Event-Report: 3-Star FWQ Verbier

Von Lea Hartl am 30.Jan. 2014

Dass Lea Hartl nicht nur eine fähige Autorin ist, sondern auch praktisch sehr im Umgang mit den beiden Wintersportgeräten unter ihren Füßen geübt ist, davon konnten wir uns schon mehrfach überzeugen lassen. Am 17. Januar 2014 nahm sie am 3-Sterne Freeride World Qualifier in Verbier teil und schildert uns hier ihre Erlebnisse aus erster Hand.

Anreise
Da der Contest eigentlich für Samstag angesetzt war und erst am Donnerstag Abend endgültig klar war, dass das Event auf Freitag vorverlegt werden würde, gestaltete sich unsere Abreise nach Verbier eher chaotisch. Überfordert von der doch eher spontanen Planänderung und der früheren Anreise, unternahmen wir den Versuch in Le Chable im Auto zu schlafen. Dort wurden wir innerhalb von 10 Minuten von höflichen Polizisten vertrieben und landeten schließlich im strömenden Regen auf einem matschigen Parkplatz in Martigny. Die Ski wurden unter das Auto geschoben, da wir nicht mehr motiviert waren, ordentlich umzuräumen und nach einer kurzen Beziehungskrise, bedingt durch das nicht ausgehen-wollende Kofferraumlicht, schafften wir es schließlich in unsere Schlafsäcke.

Am nächsten Morgen klingelte der Wecker um zwanzig nach sechs und meine Laune war so, wie sie eben ist, wenn man im Halbdunkel bei Nieselregen aus dem Auto kriecht und erstmal in einer neu entstandenen Riesenpfütze steht. Die unter dem Auto gelagerten Ski waren nach der Nacht im Schlammwasser ein wenig unappetitlich, aber die Tankstelle nebenan verströmte den unwiderstehlichen Duft frischer Croissants mit leichter Dieselnote und nach dem ersten Bissen im zarten Neonlicht neben der Zapfsäule waren die Leiden der Nacht vergessen. Es wartete schließlich ein spannender Tag beim 3* Abschluss Event der Verbier Freeride Week!

Contest Tag
Beim Rider's Meeting im Medran Café wurde uns erklärt, welche Cliffs im waldigen La Chasse Face dieses Jahr wegen Schneemangel gesperrt wurden und dass bei den restlichen Cliffs zwar kein Schnee im Takeoff läge, aber dafür um so mehr in der Landung. Außerdem wurde uns nahegelegt, bei der Zieleinfahrt möglichst nicht in einem der beiden weitgehend schneefreien Bachläufe einzuschlagen. Da der Start wegen des schlechten Wetters erst für den späten Vormittag angesetzt war, hatten wir nach dem Meeting zwei Stunden lang Gelegenheit, uns Bruchstücke des wolkenverhangenen Faces vom Gegenhang aus anzusehen. Es ist für mich immer ein besonderes Vergnügen, die anderen Teilnehmerinnen wieder zu sehen und wenn man sich gemeinsam darüber ärgern kann, wie lange man schon rumsteht, vergeht die Zeit dann doch erstaunlich schnell.

Der Start befand sich direkt auf einem größeren Cliff mit flacher Landung, von dem sich viele der Männer mit unterschiedlichem Erfolg herunterstürzten. Alle Frauen hatten sehr hohe Startnummern und so gab es für uns erneut Gelegenheit herumzustehen und uns über die flachen Landungen, die schlechte Sicht und die allgemeinen Befindlichkeiten auszutauschen. Eine Schweizerin, die sich über die 2* Events der Verbier Freeride Week qualifiziert hatte, merkte an, wie ernst hier alle wären und dass es bei den anderen Contests viel entspannter und lustiger zugegangen wäre. Die Zunahme der Unlustigkeit mit steigender Anzahl der Sterne ist ein bedauerlicher, aber nicht zu leugnender Trend, der mir auch schon aufgefallen ist.

Mein Plan sah folgendermaßen aus: Startcliff ignorieren, gleich danach über ein kleines Pillowfeature fahren, dann langsam über einen Drop dahinter um nicht im Gebüsch zu landen, dann ein bisschen fahren und im unteren, flacheren Bereich des Faces nochmal irgendwo runter springen. Das Pillow habe ich noch gefunden, aber dann waren alle Distanzen plötzlich viel kleiner, als ich erwartet hätte und schon stand ich genau in dem Gebüsch, dass ich eigentlich vermeiden wollte. Nach etwas nicht allzu elegantem Herumeieren schaffte ich es in den flacheren Bereich, fand mich aber immer noch nicht wirklich zurecht und brachte das ganze schließlich mit weiterem Herumeiern  in einem der Bachläufe zu Ende.

Abgesehen von zwei Fahrerinnen, die sich in den steilen, technischeren Teil des Faces wagten, fuhren alle Frauen (inklusive mir) mehr oder weniger ähnliche Lines. Ich habe erwogen, ob ich meine langweilige Performance auf die schlechte Sicht oder die kurze Nacht schieben soll, aber schließlich beschlossen, dass die besser Platzierten das eben einfach besser hingekriegt haben und im Gegensatz zu mir flüssig gefahren und solider gesprungen sind.

Die Tendenzen zur Unlustigkeit und übermäßigen Seriosität wurden im Zielgelände dann revidiert. Mutige Aktionen, egal ob gestanden oder nicht, wurden von den wartenden Ridern mit überschwänglichem Applaus belohnt und obwohl außer den teilnehmenden Fahrern kaum Zuschauer da waren, fuhr niemand ohne ein freundliches Publikum.

Fazit
Als ich vor einigen Jahren zum ersten Mal in Verbier war, war der erste Mensch der mir dort begegnete ein betrunkener Engländer mit zwei Gipsarmen, der sein Hostel nicht mehr fand. Das Freeride Potential des Gebietes ist natürlich offensichtlich, aber ich war nie lang genug dort um das wirklich auszukosten, daher zählt People-Watching für mich zu den Highlights jedes bisherigen Besuches. Anstatt auf die Ergebnisverkündung zu warten (so genau wollte ich das bei meiner ärgerlichen Leistung gar nicht wissen), trafen wir uns mit einigen befreundeten Locals im Pub Montfort und beobachteten das Treiben.

Einer der erwähnten Locals ist der meiner Meinung nach beste und vielseitigste Skifahrer in meinem Bekanntenkreis. Er interessiert sich nicht im geringsten für Freeridecontests und machte sich ein wenig lustig über mich, weil er den ganzen Tag fahren war, während ich mir aus für ihn nicht nachvollziehbaren Gründen die Beine in den Bauch gestanden hatte. Nach fünf Minuten war das Thema Contest mangels Interesse seinerseits beendet und bei mir folgte nach dem ersten halben Bier wiedermal die sehr beruhigende Erkenntnis, dass Contests zwar Spaß machen, aber bezüglich Freeriden nicht das Maß aller Dinge sind.
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