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knut
22.09.2017, 21:50
Die Menge an völlig hirnrissigen Argumenten und sinnlosen Diskussionen, die ich in den letzten Tagen zum Thema Katalanische Unabhängigkeit gehört bzw. geführt habe, ist erschreckend und zutiefst frustrierend.

Um es mit dem passenden Kulturbezug mit Arturo Pèrez Reverte zu sagen:
"Schau, lange Zeit dachte ich, das Schlimmste auf der Welt sei das Böse. Doch mit dem Alter, wenn man etwas weiser ist, ändert man seine Sichtweise: Das Schlimmste ist die Dummheit. Die Dummen sind schlimmer als die Bösen. Dumme Menschen richten immer mehr Schaden an, als böse Menschen."


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Anm.: Ursprünglich startete die Diskussion im Frust-ablassen-Thread (https://www.freeskiers.net/community/showthread.php?1716-Frust-ablassen-Thread/page781) und wurde hierhin abgetrennt.

Zorro
25.09.2017, 09:12
"Schau, lange Zeit dachte ich, das Schlimmste auf der Welt sei das Böse. Doch mit dem Alter, wenn man etwas weiser ist, ändert man seine Sichtweise: Das Schlimmste ist die Dummheit. Die Dummen sind schlimmer als die Bösen. Dumme Menschen richten immer mehr Schaden an, als böse Menschen."

Ganz bei ihm. Böse Menschen gibt es relativ wenige, die meisten sind nur zu doof zu erkennen, was "böse" bzw "gut" ist (um das ganze vereinfachend darzustellen, nur in dieen beiden Schubladen). Da gab es diese internationale Studie, die Gewalt- und Kapitalverbrechen weltweit verglich. Die Quote der wirklich bösen scheint weltweit gleichverteilt und auf relativ niedrigem Niveau (ich meine um 0,1%-1%).
Dagegen steht die Gaußsche Normalverteilung, die auch auf die Intellähnz wohl zutrifft. Sichtbar wird das dann zb an den 20% der Bundesdeutschen, die Texte nicht sinnerfassend lesen können (bei gleichzeitigiger quasi 100% Schulbildungsrate bzw fast 0% Analphabeten - 3-4% zählen aufgrund mangelnder Fähigkeiten zu den strukturellen Analphabeten, wenn ich mich recht erinnere.)

Fakten zum schmunzeln zum Thema böse vs dumme Menschen: Die Wahrscheinlichkeit man von einem Familienmitglied umgebracht wird, liegt 10* höher als die Wahrscheinlichkeit dass dies Fremde tun. Und noch 10* höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass man das selbst tut (die Mehrheit davon sind Unfälle in den eigenen 4 Wänden) - aus der Erinnerung einer anderen Studie.

maestro
25.09.2017, 11:03
"Die Dummen sind schlimmer als die Bösen. "

Das eine schließt das andere nicht aus.

Ruprecht
02.10.2017, 10:37
Die Menge an völlig hirnrissigen Argumenten und sinnlosen Diskussionen, die ich in den letzten Tagen zum Thema Katalanische Unabhängigkeit gehört bzw. geführt habe, ist erschreckend und zutiefst frustrierend.

same here und wir haben es noch nicht überstanden (nach dem sonntag vielleicht weniger denn je..) und ich bin mir ziemlich sicher, dass wir in der sache nicht im selben lager sitzen. was allerdings nicht heißen soll, dass ich dir oder deiner argumentation (die ich nicht kenne) irrsinn unterstelle.

klar
02.10.2017, 21:45
und ich bin mir ziemlich sicher, dass wir in der sache nicht im selben lager sitzen. was allerdings nicht heißen soll, dass ich dir oder deiner argumentation (die ich nicht kenne) irrsinn unterstelle.

Könnt ihr das auf eure ja immer sehr angenehm überlegte Art hier ausdiskutieren? Würde mich interessieren.

la sun
03.10.2017, 07:08
Könnt ihr das auf eure ja immer sehr angenehm überlegte Art hier ausdiskutieren? Würde mich interessieren.

mich auch.

Ruprecht
03.10.2017, 13:11
ich kann erst diskutieren, sobald mich jemand beleidigt. die beleidigung sollte nicht allzu tief gehen, aber sie darf meine ethnie betreffen, mein geschlecht inklusive sexueller orientierung, meinen gott und - etwas abgeschwächt - meine körperlichen unzulänglichkeiten.

Dicki
03.10.2017, 14:16
ich kann erst diskutieren, sobald mich jemand beleidigt. die beleidigung sollte nicht allzu tief gehen, aber sie darf meine ethnie betreffen, mein geschlecht inklusive sexueller orientierung, meinen gott und - etwas abgeschwächt - meine körperlichen unzulänglichkeiten.

Du hast in der Kindheit zu viel geraucht und hast jetzt eine Haut wie ein 60jähriger. Siehst dadurch nicht mehr wie eine Grazie aus!

wanderer
03.10.2017, 15:07
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wanderer
03.10.2017, 15:29
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subtleplague
03.10.2017, 16:38
Hat skijunkie jetzt alle paar Monate Ben neuen Nick?

wanderer
03.10.2017, 17:07
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knut
03.10.2017, 18:05
Hat skijunkie jetzt alle paar Monate Ben neuen Nick?

Gleich nen ganz neuen Account. Entweder hat er trickreich gemerkt, dass seine alten bei mir auf der Ignorierliste gelandet sind, oder das mit dem Passwort merken funktioniert nicht richtig.


Könnt ihr das auf eure ja immer sehr angenehm überlegte Art hier ausdiskutieren? Würde mich interessieren.
Dafür ist dieses Forum irgendwie nicht mehr der geeignete Ort, habe ich den Eindruck. Auch hier herrschen immer öfter die populistischen Grabenkämpfe über das friedliche, respektvolle Miteinander.

Was aber nicht heissen soll, dass Ruprechts körperliche Unzulänglichkeiten nicht viel besser sind als meine.

subtleplague
03.10.2017, 19:30
Dafür ist dieses Forum irgendwie nicht mehr der geeignete Ort, habe ich den Eindruck. Auch hier herrschen immer öfter die populistischen Grabenkämpfe über das friedliche, respektvolle Miteinander.

Öh ich weiss ja nicht in welchem Forum du anno 2005 warst, aber pöbeln gehörte immer zum guten Ton. Und mich würde auch wirklich interessieren warum das eine oder das andere in Katalonien besser ist. Ich stehe da ratlos vor, insbesondere, da selbst die Basken nun keine Unabhängigkeit um jeden Preis mehr zu wollen scheinen und die waren doch in Spanien eher dafür bekannt.

Abgesehen davon ist das Forum doch viel zahmer als früher? Oder bin ich so selten hier?

klar
03.10.2017, 20:34
Also, da ich offenbar nicht allein bin mit meiner Ratlosigkeit in dieser Sache, schreib ich hier mal unverbindlich ein paar Sachen hin, die ich nicht kapiere, und dann können die, die keine Ahnung haben und die anderen das ja kommentieren, wenn ihnen danach ist.

1. wollen die wirklich komplett unabhängig sein, oder nur mehr Autonomie? Wieviel von den Forderungen ist Trotz als Reaktion auf das Verhalten Rajoys in den letzten Jahren und wieviel sind tatsächlich aus tiefstem Herzen empfundene Unabhängigkeitsbestrebungen aufgrund sprachlicher/ kultureller Unterschiede?
2. gibt es tatsächlich so grundlegende kulturelle Unterschiede? Ist nicht eh alles zweisprachig?
3. was ist mit den Katalanen in Frankreich und Andorra? Will man die angliedern oder sind die wurscht?
4. wieviele Leute wollen die Unabhängigkeit, sind das echt so viele oder schreien die nur viel lauter als die anderen?
5. geht es in echt doch nur um die Wirtschaft?

und 6. angesichts der Bilder von den prügelnden Polizisten: wie kann man so dermaßen dämlich reagieren? hätte man das nicht einfach ignorieren können?

knut
04.10.2017, 05:12
Öh ich weiss ja nicht in welchem Forum du anno 2005 warst, aber pöbeln gehörte immer zum guten Ton.
Früher war eben selbst das Pöbeln besser. In meiner veklärten Nostalgie jedenfalls. Intelligenter und seltener persönlich.
Vielleicht bin ich auch einfach dünnhäutiger geworden.




Also, da ich offenbar nicht allein bin mit meiner Ratlosigkeit in dieser Sache, schreib ich hier mal unverbindlich ein paar Sachen hin, die ich nicht kapiere
Ich glaube, im wesentlichen teile ich da Deine Ratlosigkeit, auch wenn ich mich lange und viel mit allen Arten von Befürwortern, Gegnern und Indifferenten ausgetauscht habe.



wollen die wirklich komplett unabhängig sein, oder nur mehr Autonomie?
Die meisten wollen in meiner persönlichen Erfahrung nach komplette Unabhängigkeit von Spanien. Aus Prinzip.
Wobei ein Grossteil der Leute sich sicher auch mit dem Autonomiegesetz zufrieden gegeben hätte, dass die PP unter Rajoy vor das Verfassungsgericht gezerrt hat und aufgelöst hat, ohne nachzubessern.



Wieviel von den Forderungen ist Trotz als Reaktion auf das Verhalten Rajoys in den letzten Jahren und wieviel sind tatsächlich aus tiefstem Herzen empfundene Unabhängigkeitsbestrebungen aufgrund sprachlicher/ kultureller Unterschiede?
Ich glaube, das kann man nicht 100%ig trennen. Der Grossteil ist das auf tiefen Emotionen fussende Gefühl, anders zu sein.
Aber wie bereits oben angedeutet, befand man sich mit dem Autonomiegesetz auf gutem Weg, dieses Gefühl in den Hintergrund rutschen zu lassen und am friedlichen Miteinander zu arbeiten. Das starke-Mann-Gehabe der Minderheitsregierung Rajoy erzürnt allerdings die Gemüter heftig.


gibt es tatsächlich so grundlegende kulturelle Unterschiede? Ist nicht eh alles zweisprachig?
Das ist für mich eine wirklich schwierige Frage. Die kulturellen Unterschiede gibt es sicher. Von aussen betrachtet fällt es mir allerdings schwer, die als gravierend anzusehen. Mir fällt es aber auch immer noch schwer, auf Anhieb den Unterschied zwischen Katalan und Spanisch zu bemerken (oder den zwischen allen Lateinischen Sprachen, um genau zu sein).
Die kulturellen Unterschiede sind vermutlich ähnlich gravierend, wie zwischen dem Alpenrand und der Nordseeküste. Von innen heraus extrem deutlich, von aussen nicht immer auf den ersten Blick bemerkbar.
In manchen Bereichen nicht existent, in anderen deutlich präsent. So fällt es einem z.B. extrem schwer, nur mit Spanischkenntnissen eine Speisekarte auf Katalan zu lesen. Und selbst dann wären die Gerichte noch irgendwie ungewohnt.
Und ja, es ist eh alles zweisprachig. Jeder Katalane ist auch muttersprachlich Spanisch. Trotzdem ist es ein bisschen wie in der Schweiz (wobei die nicht wirklich muttersprachlich Hochdeutsch reden, aber andere Baustelle): Um in der Kneipe in's Gespräch zu kommen, oder tiefe Freundschaften zu entwickeln, sollte man schon besser Katalan reden. Es geht ohne, aber deutlich schwieriger. Und das gilt vor allem im ländlichen Raum.
Das Studium ist ebenfalls häufig auf Katalan. Es gab (bzw. in wenigen bereichen gibt es sie noch) auch z.B. Doktoranedenstipendien, die einen Bonus von 200€ pro Monat zahlen, wenn man sich verpflichtete, Doktorarbeit und Veröffentlichungen auf Katalan zu schreiben.
In Barcelona sprechen allerdings überhaupt nur 55% der Bevölkerung Katalan, und im Alltag ist der Default meist Spanisch.
Andererseits suchen sich Eltern, die sich als klar Katalanisch betrachten, ihre Schule für die Kinder meist sehr sorgfältig nach sprachlichen Kriterien aus und legen Wert darauf, dass der Anteil an Ausländerkindern (inkl. Spanischen) in den Klassen möglichst klein ist.
Trotzdem ist das in meiner persönlichen Erfahrung eher eine Subkultur und nicht die Mehrheit. Aber auch kein Randphänomen.
Hinzu kommt noch die historische Komponente. Dass Katalanisch zu sein unter Franco massiv unterdrückt wurde und man seine eigene Muttersprache teilweise nicht mal auf der Strasse sprechen konnte. Und man vergisst gerne, dass das noch nicht mal eine Generation her ist.




was ist mit den Katalanen in Frankreich und Andorra? Will man die angliedern oder sind die wurscht?
Das ist prinzipiell erstmal wurscht. Aus mehreren Gründen. Zuerst, weil die katalanische Unabhängigeitsbestrebung nicht sehr dogmatisch eingestellt ist. Man will sicherlich nicht für andere entscheiden, sondern nur für sich (was ein bisschen witzig ist, denn Einstimmigkeit gibt es schliesslich in kaum einer demokratischen Frage jemals). Wenn also andere katalanische Hoheitsgebiete sich von sich aus der katalanischen Republik anschliessen wollen, sind sie sicher willkommen, aber das wäre deren Entscheidung.
Und neben Frankreich und Andorra, die der Sache politisch nahe stehen, gibt es da ja auch noch Valencia, die Balearen und Nordsardinien.
Die Leute aus Valencia und von den Balearen, die ich kennen gelernt habe, haben allerdings Wert darauf gelegt, dass sie Valenzianisch bzw. Majorkinisch sprechen (Im nordkatalunischen Val d'Aran übrigens Aranesisch - lokatpatriotismus, yay!). Auch sahen die die katalanischen Unabhängigkeitsbemühungen mit einem gewissen Unverständnis.


