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Thema: spanien, katalonien und co

  1. #1
    Freeskier Avatar von knut
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    Standard spanien, katalonien und co

    Die Menge an völlig hirnrissigen Argumenten und sinnlosen Diskussionen, die ich in den letzten Tagen zum Thema Katalanische Unabhängigkeit gehört bzw. geführt habe, ist erschreckend und zutiefst frustrierend.

    Um es mit dem passenden Kulturbezug mit Arturo Pèrez Reverte zu sagen:
    "Schau, lange Zeit dachte ich, das Schlimmste auf der Welt sei das Böse. Doch mit dem Alter, wenn man etwas weiser ist, ändert man seine Sichtweise: Das Schlimmste ist die Dummheit. Die Dummen sind schlimmer als die Bösen. Dumme Menschen richten immer mehr Schaden an, als böse Menschen."


    ---------
    Anm.: Ursprünglich startete die Diskussion im Frust-ablassen-Thread und wurde hierhin abgetrennt.
    Geändert von knut (05.10.2017 um 12:21 Uhr)
    “Anti-intellectualism has been a constant thread winding its way through our political and cultural life, nurtured by the false notion that democracy means that 'my ignorance is just as good as your knowledge.'" ― Isaac Asimov

  2. #2
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    Standard AW: Frust ablassen Thread

    Zitat Zitat von knut Beitrag anzeigen
    "Schau, lange Zeit dachte ich, das Schlimmste auf der Welt sei das Böse. Doch mit dem Alter, wenn man etwas weiser ist, ändert man seine Sichtweise: Das Schlimmste ist die Dummheit. Die Dummen sind schlimmer als die Bösen. Dumme Menschen richten immer mehr Schaden an, als böse Menschen."
    Ganz bei ihm. Böse Menschen gibt es relativ wenige, die meisten sind nur zu doof zu erkennen, was "böse" bzw "gut" ist (um das ganze vereinfachend darzustellen, nur in dieen beiden Schubladen). Da gab es diese internationale Studie, die Gewalt- und Kapitalverbrechen weltweit verglich. Die Quote der wirklich bösen scheint weltweit gleichverteilt und auf relativ niedrigem Niveau (ich meine um 0,1%-1%).
    Dagegen steht die Gaußsche Normalverteilung, die auch auf die Intellähnz wohl zutrifft. Sichtbar wird das dann zb an den 20% der Bundesdeutschen, die Texte nicht sinnerfassend lesen können (bei gleichzeitigiger quasi 100% Schulbildungsrate bzw fast 0% Analphabeten - 3-4% zählen aufgrund mangelnder Fähigkeiten zu den strukturellen Analphabeten, wenn ich mich recht erinnere.)

    Fakten zum schmunzeln zum Thema böse vs dumme Menschen: Die Wahrscheinlichkeit man von einem Familienmitglied umgebracht wird, liegt 10* höher als die Wahrscheinlichkeit dass dies Fremde tun. Und noch 10* höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass man das selbst tut (die Mehrheit davon sind Unfälle in den eigenen 4 Wänden) - aus der Erinnerung einer anderen Studie.
    𝑇ℎ𝑖𝑠 𝑐𝑜𝑚𝑚𝑒𝑛𝑡 ℎ𝑎𝑠 𝑏𝑒𝑒𝑛 𝑐𝑒𝑛𝑠𝑜𝑟𝑒𝑑 𝑑𝑢𝑒 𝑡𝑜 𝐸𝑢𝑟𝑜𝑝𝑒𝑎𝑛 𝑈𝑛𝑖𝑜𝑛’𝑠 𝑐𝑜𝑝𝑦𝑟𝑖𝑔ℎ𝑡 𝑙𝑎𝑤.

  3. #3
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    Standard AW: Frust ablassen Thread

    Zitat Zitat von knut Beitrag anzeigen
    "Die Dummen sind schlimmer als die Bösen. "
    Das eine schließt das andere nicht aus.

  4. #4
    Freeskier Avatar von Ruprecht
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    Standard AW: Frust ablassen Thread

    Zitat Zitat von knut Beitrag anzeigen
    Die Menge an völlig hirnrissigen Argumenten und sinnlosen Diskussionen, die ich in den letzten Tagen zum Thema Katalanische Unabhängigkeit gehört bzw. geführt habe, ist erschreckend und zutiefst frustrierend.
    same here und wir haben es noch nicht überstanden (nach dem sonntag vielleicht weniger denn je..) und ich bin mir ziemlich sicher, dass wir in der sache nicht im selben lager sitzen. was allerdings nicht heißen soll, dass ich dir oder deiner argumentation (die ich nicht kenne) irrsinn unterstelle.

