Wieder einmal gute Gedanken in eine Form gepresst und mit Schlussfolgerungen versehen, die bei mir im besten Falle Kopfschütteln auslösen.
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Wieder einmal gute Gedanken in eine Form gepresst und mit Schlussfolgerungen versehen, die bei mir im besten Falle Kopfschütteln auslösen.
Das ist genau der Punkt! Und der von klar verlinkte Artikel zielt genau in diese Richtung: Verzicht auf die im LLB genannten kritischen Bereiche, oder hoffen, dass nix passiert. Bei der Variante Hoffen kann dann höchstens noch das Risiko optimiert werden, mehr geht aber kaum.
Aber in diesem Zusammenhang mal ne andere Frage: wurden seit Dienstag in den mit mässig bewarnten Gebieten überhaupt weitere Lawinen ausgelöst? Ich habe nichts gehört, habe aber auch nicht speziell nachgeforscht. All die grossen Bretter, die hier immer wieder in die Runde geworfen wurden, gingen ja bei gross oder spätestens erheblich und meist spontan ab...
Wie Lukas in seinem Artikel ja schon schreibt, ist der Lawinenlagebericht sogar für viele Bergführer nicht verständlich, wie bitte soll dies dann für einen Freizeitsportler machbar sein.
Er schlägt dann vor sich genauer mit dem Textteil auseinander zu setzen.
Sorry, ich halte diese Herangehensweise für sich selbst wiedersprechend. Wie soll jemand etwas lesen können, das nicht einmal Personen die sich beruflich damit auseinandersetzen schaffen?
Ich kann mich auch immer bei den Ausbildungen erinnern, dass der Lagebericht nicht für den Wintersportler erstellt wurde. Ich frage mich aber ernsthaft warum?
Die Seite des Tiroler Lawinenwarndienst hat ca. 54000 Besucher pro Tag (http://www.wolframalpha.com/input/?i=lawine.tirol.gv.at). In Tirol haben wir 278 Bürgermeister, rechnen wir jene Gemeinden raus für die die Lawinengefahr uninteressant ist, dann wieder jene anderen Personen rein die außerdem beruflich (ohne Tourengeher-/Freerideberufe wie Bergführer, Hüttenwirte,...) Interesse haben dann sind wir bei vielleicht 500 Personen. Also gerade mal 1%!
Ökonomische Überlegung: Laut Wikipedia (ok vielleicht sollte ich andere Quellen her nehmen) wird in der Volkswirtschaft der Wert eines Menschenlebens mit 10 Millionen Euro angegeben. Wenn wir nun Munters Ziel eine Halbierung der Lawinentoten für Tirol hochrechnen. Hab gerade keine Zahlen, schätze die Hälfte der 26 österreichischen, damit hätten wir ein Jahresbudget für Tirol von 13 halbiert ergibt 6,5 Tote weniger. 65 Millionen Euro für einen Dienst der dem Wintersportler eine Zahl liefert damit er mit einfachen Rechenmethoden sein Risiko um die Hälfte senken kann. Das Landesbudget für den Lawinenwarndienst beträgt laut Land Tirol ca. 40 Millionen! Exel Tabelle des Landes (nach Lawinenwarndienst suchen)
Die Frage ist, was ändert sich, wenn jetzt so ein Lawinenlagebericht speziell für den Wintersportler erstellt wurde? Am Beispiel des Lawinenunfalls am Jochgrubenkopf müsste die Stufe meines Erachtens um 1 nach oben korrigiert werden.Wenn es dafür dann wieder weitere Unterteilungen nach Faktoren gibt fände ich ok. Etwa:
über 2200m Stufe: 2, Sektor Nord über 1800m Stufe: 3 (das dürfte dann das Altschneeprobem abdecken), unter 2200m Stufe: 1
Wird für das Gefahrenmuster 10 Frühjahrssituation doch auch teilweise so angewandt oder verstehe ich das falsch? Nachmittag Anstieg in tiefen Lagen von Stufe 1 auf Stufe 2 ist doch genau GM 10
Gruaß
Simon
Da bin Ich ganz bei dir. Ich habe auch festgestellt, dass ich bei "leicht verständlichen" 3ern und Neuschnee anders fahre als bei "unübersichtlichen" 2ern etc. Allerdings bin ich nicht so viel bei dem klassischen Altschneeproblem unterwegs, da der Schnee selten noch richtig gut ist. Kann aber auch sein, dass ich nicht in die Situation komme weil ich da einfach etwas anderes mache (klettern) bzw. die letzten Winter weg war, oder einfach in den stabilen Gebieten unterwegs war. z.B. war ich letzten winter eben aus jenen Gründen häufig im Unterwallis, oder 13/14 und 14/15 im Süden.
