter auf der ganzen Welt und bei uns ist es vermutlich diesen und auch nächsten Winter so, dass wir es spüren werden. Wie genau, ist schwer zu sagen, aber vermutlich durch mehr Niederschlag. El Niño hat für uns einen Einfluss, aber einen viel geringeren als z.B. in Chile und den Rocky Mountains, die dieses Wetterphänomen sehr stark spüren.
Kannst du etwas konkreter einschätzen, wie sich das auf unseren Winter auswirken wird?
Ganz konkret wäre unseriös, aber wahrscheinlich wird es ein, zwei Winter geben, die eher mehr Niederschlag bringen und tendenziell warm werden. Warm hört sich so negativ an, aber bei uns im Alpenraum sind warme Winter, aus der Sicht eines Freeriders oder Tourengehers, eigentlich die Besseren. Kalte Winter sind oft sehr trocken und schneearm.
„Warmer Winter“ – also eine gute Nachricht?
Warm heißt, etwas über dem Mittel. Aus der Sicht des Freeriders oder Skitourengehers würde ich das nicht unbedingt negativ sehen. Mildere Luft bedeutet auch, dass mehr Wasserdampf vorhanden ist und da gibt es Anzeichen, dass die Schneehöhe in höheren Lagen sogar zunehmen wird in den nächsten Jahrzehnten. In hohen und mittelhohen Bereichen braucht man sich also auch in Zukunft keine Sorgen zu machen. Sorgen muss man sich aber um die Gebiete unter 2.000 Meter. Wir werden uns durch den Klimawandel noch auf große Umbrüche einstellen müssen. Potentiell schlechtere Bedingungen zum Freeriden sind nicht wirklich unser Problem.
Nordstau ist mein persönliches Winter-Lieblingswort. Bei welchen Wetterlagen, geografisch gesehen, darf sich wer freuen?
Der Arlberg ist ein klassisches Weststaugebiet, kommt es vom Westen oder Nordwesten, bekommt der Arlberg richtig viel ab. Das klassische Nordstaugebiet ist zwischen Karwendel und Maria Zell. Betroffen sind also alle Regionen in den Nordalpen. Der Süden darf sich beim klassischen Südstau freuen. Typischerweise steht das in Verbindung mit dem Mittelmeertief oder Genuatief. Das bringt dann mehr Schnee in den Schweizer oder Italienischen Alpen. Beim Adriatief sind eher die Karnischen und Julischen Alpen von viel Niederschlag betroffen. Nordstau ist grundsätzlich kälter und Südstau bringt eher warme Luft und ist auch seltener. Aber wenn er auftritt, dann kann er sehr große Schneemengen bringen. Dann gibt es noch Bereiche wie die Ötztaler oder Engadiner Alpen, hier sind die Alpen so breit, dass sie weder vom Nord- noch vom Südstau wirklich stark betroffen sind.
Was bedeuten Staulagen im meteorologischen Sinne?
Die Alpen sind ein großes und hohes Hindernis, das sich der Luftströmung in den Weg stellt und für Staueffekte sorgt. Strömt die Luft an die Bergketten der Alpen heran, kann sie nicht außen herum ausweichen, sondern muss aufsteigen und drüber strömen. Dabei kühlt die Luft in den höheren Bereichen ab und der enthaltene Wasserdampf kondensiert. Es bilden sich Wolken und die Feuchtigkeit, die nicht mehr gehalten werden kann, fällt in Form von Niederschlag ab. Hinter der Bergkette sinkt die Luft wieder ab, sie wird wärmer und trocknet ab. Daher regnet und schneit es an der windzugewandten Seite (Luv) vorm Hindernis, dem Staugebiet, deutlich mehr als an der windabgewandten Seite (Lee) hinter dem Hindernis, wo es oftmals zu Föhneffekten kommt und dadurch auch überhaupt trocken bleiben kann.
Jeder kennt sie, diese zentralen Plätze, die bei Schneefall nochmal extra mehr abbekommen. Wie erklären sich diese kleinräumigen Phänomene?
Stau gibt es im Großen, aber auch im Kleinen, wo gewisse Täler, Tal- oder Gebirgsformen noch zusätzlich fördern, dass die Luft dort aufsteigen muss. Das kann wie ein Trichter aussehen, in dem die Luft zusammengeführt und kanalisiert wird und dort ganz besonders stark aufsteigen muss. Ein gutes Beispiel ist die Seegrube in Innsbruck, wo sich das Karwendel wie eine Rampe verhält.
Wie sieht ein sicherer und unsicherer Winter aus, hinsichtlich Lawinen?