  5. #5
    Freeskier Avatar von klar
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    Standard AW: Frust ablassen Thread

    Zitat Zitat von Ruprecht Beitrag anzeigen
    und ich bin mir ziemlich sicher, dass wir in der sache nicht im selben lager sitzen. was allerdings nicht heißen soll, dass ich dir oder deiner argumentation (die ich nicht kenne) irrsinn unterstelle.
    Könnt ihr das auf eure ja immer sehr angenehm überlegte Art hier ausdiskutieren? Würde mich interessieren.
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  6. #6
    Moderator Avatar von la sun
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    Standard AW: Frust ablassen Thread

    Zitat Zitat von klar Beitrag anzeigen
    Könnt ihr das auf eure ja immer sehr angenehm überlegte Art hier ausdiskutieren? Würde mich interessieren.
    mich auch.
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  7. #7
    Freeskier Avatar von Ruprecht
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    Standard AW: Frust ablassen Thread

    ich kann erst diskutieren, sobald mich jemand beleidigt. die beleidigung sollte nicht allzu tief gehen, aber sie darf meine ethnie betreffen, mein geschlecht inklusive sexueller orientierung, meinen gott und - etwas abgeschwächt - meine körperlichen unzulänglichkeiten.

  8. #8
    Freeskier Avatar von Dicki
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    Standard AW: Frust ablassen Thread

    Zitat Zitat von Ruprecht Beitrag anzeigen
    ich kann erst diskutieren, sobald mich jemand beleidigt. die beleidigung sollte nicht allzu tief gehen, aber sie darf meine ethnie betreffen, mein geschlecht inklusive sexueller orientierung, meinen gott und - etwas abgeschwächt - meine körperlichen unzulänglichkeiten.
    Du hast in der Kindheit zu viel geraucht und hast jetzt eine Haut wie ein 60jähriger. Siehst dadurch nicht mehr wie eine Grazie aus!
    "Kernschmelze? Das ist wieder eines dieser billigen Schlagwörter. Wir nennen das eher einen unangeforderten Spaltungsüberschuss." (Montgomery Burns)

  9. #9
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    Standard AW: Frust ablassen Thread

    ---
    Geändert von wanderer (01.05.2020 um 00:31 Uhr)

  10. #10
    Freeskier
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    Standard AW: Frust ablassen Thread

    ---
    Geändert von wanderer (01.05.2020 um 00:31 Uhr)

  11. #11

    Standard AW: Frust ablassen Thread

    Hat skijunkie jetzt alle paar Monate Ben neuen Nick?
    It's a war of the mind and we're armed to the teeth.

  12. #12
    Freeskier
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    Standard AW: Frust ablassen Thread

    ---
    Geändert von wanderer (01.05.2020 um 00:31 Uhr)

  13. #13
    Freeskier Avatar von knut
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    Standard AW: Frust ablassen Thread

    Zitat Zitat von subtleplague Beitrag anzeigen
    Hat skijunkie jetzt alle paar Monate Ben neuen Nick?
    Gleich nen ganz neuen Account. Entweder hat er trickreich gemerkt, dass seine alten bei mir auf der Ignorierliste gelandet sind, oder das mit dem Passwort merken funktioniert nicht richtig.

    Zitat Zitat von klar Beitrag anzeigen
    Könnt ihr das auf eure ja immer sehr angenehm überlegte Art hier ausdiskutieren? Würde mich interessieren.
    Dafür ist dieses Forum irgendwie nicht mehr der geeignete Ort, habe ich den Eindruck. Auch hier herrschen immer öfter die populistischen Grabenkämpfe über das friedliche, respektvolle Miteinander.