wieviele Leute wollen die Unabhängigkeit, sind das echt so viele oder schreien die nur viel lauter als die anderen?
Im Moment (dank der Policia National) sind es gefühlt tatsächlich die meisten. Auch das abendlichen Topfschlagen (die Katalanen treten seit rund zwei Wochen um 22:00 auf die Balkone und hämmern für eine Viertelstunde auf Kochtöpfe, um ihren Protest auszudrücken) klingt gewaltig. Da muss der Krimi mal kurz pause machen. Wenn man aber mal genau hinschaut, sind vielleicht einer von 10 Balkonen mit dabei.
Bevor die Emotionen völlig hochkochten, lagen die Befürworter der Unabhängigkeit in Umfragen irgendwo bei 30-45%


geht es in echt doch nur um die Wirtschaft?
Das ist die Frage, die ich immer noch nicht genau beantworten kann. Warum die Leute die Unabhängigkeit wollen, ist mir auch häufig in abendfüllenden persönlichen Gesprächen nicht klar geworden. Auch weil viele häufig mauern, wenn man es mit Logik versucht.
Das finanzielle Argument wird jedenfalls sehr häufig gebracht. Allerdings findet man paradoxerweise, dass man zuviel an Madrid zahlt, aber gleichzeitig will man ein solidarischeres, sozialeres Katalonien. Wenn das Wort nicht ganz anders besetzt wäre, käme Nationalsozialismus in den Sinn. Das ist es aber definitiv nicht.
Ein weiteres Argument ist, dass man selbst bestimmen will. Bei der Nachfrage was eigentlich genau sind die Antworten dann meist erstaunlich wage. Katalonien hat eine unabhängige Polizei, separates Bildungssystem und auch bei der Gestaltung der Steuern und des Sozial- und Gesundheitssystems relativ viele Freiheiten. Insgesamt mehr, als deutsche Bundesländer. So richtig viel Spielraum für mehr Autonomie (ausser einfach weniger zum gesamtspanischen Sozialstaat beizutragen) ist da eigentlich nicht mehr.
Auch das mit dem wirtschaftlischen Argument ist nicht so ganz klar, wie es gerne dargestellt war. Katalonien ist zwar klar die wirtschaftlich stärkste Region, aber pro Kopf nur auf Platz 5 der Nettozahler Spaniens, sogar noch hinter Madrid. Von den wirtschaftlich starken Regionen zahlen nur die Baskischen weniger. Aufgrund eines massiven Autonomierabattes. Den hätte man in Katalonien auch gerne - Brexitgründe kommen in den Sinn. (mehr Infos z.B. hier: https://elpais.com/elpais/2017/09/26/inenglish/1506410252_592782.html)
Auch ist der Staatshaushalt Kataloniens nicht gerade auf Rosen gebettet und man hat in den letzten Jahren einige bedeutende zinslose Kredite aus Madrid bekommen.

Wobei wir bei den Vorstellungen zu einem unabhängigen Katalonien sind. Die meisten glauben irgendwie, dass man sich nur von Spanien loseisen würde, und dann würde alles so weiter gehen, wie bisher.
Dass man zuerst einmal eine eigene Notenbank und Währung aufbauen müsste, um überhaupt die Stabilitätskriterien des Euros erfüllen zu können, oder dass man nicht einfach weiter in der EU wäre. wird vielfach als Spinnerei abgetan und man glaubt, dass die EU da schon irgendwie einlenken wird. Auch wird völlig ausgeblendet, dass man bei einer unilateralen Unabhängigkeit bei allen EU-Belangen abhängig von Spaniens Vetorechten wäre. Das ist Angstmacherei und Propaganda in den Augen der Separatisten.
Auch ist man nicht bereit, einzusehen, dass Kataloniens Wirtschaftsstärke sicherlich nicht unwesentlich darauf fusst, dass es als östliches Tor zu Spaniens Wirtschaft für viele Unternehmen von grossem Interesse ist. Ganz zu schweigen von den Auswirkungen, die ein Austritt aus der EU Personenfreizügigkeit für Wirtschaft und Tourismus bedeuten würde (wobei das vermutlich das am einfachsten zu lösende Problem wäre).

Hier werden einige der häufigsten Argumente schön seziert: https://elpais.com/elpais/2017/09/25/inenglish/1506339116_980655.html


Die Basken haben übrigens mitnichten aufgegeben. Die sind mit ihrem finanziellen Sonderstatus und dem Level der Autonomie zwar ganz zufrieden, sollte aber Katalonien unabhängig werden, dann steht man ganz sicher schnell wieder auf der Matte und will das gleiche.

Die vermutlich beste Lösung wäre, wenn die politischen Unruhen bei (vorgezogenen) Neuwahlen dafür sorgen, dass sich der Patt der Parteien auflöst und es zu einer konstruktiveren Regierung kommt, die sich wieder mehr den Regionen insgesamt zuwendet. Da aber auch die Oppositionsparteien momentan nicht gerade gewillt sind, auf irgend etwas hin zu arbeiten, und sich rein auf die "dagegen"-Politik stützen, sehe ich das so schnell nicht kommen.
Auch hat sich die katalanische Regionalregierung mit ihrem relativ harten , rücksichtslosen Vorgehen bei dem Referendum nicht gerade besonders viele Freunde im Rest von Spanien gemacht und einige finden durchaus, dass man es denen jetzt mal richtig zeigen müsste. Das Vorgehen hat Rajoy vielleicht landesweit nicht so sehr geschadet, wie man hoffen würde.



und angesichts der Bilder von den prügelnden Polizisten: wie kann man so dermaßen dämlich reagieren? hätte man das nicht einfach ignorieren können?
Das frage ich mich auch. Dämlich ist da noch echt harmlos ausgedrückt.

Ich glaube auch, dass Ignorieren die bessere Option war. Aber auch eine heikle. Denn das Referendum war nicht nur illegal, sondern auch so organisiert und ausgelegt, dass eine klare Bevorzugung der Befürworter zu erwarten war. Zusammen mit der Aussage der Regionalregierung, das Ergebnis in jedem Fall unabhängig von der Wahlbeteiligung zu respektieren und am nächsten Tag bereits unilateral die Unabhängigkeit ausrufen zu wollen, war das schon ein heisses Eisen, dass einen knallharten Pokerspieler brauchte, um das auszusitzen. Es war völlig klar, dass das Referendum in jedem Fall eine massive politische, nein populistische Waffe in den Händen der Separatisten darstellen würde.
Und zumal das Vorgehen nur bedingt von der Regierung kam. Nach dem Beschluss des Verfassungsgericht lagen die Zügel in der Hand des in Barcelona zuständigen Richters, der grundsätzlich die Polizeieinsätze und Haftbefehle angeordnet hat. Natürlich mit dem Rückhalt der Zentralregierung, keine Frage.

Die Idiotie lag nicht grundsätzlich in dem Gedanken, die Rechtsstaatlichkeit durchzusetzen, sondern zu glauben, man könnte es mit solchen Mitteln tun. Die Zahlen, die ich gelesen habe, schwanken irgendwo zwischen 2000 und 6000 Nationalpolizisten, die nach Barcelona entsendet wurden, während die lokale Polizei ja ein Totalausfall mit Vorankündigung war.
Gut 4000 Wahllokale gab es zu kontrollieren. Da geht die Rechung schon nicht auf. Wenn dann noch Einsatzgruppen mit irgendwas um 50 Polizisten eine Schule stürmen sollen, die randvoll mit Menschenmassen ist, ist da nichts mehr mit Sicherheitszonen, Rücken freihalten etc.
Wie hoch der Stress gewesen sein muss, kann man glaub ich an diesem Video ganz gut erkennen. Völlig ausser Kontrolle geraten:

https://www.facebook.com/muybastas/videos/1978427819103316/

Ich will die Polizeigewalt nicht verharmlosen, ganz im Gegenteil. Ich will aber aufzeigen, dass die Planung diese unausweichliche Katastrophe hervorgerufen hat. Die Schuld ist bei den Verantwortlichen zu suchen, vom Batallionsführer bis hin zum Staatschef.


Ich will an dieser Stelle einmal klarstellen, dass ich absolut nicht per se gegen die Unabhängigkeit Kataloniens bin. Ich bin für das Selbstbestimmungsrecht der Völker auch in diesem Fall, der klar nicht von den internationalen Konventionen gedeckt wird.

Aber solch ein Prozess muss mit Bedacht und Fairness ablaufen. Ein legales Referendum, an dem idealerweise jeder im Gebiet Sesshafte teilnehmen kann. Dass sauber geplant und vorher ausgiebig und fair politisch diskutiert wird. Bestes mir bekanntes Beispiel ist das Schottische Referendum. Das schlechteste wohl jetzt dieses.
In einem fairen, geduldeten und gut vorbereiteten Referendum sehe ich momentan auch den einzigen Weg hinaus aus der Misere. Aber das scheint nicht im Interesse irgendeiner beteiligten Partei/Gruppe zu sein. Weder in Madrid noch Barcelona.

Ich persönlich kann mir auch ein Europa der Regionen vorstellen. Nur dafür müsste man zuerst Europa stärken und dann die Kompetenz von den Nationalstaaten zur kleineren Ebene verschieben. Aber die EU stärken will ja irgendwie auch kaum einer.
Nur so, wie sich das die Nationalisten/Separatisten egal welcher Coleur in egal welchem Land vorstellen, wird es halt nicht gehen.


So, und diese Textwand ist jetzt ganz allein eure Schuld! Tjä.


Gute, wenn auch nicht ganz aktuelle Zusammenfassung der Grundlagen:
https://www.youtube.com/watch?v=AIvclpJb05g
Danach ist der politische Diskurs zwischen Regional- und Zentralregierung massiv eskaliert und kein Ende in Sicht.

subtleplague
04.10.2017, 06:36
Woah. Monsterpostimg. Danke. Meintest du eigentlich mich beim pöbeln?

Und klar: die spanische Zentralregierung ist ein gebranntes Kind dank der basken und reagieren auf alle sezessionstendenzem extrem allergisch. Daher auch der "etwas"unglückliche Polizeieinsatz.

knut
04.10.2017, 06:46
Meintest du eigentlich mich beim pöbeln?
Nein. Auch wenn ich Dich als Pöbelpartner durchaus schätze und respektiere.

Ruprecht
04.10.2017, 09:58
puh, auf so nen post zu antworten ist echt schwer, ein glück, dass ich weitgehend mit knut einverstanden bin.
vielleicht kann ich noch etwas zum besseren verständnis der katalanischen sezessionsbestrebungen beitragen, aber zuvor sollte ich meinen bias offenlegen:
ich bin nämlich nicht nur schwedisches surfergirl*, welches sich außerdem als bikinimodel ein zubrot verdient aber nicht nur darauf reduziert werden möchte, sondern außerdem auch noch born and raised in südtirol. kurzer exkurs dazu: südtirol ist kleines dreisprachiges land, welches nach dem ersten weltkrieg von italien annektiert wurde, in der zeit des italofaschismus versuch der kulturellen assimilierung, nach zweitem weltkrieg zugeständnis einer (unzureichenden) autonomie, in der folge weitere teils gewalttätige protestbewegungen bis in die 70er, aushandlung eines zweiten autonomiestatuts, welches eine friedliches nebeneinander der verschiedenen sprachgruppen mit einigen gesellschaftlichen sackgassen erreicht hat.
die situation in katalonien ist sicher nicht gleich wie in südtirol, aber ähnlich gelagert.
ich sehe, wieviel energie hier darauf verwendet wird, um den status quo gegen den nationalstaat aufrecht zu erhalten. eine weiterentwicklung ist derzeit schwer vorstellbar. das ist auf dauer sehr frustrierend.

ich kann verstehen, dass die katalanen sich mehr unabhängigkeit und gestaltungsfreiheit wünschen. ich sehe, dass es von 2003-2010 verhandlungen mit dem spanischen staat zur erweiterung ihrer autonomie gab. das ergebnis wurde von barcelona angenommen, von madrid ersatzlos gekippt. bis dahin waren die unabhängigkeitsbestrebungen in einer klaren minderheitenposition, nach dem letzten referendum sind sie wohl in der mehrheit. es war außerdem alles andere als klar, ob sich die mehrheit der katalanen für die unabhängigkeit ausgesprochen hätte, allerdings war die überwältigende mehrheit dafür, abstimmen zu dürfen.
die verfassungsmäßige illegalität des referendums geht übrigends auf einen passus zurück, der die de facto ewige unteilbarkeit des spanischen staates vorsieht. ein derartiger artikel ist ein relikt aus den 19.Jh mit seinem nationendenken und mit meinem demokratieverständnis nicht vereinbar. ich frage mich außerdem, wie man eine offene befragung mit dem verweis auf unteilbarkeit verbieten kann, wenn man doch nicht weiß, ob tatsächlich die unabhängigkeit ergebnis der befragung sein wird?
ich halte das vorgehen GB mit den schotten sehr viel eleganter und demokratischer. die schotten haben sich gegen die unabhängigkeit entschieden. wohl auch deshalb, weil mit EU ausschluss gedroht wurde. jetzt sind sie trotzdem raus.
das ist auch ein weiterer punkt, weshalb ich unabhängigkeitsbestrebungen in europa grundsätzlich positiv gegenüberstehe, weil sie nämlich imho die europäische integration beschleunigen. kleinere verwaltungseinheiten sind einer übergeodneten EU sehr viel aufgeschlossener, schon allein aus motiven des selbsterhalts. das größte hindernis der europäischen integration ist der nationalstaat, der in seiner unglücklichen größe zu klein ist, um sich globalen herausforderungen zu stellen, und zu groß, um sich der EU unterzuordnen bzw. um auf regionale besonderheiten einzugehen. außerdem widersprechen kulturelle minderheiten dem selbstverständnis eines nationalstaates, der ein kulturell möglichst homogenes volk als grundlage hat. soweit ich das verstehe, sehen sich die katalanen als willensnation (ähnlich etwa wie die USA oder (abgeschwächt) die CH), jeder der katalane sein möchte, darf dies sein und tatsächlich gibt es aktuell weit mehr unabhängigkeitsbefürworter in katalonien als es ethnische katalanen gibt. ein punkt der mir sehr sympatisch erscheint.

was die „dämliche“ und „etwas unglückliche“ vorgehensweise madrids gegen das referendum angeht: ich halte diese formulierungen für eine gefährliche verharmlosung der vorgänge. der staat ist hier mit paramilitärischen einheiten mit schwerer gewalt gegen eine unbewaffnete und friedliche zivilbevölkerung vorgegangen, welche einer demokratischen abstimmung teilhaben wollte. das sind schwere menschenrechtsverletzungen, 2017 innerhalb der europäischen union! die eingesetzte guardia civil ist eben keine staatspolizei, sondern eine militärische einheit, die unter anderem besonders in katalonien zu zeiten des francofaschismus zu repression engesetzt wurde. durchaus vergleichbares geschieht etwa aktuell auch in der türkei unter streng erhobenem zeigefinger der EU, welche sich zu spanien nicht äußert.
der guardian (https://www.theguardian.com/commentisfree/2017/oct/02/catalans-independence-revolt-spain-independence-flags) formulierts etwa so:

There were thousands of riot cops on hand, on ships in the harbour. If Madrid had wanted to, it could have confiscated every ballot box within minutes and, for good measure, jammed the smartphone app the Catalan authorities were using to tally the results against the electoral roll. But prime minister Mariano Rajoy wanted to send a subtler message: let the most fervent separatists have their vote and get their heads broken, while scaring the rest of the population into non-participation, including any waverers.

bergjunge
04.10.2017, 10:15
Sehr interessante Diskussion. Danke dafür.
Vor allem der letzte Absatz von Ruprecht trifft es genau. Das Dulden der Vorgänge von europäischer Seite ist beschämend.


