
Das richtige Material
Die Magie des ersten Schnees
Ein neues Paar Ski, die Augen strahlen, die Vorfreude auf den ersten Schnee ist schier unerträglich. Endlich kommt der Moment, in dem man zum ersten Mal in die Bindung steigt, zu Beginn noch etwas unsicher die ersten Schwünge im tiefen Pulverschnee zieht und sich die Mundwinkel immer weiter nach oben ziehen.
Den passenden Ski zu finden, ist nicht immer ganz so leicht
Der Weg zum neuen Material ist oftmals lange, etwas verwirrend, (über)fordernd und es bedarf einer umfangreichen Recherche. Wird viel Geld für neues Equipment ausgegeben, so will die Entscheidung auch sehr gut überlegt sein. Der eine Ski nennt sich Rocker, der andere Camber – der eine will mit Light Woodcore punkten, der andere mit seinem Doppel Titanal und last but not least gibt es noch die Carbon Version. Auch mit den kreativen und angesagten Technologie-Benennungen versuchen einige auf sich aufmerksam zu machen. Ein Tinder Game. Viele verlockende Angebote, aber wer ist nun der Richtige für mich? Entscheidungsgrundlagen wie Aussehen, Farbe oder auch Preis sind nicht zu verachten, aber wie im Zwischenmenschlichen liegt auch hier der wesentliche Unterschied im Kern und nicht jeder passt zu jedem.
Ehrliche Selbsteinschätzung ist der Schlüssel
Um den passenden Ski zu finden, braucht es zuerst eine gute und vor allem ehrliche Selbsteinschätzung. Die Zeiten von 125 mm Mittelbreite sind vorbei. Mittlerweile haben sich die Freerideski derart gut weiterentwickelt, dass für europäisches Terrain eine mittlere Breite absolut ausreichend ist. Außerdem empfehle ich euch: Habt keine Angst vor Gewicht bei abfahrtsorientierten Freeride Skiern. Light Woodcore und ein hoher Carbon Anteil gehören in einen Tourenski bzw. in eine Kombination aus Freeride und Tourenski. Denn, mehr Gewicht, bedeutet auch mehr Stabilität.
Insider-Tipps
Aus dem Nähkästchen geplaudert, es kommt schon mal vor, dass Profi-Freerider von ihren Firmen eine extra Titanal-Schicht in ihren Ski bekommen, weil der Verkaufsski auf deren Level nicht performen würde. Das betrifft einen Hobby-Freerider zwar nicht unbedingt, dieses Beispiel soll aber zeigen, dass das Gewichtsthema mehr im (Free)touring-Segment beheimatet sein soll. Eine Berechtigung hat ein leichter Ski aber auch im Freeride-Bereich, nämlich dann, wenn ihr von Backflips, 360 und Nose-Butters nicht genug bekommen könnt. Ist man gerne im sehr steilen Gelände der Dolomiten oder in Chamonix unterwegs, sowohl im Aufstieg als auch in der Abfahrt, würde ich ein flaches Tail empfehlen.
Die Abstimmung zwischen dem Material und seinen eigenen Fähigkeiten
Viele Erfahrungen und Learnings haben mich genau zu dem Material gebracht, welches perfekt zu meinem Fahrstil und meinen Ansprüchen passt. Es ist das Werkzeug, mit dem man gewinnt oder verliert, mit dem man Spaß oder Frust erleben kann. Deshalb ist es auch so wichtig, sich nicht nur mit dem Material, sondern auch mit seinen Fähigkeiten und seinen individuellen Vorlieben/Ansprüchen auseinanderzusetzen.
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Interview Stefan Moser (Entwicklungschef von Blizzard)
Stefan Moser ist seit mehr als 15 Jahren bei Blizzard in der Produktentwicklung und hat Blizzard in den letzten Jahren auf ein ganz neues Level gehoben. Kaum ein anderer Ski punktet mit einer derartigen Performance, Qualität und Langlebigkeit wie die von Hand gemachten Geräte aus Mittersill.
Welche Trends bzw. Innovationen haben die letzten Jahre am stärksten geprägt?
Der Freeride Bereich hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt. Früher hatten wir hauptsächlich Titanal Konstruktionen, das hat damals sehr gut mit der Fahrweise der Skifahrer zusammengepasst. Schnell, weite Radien und Straight-Lines. Aktuell geht es mehr in eine Kombi aus Freestyle und Freeride. Die Ski müssen spielerischer, drehfreudiger und weniger kraftaufwendig sein. Aber jede Firma folgt mit ihren Skiern einer eigenen Philosophie und das ist auch das Schöne daran. Jeder Ski ist anders und jeder Skifahrer kann sich das Material aussuchen, welches ihn am meisten anspricht.
Der Trend geht stark in die Richtung „Gewicht“. Aber ist leichter auch gleichwertig hinsichtlich Performance und Fahrverhalten?
Die sogenannte eierlegende Wollmilchsau gibt es nicht. Ein superleichter Ski hat normalerweise viel Carbon drinnen. Das gibt dem Ski ein Geschwindigkeitslimit und aufgrund der fehlenden Masse und der hohen Steifigkeit von Carbon wird er nervös und unruhig. In der richtigen Menge hat Carbon aber seine Berechtigung. Gibt man dem Freerideski etwas mehr Gewicht, lässt er sich gutmütiger fahren und ist dadurch auch kraftsparender. Durch die Masse liegt der Ski satter und ruhiger auf dem Schnee und kann dem Untergrund besser folgen.
Kannst du Gewichtsangaben machen?
Schwer zu sagen, das kommt natürlich auf die Taillierung, die Härte der Ski und die Konstruktion an. Ein richtig stabiler, abfahrtsorientierter Freerideski sollte zumindest um die 1900 – 2000 Gramm wiegen.