    Was aber nicht heissen soll, dass Ruprechts körperliche Unzulänglichkeiten nicht viel besser sind als meine.
    Geändert von knut (03.10.2017 um 19:08 Uhr)
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  14. #14

    Standard AW: Frust ablassen Thread

    Zitat Zitat von knut Beitrag anzeigen
    Dafür ist dieses Forum irgendwie nicht mehr der geeignete Ort, habe ich den Eindruck. Auch hier herrschen immer öfter die populistischen Grabenkämpfe über das friedliche, respektvolle Miteinander.
    Öh ich weiss ja nicht in welchem Forum du anno 2005 warst, aber pöbeln gehörte immer zum guten Ton. Und mich würde auch wirklich interessieren warum das eine oder das andere in Katalonien besser ist. Ich stehe da ratlos vor, insbesondere, da selbst die Basken nun keine Unabhängigkeit um jeden Preis mehr zu wollen scheinen und die waren doch in Spanien eher dafür bekannt.

    Abgesehen davon ist das Forum doch viel zahmer als früher? Oder bin ich so selten hier?
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  15. #15
    Freeskier Avatar von klar
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    Standard AW: Frust ablassen Thread

    Also, da ich offenbar nicht allein bin mit meiner Ratlosigkeit in dieser Sache, schreib ich hier mal unverbindlich ein paar Sachen hin, die ich nicht kapiere, und dann können die, die keine Ahnung haben und die anderen das ja kommentieren, wenn ihnen danach ist.

    1. wollen die wirklich komplett unabhängig sein, oder nur mehr Autonomie? Wieviel von den Forderungen ist Trotz als Reaktion auf das Verhalten Rajoys in den letzten Jahren und wieviel sind tatsächlich aus tiefstem Herzen empfundene Unabhängigkeitsbestrebungen aufgrund sprachlicher/ kultureller Unterschiede?
    2. gibt es tatsächlich so grundlegende kulturelle Unterschiede? Ist nicht eh alles zweisprachig?
    3. was ist mit den Katalanen in Frankreich und Andorra? Will man die angliedern oder sind die wurscht?
    4. wieviele Leute wollen die Unabhängigkeit, sind das echt so viele oder schreien die nur viel lauter als die anderen?
    5. geht es in echt doch nur um die Wirtschaft?

    und 6. angesichts der Bilder von den prügelnden Polizisten: wie kann man so dermaßen dämlich reagieren? hätte man das nicht einfach ignorieren können?
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  16. #16
    Freeskier Avatar von knut
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    Standard AW: Frust ablassen Thread

    Zitat Zitat von subtleplague Beitrag anzeigen
    Öh ich weiss ja nicht in welchem Forum du anno 2005 warst, aber pöbeln gehörte immer zum guten Ton.
    Früher war eben selbst das Pöbeln besser. In meiner veklärten Nostalgie jedenfalls. Intelligenter und seltener persönlich.
    Vielleicht bin ich auch einfach dünnhäutiger geworden.



    Zitat Zitat von klar Beitrag anzeigen
    Also, da ich offenbar nicht allein bin mit meiner Ratlosigkeit in dieser Sache, schreib ich hier mal unverbindlich ein paar Sachen hin, die ich nicht kapiere
    Ich glaube, im wesentlichen teile ich da Deine Ratlosigkeit, auch wenn ich mich lange und viel mit allen Arten von Befürwortern, Gegnern und Indifferenten ausgetauscht habe.


    Zitat Zitat von klar Beitrag anzeigen
    wollen die wirklich komplett unabhängig sein, oder nur mehr Autonomie?
    Die meisten wollen in meiner persönlichen Erfahrung nach komplette Unabhängigkeit von Spanien. Aus Prinzip.
    Wobei ein Grossteil der Leute sich sicher auch mit dem Autonomiegesetz zufrieden gegeben hätte, dass die PP unter Rajoy vor das Verfassungsgericht gezerrt hat und aufgelöst hat, ohne nachzubessern.


    Zitat Zitat von klar Beitrag anzeigen
    Wieviel von den Forderungen ist Trotz als Reaktion auf das Verhalten Rajoys in den letzten Jahren und wieviel sind tatsächlich aus tiefstem Herzen empfundene Unabhängigkeitsbestrebungen aufgrund sprachlicher/ kultureller Unterschiede?
    Ich glaube, das kann man nicht 100%ig trennen. Der Grossteil ist das auf tiefen Emotionen fussende Gefühl, anders zu sein.
    Aber wie bereits oben angedeutet, befand man sich mit dem Autonomiegesetz auf gutem Weg, dieses Gefühl in den Hintergrund rutschen zu lassen und am friedlichen Miteinander zu arbeiten. Das starke-Mann-Gehabe der Minderheitsregierung Rajoy erzürnt allerdings die Gemüter heftig.

