„Die Stadt Tromsø liegt im Norden Norwegens, nördlich des Polarkreises und ist einer der besten Orte, um das spektakuläre Nordlicht beobachten zu können“. So schreibt es irgendeine Homepage, wenn man sich über Tromø informieren möchte. Doch ganz ehrlich, wen interessieren diese komischen bunten Lichter am Himmel, wenn um diese Stadt gefühlt 1000 wunderschöne Gipfel tiefverschneit darauf warten, dass man sie besteigt? Zumal ich als Foto-Otto diese Lichter eh nicht ablichten kann.
Für die musikalische Untermalung empfehle ich was gemütliches entsprechend meinem Aufstiegstempo:
https://www.youtube.com/watch?v=8TzjFNPeDa4
Von der ersten Überlegung nach Tromsø zu fliegen, bis zur Buchung vergingen doch einige Monate und das ewige Zögern verursachte erhöhte Reisekosten. Flüge und Bahntickets werden leider mit nahendem Reisedatum nicht billiger.
Dabei hatte es sich wirklich mehr als angeboten den Trip durchzuführen, da ein befreundetes Forumsmitglied dort oben sein Winterschlaf hielt. Als fürsorglicher Familienvater und pflichtbewusster Arbeitnehmer, wollte ich dann aber Frau, Kind und Arbeit nicht zu lang vermissen und buchte nur 6 Tage inkl. An- und Abreise. Außerdem versuchte ich durch eine geschickte Buchung ein Treffen mit dem Brecher und seiner berüchtigten pudercrew zu vermeiden :D
Der Flug ging von Frankfurt via Oslo nach Tromø, Anreise nach Frankfurt via Bahn von Freiburg, privater Abholservice war glücklicherweise vor Ort.
Schon beim Landeanflug konnte ich die unglaublich schöne Landschaft um Tromsø genießen….nicht! In Oslo war es noch frühlingshaft sonnig, Tromsø erwartete mich mit einem schönen Schneesturm. Die Landung war dementsprechend… sagen wir mal unruhig. Die Landebahn mit einigen Zentimetern windgepressten Pow bedeckt. Hätte die Landebahn eine gewisse Neigung gehabt, die erste Abfahrt wäre direkt hier möglich gewesen.
Mein Gastgeber wurde von mir reichlich, so viel wie nur irgend möglich gewichtsmäßig ins Gepäck gepasst hat, mit Alkohol beschenkt. Die ersten Tropfen des wertvollen Getränks gab es dann auch gleich zu einem leckeren Knoblauchgericht mit minimalen Nudel und Krabbenanteil, gekocht in einem wirklich luxuriösen Studentenwohnheim mit Sauna und Meerblick.
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Tag 1: Fagerfjellet 871m
Die Wettervorhersage war immer ein wenig Glückssache und die Prognose für den nächsten Tag hatte ungefähr 50% Abweichungswahrscheinlichkeit. Für den ersten Tourentag wurde von einer Wetterseite Sonne und von einer anderen Seite Schnee vorhergesagt. Es gab letztendlich beides im wilden Wechsel. Wir haben uns für den Tag einen einfachen Einstiegsberg vorgenommen, der im unteren Bereich auch einen schönen lichten Wald für schlechtes Wetter bereitgehalten hätte. Nicht ganz so einfach war es einen Parkplatz zu finden, unverschämter Weise werden Haltebuchten für Linienbusse freigeräumt, die viel wichtigere Parkinfrastruktur für Tourengänger leider nicht. Einer geführten Gruppe Tiroler war das egal, die haben sich mit 3 Autos einfach in die Busbucht gestellt. Wir hatten noch den 80 Euro Strafzettel durch illegales Parken am Flughafen im Kopf und haben bei Anwohnern gefragt. Die Strafe der Tiroler waren zwar keine 80 Euro, dafür musste die Gruppe (3 Bergführer + 5 „Berggeführte“) die kurz vor uns am Gipfel war, komplett ohne Sicht abfahren. Wir hatten zwar am Gipfel selber auch 0 Sicht, waren wir überhaupt am Gipfel? Dafür kam die Sonne dann aber für uns raus, als die Felle abgezogen, die Schnallen zugemacht und die ersten zwei - drei Schwünge in den für norwegische Verhältnisse völlig verspurten Schnee gezogen haben.
Wechselhaftes Wetter -> tolle Stimmung
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Abfahrt richtung Fjord
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Wirklich schöner Pow lag noch zwischen den Bäumen
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Tag 2: Buren 802m
Nach der längsten Tour der Saison am Vortag, war unsere zweite Tour noch mal ein wenig länger und damit wieder mein Saisonhöhepunkt was Höhenmeter angeht.
