Vor Ort: 14. Alpinmesse Innsbruck

Vor Ort: 14. Alpinmesse Innsbruck

Von JuliaS am 13.Nov. 2019

Vergangener Samstag in Innsbruck: Vor den Eingangstüren der Messe Innsbruck warten Menschen. Viele Menschen. Ein sehr großer Teil von ihnen alpinistisch-sportlich gekleidet, viel Funktion, weniger Fashion. Warum warten all diese Menschen hier, zwischen zwei Helis und einem Hackschnitzelfeld? Weil die Alpinmesse Innsbruck in Kürze ihre Tore öffnen wird.

Das Wetter hat sicher seinen Anteil am Besucheransturm – dichter Nebel und teilweise Regen laden nicht gerade zu ersten Ausflügen auf den Stubaier ein, oder zu einem Nachmittag in die Kletterwand. Offenbar trifft der Veranstalter, das Kuratorium für Alpine Sicherheit, aber mit der Mischung aus Produktmesse und alpiner Wissensvermittlung auf Profiniveau in Innsbruck einen Nerv. Zusätzlich zu den 8.000 Besuchern (Endverbrauchern) am Samstag waren unzählige Bergwachten, Bergretter- und Bergführer-Gruppen auf dem Messegelände unterwegs. „Gefühlt steht die gesamte Bergwacht Bayern draußen auf dem Parkplatz“, meinte ein Bekannter zur auffällig hohen Profi-Dichte unter den Besuchern.

Von Profis – nicht nur für Profis waren denn auch die Vorträge und Diskussionen des Alpinforums ausgelegt. Das Thema „Recht auf Risiko – Recht auf Rettung“ zog, so waren gleich um 9:00 Uhr morgens auch schon etliche Mitarbeiter damit beschäftigt, fleißig die Stuhlreihen des Plenums zu erweitern, um den mehr als 500 interessierten Zuhörern auch ausreichende Sitzgelegenheiten zur Verfügung zu stellen.

Nach der Begrüßung durch den Präsidenten des Kuratoriums für Alpine Sicherheit, Dr. Karl Gabl, und seinen einleitenden Worten, ergriff Moderator Robert Wallner, leitender Staatsanwalt des Fürstentums Liechtenstein und langjähriges Mitglied des Kuratoriums das Wort. Selbst von 1988 bis 2000 Alpinjurist bei der Staatsanwaltschaft Innsbruck tätig und zuständig für alle Berg-, Ski- und Lawinenunfälle stimmte er die zahlreichen Zuhörer auf die folgenden zwei Stunden ein.

Recht auf Rettung?

Den Anfang machte Dr. Nik Burger, Jurist und Einsatzleiter der Bergrettung in Bayern sowie Flugretter mit seinem Vortrag „Recht auf Bergrettung! Quo vadis?“, in dem er rechtliche Grundlagen und –sätze der Bergrettung darlegte. Seine Einschätzung: Tendetiell nimmt die Fähigkeit zur Selbsteinschätzung bei den Bergsportlern ab, die Erwartungshaltung an die Bergrettung allerdings zu: „In Not geratene Personen erwarten, sofort durch die Bergrettung aus ihrer misslichen Lage befreit zu werden.“ Obschon das Recht auf Rettung objektiv besteht, obliegt das „Wie“ dem jeweiligen Einsatzleiter. „Es gibt hier keinen Gewissenskonflikt: Das Wohl der Mannschaft hat immer Priorität! Das fällt unter die Sorgfaltspflicht des Einsatzleiters. Wenn dieser es als zu gefährlich ansieht, auszurücken, dann passiert das nicht.“

Diese theoretischen Ausführungen erfüllte Andreas Eder, Einsatzleiter der Bergrettung Mayrhofen, in seinem Vortrag „Recht auf Rettung oder Einsatzabbruch?“ mit Leben. Er führte den Zusehern bildhaft vor Augen, in welchen Situationen ein Einsatzleiter Entscheidungen zu treffen hat und unter welchen Voraussetzungen. Die Idee des Ehrenamts Bergretter gewann hier deutlich an Farbe.