Und Cruiser: Interessanterweise ist es bei mir eher anders rum. ich bin in den letzten Jahren eher im Muntergrenzbereich unterwegs als vorher, eben weil ich bei vermeintlichen Neuschnee "3ern" manchmal meine, dass eben bei wenig Wind bzw. anderen Faktoren mehr möglich sein müsste. Wobei ich sagen muss, dass mich da die Gefahrenstufe eher noch zurückhält. Also das genaue Gegenteil von dem im PG Artikel genannte Problem, wo die gefahrenstufe Menschen dazu verleitet evtl. wegen des 2ers mehr zu machen, als wegen des Textes, bzw. Altschnees gemacht werden sollte, da die Laien zu sehr nach der Gefahrenstufe gehen (ergo: ich bin auch Laie, da mich die Gefahrenstufen auch stark leiten. Was ich aber auch nicht schlimm finde, denn dazu sollen sie ja auch da sein. Das führt eben nur in Einzelfällen zu Problemen).
Letztlich kann man, wie auch klar gesagt hat, als Quintessenz festhalten, dass die Textbausteine aufgewertet werden müssen. Was hier im Forum aber schon mehrfach diskutiert wurde.
edit: Simon. Ich habe das so verstanden, das er schon verständlich ist, aber eine allgemeine, auch bei "experten" vorhandene, Fixierung auf die Stufe besteht.
Wie würdest du die Erhöhung der Stufe anhand der Definitionen der Gefahrenstufen rechtfertigen? Irgendwie kann ich nicht so recht nachvollziehen, warum die ausgegebene Gefahrenstufe hier als so großes Problem gesehen wird. Ist die Gefahrenstufe automatisch falsch, wenn der Hang abgeht, aber laut Munter "erlaubt" gewesen wäre?
Ein mE interessanter Unterschied zwischen der europäischen Skala und der Nordamerikanischen Skala ist, dass letztere die Lawinengröße in den Stufendefinitionen explizit erwähnt, erstere nicht. Würde es etwas ändern, wenn der Zusatz der Amerikaner bei uns auch drin stehen würde?
Lukas Text habe ich auch so verstanden wie subtle, der LLB ist nicht grundsätzlich unverständlich, wenn dann ist die Form der Darstellung (Schwerpunkt auf Gefahrenstufe) diskutabel. Die Form der Darstellung ist aber natürlich so gewählt, weil sie wissen, dass der Großteil der Leute den Text nicht liest. (Deswegen wurden auch die Icons für die Gefahrenmuster angeschafft)
http://www.mtavalanche.com/images/DangerScale.jpg
Theoretisch könnte man ja die Icons die die derzeitigen Lawinenprobleme beschreiben mit einem numerischen Wert ergänzen der das Gefahrenpotential widergibt.
z.B.
Lawinenproblem Altschnee = 5
Lawinenproblem Triebschnee = 3
usw.
Wobei das allerdings dann auch recht schwierig werden könnte, denn ob Triebschnee wirklich ein geringeres Gefahrenpotential hat ist vermutlich eher subjektiv und hängt von meiner Wahrnehmung ab. Ausserdem wird das Lawinenproblem Neuschnee ohnehin in der Warnstufe bereits berücksichtigt und hat natürlich unterschiedliches Gefahrenpotential je nach Menge. Gleitschnee hat im Frühjahr morgens vermutlich ein kleineres Gefahrenpotential als nachmittags usw.
Ich finde die Icons relativ hilfreich und je nach Lawinenproblematik verschärfen sie meines errachtens die aktuelle Warnstufe. Ob ein hinzugefügter numerischer Wert des Gefahrenpotentials allerdings Sinn machen würde weiss ich nicht.
Genau. Hauptkriterium für die Lawinengefahr wäre die Reduktionsmethode (oder ähnliches) und wie im jetzigen Falle muss die Stufe im Nachhinein korrigiert werden. Denke mir mit der Zeit würden diese Korrekturen im Nachhinein immer weniger werden. Für mich als Techniker so vorzustellen wie ein selbstlernendes rückgekoppeltes System. Mit der Zeit werden die Vorhersagen immer besser.