    Zitat Zitat von klar Beitrag anzeigen
    gibt es tatsächlich so grundlegende kulturelle Unterschiede? Ist nicht eh alles zweisprachig?
    Das ist für mich eine wirklich schwierige Frage. Die kulturellen Unterschiede gibt es sicher. Von aussen betrachtet fällt es mir allerdings schwer, die als gravierend anzusehen. Mir fällt es aber auch immer noch schwer, auf Anhieb den Unterschied zwischen Katalan und Spanisch zu bemerken (oder den zwischen allen Lateinischen Sprachen, um genau zu sein).
    Die kulturellen Unterschiede sind vermutlich ähnlich gravierend, wie zwischen dem Alpenrand und der Nordseeküste. Von innen heraus extrem deutlich, von aussen nicht immer auf den ersten Blick bemerkbar.
    In manchen Bereichen nicht existent, in anderen deutlich präsent. So fällt es einem z.B. extrem schwer, nur mit Spanischkenntnissen eine Speisekarte auf Katalan zu lesen. Und selbst dann wären die Gerichte noch irgendwie ungewohnt.
    Und ja, es ist eh alles zweisprachig. Jeder Katalane ist auch muttersprachlich Spanisch. Trotzdem ist es ein bisschen wie in der Schweiz (wobei die nicht wirklich muttersprachlich Hochdeutsch reden, aber andere Baustelle): Um in der Kneipe in's Gespräch zu kommen, oder tiefe Freundschaften zu entwickeln, sollte man schon besser Katalan reden. Es geht ohne, aber deutlich schwieriger. Und das gilt vor allem im ländlichen Raum.
    Das Studium ist ebenfalls häufig auf Katalan. Es gab (bzw. in wenigen bereichen gibt es sie noch) auch z.B. Doktoranedenstipendien, die einen Bonus von 200€ pro Monat zahlen, wenn man sich verpflichtete, Doktorarbeit und Veröffentlichungen auf Katalan zu schreiben.
    In Barcelona sprechen allerdings überhaupt nur 55% der Bevölkerung Katalan, und im Alltag ist der Default meist Spanisch.
    Andererseits suchen sich Eltern, die sich als klar Katalanisch betrachten, ihre Schule für die Kinder meist sehr sorgfältig nach sprachlichen Kriterien aus und legen Wert darauf, dass der Anteil an Ausländerkindern (inkl. Spanischen) in den Klassen möglichst klein ist.
    Trotzdem ist das in meiner persönlichen Erfahrung eher eine Subkultur und nicht die Mehrheit. Aber auch kein Randphänomen.
    Hinzu kommt noch die historische Komponente. Dass Katalanisch zu sein unter Franco massiv unterdrückt wurde und man seine eigene Muttersprache teilweise nicht mal auf der Strasse sprechen konnte. Und man vergisst gerne, dass das noch nicht mal eine Generation her ist.



    Zitat Zitat von klar Beitrag anzeigen
    was ist mit den Katalanen in Frankreich und Andorra? Will man die angliedern oder sind die wurscht?
    Das ist prinzipiell erstmal wurscht. Aus mehreren Gründen. Zuerst, weil die katalanische Unabhängigeitsbestrebung nicht sehr dogmatisch eingestellt ist. Man will sicherlich nicht für andere entscheiden, sondern nur für sich (was ein bisschen witzig ist, denn Einstimmigkeit gibt es schliesslich in kaum einer demokratischen Frage jemals). Wenn also andere katalanische Hoheitsgebiete sich von sich aus der katalanischen Republik anschliessen wollen, sind sie sicher willkommen, aber das wäre deren Entscheidung.
    Und neben Frankreich und Andorra, die der Sache politisch nahe stehen, gibt es da ja auch noch Valencia, die Balearen und Nordsardinien.
    Die Leute aus Valencia und von den Balearen, die ich kennen gelernt habe, haben allerdings Wert darauf gelegt, dass sie Valenzianisch bzw. Majorkinisch sprechen (Im nordkatalunischen Val d'Aran übrigens Aranesisch - lokatpatriotismus, yay!). Auch sahen die die katalanischen Unabhängigkeitsbemühungen mit einem gewissen Unverständnis.