Weil es gerade irgendwie hierher passt (trotzdem natürlich nicht ganz vergleichbar):
In Kamerun findet seit vielen Monaten ein heftiger Konflikt statt, dessen Ursachen vor allem in den Zeiten der unseligen Kolonialzeit liegen. Auch hier geht es um Unabhängigkeitsbestrebungen, in dem Fall der englischsprachigen Regionen Kameruns.
In den Medien (bei uns zumindest) findet da so gut wie gar nichts statt.
Soweit man das herauslesen konnte sind in den letzten Tagen acht Menschen von der Polizei getötet worden.

Ein kurzer Überblick über die Situation:
https://www.msn.com/de-de/nachrichten/politik/kamerun-tote-und-verletzte-nach-der-unabh%C3%A4ngigkeitserkl%C3%A4rung-%E2%80%9Eambazonias%E2%80%9C/ar-AAsOnkF?li=BBqfUd5

Zorro
04.10.2017, 11:20
danke, gutr Beiträge.
Meiner Ansicht nach ist das Thema ein gutes Beispiel, wieso eigentlich lösbare Probleme aufgrund persönlicher Machtspielchen nicht gelöst werden wollen - als klassisches Thema in der politischen Theorie betrachtet.
Aus den wenigen Erfahrungen vor Ort (so 5-10 Sangriaeimer lang) würde ich auch behaupten es geht mehr um ein regionales Gefühl aus historischen Tatsachen gewachsen, um als eigenständig wahrgenommen zu werden, denn um echte Fakten. Einen Lösungsansatz sehe ich in mehr Bikinimodells in der Politik verkleidet als mittelansehnliche Damen gehobeneren Alters.

Dicki
04.10.2017, 11:51
@Knut, ich sage aufrichtig Danke!

wanderer
04.10.2017, 13:25
---

subtleplague
04.10.2017, 13:35
Ruprecht: als Kölner TransaktivisX muss ich sagen dass sich regionale Besonderheiten auch gut ohne eigene Regierung halten und dass man den Karneval trotz Unterdrückung durch den Rest Nordrhein wesfalens gut feiern kann. Sogar mit quasi offiziellen Feiertagen. Ich bin also nicht der Meinung dass Mann alles auf den kleinstmöglichen Nenner bringen muss.

Kann mir eigentlich jemand erklären warum man das nicht wie den basken löst? Oder braucht die Zentralregierung Jahre des "echten" Widerstands um einzulenkene? Europäisch sind diese Bestrebungen ein Fass ohne Boden denn in Belgien und Gott weiss wo geht das dann weiter.

Elschto
04.10.2017, 13:45
Südtirol wurde nach dem ersten Weltkrieg annektiert. Soviel sollte man als Südtiroler schon wissen. Weiters hat sich Österreich als Schutzmacht Südtirols für diese Frage bei der UNO stark eingesetzt. Diese Unterstützung fehlt den Katalanen.

Trotzdem bin ich gegen diese Abspaltungsspielereien. Sollen wir in Zukunft in einer Welt aus Stadtstaaten leben? Wenn es Barcelona dann zu anstrengend wird den Rest von Katalonien durchzufüttern spalten sie sich wieder ab?

Eine entsprechende Lösung für das Problem mit weitreichenden Autonomierechten kann sicher gefunden werden. Eine Abspaltung führt hier zu keinem Grünen Zweig. die Abspaltungsbefürworter niederknüppeln allerdings auch nicht.

Ruprecht
04.10.2017, 13:53
subtle: ich weiß, ich propagiere auch nicht die unabhängigkeit als die allein seelig machende lösung. man muss dazu sagen, dass deutschland als bundesland hier sehr viel föderaler aufgestellt ist, als etwa spanien oder frankreich oder italien. außerdem kulturell sehr viel homogener (mittlerweile, wie war das mit dem elsass?)

zu "echtem" widerstand: die katalanen haben sich anders als etwa die basken oder die iren bisher stets gegen gewalt als mittel des widerstands entschieden. ich wünsche mir, es bleibt dabei und ein bloody sunday bleibt aus, wenn puigdemont die unterstützung des parlaments erhält und demnächst die unabhängikeit ausruft.

Ruprecht
04.10.2017, 13:55
Südtirol wurde nach dem ersten Weltkrieg annektiert. Soviel sollte man als Südtiroler schon wissen.

sorry, tippfehler. (der rest vom satz macht anders ja auch gar keinen sinn..)

renegade5569
04.10.2017, 14:47
subtle: ich weiß, ich propagiere auch nicht die unabhängigkeit als die allein seelig machende lösung. man muss dazu sagen, dass deutschland als bundesland hier sehr viel föderaler aufgestellt ist, als etwa spanien oder frankreich oder italien. außerdem kulturell sehr viel homogener (mittlerweile, wie war das mit dem elsass?)

zu "echtem" widerstand: die katalanen haben sich anders als etwa die basken oder die iren bisher stets gegen gewalt als mittel des widerstands entschieden. ich wünsche mir, es bleibt dabei und ein bloody sunday bleibt aus, wenn puigdemont die unterstützung des parlaments erhält und demnächst die unabhängikeit ausruft.

Bei den Nordiren spielt die Religion die Hauptrolle.

Dem ist in Spanien nicht so. Hier ist es eher die Sprache. Auch wenn das Wort mächtiger ist, als das Schwert, halte ich die
Religion als größeres Hindernis für Frieden und Einigkeit. Sieht man ja rund um den Planeten. Im Namen der Religion werden Verbrechen gemacht.
Nicht im Namen der Sprache.

Das Elsass ist französisch, auch wenn viele beide Sprachen sprechen. Ist auch praktisch, in Deutschland arbeiten und in Frankreich Steuern zahlen, das bietet sich
aufgrund der fränzösischen Steuergesetze und den besseren Verdienstmöglichkeiten in Deutschland ja auch an. Ist meine Erfahrung.

knut
04.10.2017, 15:26
die situation in katalonien ist sicher nicht gleich wie in südtirol, aber ähnlich gelagert.
Ich habe nie in Südtirol gelebt, aber Freunde in Bozen und war auch sonst häufiger dort.
Ich finde -ohne allzutief drin zu stecken- die Situation und das Gefühl alles andere als vergleichbar. In Bozen merkt man auf Anhieb, dass hier zwei parallele Gesellschaften zusammen leben. Es geht ein ausgeprägter sprachlicher und kultureller Graben durch die Stadt, man ist irgendwie entweder im italienischen Teil oder im tiroler Teil der Stadt. Und der Graben ist auch in Grossmutters Küche bemerkbar. Hier wurde ganz klar eine deutlich andere Kulturregion angegliedert.
In Katalonien ist das anders. Man muss schon sehr genau hinschauen, um die Unterschiede festzustellen. Und diese sind sehr viel weniger historischer, als modern-politischer Natur. Es ist nicht ein Graben zwischen alteingesessenen Katalanen und Spanischen Neubürgern, sondern man fühlt sich entweder als Katalane oder nicht, relativ unabhängig von der eigenen historischen Familienkultur. Ein nicht unerheblicher Teil der Befürworter der Unabhängigkeit sprechen gar kein Katalan.

Auch war Katalonien seit dem Mittelalter nie ein unabhängiger Staat, mal von den kurzen Sezessionskriegen um 1700 abgesehen, als es für die Spanischen Reiche nach der offenen Tronfolge darum ging, sich entweder Österreich oder Frankreich zuzuwenden.




ich kann verstehen, dass die katalanen sich mehr unabhängigkeit und gestaltungsfreiheit wünschen. ich sehe, dass es von 2003-2010 verhandlungen mit dem spanischen staat zur erweiterung ihrer autonomie gab. das ergebnis wurde von barcelona angenommen, von madrid ersatzlos gekippt.
Das ist in der Tat der Kern des Pudels.


bis dahin waren die unabhängigkeitsbestrebungen in einer klaren minderheitenposition, nach dem letzten referendum sind sie wohl in der mehrheit.
Das bezweifle ich ehrlich gesagt. Selbst wenn die von der Generalitat verkündeten Zahlen stimmen sollten, ist die Mehrheit der Wähler zuhause geblieben. Da die Gegenseite aufgerufen hat, das illegale Referendum zu boykottieren und es angesichts der angespannten Lage am Wahltag auch klar sein dürfte, dass die Befürworter drastischer Veränderungen deutlich gewillter waren, sich dieser Situation auszusetzen, als die Leute, die zufrieden mit der jetzigen Situation sind.
Das Referendum an sich ist also bereits alles andere als ausgewogen.
Und ich persönlich zweifel stark an den veröffentlichten Zahlen. Bei dem Referendum war das elektronische Wählerregister deaktiviert, bei Stimmabgabe wurde die Passnummer per Hand auf Zetteln eingetragen. Jeder Wähler konnte überall wählen. Es war weder in allen Fällen klar, woher die Urnen kamen, noch wohin sie geliefert werden sollten. Die Auszählungsgremien waren lokal organisiert bzw. improvisiert. Stimmzettel durfen zuhause ausgedruckt und mitgebracht werden. Wahllokale wurden mehrfach relokalisiert.
Und trotzdem wurden noch vor Mitternacht alle Stimmen ausgezählt? Wo es bei deutschen Landtagswahlen mit reibungsloser und eingespielter Organisation meist nur zu Hochrechnungen reicht?
La Vanguardia berichtete wenige Minuten vor der Verkündigung des Ergebnisses durch die Generalitat, dass erst einige Hunderttausend Stimmzettel gezählt waren.



die verfassungsmäßige illegalität des referendums geht übrigends auf einen passus zurück, der die de facto ewige unteilbarkeit des spanischen staates vorsieht. ein derartiger artikel ist ein relikt aus den 19.Jh mit seinem nationendenken und mit meinem demokratieverständnis nicht vereinbar. ich frage mich außerdem, wie man eine offene befragung mit dem verweis auf unteilbarkeit verbieten kann, wenn man doch nicht weiß, ob tatsächlich die unabhängigkeit ergebnis der befragung sein wird?
Da sind wir dann grundlegend anderer Meinung. Demokratie kann meiner Meinung nach nur funktionieren, wenn man den Demos vorher genau definiert. Die gemeinsame Definition eines Volkes ist Grundvorraussetzung für eine Demokratie. So sehen es übrigens auch die Völkerrechte vor.
Ganz abgesehen davon steht ja auch am Ende der Abspaltung wieder ein unteilbares Land. Niemand will schliesslich, dass Katalunien abstimmt, und dann nur die Wahlkreise unabhängig werden, die dafür sind, in die Unabhängigkeit gehen und der Rest Spanisch bleibt.
Diese Doppelmoral finde ich persönlich seltsam. Gegenüber Spanien findet man, dass das nicht der eigene Staat sei und man nicht zur Solidarität gezwungen werden kann, innerhalb der neu zu definierenden Grenzen erwartet man aber genau das, nämlich dass die Minderheit sich der Mehrheit fügt.
Nein, der einzige richtige Weg in eine Sezession kann nur über den politischen Kompromiss erfolgen, wie das Schottland-Referendum ihn gegangen ist.



ich halte das vorgehen GB mit den schotten sehr viel eleganter und demokratischer. die schotten haben sich gegen die unabhängigkeit entschieden. Stimmt, volle Zustimmung.


das größte hindernis der europäischen integration ist der nationalstaat
Da sprichst Du mir völlig aus der Seele!



paramilitärischen einheiten
Das ist als Bezeichnung irreführen. Die Policia National (welche gegen die Menschenmassen eingesetzt wurde) ist ein reguläres Polizeiorgan. Hier wurde die Bereitschaftspolizei (irgendwie ist der englische Begriff Riot Police soviel zutreffender) dieses Organs eingesetzt.
Für die Verhaftungen der Bürgermeister etc. wurde die Guardia Civil, ein Gendarmerie-Organ, eingesetzt, die ganz ähnlich wie die französischen Gendarme oder die italienischen Carabinieri organisiert sind. Grob dem Militär zugeordnet und teilweise kaserniert, aber klar polizeiliche Aufgaben und Hoheiten ausfüllend.
Paramilitärisch nutzt man meist, um etwas anderes zu beschreiben. Zum Beispiel die SS.



der guardian (https://www.theguardian.com/commentisfree/2017/oct/02/catalans-independence-revolt-spain-independence-flags) formulierts etwa so:
There were thousands of riot cops on hand, on ships in the harbour. If Madrid had wanted to, it could have confiscated every ballot box within minutes and, for good measure, jammed the smartphone app the Catalan authorities were using to tally the results against the electoral roll.
So sehr ich den Guardian schätze, auch die gemässigte die Britische Presse urteilt gerne drastisch und leider auch realitätsfern.
Mit 6000 Bereitschaftspolizisten Wahlurnen in 4500 Wahllokalen binnen Minuten zu beschlagnamen, ist schlicht nichtmal möglich, wenn alle Polizisten The Flash wären. Zumal auch die Lagerungsstätten der Urnen geheim gehalten wurden und scheinbar häufig in Privathäusern waren. Bei uns um die Ecke wurden sie um 6 Uhr morgens mit einem Privatauto angeliefert -unter tobendem Beifall der Menschen, die die Schule übernacht besetzt hatten, um sie als Wahllokal offen zu halten.
Und die Spartphone-App, Worldpress-Abstimmungsseiten, Amazon-gehostete Seiten etc. wurden übrigens blockiert.




