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Thema: Lesetip: Neues Tiroler Lawinenbuch

  1. #1
    Freeskier Avatar von gletsch
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    Standard Lesetip: Neues Tiroler Lawinenbuch

    Vor Beginn einer Skisaison empfiehlt es sich grundsätzlich das Wissen bezüglich Entstehung von Lawinen und deren Einschätzungsmöglichkeiten aufzufrischen. Neben dem rein "Kundlichen" Aspekt ist evtl. auch der Abschreckungseffekt nicht zu unterschätzen, der vielleicht die ggf. vorhandene Powdersucht in etwas geordnetere Bahnen lenken kann.

    Der überzeugte Ein-Buch-Besitzer wird dann wohl zum "Munter" etc. greifen und die vergilbten Seiten nochmal durchblättern.

    Mancher wird vielleicht bibliophile Neigungen entdecken und u.U. sogar den Ankauf eines Zweitbuches überlegen.

    Für den letzteren Fall empfiehlt sich also das Weiterlesen ...

    Die beiden - nicht gerade unbekannten - "Lawinenpraktiker" (des Tiroler Lawinenwarndienstes) Rudi Mair und Patrick Nairz haben sich nämlich die Mühe gemacht ein praxisorientiertes Buch über Lawinen zu schreiben, das durch einen neuen/alternativen Gliederungszugang hervorsticht:

    Rudi Mair, Patrick Nairz: lawine. Praxis-Handbuch. Die 10 entscheidenden Gefahrenmuster erkennen. Tyrolia, Innsbruck-Wien, 2010.

    Die beiden Autoren wählen als Zugang zum Thema die ihrer Erfahrung nach "typischen" meteorologischen Gefahrenmuster und diskutieren die Lawinenproblematik eines bestimmten meteorologischen Zustands anhand eines konkreten Lawinenunglücks, wobei der Unfallhergang nachgeschildert wird und mit den zur Verfügung gestandenen Informationen aus dem LLB verglichen wird. Dabei wollen die Autoren die Unfallopfer natürlich nicht an den Pranger stellen, sondern der Frage nachgehen was im jeweiligen Fall schief gegangen ist (bzw. sein könnte), welche anderen Schlüsse man aufgrund des Informationsstandes gezogen hätten werden können (sollen) und letztlich welche Schlüsse man für das eigene Verhalten zu ziehen sind.

    Nach Ansicht der Autoren decken die 10 Gefahrenmuster ca. 90 % der Tiroler Lawinenunfälle ab und werden von ihnen wie folgt definiert:

    der zweite schneefall
    gleitschnee
    regen
    kalt auf warm / warm auf kalt
    schnee nach langer käleperiode
    kalter, lockerer neuschnee und wind
    schneearme bereiche in schneereichen wintern
    eingeschneiter oberflächenreif
    eingeschneiter graupel
    frühjahrssituation

    Die geschilderten Unfallsituationen sind sehr heterogen und reichen vom Kind, das durch eine Dachlawine ganzverschüttet wird (und unverletzt gerettet wird) bis zu einem besonders tragisch-grotesken Fall, wo ein Pistenskifahrer auf einer Piste auf ca. 1400m stürzt, über den Pistenrand geschleudert wird, auf einer Wiesen ein kleines Schneebrett auslöst und damit in einen Graben rutscht und verschüttet wird (und letztlich nur noch tot geborgen werden kann).

    Man sieht also, dass das Buchkonzept etwas makabres an sich hat. Allerdings mit dem Nebeneffekt, dass die Unfallschilderungen bereits allein für sich stehend durchaus einen Abschreckungseffekt haben und evtl. zum Nochmal-Nachdenken anregen. In Verein mit der schnee- und lawinenkundlichen Interpretation der Unfälle ergeben sich insgesamt vielfältige Lernmöglichkeiten, die als Ergänzung und Vertiefung zu den "klassische" strukturierten Lawinenbüchern dienen. Daher auch mein anfänglicher Hinweis auf die Tauglichkeit dieses Buches als "Zweitbuch". Damit ist u.U. zwar der Leserkreis stark eingeschränkt, aber für die Zielgruppe bietet das Buch vielfältige Lese- und Schauerlebnisse (letztere aufgrund der zahlreichen, sehr instruktiven Fotos).