Glücklicherweise hat sich noch ein norwegisch-französisch-australischer-undwasweißichnoch-Skibum zu uns gesellt. Bergauf gab es für mich also nichts zu lachen. 10 Jahre und 20 Kilo mehr als meine Begleiter bremsen doch ordentlich. Außerdem ist mir bis heute nicht ganz klar, warum Norweger den gesamten Berg versuchen straight-line zu laufen? Ich hab versucht meinen unfassbar schlechte Kondition und den entsprechenden Rückstand durch Fotostopps zu begründen.
Und eigentlich hätte die Gruppe noch ein wenig größer sein sollen, ein Treffen mit einem Mitglied der pudercrew (verdammt die sind inzwischen überall!) inkl. KollegInnen aus Kristiansand kam aber aufgrund unzureichender Kommunikationsmittel nicht zu Stande und wurde auf den nächsten Tag verschoben.
Die Wettervorhersage war sich mal wieder uneinig, rausgekommen ist ein Traumtag mit viel Sonne und eine Tour in einer unfassbar schönen Landschaft.
Während ich noch mit „Fotostopps“ beschäftigt war, haben meine Begleiter schon mal ein ordentliches Schneeprofil gebuddelt.
Am Gipfel kamen dann noch nach und nach weitere Tourengänger an, u.a. ein amerikanisches Pärchen. Der netten Dame aus Idaho sei Dank, wurde dann auch jeder Gipfelstürmer mit einem originalen Idaho potato pin beglückt. Was hätte es dort oben, neben einem kalten Kaiserschmarrn den es wirklich gab, schöneres geben können? Wäre das jetzt eine gute Stelle für den Quinoa Obstsalat? ….hm neee.
Die Jugend rennt voraus
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Blick zurück...herrlich!
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Blick zur Seite...herrlicher!
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Und gemütliches Auslaufen bevor es wieder steiler wurde...
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Tag 3: Tromsdalstinden 1224 m
Der Hausberg von Tromsø stand an und zwar von hinten. Das klingt nicht nur versaut, sondern ist wohl die deutlich bessere Aufstiegsvariante. Man spart sich einige Kilometer durch ein flaches Tal, die man bewältigen müsste, würde man ihn von vorne nehmen. Nach der zweitlängsten Tour der Saison am Vorvortag, der längsten Tour der Saison am Vortag, stand mit dem Tromsdalstinden mit 1124m wieder mal die Länge Tour meiner Saison an. Ich war auf das schlimmste gefasst.
Die Wettervorhersage war gut, ein Treffen mit der Dreiergruppe aus Kristiansand inkl. gemeinsamer Anfahrt und Parkplatzsuche waren ebenso erfolgreich gelaufen. Der Akku meiner Kamera war voll und für viele Stopps bereit, der Akku meiner Beine war leer und verließ sich auf die Kamera. Was sollte da noch schief gehen?
In der Tat lief gar nichts schief. Ich war nicht immer der letzte, trotzdem hatten die jungen Wilden wieder Zeit sich auszutoben und ein Loch zu graben, das Wetter war bis auf kurze Momente richtig gut und über die Landschaft kann man einfach immer nur sagen: Unfassbar schön! Ach ja und der Schnee…so wie die Tage zuvor schon: 1a mit phasenweisen windverblasenen Abzügen. Es war einfach eine wunderschöne Tour von Anfang bis Ende und für mich eine der schönsten Touren die ich je gegangen bin.
Gipfel des Tages
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Ein müdes Lächeln meinerseits vor traumhafter Kulisse
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Die Jugend tobt sich weiter aus. Schneetiefe zwischen 3 und 4 Meter.
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Den Gipfel vor Augen und ich bin nur Vorletzter!
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Düstere Gestalt am Gipfel
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tztztztz der Herr von der pudercrew
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Sein tschechischer Kollege vollgas hinterher
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War wirklich ne nette internationale Gruppe (3 x D, 1 x DK, 1 x CZ, 1 x N)
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Noch mal der Herr von der pudercrew
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Tag 4: Gråtinden 871m
Meine Beine waren nach den drei Tagen wirklich durch und ich wollte nicht schon wieder eine neue längste Tour der Saison haben. Also bat ich für meine letzte Tour um eine leichte und gemütliche Abschiedstour mit schöner Aussicht aufs Meer. Wetter war wechselhaft, die Gruppe war die gleiche wie am Vortag, Parkplatz gefunden, los gings.
