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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Dick und lang



campagnard
01.03.2008, 17:27
Wunderbar, jetzt ist es also soweit, es will gesagt werden ... das Problem ist alt und wird auch schon lange, sehr lange, diskutiert, aber speziell heute steht es mir bis oben hin.
Kommunalwahlen stehen fast überall an oder sind schon gelaufen. Dürfte der ein oder andere vielleicht bemerkt haben. Momentan merkt man es daran, dass überall Schilder mit irgendwelchen Konterfeis plus einem Namen, einem Parteilogo sowie einer farblichen Hinterlegung herumstehen, hängen, ins Auge springen. Heute wurden mir sogar von 5 (fünf) verschiedenen Parteisoldaten irgendwelche Flyer in die Hand gedrückt. Super! Feuermachen! Für viel mehr sind diese Altpapierbergvergrößerungsmaßnahmen nicht zu gebrauchen, tatsächlich kann man das rote Papier schnell blau, gelb oder grün anmalen und hat stets nahezu identischen Inhalt. Nämlich keinen.
Andererseits werden wir bösen Wähler gescholten eine anmaßende Politikverdrossenheit zu pflegen und angeblich so den Nährboden radikaler Kräfte weiter zu düngen. Ist das denn zu glauben? Als Bürger der sich nur zwischen Namen und Gesichtern entscheiden sollte und nicht wie von mir gewünscht zwischen konkreten Inhalten, bin ich wohl für so manchen in den oberen Politetagen eher eine Gefahr denn ein Wähler den es zu überzeugen gilt. Ist ja auch viel einfacher mal schnell seine Fresse auf ein Plakat drucken zu lassen als ein eigenes Programm zu entwickeln mit dem man dann, Oh Gott Oh Gott, am Ende vielleicht nicht an einer Regierungsmehrheit teilhaben könnte. Es muss ja alles schön weich gespült sein. Man muss sowohl mit den Tiefroten, den Gelben, den Schwarzen, den Blauen und den Grünen sowieso, die Grünen sind ja doch immer noch irgendwie gut fürs Image, und den normalen Roten koalieren können. Es kommt mir das Kotzen!
Wählen ist erste Bürgerpflicht! Schwierig leider, wenn man gar nicht wirklich weiß, was man da wählt ... Inhalte werden ja nicht mehr kommuniziert, es werden Hackfressen in jede nur erdenkliche Linse gehalten und proklamiert, dass man für Aufschwung und ein besseres Leben ist. Super, Aufschwung und besseres Leben ist ja immer gut, also wählen wir mal den, der es am lautesten schreit. Wählen ist erstes Bürgerrecht! Wenn man also nicht wählen geht, drückt man damit zwangsläufig aus, dass es einem persönlich völlig egal ist ob man nun in einem freiheitlichen Staat (und noch leben wir in einem Staat, vom Kosmopolitismus sind wir leider noch weit entfernt) oder in Stasi 2.0 sein Dasein fristen will. Aber auf dem Wahlplakat sieht man leider nicht wer für das Eine und wer für das Andere steht. Im Gegenteil! Und um dem ganzen noch das Sahnehäubchen aufzusetzen sind die einzigen die noch etwas mit einer gewissen Idee kommunizieren ausgerechnet die extremen Parteien. Au weia, die markigen Sprüchen sind auch noch schön rund geschliffen, da kann man fast nichts schlechtes dran finden. Zum Glück greift da noch eine gewisse gesellschaftliche Scheu tatsächlich solch einer Partei seine Stimme zu geben, die Tendenzen hat man aber zweifellos in den zurückliegenden Wahlen schon sehen können.

Nein, eine Lösung habe ich natürlich nicht, aber ich schreibe das hier jetzt deshalb weil in diesem Forum sicher einige User noch recht jung sind und der ein oder andere vielleicht das erste Mal wählen gehen darf. Es ist nicht verboten sich Gedanken zu machen wer in der nächsten Legislaturperiode (4 lange Jahre) entscheidet wie es mit meinem nächsten Umfeld, also Schule, Arbeit, Universität, Fernsehen, Freizeit usw. usw. weitergeht. Wird bald jeder abgehört? Gibt es Geld vom Staat wenn ich mir eine Ausbildung selber nicht leisten kann? Als super Sportler, werde ich da gefördert? Darf ich bald mit 16 kein Bier mehr kaufen? Mein MTB hat kein Licht und keine Reflektoren, darf ich damit auf der Straße fahren? Warum wird mir am Flughafen die Cola weggenommen wo es doch allgemein bekannt ist, dass man auch mit weit weniger als 100ml Flüssigkeit gelingt eine ordentliche Bombe zu bauen? Bedroht mich der Terrorismus wirklich? Warum hat Onkel Hans in Afghanistan ein Bein verloren? die Liste ist endlos, aber genau über solche Fragen sollte man als Wähler abstimmen, und nicht über Schweinskopf A oder B. Bitte bitte bitte, kann nicht irgendwer mal wieder echte Politik machen und nicht nur ständig sein Charisma spielen lassen!

gex
01.03.2008, 19:13
brot für die welt!

gut gemacht berni!

knut
02.03.2008, 07:51
Huijuijui, da wird das Forum aber mal wieder zur persönlichen Therapie gebraucht.

Aber recht hat er!