    Zitat Zitat von klar Beitrag anzeigen
    wieviele Leute wollen die Unabhängigkeit, sind das echt so viele oder schreien die nur viel lauter als die anderen?
    Im Moment (dank der Policia National) sind es gefühlt tatsächlich die meisten. Auch das abendlichen Topfschlagen (die Katalanen treten seit rund zwei Wochen um 22:00 auf die Balkone und hämmern für eine Viertelstunde auf Kochtöpfe, um ihren Protest auszudrücken) klingt gewaltig. Da muss der Krimi mal kurz pause machen. Wenn man aber mal genau hinschaut, sind vielleicht einer von 10 Balkonen mit dabei.
    Bevor die Emotionen völlig hochkochten, lagen die Befürworter der Unabhängigkeit in Umfragen irgendwo bei 30-45%

    Zitat Zitat von klar Beitrag anzeigen
    geht es in echt doch nur um die Wirtschaft?
    Das ist die Frage, die ich immer noch nicht genau beantworten kann. Warum die Leute die Unabhängigkeit wollen, ist mir auch häufig in abendfüllenden persönlichen Gesprächen nicht klar geworden. Auch weil viele häufig mauern, wenn man es mit Logik versucht.
    Das finanzielle Argument wird jedenfalls sehr häufig gebracht. Allerdings findet man paradoxerweise, dass man zuviel an Madrid zahlt, aber gleichzeitig will man ein solidarischeres, sozialeres Katalonien. Wenn das Wort nicht ganz anders besetzt wäre, käme Nationalsozialismus in den Sinn. Das ist es aber definitiv nicht.
    Ein weiteres Argument ist, dass man selbst bestimmen will. Bei der Nachfrage was eigentlich genau sind die Antworten dann meist erstaunlich wage. Katalonien hat eine unabhängige Polizei, separates Bildungssystem und auch bei der Gestaltung der Steuern und des Sozial- und Gesundheitssystems relativ viele Freiheiten. Insgesamt mehr, als deutsche Bundesländer. So richtig viel Spielraum für mehr Autonomie (ausser einfach weniger zum gesamtspanischen Sozialstaat beizutragen) ist da eigentlich nicht mehr.
    Auch das mit dem wirtschaftlischen Argument ist nicht so ganz klar, wie es gerne dargestellt war. Katalonien ist zwar klar die wirtschaftlich stärkste Region, aber pro Kopf nur auf Platz 5 der Nettozahler Spaniens, sogar noch hinter Madrid. Von den wirtschaftlich starken Regionen zahlen nur die Baskischen weniger. Aufgrund eines massiven Autonomierabattes. Den hätte man in Katalonien auch gerne - Brexitgründe kommen in den Sinn. (mehr Infos z.B. hier: https://elpais.com/elpais/2017/09/26...52_592782.html)
    Auch ist der Staatshaushalt Kataloniens nicht gerade auf Rosen gebettet und man hat in den letzten Jahren einige bedeutende zinslose Kredite aus Madrid bekommen.

    Wobei wir bei den Vorstellungen zu einem unabhängigen Katalonien sind. Die meisten glauben irgendwie, dass man sich nur von Spanien loseisen würde, und dann würde alles so weiter gehen, wie bisher.
    Dass man zuerst einmal eine eigene Notenbank und Währung aufbauen müsste, um überhaupt die Stabilitätskriterien des Euros erfüllen zu können, oder dass man nicht einfach weiter in der EU wäre. wird vielfach als Spinnerei abgetan und man glaubt, dass die EU da schon irgendwie einlenken wird. Auch wird völlig ausgeblendet, dass man bei einer unilateralen Unabhängigkeit bei allen EU-Belangen abhängig von Spaniens Vetorechten wäre. Das ist Angstmacherei und Propaganda in den Augen der Separatisten.
    Auch ist man nicht bereit, einzusehen, dass Kataloniens Wirtschaftsstärke sicherlich nicht unwesentlich darauf fusst, dass es als östliches Tor zu Spaniens Wirtschaft für viele Unternehmen von grossem Interesse ist. Ganz zu schweigen von den Auswirkungen, die ein Austritt aus der EU Personenfreizügigkeit für Wirtschaft und Tourismus bedeuten würde (wobei das vermutlich das am einfachsten zu lösende Problem wäre).

    Hier werden einige der häufigsten Argumente schön seziert: https://elpais.com/elpais/2017/09/25...16_980655.html


    Die Basken haben übrigens mitnichten aufgegeben. Die sind mit ihrem finanziellen Sonderstatus und dem Level der Autonomie zwar ganz zufrieden, sollte aber Katalonien unabhängig werden, dann steht man ganz sicher schnell wieder auf der Matte und will das gleiche.

