Von einem Luftloch und einem feuchten Gefühl an meinen Oberschenkeln werde ich unsanft aus meinen Träumen gerissen. Der auf dem Ausklapptablett vor mir stehende O-Saft hat sich durch die turbulente Erschütterung auf meiner Jeans ergossen. Aber die blonde Svetlana steht schon eilfertig in ihrem eleganten Kostümchen vor mir und legt Hand an. „Vorsicht, nur tupfen, nicht reiben!â€, denke ich. Sie lächelt. Ich versuche von ihrem doppelt konzentrierten Duty-Free-Chanel-No.5 nicht ohnmächtig zu werden und denke mir: „Ewig lockt das Slawen-Weibâ€. Langsam kann ich nachvollziehen, warum die vielen kleinen adipösen Liebesritter aus dem deutschen Unterschichtenfernsehen den Weg in den weiten Osten suchen, um ihre ganz persönliche Svetlana, Ksenia, Olga oder Katinka aus der Taiga oder den Betonbunker-Schluchten Moskaus in ihre deutsche Doppelhaushälfte oder das Hartz-IV-Wohnzimmer zu entführen.
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In einem mehrstöckigen Innenstadt-Hotel schlafen wir genüsslich unser Jet-Lag aus und gönnen uns am Mittag eine Stadtrundfahrt durch die fast drei Millionen Einwohner zählende Metropole, in der aufgrund von sowjetischen Umsiedlungsmaßnahmen ein wilder Völker-Mix von über 60 Nationalitäten miteinander verquirlt wurde...
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„Mit Wodka bekommt man alles lecker“, denke ich mir und spüle die Rote-Beete-Suppe, den Dicke-Bohnen-Salat und Ziegen-Döner mit einem vollen Schnapsglas durch die Kehle. Gegen diesen Brandsatz hat keine Salmonelle auch nur den Hauch einer Chance. Als weitere Beilage zum Dinner erklingen mittlerweile dumpfe Techno-Beats der 90er im riesigen, aber menschenleeren Speiseraum des Ostalgie-Bunkers. Man könnte jetzt mal lässig die Hüften und das Tanzbein auf dem verfleckten Flokati-Teppich schwingen. Aber leider besteht die anwesende Community ausschließlich aus Männern. Null Chance die Puppen tanzen zu lassen.
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Die voranschreitende Dauerinflation im Land führt dazu, dass jeder Usbeke Geldwechsler ist – vom Zimmermädchen bis zum Helikopter-Piloten, alle gieren nach Dollars und Euros, die man als Altersvorsorge entweder in Goldzähne umwandelt oder unter dem Kopfkissen versteckt. Zückt ein Tourist beispielsweise eine 100-Euro-Note, kommt erst Glanz in die Augen des Einheimischen und dann eine riesige Plastiktasche zum Vorschein
"Epilog":
Die Aeroflot-Stewardessen auf dem Rückflug waren übrigens eine einzige Enttäuschung. Wo waren sie hin, die magischen Moskauer Schönheiten vom Hinflug? Warum wurde so eine engelsgleiche Crew gegen übergewichtige Vorruheständlerinnen mit schlecht verspachtelten Falten und dünnem Haar ausgetauscht, die in ihren zerschlissenen Kostümchen aussahen wie Leberwürste in einer viel zu engen Pelle? Schuld sind Politik, Putin und die olympischen Winterspiele in Sotchi. Angeblich erging an die Aeroflot vom russischen Organisationskomitee die Anweisung, nicht nur ihre alten Iljuschin-Maschinen, sondern auch das weniger ansehnliche Kabinen-Personal ausschließlich auf den weit entfernten Teilstrecken einzusetzen, mit denen Westeuropäer und andere Olympia-Gäste niemals in Berührung kommen.
Schade, ich hatte wirklich überlegt, Svetlana auf dem Rückflug eine WhiteHearts-Visitenkarte unter den Rock zu schieben …
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