Gibt es eine Empfehlung für ein gutes Innenleben für einen Freeride Ski?
Titanal gibt natürlich sehr viel Stabilität und Laufruhe, in den richtigen Dimensionen eingesetzt bleibt der Ski trotzdem leicht. Und natürlich ein hochwertiger Holzkern wie Buche, Pappel oder Eschenholz. Für einen stabilen Freeride-Ski würde ich einen sehr leichten Paulownia Holzkern nicht empfehlen. Da geht es dann schon Richtung Tourensegment.
INTERVIEW Stefan Häusl:
Stefan Häusl kennt man als erfolgreichen Freeride World Tour Fahrer, der stets durch seine technischen Lines aufgefallen ist. Seit mittlerweile 20 Jahren ist Stefan in die Entwicklung von Nordica involviert und mittlerweile sehr stark am Prozess der Weiterentwicklung beteiligt.
Hast du einen groben Leitfaden wie man bei einem Freeride Ski auf die jeweilig passende Länge und Breite kommt?
So ab 104 in der Mitte ist der Ski optimal fürs Gelände, bis Mittelbreite 102 ordnet sich ein Ski in die Allmountain Disziplin ein, funktioniert also auch noch auf der Piste sehr gut. Die Länge orientiert sich natürlich an dem individuellen Fahrkönnen. Wobei die Tendenz ganz klar zu wieder kürzeren Ski geht. Vor einigen Jahren noch hat man die Länge für den Auftrieb gebraucht, da die Schaufel noch nicht so gut gebaut war wie heute, nämlich mit mehr Volumen und mehr Länge. Diese Problematik haben die Firmen gelöst und dadurch können wieder kürzere und wendigere Ski gefahren werden und dass bei gleichem Auftrieb im Pulverschnee. Ein Anhaltspunkt ist die Körpergröße. Für ein durchschnittliches Level ist man mit der Körpergröße gut beraten. Körpergröße +10 cm würde ich für ambitioniertere Fahrer die auch gerne Gas geben empfehlen.
Rocker & Camber. Was macht wo und wann am meisten Sinn?
Camber ist die Vorspannung im Ski von Kontaktpunkt zu Kontaktpunkt. Legt man den Ski auf den Boden, ist er im Mittelbereich einige Millimeter in der Luft, wenn er keine Vorspannung hat. Bei Freeride Skiern braucht es nicht so viel Vorspannung, denn ich will einen ruhigen Ski haben der viel absorbiert und schluckt. Ein Rocker, also eine lange Schaufel, hat den Vorteil, dass sie einen sehr guten Auftrieb hat und nicht abtaucht. Ich persönlich bin ein Fan von ein wenig Vorspannung, damit der Ski ein gutes Leben hat. Ein Tail-Rocker macht den Ski noch verspielter.
Kann aufgrund gewisser Parameter ein Ski beurteilt werden, ohne ihn vorher gefahren zu haben?
Am meisten lässt sich von der Radius-Angabe und dem Tip undTail Design rauslesen. Eine kurze Schaufel mit einem flacheren Tail sind gute Anzeichen, dass der Ski etwas Träger ist, dafür aber Spurtreuer. Modernere Shapes haben ein längeres Tip und Tail. Ein Radius von 18 Meter ist eine empfehlenswerte Angabe. Damit macht der Ski sowohl im Firn als auch im verspurten Gelände Spaß und lässt sich immer noch gut driften. Des Weiteren macht das Innenleben viel aus. Ist Titanal drinnen weiß man, dass der Ski sehr gut dämpft und eine gute Torsionssteiffigkeit hat. So lässt sich der Ski auch auf der Piste sehr gut fahren.
Welche Rolle spielt die effektive Kantenlänge?
Je kürzer sie ist, desto spielerischer und je länger, desto träger. Hier ist ein guter Mittelweg zu empfehlen, denn eine zu kurze, effektive Kantenlänge macht es schwer die Mittellage zu halten. Mittellage ist die stabile Position des Skifahrers in der Skilängsachse. Also keine Vorlage und keine Rücklage.
Viele glauben, ein Ski mit weniger Gewicht ist drehfreudiger und fährt sich einfach. Fakt oder Mythos?
Das stimmt nur wenn ich ein langsamer Freerider oder Anfänger bin, dann hilft mir vielleicht ein leichter Ski, sonst nicht. Etwas anders sieht es aus, wenn ich viel Aufsteige oder auch viele Tricks mache (Backflips, 360er, …) dann hat ein leichterer Ski auch eine Berechtigung.
Thema Kantenwinkel, mit wieviel Grad feilst du deine Ski und wie sehen die Kanten aus, wenn der Ski frisch vom Werk kommt?
Anders als beim Rennlauf kommen die Freeride Ski schon sehr gut hängend geschliffen aus dem Werk. An den Seiten haben sie zwischen 87 und 88 Grad. Ich persönlich schleife meine Freeride Ski auf 87 Grad, Reine Barkered z.B. schleift sie auf 88 Grad. Bei 87 Grad ist der Winkel spitzer und man hat mehr einen Messereffekt. Das ist sehr individuell. Ich schleife die Ski außerdem nur bis zum Kontaktpunkt vorne und hinten. Legt man den Ski auf den Boden, steigt drauf, dann sieht man die effektive Kante bis zum Rocker. Das kann man auch gut kontrollieren in dem man ein Papier soweit reinschiebt bis es ansteht. Und diesen Bereich schleife ich. Ein Ski der direkt aus dem Werk kommt, hat Verklebungen und Spannungen, deshalb sollte man einen Ski auch immer 2 – 3 Tage einfahren.
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