Vor allem der letzte Absatz von Ruprecht trifft es genau. Das Dulden der Vorgänge von europäischer Seite ist beschämend.
Das höre ich immer wieder und kann es nicht nachvollziehen. Die EU hat so klar sie kann Stellung bezogen (http://europa.eu/rapid/press-release_STATEMENT-17-3626_en.htm). Dieses ist glasklar eine innerspanische Angelegenheit, die von spanischer Seite mit keinerlei EU Gesetzen oder Regularien kollidiert.
Was soll die EU also tun, ausser den Konflikt an sich zu bedauern und die Gewalt strikt abzulehnen?




Weil es gerade irgendwie hierher passt (trotzdem natürlich nicht ganz vergleichbar):
In Kamerun findet seit vielen Monaten ein heftiger Konflikt statt, dessen Ursachen vor allem in den Zeiten der unseligen Kolonialzeit liegen. Auch hier geht es um Unabhängigkeitsbestrebungen, in dem Fall der englischsprachigen Regionen Kameruns.
Stimmt. Leider gilt immer noch "the world gives a shit about Afrika" und uns ist völlig egal, welche Probleme die Bleistiftstriche unserer Geographen auf irgendwelchen Landkarten immer noch verursachen.




Meiner Ansicht nach ist das Thema ein gutes Beispiel, wieso eigentlich lösbare Probleme aufgrund persönlicher Machtspielchen nicht gelöst werden wollen
Das sehe ich genauso



@Knut, ich sage aufrichtig Danke!


Informative Betrachtungen, hab ich gerne gelesen.
Freut mich.



Trotzdem bin ich gegen diese Abspaltungsspielereien. Sollen wir in Zukunft in einer Welt aus Stadtstaaten leben? Wenn es Barcelona dann zu anstrengend wird den Rest von Katalonien durchzufüttern spalten sie sich wieder ab?
Bei manchen geht die Grenzlinie dann schlussendlich durch's Ehebett. Alle terrotiorialen Einheiten sind grundlegend arbiträr.



man muss dazu sagen, dass deutschland als bundesland hier sehr viel föderaler aufgestellt ist, als etwa spanien oder frankreich oder italien. außerdem kulturell sehr viel homogener (mittlerweile, wie war das mit dem elsass?)
Die Region Katalonien geniesst in vielen Bereichen deutlich mehr Autonomie, als deutsche Bundesländer. Der Staat ist überraschend föderal und nicht mit Frankreich oder Italien zu vergleichen. Auch bezweifle ich stark, dass Deutschland kulturell homogener ist, als Spanien.



Edit: es ist echt erschreckend, wie die Situation politisch immer weiter eskaliert
https://elpais.com/elpais/2017/10/04/inenglish/1507126764_759516.html

renegade5569
04.10.2017, 15:56
Es gibt viel wichtigeres auf der Welt

Ruprecht
04.10.2017, 19:07
knut:
ad suedtirler parallelgesellschaften: haha, das hast du sehr schön erkannt.
ad mehrheiten beim referendum: du hast recht, es ist müßig darüber zu spekulieren, das referendum hat leider keinerlei aussagekraft. dass sich barcelona für weitere schritte darauf berufen wird, schwächt ihre position ungemein.
ad paramilitär u guardia civil: die bezeichnung paramilitär ist richtig und angebracht. siehe https://de.m.wikipedia.org/wiki/Paramilitär
u lt amnesty international auch beim referendum beteikigt https://www.amnesty.org.uk/press-releases/catalan-referendum-dangerous-use-force-spanish-police-confirmed-amnesty?utm_source=TWITTER&utm_medium=social&utm_content=20171003183500&utm_campaign=UK%20-%20CAMP&post_ID=1098648001
solche einheiten sind immer sehr problematisch was gewaltenteilung angeht.
ad eu stellungnahme: haha ein magerer feigenblattsatz zur polizeigewalt?
ad ehebett: leben heißt radikale einsamkeit. hab ich mal gelesen. darf sich skip. auf den rucksack sticken.

edit: oh nein, jetzt schreib ich sowas schlimmes übers leben u dann läuft hanekes liebe im tv u ich muss gleich heulen..

subtleplague
04.10.2017, 19:49
subtle: ich weiß, ich propagiere auch nicht die unabhängigkeit als die allein seelig machende lösung. man muss dazu sagen, dass deutschland als bundesland hier sehr viel föderaler aufgestellt ist, als etwa spanien oder frankreich oder italien. außerdem kulturell sehr viel homogener (mittlerweile, wie war das mit dem elsass?)

zu "echtem" widerstand: die katalanen haben sich anders als etwa die basken oder die iren bisher stets gegen gewalt als mittel des widerstands entschieden. ich wünsche mir, es bleibt dabei und ein bloody sunday bleibt aus, wenn puigdemont die unterstützung des parlaments erhält und demnächst die unabhängikeit ausruft.

Ich habe jetzt mal etwas hintergründe gelesen (oder war das hier?). Letzlich ist es der schnöde mammon bei beiden seiten, denn wenn man den Katalanen die selbe selbstverwaltung wie den Basken zugestünde, würde einiges im Zentralbudegt fehlen. da die Basken 6% und Katalonien 20% des BIP ausmachen und nettozahler sind. Ironischerweise benachteiligt die regionale Umverteilung auch die Region Madrid, und da beschwert sich niemand. Das ist ähnlich wie in Bayern, die bis in die späten 80er bezahlt wurden und nun keine Lust mehr auf Solidargemeinschaft haben. Daher auch diese "urplötzliche" Entwicklung erklärbar, denn in der Wirtschaftskrise werden Egoisten, Populisten etc. schon aus purer Not nach oben gespült. Die Zentralregierung ist sicher kein Unschuldslamm in punkto Geld in dieser Gleichung mit vielen Bekannten, aber die plötzliche Erkenntnis der eigenen katalanischen Kultur in einer Phase finanzielle Enge hat einen schalen Beigeschmack m. E.
Letzlich liesse sich ein Kompromiss finden wenn man wollte. Sicherlich noch leichter wenn es nur um Kultur und Autonomie und weniger um Geld ginge. :)
Da hört auch bei Zorro die Freundschaft auf :D

knut
04.10.2017, 19:54
ad paramilitär u guardia civil: die bezeichnung paramilitär ist richtig und angebracht. siehe https://de.m.wikipedia.org/wiki/Paramilitär
Richtig? Ja, sicher. Aber angebracht? Warum hast Du die Bezeichnung verwendet? Vermutlich, um eine gewisse Grundstimmung des Wortes zu nutzen.
Niemand käme auf die Idee zu schreiben "Paramilitärische Einheiten verhaften Mafiosi" oder "Paramilitärische Einheiten führen vermehrt Alkoholkontrollen durch". Nein, der Begriff wird verwendet, wenn er dem Narrativ nutzt.
Dabei war die Bereitschaftstruppe der Policia National ohne Frage das richtige Organ für den Einsatz. Das ist eine nationale Bereitschaftspolizei ganz ähnlich wie die entsprechenden Truppen der deutschen Bundespolizei. Die eigentlich nichts anderes sind, nur eben aufgrund der Organisationsstrukturen nicht paramilitärisch.
Selbst der Corpo Forestale, der in Italien Aufgaben im Forst- und Umweltschutz übernehmen, ist de facto paramilitärisch. Dabei werden die meisten Beamten dieses Organs nicht mal an der Waffe ausgebildet. "Paramilitärische Einheiten führen Infokampagne zur Waldbrandgefahr durch" klingt dann arg seltsam, oder nicht?



ad eu stellungnahme: haha ein magerer feigenblattsatz zur polizeigewalt?

Ich bin nicht ganz sicher, was Leute da erwarten. Diplomatische Stellungsnahmen sind immer extrem knapp, bestehen aus sehr sorgfältig gewählten Worten mit klar definierten Inhalten und Aussagen. Im Spektrum diplomatischer Stellungnahmen war das eine glasklare Mißbilligung.
Alles weitere ist Blabla für die Presse, kommend von einzelnen Politikern um die Mediale Maschine zu füttern, aber niemals offizielle Stellungsnahme von Staaten oder Staatenbunden.
Aber vielleicht hätte man ja lieber, dass der Präsident der Kommission stundenaktuell irgendwas mit #prayforBCN twittert. Politische Kommunikation nach dem Vorbild des grossen Bruders über'm Teich?




Da hört auch bei Zorro die Freundschaft auf :D
Hört bei Zorro nicht schon die Feundschaft bei massenproduzierten Müsliriegeln auf?
Ansonsten stimme ich Dir zu. Von aussen betrachtet fällt es schwer, die Hauptmotivation des Geldes nicht moralisch zu beurteilen.



P.S.: könnte jemand bitte die Beiträge rund um das Katalonische Referendum in einen separaten Thread packen. Ich glaube, diese Diskussion hat es nicht verdient, im Frust-Ablassen-Thread zu versauern.

klar
04.10.2017, 20:08
Vielen Dank Knut & Ruprecht, in der Tat sehr informativ und interessant :)



"the world gives a shit about Afrika" und uns ist völlig egal, welche Probleme die Bleistiftstriche unserer Geographen auf irgendwelchen Landkarten immer noch verursachen.


Wenn wir schon dabei sind, ich bin dieses Jahr in Argentinien doch auch etwas erschrocken über die Eskalation des zwar noch eher regional-patagonischen aber wachsenden, bzw eigentlich schon lange auf dem ganzen Kontinent schwelenden, Konflikts zwischen der indigenen Bevölkerung/deren Nachkommen/deren Unterstützern und dem Staat bzw ausländischen Firmen und Großgrundbesitzern. Andere Skala von Problem, aber ebenfalls ein sehr kompliziertes, für dessen Lösung es auch keine so richtig tollen Vorbilder anderswo zu geben scheint..
https://www.theguardian.com/world/2017/aug/08/argentina-santiago-maldonado-benetton-missing-activist
http://www.lanacion.com.ar/2059233-conflicto-mapuche-la-disputa-interminable-que-inquieta-a-chile

Dazu und allgemein zu den von den Kolonialmächten hinterlassenen Problemen in Südamerika ist wohl das hier das einschlägige Buch zum einlesen (https://static.telesurtv.net/filesOnRFS/news/2015/04/13/las_venas_abiertas_de_amxrica_latina.pdf).

la sun
05.10.2017, 08:01
P.S.: könnte jemand bitte die Beiträge rund um das Katalonische Referendum in einen separaten Thread packen. Ich glaube, diese Diskussion hat es nicht verdient, im Frust-Ablassen-Thread zu versauern.


done

Ruprecht
05.10.2017, 10:06
imho ausgewogener gastkommentar in der nzz: klick (https://www.nzz.ch/meinung/gewaltspirale-in-spanien-verhindern-ld.1320157)

Die spanische Regierung kann sich nicht ewig hinter der formalen Rechtsstaatlichkeit verstecken, solange sie keine ernstgemeinten Möglichkeiten anbietet, das Verhältnis zwischen Madrid und Barcelona neu zu verhandeln. Madrids jüngste Drohung, die Reste der Autonomie aufzuheben, bringt vielmehr die autoritären Tendenzen der konservativen Kräfte zum Ausdruck, die unbehagliche Erinnerungen an Spaniens Vergangenheit wecken. Mehr Repression und Polizeigewalt lassen den Konflikt weiter ausser Kontrolle geraten und machen ihn letztlich zu einer europäischen Angelegenheit. Die politische Gemeinschaft Europas ist gut beraten, sich sofort einzumischen, um zu verhindern, dass sich die Spirale der Gewalt noch weiterdreht.

renegade5569
05.10.2017, 10:50
Erinnert mich sehr an Yugoslawien damals.....

Die Gründe sind ähnlich. Die kroatische Küste als Geldmaschine, das serbische Hinterland als Profiteur.

Trotzdem was haben die Katalanen davon? Eine starke wirtschaftliche Schwächung wird die Folge sein.
Der Austritt aus der EU. Ein Eintritt nur mit Genehmigung Madrids (Vetorecht).
Darf der FC Barcelona dann noch in der spanischen Liga mitspielen? Egal ob Fuß-, Hand- oder Basketball?

knut
05.10.2017, 11:01
done
Danke.


imho ausgewogener gastkommentar in der nzz: klick (https://www.nzz.ch/meinung/gewaltspirale-in-spanien-verhindern-ld.1320157)
Was ist daran ausgewogen, wenn nur eine Seite betrachtet wird?

Dabei Stimme ich der Meinung ansonsten voll und ganz zu. Genausowenig kann sich aber Puigdemonts Regierung dauerhaft hinter dem Referendum verstecken. Man kann nicht von Madrid Verhandlungen verlangen und im selben Atemzug klarstellen, dass an deren Ende ein unabhängiger Katalanischer Staat stehen muss.
Im Moment arbeiten beide Seiten mit vollem Eifer an der weiteren Eskalation der Situation.