  2. #2
    Freeskier Avatar von jensr
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    Standard AW: Lesetip: Neues Tiroler Lawinenbuch

    Das klingt neu und interessant. Bedankt!
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  3. #3
    Freeskier Avatar von knut
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    Standard AW: Lesetip: Neues Tiroler Lawinenbuch

    Danke für den Beitrag. Kommt auf die Weihnachtswunschliste.
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  4. #4
    Freeskier Avatar von TomyLight
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  5. #5
    Freeskier Avatar von osti
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    Standard AW: Lesetip: Neues Tiroler Lawinenbuch

    olala, danke für den Tip. Da sind ja zumindest zwei Sachen bei, die ich laut Munter etwas anders in Erinnerung habe (Fischmäuler und Regen). Außerdem frage ich mich bei der Verteilung bzgl der Exposition, ob die Reduktionsfaktoren "Verzicht auf Sektor Nord bzw nördliche Hälfte" so uneingeschränkt verwendbar sind...
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  6. #6
    Freeskier Avatar von alex
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    Standard AW: Lesetip: Neues Tiroler Lawinenbuch

    Sehr interessant - danke für den Tipp!

    Das war mir neu:

    "Zu lange wurde in der Lawinenkunde die Lehrmeinung vertreten, dass sich ein großer Temperaturunterschied während des Einschneiens (egal ob kalt auf warm oder umgekehrt) günstig auf die Lawinensituation auswirke. Dies trifft jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen zu. Mehrheitlich wirkt sich ein solcher Temperaturunterschied jedoch negativ aus, weil er die aufbauende Umwandlung innerhalb der Schneedecke begünstigt: In der Regel bildet sich dadurch eine dünne, durchwegs störanfällige Schwachschicht. Diese findet man oft auch im südseitigen Gelände. Eine heimtückische Angelegenheit, auch deshalb, weil die Schwachschicht unmittelbar nach dem Einschneien noch nicht vorhanden ist und sich erst im Laufe der folgenden Tage bildet."

  7. #7
    Freeskier
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    Standard AW: Lesetip: Neues Tiroler Lawinenbuch

    Zitat Zitat von alex Beitrag anzeigen
    "Zu lange wurde in der Lawinenkunde die Lehrmeinung vertreten, dass sich ein großer Temperaturunterschied während des Einschneiens (egal ob kalt auf warm oder umgekehrt) günstig auf die Lawinensituation auswirke. Dies trifft jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen zu. Mehrheitlich wirkt sich ein solcher Temperaturunterschied jedoch negativ aus, weil er die aufbauende Umwandlung innerhalb der Schneedecke begünstigt: In der Regel bildet sich dadurch eine dünne, durchwegs störanfällige Schwachschicht. Diese findet man oft auch im südseitigen Gelände. Eine heimtückische Angelegenheit, auch deshalb, weil die Schwachschicht unmittelbar nach dem Einschneien noch nicht vorhanden ist und sich erst im Laufe der folgenden Tage bildet."
    stell dir einfach vor das eine warme schneereiche front einer längeren kalten hochdruck folgt.
    die schneeoberfläche ist durch die abstrahlung kalt zB -15C° der schnee aus der front hat zB -5C°, anfangs friert der neuscnee sozusagen am kalten altschnee an->gute festigkeit
    durch den temperaturgradienten der übergangsschicht, die sagen wir 10 cm stark ist,kommt man also auf 15-5/0,1m = 100C°/meter also starke aufbauende umwandlung!
    ist natürlich vereinfacht und überzeichnet dargestellt. man darf nur nicht vergessen das auch innerhalb der schneedecke große temperaturunterschiede entstehen können vorallen durch neuschnee

  8. #8
    Freeskier Avatar von campagnard
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    Standard AW: Lesetip: Neues Tiroler Lawinenbuch

    kann bestätigen, ist ein gutes buch.

  9. #9
    Freeskier Avatar von osti
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    Standard AW: Lesetip: Neues Tiroler Lawinenbuch

    habe das Buch mittlerweile halb durch, es ist recht fesselnd, da es (teilweise) im Gegensatz zu Munter sehr praxisbezogen ist. Jedes Gefahrenmuster wird an mehreren Lawinenunglücken beschrieben, so dass man die Infos sehr gut nachvollziehen kann. Teilweise sind die Unglücke sehr nüchtern beschrieben, bei grobem Unfug auch mal mit erhobenem Zeigefinger, allerdings nehmen sich die Autoren auch selbst nicht von eigenen Fehleinschätzungen aus, was es wieder realitätsnah macht. Kann das Buch uneingeschränkt als Erweiterung zu Munters 3x3 etc empfehlen.
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