Aufstieg war zunächst schön entspannt, bei Sonne im Gesicht und dem Meer im Rücken. In der Ferne konnte man vor uns eine Dreiergruppe gen Gipfel laufen. Nach und nach kamen dann immer mehr Wolken rein gezogen und zuerst war die Gruppe vor uns nicht mehr zu sehen, dann meine eigene Gruppe. Weder vor mir, noch hinter mir…alle weg. Es ging dann im Blindflug Richtung Gipfel und nach einiger Zeit hörte man dann auch die Dreiergruppe irgendwo im Nebel, kurze Zeit später sah man sie auch. Wieder Österreicher, diesmal Wien.
„Wir warten hier jetzt schon seit 20 Minuten aufm Gipfel und hoffen, dass die Sonne bald wieder raus kommt“.
Kurzer Blick auf den Höhenmesser…
“Sorry, ihr aber seid nicht aufm Gipfel“
„Oh, naja Felle sind aber schon ab. Wir warten hier noch und fahren von hier ab“
„Viel Erfolg, wir suchen weiter den Gipfel“
Sind dann im Neben weiter in die Richtung in der wir den Gipfel vermutet haben und siehe da, nach 20 Minuten warten wir wirklich oben und hatten SONNE!
Kurzer Blick zurück…der falsche Gipfel mit den netten Wienern war noch immer im Nebel.
Runter ging es dann einen Hang mit Schneebedingungen die an ein Zitat von Forrest Gump erinnern: „Das Leben ist wie eine Schachtel Quinoa-Obstsalat - man weiß nie was man kriegt."
Meer im Rücken, Sonne im Gesicht
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Da sind sie immernoch im Nebel, die armen Wiener
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Schwarzer Mann vor weißem Meer
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Das Stück Pralinenschachtel
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Wenige Bäume, Meer vor Augen, wunderbar
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Schaut aus, als würde sie rennen. Ist aber Telemark
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Das Bad danach
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Norwegisches Apres Ski
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Mein Abschiedsabendessen gab es im Restaurant Egon, Pizza all you can eat für 15 Euro und gratis Wasser. Wäre selbst für Deutschland günstig, in Norwegen ein wahres Schnäppchen. Anschließend noch Bier in einer Bar nebenan und das wars dann gewesen.
Am nächsten Tag gings zurück, mit dem Wissen, dass es 3 Tage später mit der Familie für eine Woche in die Schweiz geht. So hätte es den ganzen Winter gehen können….
Fazit: Tromsø und seine Berge sind absolut und wahrscheinlich sogar ganzjährig eine Reise wert. Ich kann es wirklich nur jedem empfehlen! Man muss gar nicht weiter in die berühmteren Gegenden Norwegens fahren. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Mehrwert die verlorene Fahrtzeit ausgleichen würde.
Am teuersten waren für mich der Flug und die Bahnfahrt. Die Ausgaben vor Ort haben sich wirklich in Grenzen gehalten, was vor allem an meinem ortskundigen, motorisierten Gastgeber und natürlich der gratis Übernachtungsmöglichkeit lag.
Letzter Blick auf den Tromsdalstinden von vorne
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Sonstiges:
Die ATK 14 ist, für das bisschen Material, eine wirklich gute Bindung. Ich hatte keine Fehlauslösung, hatte einen Sturz bei dem die Bindung wirklich gut ausgelöst hat. Auf den ganz eisigen Passagen habe ich trotzdem verriegelt und einmal ist sie mir ein wenig eingefroren, konnte aber schnell wieder funktionstüchtig gemacht werden.
Nicht ganz unwichtige Info für alle, die auch mal mit dem Flieger da hoch wollen: Das Gepäck muss beim Umsteigen in Oslo abgeholt und neu eingecheckt werden. Egal was die in Deutschland am Flughafen sagen. Die Info wird aber auch im Flugzeug noch mal durchgesagt.
Orangen, haben nur 25Cent pro Kilo gekostet! Bei uns kostet das Kilo etwa 2,50 Euro. Keine Ahnung wo die in Norwegen ihre Orangen anbauen.
Das mir bis dahin völlig unbekannte Programm Tinder findet in den einsamen und dünn besiedelten Orten (Tromsø) Norwegens großen Gefallen. Nicht nur bei den Norwegern sondern auch unter den ausländischen Studenten. Flirten an der Uni ist wohl nicht. Da kann man schon ein wenig Mitleid bekommen.
Um die Osterzeit sind die meisten Locals in ihren Hütten weit weg von Tromsö. Die wenigen einheimischen Tourengeher die man doch getroffen hat, haben ihre Tour meistens erst gestartet als wir schon wieder fertig waren. First-Line Stress schaut anders aus.