Ein weiterer schlimmer Punkt ist, dass, wenn man dann doch an Inhalte gekommen ist (hier muss man selber aktiv werden und anschreiben), sich entscheidet, nach diesen Inhalten zu wählen, dann werden diese Inhalte in der nächsten Legislaturperiode auf Eis gelegt, da "im Moment nicht die richtigen Rahmenbedingungen herrschen"/"der Koalitionspartner leider nicht von den Vorzügen einer Neuregelung zu überzeugen ist"/"in 17 Jahren sowieso eine EU-Verordnung zu dem Thema ansteht und man dieser nicht vorgreifen will".
Statt dessen beschuldigt man lieber Luxenburger, Österreicher, Schweizer und Liechtensteiner des "Raubrittertums", weil die es geschafft haben, einen schlanken, effizienten Staat zu haben, der den Neid der Bürger schürt und somit verführt, die dort möglichen Vorteile auch zu nutzen. Bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen wiederum beschwert man sich dann über Schutzzölle und die Weigerung gegen den freien Markt. Hüh oder hott? Und Hans-Dieter und Gerda aus Dettmolt stimmen auch noch aus voller Kehle zu, sie haben nämlich seit 30 Jahren ihr Sparbuch bei der Kreissparkasse, aber was die da oben mit dem dicken Geld so treiben, ist ja schon ne Schweinerei und die Alpenmilchschokolade sowieso viel zu teuer.

Manchmal wünsch ich mir echt den Dicken zurück. Der war zwar nen Arschloch, aber er war wenigstens eins.
Heutige Problembären a la Kurt Beck beziehen doch nur noch Stellung, wenn's um nix geht und das Dementi schon in der Schublade liegt.

Ich persönlich bin für die Einführung der direkten Demokratie. City-Maut? Zack: Referendum und vom Volk bachab geschickt, Harz MCXXVII? Katastrophale Abstimmungsniederlage.
Ausserdem will man, wenn man selber drüber entscheiden kann, auch wissen, um was es geht und denkt nicht: Watt die da in Bonn-ach nee- Berlin so treibm, versteh ich ja eh nich, passt ja eh nich für den klein Mann. Da kann ich gleich ohne Denken SPD wählen, wie die Familie datt seit 35 Jahren macht, wa.

Oder altruistische Diktatur. So.

klar
02.03.2008, 09:52
hier heute wahltag. zur auswahl für gemeinderat/bürgermeisteramt stehen 4 parteien/kandidaten, der landrat interessiert ja eh keinen. gestern, von gemeindepolitisch engagierten familienmitgliedern genötigt, das starkbierfest mit bußpredigt im dorfwirtshaus besucht. mal wieder ganz toll, der alte pfarrer war mit seiner freundin da, der neue pfarrer hat bestätigt, dass er seinen führerschein doch nicht verloren hat, so betrunken war er ja gar nicht, die großgrundbesitzer und die wichtigen bauern, alle haben sich sehr amüsiert oder zumindest so getan. zitat bruder barnabas "humor ist wenn man trotzdem klatscht."

die von der csu hom si zastrittn, jetza homma a neie partei, die bürgerliste vom vorderhuber, und die csu hat blos no den zuagreistn saupreißn als bürgermeisterkandidaten, weil 's mayer fannerl zruck zogn hod. die freien wähler gäbs noch, traditionsmäßig die zweite kraft, damit es nicht so aussieht, als gäbe es im ländlichen bayern nur die csu, demokratisch samma ja scho. da hans machts ja ganz guad, wenna blos ned gar so oft bsoffn in die gemeinderats sitzungen kemma tad. schließlich die "politische alternative", grün angehauchte solarzellen und bio strom verfechter, sympathisches kompetenzteam mit assistenten voller indianerschmuck und idealismus.


im prinzip hat der berni natürlich recht, man sollte inhalte wählen, nicht personen. in unserem 4000 einwohner dorf werde ich aber sicher nicht den xy wählen, von dem ich genau weiß, dass er ein hinterfotziges a-loch ist und wenn sich von 4 parteien 3 inhaltlich so gut wie nicht unterscheiden, werde ich, als typisch konservativer bayrischer wähler, der die komische andere partei sowieso nicht in betracht zieht, schon in erster linie nach kandidaten entscheiden. und so falsch ist das mE dann auch gar nicht.

es ist eine sache, sich über das spießige kleinbürgertum der provinzpolitiker aufzuregen und über das hässliche neue kriegerdenkmal zu lästern, auf "die politischen" zu schimpfen, weil der radlweg immer noch nicht fertig ist und die neue schule schon im rohbau sanierungsbedürftig. und es ist eine ganz andere sache, sich dann wirklich als gemeinderat aufstellen zu lassen, woche für woche in die langweiligen sitzungen zu gehen sich mit den ganzen anderen idioten rum zu schlagen, nur weil man überzeugt ist, dass man etwas verändern kann und dass jede noch so kleine veränderung wichtig ist.

in diesem sinne: respekt vor den visionären, die windmühlen jagen, bis sie eine fangen und: wählen gehen!

im übrigen ist die legislaturperiode für bürgermeister und gemeinderat 6 jahre, nicht 4.

osti
02.03.2008, 17:01
genau das hab ich mich schon bei dem Augsburger Bürgerentscheid für den neuen Königsplatz gefragt. Lauter bunte Plakate und Zettelchen die schreien "wählt uns für einen besseren Kö"....

leider konnte man keinem entnehmen, für welche Lösung sie denn überhaupt stehen... ::)