Klar ist der Text des LLB nicht prinzipiell unverständlich, würde das halt so ähnlich wie funktionalen Analphabetismus einschätzen. Dem/r Leser*in fehlt Hintergrundinformation oder ist zu "faul" den Text richtig zu erfassen. Ich finde den Text auch sehr wichtig, nach meiner Ansicht wäre es aber schön ihn nicht als Ergänzung zu den Rechenmethoden zu brauchen sondern als getrenntes System. Menschen die eher mathematisch veranlagt sind können die Rechenmethode anwenden und kommen zum gleichen Ergebnis wie Menschen die sprachlich veranlagt sind. Wer Beides beherrscht dem eröffnen sich natürlich weitere Möglichkeiten zur Interpretation.
Gruaß
Simon
Siehst du da wären wir jetzt schon beim funktionalen Analphabetismus (in meinem Fall Englisch). Travel Advice sind in der Europäischen Skala nicht enthalten dafür die Schneedeckenstabilität. Hätte den rechten Teil der Tabelle als sinngemäße Übersetzung der Gefahrenskala interpretiert. Die beiden rechten Spalten sind halt vom Inhalt her in einer Spalte zusammengefasst.
Hmmmm. Nach Munter ist das Restrisiko (unter anderem) eine Funktion der Gefahrenstufe, darauf ist das ganze ja aufgebaut. Also f(Gefahrenstufe) = Restrisiko, und zwar explizit für Gefahrenstufe zwischen 1 und 5 nach bekannter Definition. Wenn ich jetzt die Definition der Gefahrenstufen und damit die grundlegende Natur meiner Variable ändere, woher weiß ich dann, dass die bekannte Beziehung (Reduktionsmethode) zwischen Variable und Ergebnis noch gilt? Die Reduktionsmethode ist ja explizit gedacht für ein System mit gewissen Rand- und Anfangsbedingungen. Wenn man diese ändert, wäre ich mir nicht sicher, ob das System noch robust ist. Was passiert in deiner Überlegung mit dem Restrisiko? Geht das mit der Zeit automatisch gegen Null?
Zu den unterschiedlichen Gefahrenstufendefinitionen in Europa und den USA: ich wollte darauf raus, dass ein gewisser inhaltlicher Unterschied besteht zwischen "Small avalanches in specific areas, or large avalanches in isolated areas" (kleine Lawinen in bestimmten Gebieten, oder große Lawinen in Einzelfällen) und "Große spontane Lawinen sind nicht zu erwarten". Bei Option 1 (USA) wäre die Lawine am Jochgrubenkopf definitiv abgedeckt, bei Option 2 (Europa) ist sie nicht ausgeschlossen, aber auch nicht so deutlich eingeschlossen.
http://www.avalanches.org/eaws/en/in...s/scale_de.png
Nein gegen Null kann es nie gehen. Bin jetzt kein Risikomanager, aber soweit ich das verstehe vermindert eine Rückkoppelung das Risiko immer weiter, wird aber nie Null. Ist ja sonst auch so: Flugunfall passiert wird ausgewertet und Maßnahme gesetzt. In der Lawinenforschung wird als Rückkoppel-Maßnahme gerne die weitere Aufklärung der Wintersportler verwendet. Ich halte diesen Ansatz für gut, allerdings sollten auch andere Maßnahmen (wie eben eine Änderung des LLB) überlegt werden.
Gruaß
Simon
ich denke mir die ganzen Zeit, Risikovermeidung gut und schön, aber letztlich sterben wir alle irgendwann. Der eine bei eienr Lawine, der andere erstickt an seinem Mittagsbrot oder ihn trifft eine fliegende Toilette.
Die Methode von Munter ist meiner Meinung nach ziemlich ziehlführend und hat es grob überschlagen geschafft durch verbreitete Anwendung (mit wenigen Ausnahmen) die Lawinenopfer in etwa zu halbieren. Nicht absolut, so aber jedoch relativ gesehen mit der stark gestiegenen Grundannahme, dass einfach deutlich mehr im freien Gelände gefahren/begangen wird. Ich w+rde hier schon fast von einer Verdopplung ausgehen innerhalb der letzten 2 Jahrzehnten. Letzlich sind wir dann bei stabiler bzw leicht sinkender Anzahl an lawinenbedingten Todesfällen in einer Risikowahrscheinlichkeit unterwegs ist, die meiner Meinung nach unter dem allgemeinen Lebensrisiko ohne diesen "Risikosport" wären.
Klar, verbessern kann man alles und vieles. Nur weil jetzt ein bekanntes Altschneeproblem und deutliche Warnzeichen von ein paar Menschen missachtet werden und große Gruppen dabei meinen leicht über die empfohlenen Grenzen gehen zu müssen und das in einer Region passiert, die infrastrukturtechnisch gut erfasst ist, muss man nicht unbedingt meinen die Welt nun neu erfinden zu müssen.
http://tirol.orf.at/news/stories/2831685/
Zwei Tote bei Lawinenabgang in St. Anton
Bei einem Lawinenabgang in St. Anton sind am Freitag in der Mittagszeit zwei Menschen ums Leben gekommen. Der Lawinenabgang hatte sich im freien Skiraum im Gebiet des hinteren Rendl ereignet.