Ich finde, Guy Verhofstadt sieht die Sache ziemlich richtig (auch wenn ich seine Art nicht mag):

https://youtu.be/EG-qnrlVQSQ



Eine starke wirtschaftliche Schwächung wird die Folge sein.
Der Austritt aus der EU. Ein Eintritt nur mit Genehmigung Madrids (Vetorecht).
Darf der FC Barcelona dann noch in der spanischen Liga mitspielen? Egal ob Fuß-, Hand- oder Basketball?
Diese Stimmen der Vernunft werden meist weggewischt. Entweder findet man, dass man das alles nachher noch regeln kann. Das wichtigste sei, erstmal die Unabhängigkeit zu erlangen und dann schaut man weiter. Oder man glaubt erst gar nicht dran. Alles Angstmacherei. Oder beides.

Der FC Barcelona ist da bestes Beispiel. Die populärste Meinung ist die, dass der FC Barcelona stark genug wäre, um in jeder europäischen Liga zu spielen. Die Französische, Deutsche oder Englische Liga werden schon daran interessiert ein, den Club aufzunehmen und man müsste sich nur aussuchen, wo man am liebsten spielt. Das wird einfach so geglaubt, Fakten irritieren da nur.


Insgesamt halte ich viele moderne, politische Krisen für Glaubenskrisen. Früher hat man den Experten (auch den politischen) mehr zugetraut und weniger Geglaubt und Fakten getrotzt.
Da frage ich mich als vehementer Atheist manchmal wirklich, ob der Niedergang der Religion in der westlichen Welt wirklich so eine gute Sache ist. Anscheinend wird ja Glauben nicht durch Wissen ersetzt, sondern man glaubt nur anderes. Wäre es nicht besser, wenn die Menschen an die Jungfrau Maria und den heiligen Geist glauben, anstatt an machthungrige, verschworene Eliten, eingeimpften Autismus oder Homöopathie?

knut
05.10.2017, 11:02
*Werk des ominösen Doppelpostbugs beseitigt*

renegade5569
05.10.2017, 12:22
Ich persönlich sehe Religion als das, was den Menschen am meisten Übel gebracht hat und bringt, egal auf welchem Kontinent.
Auch wenn Religion an sich eine gute Sache ist, so lange es keine Staatsrelgion ist und nur dem persönlichen dient.

Ich würde Wort das Glauben hier aber durch Stolz ersetzen. Der Stolz/Ehre der Südländer. Denn der Katalone ist aufgeklärt. Ich denke 99%
glauben nicht mehr daran, dass die Welt in sieben Tagen entstanden ist.
Manchmal vermute ich, je mehr Sonne der Mensch abbekommt, desto stolzer wird er. Ob das dann doch mit dem etwas stärker
ausgeprägten Glauben zu tun hat? Dann würden sogar Sonne, Stolz/Ehre und Glauben in Korrelation stehen (da muss ich mal nach Untersuchungen googeln).


Im Spiegel: (http://www.spiegel.de/einestages/jugoslawien-krieg-antworten-auf-die-wichtigsten-fragen-a-1099538.html) Viel spricht für die These, dass die ethnischen Spannungen nicht die Ursache, sondern die Folge des Zerfalls Jugoslawiens waren. Es war keineswegs eine natürliche und unvermeidliche Entwicklung, die dazu führte, dass sich diese Spannungen im Krieg entluden. Vielmehr waren es führende Politiker, die bewusst gewaltbereite Nationalisten Angst und Hass schüren ließen und so einen Krieg in Kauf nahmen.
Hoffen wir mal, dass sich die Politiker in Spanien zusammen setzen und friedlich den Konflikt lösen.

Ps zu Südtirol. Als wir im Grödnertal waren, fiel mir auf, dass die Einwohner Wolkenstein meinten: "da kommen die Italiener". Deutlicher geht es nicht.
Sagen das die Katalonen auch? Da kommen die Spanier?

Ruprecht
05.10.2017, 12:33
knut, sei versichert, dass der kommentar so einseitig nicht sein kann, wenn du damit übereinstimmst. ;)


Trotzdem was haben die Katalanen davon? Eine starke wirtschaftliche Schwächung wird die Folge sein.
Der Austritt aus der EU. Ein Eintritt nur mit Genehmigung Madrids (Vetorecht).
Darf der FC Barcelona dann noch in der spanischen Liga mitspielen? Egal ob Fuß-, Hand- oder Basketball?
1. ich und jesus behaupten, der mensch lebt nicht vom brot allein. (was mich freut, denn es beweist, dass mein idealismus langsam wiederkehrt.)
2. die sache mit dem EU austritt und jahrelangen beitrittsverhandlungen halte ich für alles andere als ausgemacht. es gibt praktisch keinen vergleichbaren fall und ebensowenig ein standardprozedere. (vielleicht sollte man sich darum mal kümmern, um solche fälle zukünftig weniger konfliktreich zu lösen?) wenn spanien katalonien als eigenen staat nicht anerkennt, wie soll es dann seinen staatsbürgern die staatsbürgerschaft entziehen? warum sollte die EU daran interessiert sein, die katalanen, welche weiterhin bei der EU bleiben wollen, auszuschließen, während man die briten, welche nicht mehr dabei sein wollen, unbedingt halten will? (hier kann man sicher berechtigt einwenden: um ähnliche fälle in den eigenen staaten zu verhindern. ein interesse der nationalstaaten also und weniger ein EU interesse. diese argumentation will ich mir nicht zu eigen machen.) ist restspanien dann noch EU-mitglied? muss hier auch verhandelt werden? warum sollte spanien langfristig daran interessiert sein, eine EU außengrenze zu haben, zumal entlang einer wichtigen handelsroute und zu einem wichtigen handelspartner? ist die aktuelle grenzziehung das ende der geschichte? sollte ich auf den umbau meiner alten wohnung verzichten, weil ich nicht weiß, wo die alten wasserleitungen verlaufen und wohin ich die neuen verlegen muss? ist das nicht eine schrecklich konservative, satte und faule sicht der dinge?
3. warum sollte der fc barcelona nicht weiter in einer erweiterten spanischen liga spielen sollen? die bozner eishockey mannschaft spielt zb. auch nicht mehr in der italienischen liga, sondern in einer österreichisch, ungarischen, kroatischen, tschechischen spielvereinigung.

Ruprecht
05.10.2017, 12:55
Ps zu Südtirol. Als wir im Grödnertal waren, fiel mir auf, dass die Einwohner Wolkenstein meinten: "da kommen die Italiener". Deutlicher geht es nicht.
Sagen das die Katalonen auch? Da kommen die Spanier?
haha, die sagen aber auch, "da kommen die deutschen." bloß nicht zu dir wahrscheinlich ;) das ist nur ausdruck der hassliebe zu den touristen, welche den bauernsohn zum hotelier gemacht haben.

Elschto
05.10.2017, 14:03
haha, die sagen aber auch, "da kommen die deutschen." bloß nicht zu dir wahrscheinlich ;) das ist nur ausdruck der hassliebe zu den touristen, welche den bauernsohn zum hotelier gemacht haben.

Frei nach Heinrich Heine:

Die Tiroler sind schön, heiter, ehrlich, brav, und von unergründlicher Geistesbeschränktheit. Sie sind eine gesunde Menschenrasse, vielleicht weil sie zu dumm sind, um krank sein zu können. Auch eine edle Rasse möchte ich sie nennen, weil sie sich in ihren Nahrungsmitteln sehr wählig und in ihren Gewöhnungen sehr reinlich zeigen; nur fehlt ihnen ganz und gar das Gefühl von der Würde der Persönlichkeit.
Der Tiroler hat eine Sorte von lächelndem humoristischen Servilismus, der fast eine ironische Färbung trägt, aber doch grundehrlich gemeint ist. Die Frauenzimmer in Tirol begrüßen dich so zuvorkommend freundlich, die Männer drücken dir so derb die Hand, und gebärden sich dabei so putzig herzlich, daß du fast glauben solltest, sie behandelten dich wie einen nahen Verwandten, wenigstens wie ihresgleichen; aber weit gefehlt, sie verlieren dabei nie aus dem Gedächtnis, daß sie nur gemeine Leute sind, und daß du ein vornehmer Herr bist, der es gewiß gern sieht, wenn gemeine Leute ohne Blödigkeit sich zu ihm herauflassen. Und darin haben sie einen naturrichtigen Instinkt; die starrsten Aristokraten sind froh, wenn sie Gelegenheit finden zur Herablassung, denn dadurch eben fühlen sie, wie hoch sie gestellt sind. Zu Hause üben die Tiroler diesen Servilismus gratis, in der Fremde suchen sie auch noch dadurch zu lukrieren. Sie geben ihre Persönlichkeit preis, ihre Nationalität. Diese bunten Deckenverkäufer, diese muntern Tiroler Bua, die wir in ihrem Nationalkostüm herumwandern sehen, lassen gern ein Späßchen mit sich treiben, aber du mußt ihnen auch etwas abkaufen. [..]




Ich bin gespannt wie es in Spanien weitergeht. Der Konflikt schwelt ja bereits länger. In Katalonien wurde bereits vor einigen Jahren der Stierkampf verboten (aus Tierschutzgründen), allerdings erzählen einem die Leute, dass der inoffizielle Grund war, dass er als spanisches Kulturgut angesehen wird. Sie stapeln lieber Leute....

Ruprecht
05.10.2017, 14:28
Frei nach Heinrich Heine:
Die Tiroler sind schön, heiter, ehrlich, brav, und von unergründlicher Geistesbeschränktheit.
ja das gab man mir schon öfters zum lesen. meist kams von leuten, die vorher dachten, heine wäre ein schlagersingender albino. abgesehen davon, kann meinen einen wahren kern in der aussage nicht leugnen..^^

renegade5569
05.10.2017, 14:29
haha, die sagen aber auch, "da kommen die deutschen." bloß nicht zu dir wahrscheinlich ;) das ist nur ausdruck der hassliebe zu den touristen, welche den bauernsohn zum hotelier gemacht haben.

Ich bin ja auch Deutscher. Sie selber sind aber nun mal lt. Pass Italiener .


knut, sei versichert, dass der kommentar so einseitig nicht sein kann, wenn du damit übereinstimmst. ;)

1. ich und jesus behaupten, der mensch lebt nicht vom brot allein. (was mich freut, denn es beweist, dass mein idealismus langsam wiederkehrt.)
2. die sache mit dem EU austritt und jahrelangen beitrittsverhandlungen halte ich für alles andere als ausgemacht. es gibt praktisch keinen vergleichbaren fall und ebensowenig ein standardprozedere. (vielleicht sollte man sich darum mal kümmern, um solche fälle zukünftig weniger konfliktreich zu lösen?) wenn spanien katalonien als eigenen staat nicht anerkennt, wie soll es dann seinen staatsbürgern die staatsbürgerschaft entziehen? warum sollte die EU daran interessiert sein, die katalanen, welche weiterhin bei der EU bleiben wollen, auszuschließen, während man die briten, welche nicht mehr dabei sein wollen, unbedingt halten will? (hier kann man sicher berechtigt einwenden: um ähnliche fälle in den eigenen staaten zu verhindern. ein interesse der nationalstaaten also und weniger ein EU interesse. diese argumentation will ich mir nicht zu eigen machen.) ist restspanien dann noch EU-mitglied? muss hier auch verhandelt werden? warum sollte spanien langfristig daran interessiert sein, eine EU außengrenze zu haben, zumal entlang einer wichtigen handelsroute und zu einem wichtigen handelspartner? ist die aktuelle grenzziehung das ende der geschichte? sollte ich auf den umbau meiner alten wohnung verzichten, weil ich nicht weiß, wo die alten wasserleitungen verlaufen und wohin ich die neuen verlegen muss? ist das nicht eine schrecklich konservative, satte und faule sicht der dinge?
3. warum sollte der fc barcelona nicht weiter in einer erweiterten spanischen liga spielen sollen? die bozner eishockey mannschaft spielt zb. auch nicht mehr in der italienischen liga, sondern in einer österreichisch, ungarischen, kroatischen, tschechischen spielvereinigung.

1. Wenn der Menschen kein Brot mehr hat, wird er ungemütlich und wählt AfD z.B.. Von Luft, Liebe und Idealismus alleine ist noch keiner satt geworden.

2. Das steht in den Satuten. Für Restspanien gilt der Vertrag, für Katalonien als Neustaat nicht. Das muss erst aufgenommen werden. Jedes
Mitglied hat ein Vetorecht. Soweit ich weiß, muss die Aufnahme einstimmig genehmigt werden. Und ein Land kann austreten, darf aber nicht rausgeschmissen werden.
Auf der einen Seite Unabhängigkeit, aber natürlich mit spanischem Pass, ist besser wegen der EU und der Wirtschaft. Und in Katalonien darf nur noch Katalonisch
gesprochen werden! Ich suche mir einfach das Beste heraus. Das nennt man nicht Kompromiss. Höchstens einen faulen. Ohne den geht es nicht. Was ist denn
das für eine Unabhängigkeit? Das wird sich Madrid nicht bieten lassen. Was ich ehrlich gesagt auch nachvollziehen kann. Würde ich mir im Privaten auch nicht bieten
lassen.

3. Wenn Sie dort weiterhin spielen dürfen. Vielleicht will das der Rest Spaniens nicht. Das wird sich zeigen, wenn es soweit ist.

knut
05.10.2017, 15:03
2. die sache mit dem EU austritt und jahrelangen beitrittsverhandlungen halte ich für alles andere als ausgemacht. es gibt praktisch keinen vergleichbaren fall und ebensowenig ein standardprozedere.

Es gibt die Regularien und Verträge, auf denen die EU aufgebaut und gegründet wurde. Und da stehen einige dieser Sachen ziemlich klar drin. Die meisten Deiner Unklarheiten sind eigentlich ziemlich klipp und klar geregelt.

Wie z.B. Artikel 52 TEU, der klar definiert, welche Mitgliedsstaaten die EU bilden. Katalonien steht da nicht drin, aber Spanien sehr wohl. Die Region Katalunien ist somit glasklar nur über die Eingleiderung in den Staat Spanien EU-Mitglied.