Es folgten Mario Amann, GF Sicheres Vorarlberg, der anmahnte, „nicht alles, was schiefgeht, einfach als Restrisiko zu legitimieren“. Dieses Restrisiko nahm im Anschluss Extrembergsteiger Alexander Huber sofort wieder auf.

Recht auf Risiko!

Er legte dar, dass es aus seiner Sicht zwei Arten des Risikos zu erwägen gibt: Das persönliche, das sich durch Training, Fitness, Selbstbewusstsein usw. durch den Sportler minimieren lässt. Einfach gesagt: Wer genug trainiert, der ist körperlich zu manchen Dingen in der Lage, die untrainierte Personen nicht schaffen würden. Dazu kommt allerdings noch das externe, schwer einschätzbare Risiko: Im Alpinsport sind das beispielsweise plötzliche Wetterumschwünge, unberechenbare Seracs o.Ä. Die Frage nach dem Recht auf Risiko stellt sich für ihn nicht: „Irgendwas verbieten bringt nichts. Wenn einer irgendwo free solo hinaufklettern will, dann wird er es machen. Und man wird ihn kaum erwischen können.“

Spannend durchaus auch seine Gedanken zum Themenkomplex Druck / Sponsoren / Risiko. Seiner Ansicht nach unternehmen Extremsportler immer waghalsigere Projekte nicht, weil der Sponsor sie unter Druck setzt, sondern aus einem inneren Druck heraus. „Aktuell kann man im Klettersport sehr schnell jemand werden, wenn man einfach das Risiko ignoriert. Im Himalaja gibt es noch Haufenweise jungfräuliche Wände, die nie jemand gemacht hat, weil das mit den Seracs, die plötzlich abbrechen können, ein zu großes Risiko darstellt. Wenn einer dieses Risiko einfach ignoriert und das trotzdem macht – und das Unternehmen geht gut – dann ist er schnell der Held.“ Er selbst habe sich immer an das Mantra gehalten: „Wenn Dich die Angst am berg nervös macht, dann will sie Dir was mitteilen. Wenn es nur Aufregung ist, dann resultiert die in einer absoluten Fokussierung auf die Aufgabe – die macht Dich nicht nervös.“

Die anschließende Podiumsdiskussion, an der auch Toni Mattle und Florian Phleps teilnahmen, fasst Andreas Eder abschließend so zusammen: „Grundsätzlich geht es darum, mehr Verantwortungsbewusstsein unter Skibergsteigern zu schaffen. Natürlich hat jeder das Recht darauf, in einen verschneiten Hang einzusteigen. Das würde sich letztlich auch niemand durch gesetzliche Vorgaben nehmen lassen. Allerdings sollte sich jeder Bergsportler, der ins offene Gelände eintaucht, klar machen, dass die Bergrettung im schlimmsten Fall einen Einsatz verwehren muss. Denn der jeweilige Einsatzleiter trägt die Verantwortung für jedes Teammitglied. Mehr Aufklärung führt im besten Fall zu mehr Eigenverantwortung und mehr Risikobewusstsein. Für sich selbst und für andere.“

Die Messe

Die Messe selbst war außerordentlich gut besucht: Menschenschlangen drängten sich durch die Gänge und informierten sich über das neueste Equipment am Markt. Stark frequentierter Anziehungspunkt, besonders für die Freeride-Szene, war wieder einmal die Open Faces Lounge. Von FWT-Newcomer Tao Kreibich über Weltmeisterin Manuela Mandl sowie „Altmeister“ Matthias Haunholder war alles vertreten, was in der Community Rang und Namen hat.

Sehr positiv wurde auch die neue Reishalle „Kontinent Alpin“ aufgenommen. Die Anbieter lockten Weltenbummler in 180 Länder, nicht weniger als 28 Reisevorträge gaben Zeit und Raum dafür, dem Alltag für eine Weile zu entfliehen.

Fazit: Ein rundum gelungener Messetag mit vielen interessanten Einblicken und Gesprächen. Zur Verdeutlichung: Gegen 14:30 wollten wir aufbrechen, das Messegelände verlassen haben wir um 17:30 Uhr.

2020 findet die Alpinmesse am 14. Und 15. November statt.

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