    Die vermutlich beste Lösung wäre, wenn die politischen Unruhen bei (vorgezogenen) Neuwahlen dafür sorgen, dass sich der Patt der Parteien auflöst und es zu einer konstruktiveren Regierung kommt, die sich wieder mehr den Regionen insgesamt zuwendet. Da aber auch die Oppositionsparteien momentan nicht gerade gewillt sind, auf irgend etwas hin zu arbeiten, und sich rein auf die "dagegen"-Politik stützen, sehe ich das so schnell nicht kommen.
    Auch hat sich die katalanische Regionalregierung mit ihrem relativ harten , rücksichtslosen Vorgehen bei dem Referendum nicht gerade besonders viele Freunde im Rest von Spanien gemacht und einige finden durchaus, dass man es denen jetzt mal richtig zeigen müsste. Das Vorgehen hat Rajoy vielleicht landesweit nicht so sehr geschadet, wie man hoffen würde.


    Zitat Zitat von klar Beitrag anzeigen
    und angesichts der Bilder von den prügelnden Polizisten: wie kann man so dermaßen dämlich reagieren? hätte man das nicht einfach ignorieren können?
    Das frage ich mich auch. Dämlich ist da noch echt harmlos ausgedrückt.

    Ich glaube auch, dass Ignorieren die bessere Option war. Aber auch eine heikle. Denn das Referendum war nicht nur illegal, sondern auch so organisiert und ausgelegt, dass eine klare Bevorzugung der Befürworter zu erwarten war. Zusammen mit der Aussage der Regionalregierung, das Ergebnis in jedem Fall unabhängig von der Wahlbeteiligung zu respektieren und am nächsten Tag bereits unilateral die Unabhängigkeit ausrufen zu wollen, war das schon ein heisses Eisen, dass einen knallharten Pokerspieler brauchte, um das auszusitzen. Es war völlig klar, dass das Referendum in jedem Fall eine massive politische, nein populistische Waffe in den Händen der Separatisten darstellen würde.
    Und zumal das Vorgehen nur bedingt von der Regierung kam. Nach dem Beschluss des Verfassungsgericht lagen die Zügel in der Hand des in Barcelona zuständigen Richters, der grundsätzlich die Polizeieinsätze und Haftbefehle angeordnet hat. Natürlich mit dem Rückhalt der Zentralregierung, keine Frage.

    Die Idiotie lag nicht grundsätzlich in dem Gedanken, die Rechtsstaatlichkeit durchzusetzen, sondern zu glauben, man könnte es mit solchen Mitteln tun. Die Zahlen, die ich gelesen habe, schwanken irgendwo zwischen 2000 und 6000 Nationalpolizisten, die nach Barcelona entsendet wurden, während die lokale Polizei ja ein Totalausfall mit Vorankündigung war.
    Gut 4000 Wahllokale gab es zu kontrollieren. Da geht die Rechung schon nicht auf. Wenn dann noch Einsatzgruppen mit irgendwas um 50 Polizisten eine Schule stürmen sollen, die randvoll mit Menschenmassen ist, ist da nichts mehr mit Sicherheitszonen, Rücken freihalten etc.
    Wie hoch der Stress gewesen sein muss, kann man glaub ich an diesem Video ganz gut erkennen. Völlig ausser Kontrolle geraten:


    Ich will die Polizeigewalt nicht verharmlosen, ganz im Gegenteil. Ich will aber aufzeigen, dass die Planung diese unausweichliche Katastrophe hervorgerufen hat. Die Schuld ist bei den Verantwortlichen zu suchen, vom Batallionsführer bis hin zum Staatschef.


    Ich will an dieser Stelle einmal klarstellen, dass ich absolut nicht per se gegen die Unabhängigkeit Kataloniens bin. Ich bin für das Selbstbestimmungsrecht der Völker auch in diesem Fall, der klar nicht von den internationalen Konventionen gedeckt wird.

    Aber solch ein Prozess muss mit Bedacht und Fairness ablaufen. Ein legales Referendum, an dem idealerweise jeder im Gebiet Sesshafte teilnehmen kann. Dass sauber geplant und vorher ausgiebig und fair politisch diskutiert wird. Bestes mir bekanntes Beispiel ist das Schottische Referendum. Das schlechteste wohl jetzt dieses.
    In einem fairen, geduldeten und gut vorbereiteten Referendum sehe ich momentan auch den einzigen Weg hinaus aus der Misere. Aber das scheint nicht im Interesse irgendeiner beteiligten Partei/Gruppe zu sein. Weder in Madrid noch Barcelona.

