Zitat von
knut
Ich wurde von Wetzi gebeten, dieses Posting näher zu erläutern. Das ist nur fair und daher will ich das gerne tun.
Zuerst einmal war das ein agrresiver und undifferenzierter Post, der den Respekt gegenüber dem Menschen am anderen Ende des http-Protokols eklatant vermissen lies.
Was genau ich daran dumm finde?
Zuerst einmal den Gebrauch des Wortes "Gutmensch" als negatives Prädikat. Ich bin der abgrundtiefen Überzeugung, dass ein guter Mensch zu sein etwas positives und erstrebenswertes ist. Seinen Mitmenschen gegenüber wohlwollend und positiv eingestellt zu sein, und im Rahmen seiner Möglichkeiten stets den Vorteil auch der anderen im Kopf zu haben, halte ich nicht nur für erstrebenswert und moralisch richtig, sondern gar für zwingend notwendig für ein gelungenes und nachhaltiges Zusammenleben.
Wer das als naiv bezeichnet und damit meint, dass jeder dumm ist, der nicht zuerst an sich denkt oder gar stets den eigenen Vorteil im Auge hat, der lebt nicht nur sozialschmarotzend auf Kosten all der Gutmenschen, ohne die unsere Gesellschaft schlicht nicht funktionieren würde. Sondern für den wünsche ich mir auch als bekennender Atheist und Agnostiker, dass das alte Testament recht behält und es ein qualvolles, ewig andauerndes Fegefeuer endloser Schmerzen gibt.
Dann finde ich die Naivität, dass eine parlamentarische Demokratie dass schon alles regeln wird, weil sie es muss, geradezu hahnebüchend. Schön, dass hier der Glaube an die Demokratie intakt ist. Jedoch ist eine parlamentarische Demokratie nichts anderes als die Diktatur der Massentauglichkeit. Und einschneidende, kostspielige Veränderungen zu Gunsten einer besseren, jedoch abstrakten Zukunft sind niemals massentauglich.
Dann finde ich den Glauben daran, dass zwei kleine Häkchen alle 4 Jahre genug Anweisung und Inhalt sind, um der Politik den Auftrag zu geben, das schon alles zu regeln und die betreffenden Inhalte in angriff zu nehmen, geradezu blauäugig. Wer so simple Meinungen hat, dass er glaubt, dass man nur das Kreuzchen bei Grün machen muss, und schon ist die (klimatische) Zukunft gesichert, der sollte meiner Meinung nach von seinem Wahlrecht am besten gar keinen Gebrauch machen.
Die Politik wird immer nur Handeln, wenn Handlungsbedarf deutlich gemacht wird. Und dieser wird niemals allein über ein Kreuzchen geregelt. Presse, Meinungsbildung und -kundgebung, Lobbyarbeit, Volskstimmung etc. sind wichtige Elemente, welche die Politik überhaupt erst in Gang bringen und vor sich hertreiben. Allzuhäufig allzu kopflos, doch ohne wär es noch viel schlechter.
Weiterhin finde ich die Einstellung, dass es nicht Aufgabe des Einzelnen ist, am grossen Ganzen mitzuarbeiten so dermassen hahnebüchend und ehrlich gesagt abstossend, dass es mir schwerfällt, hier sachlich zu bleiben. Hier die Hände in Unschuld zu waschen und zu sagen: "Was kann denn ein Einzelner schon tun?" -gemeint als Entschuldigung gar nichts zu tun, ist in meinen Augen in allen Lebensbereichen unverantwortlich. "Was soll ich dem Typ da denn helfen, dafür gibt's doch Ambulanzen und Krankenhäuser."; "Warum soll ich mein Kind denn erziehen? Das soll schön die Lehrerin machen, wofür zahl ich denn Steuern?"; "Klar kann ich den Müll hier einfach auf die Strasse werfen, das ist Job der Müllabfuhr, sich darum zu kümmern. Schliesslich zahlen wir die ja alle." - Der Beispiele, wie abrgundtief deppert diese Denkweise ist, gibt es viele. Und doch gibt es genug Leute, die genau das (in Einzelfällen) denken.
Dabei gibt es gerade in dem hier diskutierten Bereich so viele kleine Dinge, die wir tun können, ohne dass es uns mehr kostet, als uns ein bisschen Mühe zu geben. Muss in der Küche wirklich das Licht brennen, wenn ich erst in 20 Minuten wieder rein geh, nachdem ich mit dem Essen fertig bin? Brauche ich wirklich jetzt unbedingt Spargel aus Mexiko und kann nicht 2-3 Wochen warten, bis heimischer Spargel auf den Markt kommt? Muss ich wirklich ein neues Handy haben, oder reicht es nicht eigentlich völlig, wenn ich zum Mobilshop um's Eck gehe und einen neuen Akku einbauen lasse? Ist mit Bus oder Fahhrad zur Arbeit zu fahren wirklich mit so vielen Einschränkungen behaftet?
Oder überlass ich das alles der Regierung und kaufe schnell noch ne Palette 100W-Glühbirnen, bevor sie verboten werden?
Und dann kommt als Sahnehäubchen noch das an Dämlichkeit nicht zu überbietende Argument: "Solange die Schwellenländer so dreckig sind, muss ich gar nichts tun."
Mal ganz abgesehen davon, dass die westlichen Industrieländer den mit Abstand höchsten CO2-Ausstoss pro Kopf haben (von den genannten Ländern liegen Indien und China mit 1.64t bzw. 6.18t deutlich unter uns (GER 9.06t)) und das Argument damit nichtig ist, ist das Argument "Der da macht das aber auch nicht" der Tod einer jeden solidarischen Gesellschaft. Ex iniuria ius non oritur.
Veränderung fängt immer beim Einzelnen an und kann nur wirklich nachhaltig stattfinden, wenn ein Grossteil an Individuen sie mitträgt.