Die beiden waren in 2.000 Meter Höhe in einer fünfköpfigen Gruppe unterwegs, als sie von den Schneemassen erfasst wurden. Bergretter und Mitglieder anderer Tourengruppen begannen sofort mit der Suche nach den Verschütteten. Zwei Mitglieder der Gruppe konnten nur noch tot geborgen werden.
Neben der Alpinpolizei und der Bergrettung St. Anton standen auch eine Lawinenhunde-Staffel und der Polizeihubschrauber Libelle im Einsatz.
Mäßige Lawinengefahr
Vom Lawinenwarndienst war für Freitag oberhalb von 2.200 Metern Seehöhe die Gefahrenstufe 2 „mäßige Gefahr“ ausgegeben worden. Gefahrenstellen finden sich in sehr steilen, bisher wenig verspurten Schattenhängen oberhalb von etwa 2200m.
Es geht rund....bin gespannt, aber vermutlich wieder schattseitiger Hang, um die > 35° und Altschneeproblem :-(
Der beschissene Schneedeckenaufbau vor allem in Tirol in den vergangenen 3 Wintern hat, wohl auch zusammen mit dem Eltern werden/Eltern sein, dazu beigetragen, dass ich die Problemzonen, die im LLB beschrieben werden und sich über die Saison raus kristallisieren, konsequent meide.
Letztes Jahr im Kühtai hat's den Nachbarberg beinahe komplett von ONO bis S abgeräumt...das live zu sehen hat gereicht.
Wenn ich um das Altschneeproblem weiß, die Wetter und insbesondere Windsituation der letzten 2 Wochen berücksichtige, dann kann man sich an sich recht einfach vorstellen, wo es brennen könnte. Zumal es ja auch Negativbeispiele en masse in den vergangenen Wochen gab.
Natürlich kann man da mit Munter & Co. dran gehen...aber offenbar entzieht sich das Altschneeproblem eben gern den klassischen Risikomanagement-Tools.
Die Frage des Restrisikos muss natürlich jeder selbst beurteilen....aber wenn sich zeigt, dass das Restrisiko latent vorhanden bleibt und die Konsequenzen in der laufenden Saison übel waren....dann wäre es wohl schon angebracht die Finger von bestimmten Konstellationen zu lassen.
My 5cents und auch von meiner Seite Danke für die sehr lehrreiche Diskussion.
2 weitere Tote in Italien, Bernina Massiv
http://milano.repubblica.it/cronaca/...rti-160776348/
TT hat Fotos von der St Anton Lawine
http://www.tt.com/panorama/unfall/12...am-arlberg.csp
http://www.tt.com/csp/cms/sites/dt.c...YPE=image/jpeg
das sieht für mich aber nicht nach einzeln abfahren aus...
na, wenn man einzeln fährt sind doch nicht alle gleichzeitig in der geländefalle drin. oder sind die einzeln gefahren und haben sich dann am hangfuß (mitten in der geländefalle) gesammelt?
Und das mein ich nicht als Vorwurf an die Skifahrer, ich wundere mich nur über die Passage im Text. Oder ist das ein anderes "einzeln fahren" wie das, das ich kenne?
Was mir noch nicht ganz klar ist (vielleicht hilft klar ja weiter ;-)). Wenn ich im Gelände selber die Warnstufe nur mit Hilfe des Rutschblock-Tests bestimmen könnte, gilt doch folgendes?
Bricht beim Aussägen: Stufe 5
Bricht beim Betreten: Stufe 4
Bricht beim Wippen: Stufe 3
Bricht beim Springen mit Schi: Stufe 2
Bricht beim Draufspringen ohne Schi oder gar nicht: Stufe 1
Würde ich da ein Altschneeproblem merken? Also bricht der Rutschblock beim Wippen - oder bricht er beim Springen.
Die Frage genauer formuliert: Am Jochgrubenkopf zum Zeitpunkt des Lawinenabgangs, welcher Ausgang eines Rutschblocktests wäre zu erwarten gewesen? Bzw. was haben die Tests an diesem Tag in ähnlichem Gelände ergeben?
Findet man die aktuellen Rückmeldungen eigentlich im Internet?
Danke
Simon
PS: Lawine am Rendl ist jetzt auch im Warndienst-Blog