    Ich persönlich kann mir auch ein Europa der Regionen vorstellen. Nur dafür müsste man zuerst Europa stärken und dann die Kompetenz von den Nationalstaaten zur kleineren Ebene verschieben. Aber die EU stärken will ja irgendwie auch kaum einer.
    Nur so, wie sich das die Nationalisten/Separatisten egal welcher Coleur in egal welchem Land vorstellen, wird es halt nicht gehen.


    So, und diese Textwand ist jetzt ganz allein eure Schuld! Tjä.


    Gute, wenn auch nicht ganz aktuelle Zusammenfassung der Grundlagen:
    https://www.youtube.com/watch?v=AIvclpJb05g
    Danach ist der politische Diskurs zwischen Regional- und Zentralregierung massiv eskaliert und kein Ende in Sicht.
    Geändert von knut (04.10.2017 um 21:14 Uhr) Grund: link funktionierte nicht
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  17. #17

    Standard AW: Frust ablassen Thread

    Woah. Monsterpostimg. Danke. Meintest du eigentlich mich beim pöbeln?

    Und klar: die spanische Zentralregierung ist ein gebranntes Kind dank der basken und reagieren auf alle sezessionstendenzem extrem allergisch. Daher auch der "etwas"unglückliche Polizeieinsatz.
    Geändert von subtleplague (04.10.2017 um 07:40 Uhr)
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  18. #18
    Freeskier Avatar von knut
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    Standard AW: Frust ablassen Thread

    Zitat Zitat von subtleplague Beitrag anzeigen
    Meintest du eigentlich mich beim pöbeln?
    Nein. Auch wenn ich Dich als Pöbelpartner durchaus schätze und respektiere.
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  19. #19
    Freeskier Avatar von Ruprecht
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    Standard AW: Frust ablassen Thread

    puh, auf so nen post zu antworten ist echt schwer, ein glück, dass ich weitgehend mit knut einverstanden bin.
    vielleicht kann ich noch etwas zum besseren verständnis der katalanischen sezessionsbestrebungen beitragen, aber zuvor sollte ich meinen bias offenlegen:
    ich bin nämlich nicht nur schwedisches surfergirl*, welches sich außerdem als bikinimodel ein zubrot verdient aber nicht nur darauf reduziert werden möchte, sondern außerdem auch noch born and raised in südtirol. kurzer exkurs dazu: südtirol ist kleines dreisprachiges land, welches nach dem ersten weltkrieg von italien annektiert wurde, in der zeit des italofaschismus versuch der kulturellen assimilierung, nach zweitem weltkrieg zugeständnis einer (unzureichenden) autonomie, in der folge weitere teils gewalttätige protestbewegungen bis in die 70er, aushandlung eines zweiten autonomiestatuts, welches eine friedliches nebeneinander der verschiedenen sprachgruppen mit einigen gesellschaftlichen sackgassen erreicht hat.
    die situation in katalonien ist sicher nicht gleich wie in südtirol, aber ähnlich gelagert.
    ich sehe, wieviel energie hier darauf verwendet wird, um den status quo gegen den nationalstaat aufrecht zu erhalten. eine weiterentwicklung ist derzeit schwer vorstellbar. das ist auf dauer sehr frustrierend.