Aktikel 1 TEU beinhaltet übrigens folgende Passage:

The Union shall respect the equality of Member States before the Treaties as well as their national identities, inherent in their fundamental structures, political and constitutional, inclusive of regional and local self-government. It shall respect their essential State functions, including ensuring the territorial integrity of the State, maintaining law and order and safeguarding national security.
Das ganze hat im Prinzip Verfassungsrang.
(hier finden sich auch die Gründe, warum die EU gar nicht anders kann, als diese Innerspanische Angelegenheit bedächtig zu kommentieren. Es ist ihr auf Verfassungsebene verboten, Stellung zu beziehen. Nur so nebenbei)

Ein neu gegründetes Katalonien muss also zwingend neu hinzu gefügt werden. Dazu muss Katalonien zuallererst das Kriterium erfüllen, ein anerkannter Staat zu sein. Also am besten Mitglied der UN. Da wird's dann schon direkt schwierig, weil das eine 2/3 Mehrheit der UN-Generalversammlung braucht und die Zustimmung der Vetomächte. Frankreich z.B. würde sich da genauso schwer tun (wg. Korsika sowie den eigenen Katalanischen und Baskischen Territorien), wie z.B. das UK.

Weiterhin müssen nicht nur alle EU Mitglieder zustimmen, sondern auch die Stabilitäts- und Demokratiekriterien erfüllt werden. Eine Verfassung zu erstellen, ist bereits kein Ding, dass man mal eben schnell macht. Schon gar nicht im Katalonischen Regionalparlament, wo die Separatistenkoalition nur eine knappe Mehrheit hat.

Und dann wäre da noch der Euro. Mitglied im Euro-Raum sein, kann nur wer Mitglied in der EU ist. Und sämtliche Kriterien der Währungsunion erfüllt, wie z.B. eine nationale Notenbank und die Stabilitätskriterien.
Man könnte jedoch, wie z.B. Andorra oder der Vatikan, den Euro als Währung nutzen, ohne Mitglied der Eurogruppe zu sein. Dafür bräuchte es aber das Einverständnis der Eurogruppe, die klar gemacht hat, dass dieses kein valides Instrument für grössere, diversifizierte Ökonomien ist und ziemlich sicher nicht zustimmen würde. Ganz abgesehen davon, dass Katalonien nicht Teil der Schutzmechanismen der Eurozone wäre.
Man könnte den Euro auch ohne Zustimmung nutzen. Aber dann wäre man auf Devisenfluss angewiesen um die Geldmenge zu beeinflussen. Auch würde das gegen die TEU laufen, und den Wiedereintritt in die EU massiv erschweren.


Es gibt also relativ viel Klarheit darüber, wie die Situation eines Kataloniens nach unilateraler Sezession in der EU wäre. Nur glauben die meisten Leute, dass die EU da schon irgendwie einlenken würde und die Regularien sowieso nichts als Schall und Wind sind, so denn der politische Wille da ist.
Ein seltsames Vertrauen in die Fürsorge durch die EU, meist genau von den Leuten, die finden, dass die EU gar nichts für den kleinen Mann täte. Aber Glaube ist eben häufig schizophren.



warum sollte die EU daran interessiert sein, die katalanen, welche weiterhin bei der EU bleiben wollen, auszuschließen?
Ok, ignorieren wir mal den oben beschriebenen Fakt, dass es sich gar nicht um einen aktiven Ausschluss handelt, weil Katalonien als separater Staat nun mal de facto kein Mitglied der EU ist. Selbst wenn das nicht wäre, hätte die EU immer noch das Interesse, die Integrität der EU zu wahren. Das heisst sowohl die Beziehung zum Mitgliedsstaat Spanien wie auch die Zersplitterungskräfte in anderen EU-Ländern.


ist restspanien dann noch EU-mitglied?
Ohne Zweifel: Ja.


spanien katalonien als eigenen staat nicht anerkennt, wie soll es dann seinen staatsbürgern die staatsbürgerschaft entziehen?
Muss es das? Will es das? Ich sehe keinen Grund, warum Spanien den in Katalonien lebenden Staatsbürgern die Staatsbürgerschaft entziehen wollen würde. Das wären einfach Spanier im Ausland. Allerdings kann Spanien den Erhalt der Staatsbürgerschaft an die Bedingung knüpfen, dass die Katalanische nicht angenommen werden darf.


warum sollte spanien langfristig daran interessiert sein, eine EU außengrenze zu haben
Ist es nicht. Einer der vielen Gründe, warum man gegen die Unabhängigkeit Kataloniens ist.



warum sollte der fc barcelona nicht weiter in einer erweiterten spanischen liga spielen sollen?
Ausser dem Einverständnis der Spanischen Liga sehe ich da auch keine Hindernisse. Aber ich persönlich verstehe auch nicht, wie das überhaupt ein für die Entscheidung über die Unabhängigkeit relevantes Thema sein kann.



Ps zu Südtirol. Als wir im Grödnertal waren, fiel mir auf, dass die Einwohner Wolkenstein meinten: "da kommen die Italiener". Deutlicher geht es nicht.
Sagen das die Katalonen auch? Da kommen die Spanier?
Nein, nicht das ich wüsste. Man sieht die Spanier auch nicht so einheitlich, sondern würde Menschen aus anderen Teilen Spaniens als Madrilenen, Basken, Analusier etc. bezeichnen. Südamerikane schert man eher über einen Kamm, aber auch da wird häufig gut unterschieden.

Der Konflikt ist auch nicht wirklich zwingend zwischen den Menschen, sondern schwelt rein auf politischer Ebene. Man ist gegen das politische System Spaniens, aber nicht zwingend gegen dessen Bewohner. Wohl keiner der für die Unabhängigkeit Eintretenden würde wohl auf die Idee kommen, Sprüche los zu lassen, wie "Wir machen unsere Katalanen selber". Rassismus spielt in dem Konflikt eine sehr unbedeutende Rolle.

klar
05.10.2017, 18:05
Ruprecht, zu welcher Nation würde der/ie gemeine SüdtirolerIn denn gern gehören, wenn er/sie es sich aussuchen könnte? Österreich, Italien, oder inzwischen vielleicht doch am liebsten komplett unabhängig? Warum?

Und zur zitierten Tiroler Geistesbeschränktheit, ich stelle immer wieder fest, wie viel die Sprache bzw der Dialekt für das Identitätsempfinden (das eigene und das von anderen Leuten, die inhaltsunabhängig in der richtigen bzw falschen Sprachfärbung etwas von sich geben) ausmachen kann. Ich weiß nicht, ob das eine Besonderheit der Tiroler ist, wenn konfrontiert mit den Deitschen bzw den Ostösterreichern (tausche Wien gegen Südtirol! Andreas Hofer 4eva), oder ob das beispielsweise den Katalanen auch so geht. Wenn man die entsprechende Sprache nicht zumindest halbwegs beherrscht, merkt man das meist überhaupt nicht, weil eben beispielsweise der Tiroler dann tendenziell das oben zitierte Verhalten an den Tag legt, weil das macht man halt so mit den Deitschen, bzw den Wienern (was ist eigentlich schlimmer? ich weiß es nicht) und dann zerreißt man sich hinterher drüber das Maul, weil mia san mia.

Ruprecht
06.10.2017, 07:36
Das wird sich zeigen, wenn es soweit ist.
das ist wohl so, wahrscheinlich werden viele der fragen in den nächsten jahren geklärt, über die wir hier spekulieren.

knut: ich sehe hier jetzt keine unüberwindbaren hindernisse, die mit etwas politischem willen lösbar wären und wie gesagt, ich sehe auch wenig gründe, warum die EU oder spanien interesse an einer mittel- oder langfristig ausgeschlossenen verwaltungseinheit im EU Kerngebiet haben sollten..

außerdem, knut, möchte ich also folgendes feststellen:
1. du kennst die situation in spanien/katalonien sehr viel besser als ich, wovon ich allerdings bereits ausging, als ich drei tage gezögert hab, auf deinen frust-ablassen-post zu reagieren, obwohl mir das thema unter den fingernäglen brennt. ;)
2. aus deinem wissen konnte ich sehr viel neues für mich ableiten und einiges altes bestätigen.
3. wir sind uns offensichtlich über den prozess zur idealen lösung der frage einig, wahrscheinlich aber weniger übers ergebnis.
4. du legst gern maßstäbe aus harten wissenschaften (irgendwie hab ich dich als wissenschaftler eingestuft, biologe vielleicht, ich weiß nicht woher ich das hab ^^) auf ein weiches feld wie politik und sozialwissenschaften an. das klappt imho nur unzureichend.

klar: der gemeine südtiroler möchte, dass alles bleibt wie es ist, weil das aktuell ausgehandelte system unterm strich frieden und wohlstand gebracht hat. das thema unabhängigkeit wird zumindest in der parteipolitischen landschaft zu 100% von rechtspopulistischen parteien besetzt, welche wahlweise zurück zu österreich wollen oder einen neuen staat mit dem alten system der sprachgruppentrennung. ein inklusives modell zur unabhängigkeit analog zu katalonien oder schottland vertritt bis dato keine partei.

knut
06.10.2017, 08:57
knut: ich sehe hier jetzt keine unüberwindbaren hindernisse, die mit etwas politischem willen lösbar wären und wie gesagt, ich sehe auch wenig gründe, warum die EU oder spanien interesse an einer mittel- oder langfristig ausgeschlossenen verwaltungseinheit im EU Kerngebiet haben sollten..
Unüberwindbare Hindernisse sehe ich ebenfalls keine, auch wenn es viele Hürden zu überwinden gäbe.
In meinen Augen scheitert es am politischen Willen. Katalonien hat mit seinem Einseitigen und teils illegalem Vorgehen viel Porzellan zerschlagen. Und wenn es den eingeschlagenen Weg fortsetzt, wartet noch genug Porzellan für dutzende Polterabende auf's Zerschlagen und die Möglichkeit einer einvernehmlichen Lösung rückt noch mehr in die Ferne.
Und umgekehrt glaube ich, dass man sehr überrascht sein wird, sollte man es schaffen, den einvernehmlichen Weg zu einem legalen und korrekten Referendum ähnlich wie in Schottland einzuschlagen. Denn ich persönlich glaube, dass dann die Unabhängigkeitsbefürworter wieder in der Minderheit sein werden.
Die Zustimmung für die Abspaltung ist mMn nur aufgrund der hochkochenden Emotionen auf einem Allzeithoch. Und diese Emotionen werden von der Katalanischen Regierung auch gezielt hoch gekocht.



du kennst die situation in spanien/katalonien sehr viel besser als ich,
Kunststück, ich lebe ja auch momentan in Barcelona :D



aus deinem wissen konnte ich sehr viel neues für mich ableiten und einiges altes bestätigen.
Das freut mich sehr. Beides.


wir sind uns offensichtlich über den prozess zur idealen lösung der frage einig, wahrscheinlich aber weniger übers ergebnis.
Das scheint mir auch so. Wobei meine Zustimmung zu einem Unabhängigkeitsprozess auch wesentlich höher wäre, wenn ich den Eindruck hätte, dass eine große Mehrheit der Katalanen für die Unabhängigkeit wäre. Ich habe aber eher den Eindruck, dass hier eine Minderheit -wenn auch eine starke- soviel Wind macht, dass sie stärker erscheint, als sie ist.
Besonders aus diesem Grund befürworte ich ein reguläres Referendum.


du legst gern maßstäbe aus harten wissenschaften (irgendwie hab ich dich als wissenschaftler eingestuft, biologe vielleicht, ich weiß nicht woher ich das hab ^^) auf ein weiches feld wie politik und sozialwissenschaften an. das klappt imho nur unzureichend.
Hah, ertappt :D
Aber wäre die Welt nicht besser, wenn man es könnte und mehr Logik in den Themen von Politik und Gesellschaft vorherrschen würde? ;)
Und: Biologe stimmt. Hast Du vielleicht hier im Forum oder auf PG mal überlesen.

wanderer
06.10.2017, 09:43
---

Ruprecht
06.10.2017, 09:58
wanderer, wer kosten und effizienz in seiner werteordnung so weit oben einreiht wie du, sollte sich schleunigst vom gesellschaftssystem westlicher demokratien verabschieden und sich mal in china umsehn und sich wundern, wie schnell sachen vorangehn, wenn die partei will, wofür europäische staaten jahrzehnte brauchen. obacht auf den schuss ins knie.
aber dein ökonomischer konservatismus verwundert mich nicht, wenn ich lese, wie schwer du dich tust, dich von einer bindung oder einem ski oder einem rucksack zu verabschieden, weils das entsprechende modell nicht mehr gibt. :p

wanderer
06.10.2017, 10:08
---

Ruprecht
06.10.2017, 10:40
Aber wäre die Welt nicht besser, wenn man es könnte und mehr Logik in den Themen von Politik und Gesellschaft vorherrschen würde? ;)

es hat unbestreitbar einen gewissen reiz. es erinnert mich an die technokratenregierung von mario monti vor einigen jahren in italien als reaktion auf das römische politchaos und den immer weiter steigenden spread auf italienische staatsanleihen. wurde irgendwann dann doch etwas beunruhigend.

wanderer
06.10.2017, 11:29
---

Ruprecht
06.10.2017, 12:06
Eine Regierung wird nicht kompetent dadurch, und nicht gemeinwohlorientiert dadurch, dass irgendwer (der vielleicht seine eigenen Interessen verfolgt) sie "Technokratenregierung" nennt. Vielleicht nur zu Marketingzwecken.

das war nicht wertend (oder zu "marketingzwecken") sondern beschreibend gemeint, für die übergangsregierung, bestehend aus nicht gewählten experten. google doch mal, bevor du postest.