Für Freerider sind die schneereichen Winter nicht nur die lässigeren, sondern auch die sichereren. Während einer Niederschlagsphase gibt es viel Schnee und kurzzeitig ist es vielleicht richtig gefährlich, das entspannt sich aber und dann hat man grundsätzlich einen guten Schneedeckenaufbau. Dicke Schneepakete sind stabiler und weniger störanfällig. Blöd sind die schneearmen Winter, mit geringen Schneehöhen. Es gibt meist starke Temperaturschwankungen innerhalb der Schneedecke auf kleinem Raum. In einem schneearmen Winter fallen die einzelnen Schneefälle geringer aus und bilden ganz viele verschiedene Schichten, die alle potenzielle Schwachschichten sein können. Heuer sieht es so ab 2.000 Meter gar nicht schlecht aus. Weil es im Frühwinter schon mal richtig geschneit hat. Beginnt ein Winter hingegen eher zaghaft, heißt das oftmals auch, dass sich viel Schwimmschnee gebildet hat.
Ganz wichtig: Wetterapps! Was sind Apps und Seiten, die du empfehlen kannst?
Man sollte sich grundsätzlich immer mehrere Modelle anschauen. Apps und Wetterseiten, die speziell fürs Skifahren gemacht wurden, sind per se schon mal besser als andere, wie Wetter.com, Google Wetter, ... Diese Produkte sind für Großstädte optimiert. Meteoblue z.B. sitzen in der Schweiz und nicht im Silicon Valley oder programmieren die Vorhersage von Indien aus. Vorhersagen wie Meteoblue werden von Menschen gemacht, die sich in den Bergen auskennen und meist auch dort leben. Windy ist auch eine sehr gute Empfehlung. Weltweit gesehen kann man die norwegische Seite yr.no empfehlen. Apps wie Bergfex produzieren den meteorologischen Content nicht selber, sondern verarbeiten die Informationen von den meteorologischen Zentralanstalten, wie der Geosphere Austria. Das sind natürlich auch sehr gute Apps, auf die man sich verlassen kann.
Wenn ich mich jetzt ein wenig rein-nerden will, welche Modelle kannst du empfehlen?
ECMWF ist das globale Modell, dieses würde ich mit einem regionalen Modell vergleichen, wie dem AROME, dem NEMS von Meteoblue oder ICON. Zum Vergleichen und Studieren dieser unterschiedlichen Modelle ist Windy.com eine sehr empfehlenswerte Plattform.
Wie lange im Voraus lassen sich Wetter und Schnee relativ genau vorhersagen?
Wenn in fünf bis sieben Tagen ein großes Wetterereignis angezeigt wird, z.B. richtig viel Schnee, dann kann man sich schon darauf verlassen, dass das auch so kommt. Vielleicht kommt dann nur halb so viel Schnee, aber es wird nicht so sein, dass gar nichts kommt. Drei Tage ist in etwa der Bereich, wo sich dann schon konkreter planen lässt.
Kannst du einen Leitfaden geben? Welche Kombinationen von welchen Wetterseiten und Überlegungen ist sinnvoll?
- Einen allgemeinen Überblick der nationalen bzw. zentralen Wetterdienste verschaffen. Geosphere (ZAMG) in Österreich, Meteo Swiss, Meteoblue in der Schweiz oder DWD in Deutschland. Das geschriebene ist vielleicht etwas altmodisch, aber hat seine Berechtigung, weil die Apps diese Infos oft nicht liefern.
- Dann auf eine gute App gehen und dort vergleichen.
- Im Zweifel glaube ich dem, was auf den Seiten der Wetterdienste geschrieben wird.
- Wenn jemand eine sichere Prognose will, dann die jeweilige Wetterhotline in den Regionen anrufen. Bei uns kann man sich melden und bekommt Auskunft, wo das beste Wetter oder der beste Schnee ist
Wetter-App Empfehlungen
WetterOnline MeteoSwiss Windy YR Snow Forecast (Pro)
Tipp:
- Einer der Seiten des Alpenhauptkammes ist meistens Gut. Ist das Wetter auf einer Seite schlecht, ist es meistens auf der anderen Seite schön.
- Ist man flexibel, startet man z.B. aus München, lohnt es sich definitiv an der Quelle anzurufen und die Geosphere nach dem Geheimtipp zu fragen.
Telefonische Wetterauskünfte der GeoShpere Austria (24/7)
Salzburg, Oberösterreich 0900 566 566 5
Tirol 0900 566 566 6
Kärnten 0900 566 566 7
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