    ich kann verstehen, dass die katalanen sich mehr unabhängigkeit und gestaltungsfreiheit wünschen. ich sehe, dass es von 2003-2010 verhandlungen mit dem spanischen staat zur erweiterung ihrer autonomie gab. das ergebnis wurde von barcelona angenommen, von madrid ersatzlos gekippt. bis dahin waren die unabhängigkeitsbestrebungen in einer klaren minderheitenposition, nach dem letzten referendum sind sie wohl in der mehrheit. es war außerdem alles andere als klar, ob sich die mehrheit der katalanen für die unabhängigkeit ausgesprochen hätte, allerdings war die überwältigende mehrheit dafür, abstimmen zu dürfen.
    die verfassungsmäßige illegalität des referendums geht übrigends auf einen passus zurück, der die de facto ewige unteilbarkeit des spanischen staates vorsieht. ein derartiger artikel ist ein relikt aus den 19.Jh mit seinem nationendenken und mit meinem demokratieverständnis nicht vereinbar. ich frage mich außerdem, wie man eine offene befragung mit dem verweis auf unteilbarkeit verbieten kann, wenn man doch nicht weiß, ob tatsächlich die unabhängigkeit ergebnis der befragung sein wird?
    ich halte das vorgehen GB mit den schotten sehr viel eleganter und demokratischer. die schotten haben sich gegen die unabhängigkeit entschieden. wohl auch deshalb, weil mit EU ausschluss gedroht wurde. jetzt sind sie trotzdem raus.
    das ist auch ein weiterer punkt, weshalb ich unabhängigkeitsbestrebungen in europa grundsätzlich positiv gegenüberstehe, weil sie nämlich imho die europäische integration beschleunigen. kleinere verwaltungseinheiten sind einer übergeodneten EU sehr viel aufgeschlossener, schon allein aus motiven des selbsterhalts. das größte hindernis der europäischen integration ist der nationalstaat, der in seiner unglücklichen größe zu klein ist, um sich globalen herausforderungen zu stellen, und zu groß, um sich der EU unterzuordnen bzw. um auf regionale besonderheiten einzugehen. außerdem widersprechen kulturelle minderheiten dem selbstverständnis eines nationalstaates, der ein kulturell möglichst homogenes volk als grundlage hat. soweit ich das verstehe, sehen sich die katalanen als willensnation (ähnlich etwa wie die USA oder (abgeschwächt) die CH), jeder der katalane sein möchte, darf dies sein und tatsächlich gibt es aktuell weit mehr unabhängigkeitsbefürworter in katalonien als es ethnische katalanen gibt. ein punkt der mir sehr sympatisch erscheint.

    was die „dämliche“ und „etwas unglückliche“ vorgehensweise madrids gegen das referendum angeht: ich halte diese formulierungen für eine gefährliche verharmlosung der vorgänge. der staat ist hier mit paramilitärischen einheiten mit schwerer gewalt gegen eine unbewaffnete und friedliche zivilbevölkerung vorgegangen, welche einer demokratischen abstimmung teilhaben wollte. das sind schwere menschenrechtsverletzungen, 2017 innerhalb der europäischen union! die eingesetzte guardia civil ist eben keine staatspolizei, sondern eine militärische einheit, die unter anderem besonders in katalonien zu zeiten des francofaschismus zu repression engesetzt wurde. durchaus vergleichbares geschieht etwa aktuell auch in der türkei unter streng erhobenem zeigefinger der EU, welche sich zu spanien nicht äußert.
    der guardian formulierts etwa so:
    There were thousands of riot cops on hand, on ships in the harbour. If Madrid had wanted to, it could have confiscated every ballot box within minutes and, for good measure, jammed the smartphone app the Catalan authorities were using to tally the results against the electoral roll. But prime minister Mariano Rajoy wanted to send a subtler message: let the most fervent separatists have their vote and get their heads broken, while scaring the rest of the population into non-participation, including any waverers.
    Geändert von Ruprecht (04.10.2017 um 14:55 Uhr) Grund: eins kommt vor zwei

  20. #20
    Freeskier Avatar von bergjunge
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    Standard AW: Frust ablassen Thread

    Sehr interessante Diskussion. Danke dafür.
    Vor allem der letzte Absatz von Ruprecht trifft es genau. Das Dulden der Vorgänge von europäischer Seite ist beschämend.


    Weil es gerade irgendwie hierher passt (trotzdem natürlich nicht ganz vergleichbar):
    In Kamerun findet seit vielen Monaten ein heftiger Konflikt statt, dessen Ursachen vor allem in den Zeiten der unseligen Kolonialzeit liegen. Auch hier geht es um Unabhängigkeitsbestrebungen, in dem Fall der englischsprachigen Regionen Kameruns.
    In den Medien (bei uns zumindest) findet da so gut wie gar nichts statt.
    Soweit man das herauslesen konnte sind in den letzten Tagen acht Menschen von der Polizei getötet worden.

    Ein kurzer Überblick über die Situation:
    https://www.msn.com/de-de/nachrichte...nkF?li=BBqfUd5
    “A man of knowledge is free…he has no honor, no dignity, no family, no home, no country, but only life to be lived.”
    Juan Matus


    http://david.mountaineer.over-blog.de/
    https://soundcloud.com/djdasc

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