Nach dem Rücktritt Berlusconis im November 2011 wurde Monti von Napolitano mit der Bildung einer Übergangsregierung aus parteilosen Experten und Nicht-Politikern (governo tecnico) beauftragt. wiki (https://de.wikipedia.org/wiki/Mario_Monti#Parlamentswahlen_2013)

wanderer
06.10.2017, 12:13
---

wanderer
06.10.2017, 13:05
...

renegade5569
06.10.2017, 13:36
Es gibt immerhin drei verschiedene Formen der Demokratie.

Direkte Demokratie, Präsidialdemokratie und Parlamentarische Demokratie (https://demokratie.geschichte-schweiz.ch/typen-systeme.html).

Welche ist die Beste?

Und Spanien war bis 1975 eine Diktatur, was man selbst in den 90er Jahren nicht mehr merkte.

wanderer
06.10.2017, 13:53
---

renegade5569
06.10.2017, 14:36
Ich bin der Meinung, dass es gut wäre, Sachen die dazu geeignet sind, in Volksentscheiden zu regeln. Wenn man eine Kultur der Volksentscheide begründen würde, dann würde das die Partizipation und Identifikation mit der Demokratie steigern. Ein Wert in sich.

Wer entscheidet, was geeinet ist? Das ist doch die große Frage bei uns. Die Politiker trauen dem gemeinen Volk doch nicht zu, ich sage mal, "gute" Entscheidungen zu treffen.



Gerade emotionalisierte Inhalte, wie lokalpatriotische Fragen wären gefährlich in der direkten Demokratie, weil die Mehrheitsmeinung/Wahlbeteiligung über Agitation von besonders fanatischen Gruppen recht leicht manipulierbar wäre (Gruppendynamik).

Die Schweiz sieht sich als vorbildliche Demokratie, was ich auch finde.



Präsidialdemokratie ist abhängig von der Qualität des Präsidenten. Eine Frage des Zufalls. Viel zu gefährlich.

Man weiß vorher wen man wält. Eine Demokratie sollte auch einen Trump aushalten können ;)



Der Puffer und die gegenseitige Kontrolle in der parlamenarischen Demokratie ist was gutes.

Das stimmt, wenn es funzt. Trotzdem sind in Berlin zu viele Lobbyisten, die in den politischen Entscheidungsprozess eingreifen.

Ich stimme dir natürlich zu, aber ein Entscheidungsprozess in der Demokratie ist zum Glück langwieriger und schwieriger, wie Ruprecht anschaulich mit dem Beispiel China zeigte:

wanderer
06.10.2017, 15:03
---

renegade5569
06.10.2017, 15:08
Wenn Katalonien aus Spanien austreten will, und es soll irgendein bindendes Votum in direkter Demokratie erzielt werden, dann finde ich wäre es nur fair, wenn auch die ganze Nation darüber abstimmt, nicht nur die Minderheit, ob man Katalonien in die Eigenständigkeit entlässt.

Sonst kann ich mir demnächst auch 100 qm Land kaufen, mich draufstellen, und votieren, dass ich mit meinenen Ländereien aus der Bundesrepublik austrete.

Der Schuss könnte auch nach hinten losgehen. Sollte das Referendum für den Austritt sein, werden die Basken das gleiche verlangen. Schwierig.

wanderer
06.10.2017, 15:16
---

klar
22.10.2017, 10:39
Update Knut?

knut
22.10.2017, 12:17
Doppelpostbug.

knut
22.10.2017, 12:21
Kurz und knapp:

https://www.youtube.com/watch?v=885y3jy1ddI

Nachdem die katalonische Regionalregierung um Putschdämon es nicht geschafft hat, dem Wunsch von Madrid nachzukommen und nicht klar gestellt hat, ob man nun die Unabhängigkeit ausgerufen hat oder nicht, hat der Spanische Ministerpräsident, der onomatopoeitisch nach einer Rachenkrankheit benannt ist, zusammen mit den Sozialisten und Liberalen die Befugnisse der Katanalischen Regionalregierung aufgehoben und Katalonien wird vermutlich ab nächster Woche von der Spanischen Zentralregierung direkt regiert. Dabei geht es aber nur um die Regierung (also Ministerpräsident und Minister) und Exekutive (Polizeipräsidenten etc.), das Katalanische Parlament bleibt in seiner jetzigen Form erhalten und auch der Autonomiestatus Kataloniens bleibt unberührt.

Ziel sind Neuwahlen in Katalonien im Januar und der Hauptgrund für diesen politisch wenig hilfreichen Schritt ist mMn in der Wirtschaft zu suchen. Mehr als 1000 Firmen (irgendwas um 15% des katalanischen BIP -wobei genaue Zahlen mir nicht bekannt sind und die Berechnungen massiv den Geschehnissen hinterherhinken) haben bereits Katalonien verlassen und ihre Firmensitze in andere Teile Spaniens verlegt. Es heisst, Vertreter aus Wirtschaft und Finanzsektor haben erheblichen Druck ausgeübt, weil Kreditratingabwertungen drohen und die internationalen Investoren ziemlich nervös sind (siehe z.B.: https://elpais.com/elpais/2017/10/16/inenglish/1508139705_469301.html).

Nun kocht die Propagandamaschinerie erst recht über und die Fake-News Sau wird durch's Dorf getrieben (from many sides, many sides). In Katalonien spricht man von "Totalitarismus" und sogar von "Putsch" (was natürlich bei rechtsstaatlichen Vorgängen völliger Quatsch ist), in Spanien von "Abtrünnigen" und "Verrätern der Demokratie in Katalonien" (was einen gewissen wahren Kern hat, aber nicht hilfreich ist.
Die CUP (linke Partei die vehement für die Unabhängigkeit Kataloniens ist und Koalitionspartner vom Katalanischen Ministerpräsidenten Puigdemont) drängt darauf, die Unabhängigkeit unilateral sofort zu erklären und die Katalonische Regierung soll nach Südfrankreich ins Exil gehen und von dort die Geschicke in Katalonien beeinflussen. Totaler Kindergarten.

Die Führer der beiden Unabhängigkeits-befürwortenden Vereine Omnius Cultural und ANC sind festgenommen worden, weil sie im Vorfeld des Referendums einen Protest organisiert hatten, bei dem Polizisten der Guardia Civil einen ganzen Tag von Demonstranten in einem Gebäude festgesetzt wurden. In Katalonien sieht man sie als politische Gefangene und feiert sie als Märtyrer.

Allgemein wird erwartet, dass die Katalonische Regionalregierung vor ihrer Absetzung noch schnell nächste Woche die Unabhängigkeit (quasi als Trotzreaktion) ausruft.

Zusammenfassend: der Siedepunkt ist fast erreicht, Argumente werden auf keiner Seite mehr gehört oder gar verwendet und ich hab echt keine Ahnung, wo das sinnvoll hinführen soll.

So bescheuert das ist, aber den einzigen Weg, den ich momentan sehe, ist das ganze Auszusitzen und bis zu den Neuwahlen etwas abkühlen zu lassen. Ich sehe keine Möglichkeit mehr, dass Madrid Barcelona irgendwelche Brocken zur Versöhnung hin wirft und die Katalonischen Separatisten haben sich fest am Ende ihrer Sackgasse verschanzt.

Ich persönlich hab die letzte Woche genutzt, um ein paar Bewerbungen im Ausland zu verschicken.

Ruprecht
22.10.2017, 18:44
erklaer mir die logik hinter den neuwahlen mal: rajoy setzt die gewaehlte katalanische regierung ab, macht ihr wahrscheinlich den prozess u sperrt sie ein (bis zu 30 jahre auf rebellion), uebernimmt regierung, landespolizei u oeffentlichen rundfunk u erwartet sich dann, dass die leute, die seit jahren zu hunderttausenden fuer ihr anliegen auf die straße gehn, das alles so hinnehmen, bis zum jaenner alles wieder vergessen u ppc u psc (derzeit 25 von 135 sitzen) waehlen??

knut
22.10.2017, 22:40
Die Logik ist ganz einfach (und nicht ganz so drastisch wie Dein tendenziöses Posting das darstellen will): Die katalanische Regionalregierung hat sich entschieden, den Bereich der Rechtsstaatlichkeit verlassen und sich geweigert, dieses wieder richtig zu stellen. Darum die Enthebung. Und um möglichst schnell den politischen, demokratischen und gesetzlichen Normalstatus wieder her zu stellen, müssen Neuwahlen her.

Mag sein, dass diese aus Spanischer Sicht nicht vorteilhaft ausfallen werden, aber das ist Demokratie. Andererseits ist es weder gut für den Konflikt noch für das Ansehen der Zentralregierung, wenn Katalonien zu lange fremd regiert wird.

Trotzdem ist halt das Vorgehen der Zentralregierung tölplhaft. Wie man das geschickter hätte machen können, legt mMn der Guardian hier gut dar: https://www.theguardian.com/commentisfree/2017/oct/22/spain-needs-responsible-politicians-insurrection-catalan-crisis

Andererseits sind die Zustände in Katalonien schon ganz schön unnormal. Die Bürgermeisterin (PSC) von L'Hospitalet de Llobregat (zweitgrößte Stadt von Katalonien, auch wenn alle es für einen Vorort von Barcelona halten) wird gerade aus ihrem Job gedrängt, weil sie einer Partei angehört, die in Madrid die Anwendung von diesem Artikel 155 mitgetragen hat. Die Frau ist demokratisch gewählt.

Der Druck der Separatisten ist immens. Hier ist ein Artikel, der das noch vor dem Referendum beleuchtete: https://www.google.co.uk/amp/s/amp.theguardian.com/world/2017/sep/19/temperature-climbs-in-spain-as-catalan-question-comes-to-a-head

Seitdem ist alles noch massiv deutlicher geworden.

Der Gräben durch die Gesellschaft wird immer tiefer und breiter. Das ist das eigentlich schlimme, finde ich.
Egal welche Motivation dem Populismus zugrunde liegt, ob Brexiteers, Lega Nord, AfD oder welches der zahllosen Beispiele auch immer: am stärksten leidet immer das friedliche, tolerante Zusammenleben in der Gesellschaft.

renegade5569
23.10.2017, 06:34
Toleranz war gestern....

Ruprecht
23.10.2017, 06:56
nana knut, tendenziös sind wir hier wohl beide.. (btw. bist du eigentlich DerKnut aus den zeitonline kommentarspalten?)

Article 155 will have a boomerang effect both in the short-term – because it may trigger an insurrection in Catalonia – as well as in the long-term, because it will surely enhance the chances of the separatists in the next regional elections. (...) Threatened with judicial prosecutions, the Catalan government would be forced to obey – and, as a matter of fact, early elections would be the second-best option for most separatists.
das mein ich doch, was macht das von mir oben beschriebene vorgehen für einen sinn, außer genau das zu erreichen? (auch sonst find ich den guardian artikel gut, anders als (erwartungsgemäß ;)) das meiste von el pais, das du gern teilst)

knut
23.10.2017, 07:26
anders als (erwartungsgemäß ;)) das meiste von el pais, das du gern teilst)
Das wenigste davon finde ich gut, es ist nur leider eine der ganz wenigen nicht spanischsprachigen Quellen, welche manchmal mit Fakten versucht, Darstellungen zu be- oder widerlegen. Ignorier die Meinung dahinter und nimm nur die Fakten mit.

Und: ertappt! :D

Zorro
23.10.2017, 10:19
Noch ein bisschen mehr Sandkastentheater, Pathos, verletzter Stolz, Emotionen und vor allem Blut auf den Strassen und die All-Inclusive-Flug-Hotel-Sangriaeimer-Reisen sind all time!

klar
24.10.2017, 07:55
Danke Knut. Ist der Grund für die Bewerbungen nach Anderswo tatsächlich primär die Kataloniensituation oder hat sich das so ergeben?

knut
24.10.2017, 08:44
Da spielen natürlich einige Faktoren mit rein, aber ein ganz wesentlicher Faktor ist, dass es bereits extrem schwierig ist, spanische oder katalanische Fördermittel zu bekommen und ich fest glaube, dass das durch diese Separationsbemühungen nochmal deutlich schwerer wird.
Spanien hat bereits vor einiger Zeit und unabhängig vom derzeitigen politischen Geschehen mit der Förderung auf Fokuspunkte die San Sebastian oder Madrid umgeschwenkt (v.a. auch, weil Barcelona ganz gut für sich selber sorgen konnte). Weiterhin ist die Forschungsförderung von ca. 1.4% GDP auf 0.9% gefallen durch die anhaltenden Nachwehen der Wirtschaftskrise.
Katalanische Fördertöpfe waren schon immer als nicht-Katalane schwerer zugänglich und ich befürchte, dass die durch die Wirtschaftlichen Umwälzungen deutlich leiden werden.
Auch befürchte ich, dass Drittmittelstiftungen aus dem Ausland zumindest eine Weile vorsichtiger sein werden, Katalanische Institute zu fördern.

knut
27.10.2017, 15:12
Scheinbar lebe ich nun in der Republik Katalonien.
Ob die auch eine satte Woche durchhält, wie das letzte Mal vor knapp 400 Jahren?

Edit: OK, ich bin mal wieder Falschinformationen aus dem Katalanischen Radio aufgesessen. Die Republik wurde nicht ausgerufen, sondern nur beschlossen, dass irgendwann in unbestimmter Zeit mal die Republik ausgerufen werden soll. Zu dem wird es aber nie kommen, weil die Katalanische Regierung vorher abgesetzt wird.
Die Herren Politiker hatten wohl keine Lust allzulange im Gefängnis zu versauern, wenn sie sich tatsächlich glasklar dem Tatbestand der Revolution schuldig gemacht hätten.
Und der Spanische Senat hat nur Minuten später die Ansetzung der katalanischen Regierung beschlossen. Vermutlich hätte man das auch so, aber mit diesem Unabhängigkeitsbeschluss der Katalanen hatte man gar keine andere Wahl mehr.

Ich hoffe, es artet dieses Wochenende nicht auf den Strassen aus.

Ruprecht
27.10.2017, 18:45
deine sicht der vorgänge in den nächsten tagen wird mit interesse gelesen.

knut
28.10.2017, 00:18
Es ist extrem eindrücklich, wie wenig man von den Turbulenzen in der Stadt mitbekommt. Man merkt quasi nicht, was abgeht, wenn man nicht ganz bestimmte Plätze aufsucht oder die Medien verfolgt. Das Leben pulsiert ganz normal weiter.

knut
28.10.2017, 01:11
Das Val d'Aran - geografisch abgeschiedene Region im Norden Kataloniens mit eigener Sprache (Aranesisch, Unterform des Katalanischen) und hoher Autonomie von Katalonien - hat angekündigt, dass die Conselh Generau d'Aran (Regionalverwaltung) morgen darüber entscheidet, ob man sich von der Katalanischen Republik abspaltet.

Realsatire vom Allerfeinsten.

Ruprecht
28.10.2017, 18:23
kannst du einen querschnitt ueber dein katalansiches umfeld liefern? wie sehens die studenten, die dozenten, dein gemueseverkaeufer, dein metzger, der fischer im hafen, die beamtenschaft? wenn befuerworter, wie weit wuerden sie gehn? wenn sozialtransfers eingestellt wuerdern, spanische panzer einfuehren, europa sie isolieren wuerde? wuerden sie streiken u spanien in die rezession stuerzen? wenn gegner, wie lange wuerden sie den prozess mittragen? nehmen sie das ergebnis des referendums ueberhaupt ernst? nehmen es die befuerworter ueberhaupt ernst?

knut
31.10.2017, 16:09
Der Durchschnitt in meinem persönlichen Umfeld ist zwar gemixt, aber mit massiver Mehrheit gegen die Sezession (wohl meine eigene Filterblase). Es gibt aber auch in allen Lagern (Studenten bis Postdocs) Unabhängigkeitsbefürworter (was mir ehrlich gesagt schwer fällt zu verstehen). Nur sprechen tut man darüber nur mit Leuten, die man wirklich gut kennt. Selbst unter Arbeitskollegen ist das ein unbequemes Thema, das man eher nicht bespricht. Ganz sicher nicht beim Brötchenkauf.
Insofern kann ich wenig sagen, wie es bei Leuten aussieht, mit denen ich nur sporadisch Kontakt habe. Es gibt einige wenige, die knallhart mit einem Katalanisch sprechen, auch wenn man sie auf Spanisch anspricht. Die würde ich mal als bestätigte Unabhängigkeitsbefürworter zählen.
Auch fällt es mir immer noch schwer, wirklich die Motivation und Innenwelt der Unabhängigkeitsbefürworter zu verstehen. Es liegt nahezu krampfhaft in meiner Natur, Dinge verstehen zu wollen, und daher diskutiere ich gerne über das Thema. Aber bei den Befürwortern endet das meist früher als später an dem Punkt, an dem es heisst "das kannst Du als nicht-Katalane nicht verstehen".
Naturgemäss fällt es den Unabhängigkeitsgegnern sehr viel leichter, mit mir als Ausländer zu diskutieren, daher ist mein Eindruck über die Motivationen und Gefühle in diesem politischen Konflikt sicher nicht gleichmässig repräsentativ.
Aber mir drängt sich der Eindruck auf, dass die "Separatisten*" eher emotionaler und weniger tief logisch durchdacht argumentieren und die "Unionisten" die Emotionen komplett ausblenden und eher logisch, pragmatisch argumentieren.



wenn befuerworter, wie weit wuerden sie gehn? wenn sozialtransfers eingestellt wuerdern, spanische panzer einfuehren, europa sie isolieren wuerde? wuerden sie streiken u spanien in die rezession stuerzen? wenn gegner, wie lange wuerden sie den prozess mittragen?
Über diese ganzen Details machen sich mMn die allermeisten Leute jetzt erst langsam Gedanken. Die allermeisten Befürworter wollten bisher eine Unabhängigkeit bei der sich nichts ändert, katalanische Firmen hier bleiben, man weiterhin in der EU ist und nur völlig eigenständig von Spanien Politik gemacht wird, speziell im Bereich der Sozialpolitik.
Die Gegner würden auf der aktuellen Basis überhaupt nichts mittragen, dafür müsste der Volkswillen erstmal deutlich klarer und zweifelsfreier aufgezeigt werden.


nehmen sie das ergebnis des referendums ueberhaupt ernst? nehmen es die befuerworter ueberhaupt ernst?
Die Unabhängigkeitsgegner nehmen die Situation langsam ernst, aber ganz sicher nicht das Referendum (kein Wunder, ist ja nicht ihr erstes Rodeo und bis jetzt ist es nie so ausgeartet).
Und auch viele Separatisten halten es für eine unzureichende Basis, irgendwelche Schritte einzuleiten. Insofern hat sich die Spanische Zentralregierung einen Bärendienst erwiesen, indem sie so sehr auf Konfrontation gesetzt hat. Puigdemont einfach machen zu lassen, hätte sicher dafür gesorgt, dass auch viele Unabhängigkeitsbefürworter mit dessen Vorgehen nicht einverstanden gewesen wären.

Nur die Wirtschaft hätte es halt nicht toleriert und ein unberechenbarer Puigdemont mit seinen halbgaren Plänen, die v.a. wirtschaftlich auf völliger Realitätsverleugnung fussten, hätte halt in der Katalanischen und auch Gesamtspanischen Wirtschaft für deutlich massivere Verwerfungen gesorgt, als es jetzt schon der Fall war.



*nicht wertend gemeint. Aber jedes mal "Unabhängigkeitsbefürworter" zu schreiben, nutzt nur die Tastatur ab. Und nur Befürworter kann irreführend sein.

Ruprecht
31.10.2017, 18:04
merci. separatist ist aber doch eh kein schimpfwort?

knut
31.10.2017, 19:08
Nein, finde ich auch nicht. Ich habe aber schon häufiger erlebt, dass das bei Menschen (leicht) negativ besetzt war.

renegade5569
31.10.2017, 19:45
Kommt auf die Seite an

Gesendet von meinem HUAWEI GRA-L09 mit Tapatalk

knut
21.12.2017, 00:26
Sehr interessanter Artikel, der Anektotisch Einblick in die Seele, Lebenswirklichkeiten und Hintergründe des KatNat, des Katalonischen Nationalismuses, gibt: http://www.zeit.de/2017/53/katalonien-barcelona-separatisten-schueler

Ich halte vom Autor Ladurner zwar nicht so viel, da seine sonstigen Artikel meist sehr einseitig sind, aber da es hier sowieso anektotisch ist, ist das in Ordnung und stellt ja auch nicht in Frage, dass es auch sehr viele weltoffene und tolerante Katalanen gibt.
Aber die Anektoten decken sich mit dem, was ich von Spanischsprachigen Kollegen (Argentinier, Chilene und Asturier) über deren Erlebnisse mit Kindern in der Schule gehört habe.
Auch die persönlichen Sichtweisen und Anektoten in den Ersten paar Kommentaren sind sehr lesenswert.

Abgesehen davon: Morgen ist Regionalwahlen, ich bin extrem gespannt und habe echt keine Ahnung, was ich erwarten soll.

Ruprecht
21.12.2017, 07:43
die anekdote wünscht sich ihr D zurück. dass du von ladurner nicht viel hältst, ehrt dich. er ist übrigends südtiroler, falls du's nicht eh schon wusstest. weil du südtirol ja auch kennst, lädt das zu interessanten mutmaßungen ein (über ladurner).

knut
21.12.2017, 11:30
Anhand des Namens hatte ich mir das schon gedacht. Seine Herkunft ist aber nicht der Grund, warum ich seine Artikel mit Skepsis lese, sondern der oft einseitige Inhalt seiner Artikel.

renegade5569
21.12.2017, 12:44
Verrücktes Europa. Im Westen wollen sich Regionen lösen, weil sie sich unterdrückt fühlen und im Osten werden Parteien gewählt, die, ich sage das mal unter Vorbehalt, Menschen, die nicht aus diesem Land stammen, unterdrücken. Beides aus Nationalismus. So kann Europa nicht funktionieren.
Die Verträge waren falsch geschrieben. Da merkt man jetzt, aber man kann oder will nichts ändern.

Ruprecht
21.12.2017, 13:16
Anhand des Namens hatte ich mir das schon gedacht. Seine Herkunft ist aber nicht der Grund, warum ich seine Artikel mit Skepsis lese, sondern der oft einseitige Inhalt seiner Artikel.

der oft einseitige inhalt ist, so denke ich, zu großen teilen auf seine herkunft zurückzuführen. viele probleme, die er aufzeigt, etwa in dem von dir geposteten artikel, schreien geradezu nach der antwort, wie sie in südtirol gegeben wurde (etwa proporz..). und ich finde die dargestellten sachverhalte in dem artikel übrigens auch sehr ungerecht und kann die daraus entstehenden probleme sehr gut nachvollziehen. ich mag allerdings nicht diese "am südtiroler wesen soll die welt genesen" einstellung. natürlich ist journalismus nie vollständig objektiv und das ist auch gut so, aber man sollte die objektivität als ideal doch nicht gänzlich außer acht lassen. und manche seiner kommentare aus den letzten monaten sind geradezu hanebüchen. dabei hat ladurner die welt bereist und über sie geschrieben. er ist fleißig, aber kurzsichtig.

knut
21.12.2017, 18:06
ich mag allerdings nicht diese "am südtiroler wesen soll die welt genesen" einstellung.
Südtiroler sind halt im Grunde auch nur Deutsche :blowbunny:

knut
22.12.2017, 11:00
So, der Wille des Volkes ist nun bekannant. Das Volk ist schizophren.

Das inzwischen in zwei unabhängig angetretene Listen zerfallene Lager der Unabhängigkeitsbefürworter hat sogar 4 Sitze mehr erhalten, als 2015. Der völlig durchgeknallte Koalitionspartner der linksradikalen CUP, die felsenfest behauptet, das Katalonien bereits unabhängig ist, hat zwar 6 verloren, aber zusammen haben die Unabhängigkeitsbefürworter immer noch die Mehrheit im Parlament.

Mehr Stimmen -aber nicht mehr Sitze dank des Wahlrechts, dass v.a. den Ländlichen Regionen leichte Überhänge beim Stimmgewicht gibt- haben aber die Parteien, die explizit nicht für eine Unabhängigkeit eintreten, bekommen und stärkste Partei sind die Liberalen C's geworden.
Das Land ist für die Unabhängigkeit, die Stadt dagegen. Und Rajoy mag niemand.

https://www.freeskiers.net/community/attachment.php?attachmentid=48569&d=1513940415

Da die gleichen Gestalten wieder an vorderster Front stehen, droht eine weitere Eskalation der Lage und vernunftorientierte Lösungsansätze dürften Mangelware sein. Zumal für führende Personen der unabhängigkeitsbefürwortenden Parteien durch das Gerichtsverfahren gegen sie Politik und persönliches Schicksal eng miteinander verknüpft sind.
Inzwischen wird weiter munter an der Spaltung der Gesellschaft gestrickt. Das wird noch lustig hier. Jedenfalls für Menschen, die absolut alles mit Humor betrachten können.

Ruprecht
22.12.2017, 12:21
Mehr Stimmen -aber nicht mehr Sitze dank des Wahlrechts, dass v.a. den Ländlichen Regionen leichte Überhänge beim Stimmgewicht gibt- haben aber die Parteien, die explizit nicht für eine Unabhängigkeit eintreten, bekommen
catcomú ist zwar nicht teil der regierungskoalition, aber darf man die einfach so zu den unionisten zählen? soweit ich das mitbekommen habe, haben die sich in der frage als partei nicht explizit festgelegt, sondern befürworten ein referendum darüber?

und was ist überhaupt mit der "schweigenden mehrheit", die angeblich klar gegen die unabhängigkeit ist? hat die bei 82% wahlbeteiligung wieder nicht mitgestimmt? scnr ;)

knut
22.12.2017, 12:42
Auch die C's sind durchaus für ein Referendum zu haben (allerdings nur für ein faires, gescheit geplantes, was derzeit mit Madrid nicht möglich ist, also recht hypothetisch). Das macht sie nicht zu Unabhängigkeitsbefürwortern, sondern zuerst einmal zu Befürwortern der Demokratie.
Eine große Mehrheit und auch ein großer Teil der Unabhängigkeitsgegner ist inzwischen der Meinung, dass ein gescheit durchgeführtes Referendum ein gangbarer Weg ist, um den Konflikt auch innerhalb Kataloniens aufzulösen. Aber nicht zwingend ein einfaches Ja/Nein-Referendum ohne Aktionsplan dahinter.
Wer Catcomu gewählt hat, hat das sicher nicht getan, weil er die Unabhängigkeit will, sondern den Dialog. Insofern kann man eine Stimme für die Partei ganz sicher nicht als klare Stimme für die Unabhängigkeit zählen, eher für ein Dagegen mit Aufruf zur gemeinsamen Lösung.

Während allerdings am linken wie rechten Rand Unabhängigkeitsbefürworter und -Gegner hocken, die den Dialog und die einvernehmliche Lösung nahezu ausschließen.




und was ist überhaupt mit der "schweigenden mehrheit", die angeblich klar gegen die unabhängigkeit ist?
Die hat nie existiert. Nicht bei dieser Parlamentswahl, nicht bei der letzten.
Dass es grob 50/50 steht, war realistisch gesehen immer klar.

Ist genauso eine Schwachsinnsformulierung des Populismus, wie politische Gefangene oder Unrechtsstaat auf der anderen Seite des Schreihalsgrabens.

Ruprecht
22.12.2017, 13:06
natürlich kann man catcomú nicht zu den separatisten zählen, aber eben auch nicht zu den unionisten, imho. worauf ich hinaus will: man sollte die parlamentswahl nicht als ersatzreferendum begreifen und - wenn schon - dann so: sezessionisten 47,5%, unionisten 43,5%, NICHT (http://www.elmundo.es/elecciones/elecciones-cataluna/resultados/) festgelegt 7,5%.

knut
22.12.2017, 13:29
Unionisten halte ich für ein wirklich unpassendes Wort in diesem Zusammenhang.