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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : [TR]Plan D



th1nk
22.03.2016, 01:02
Prolog:
Bereits Mitte Woche begannen die Diskussionen. Klar war, dass am Sonntag was gemacht wird. Ursprünglich war Mixedklettern an der Breitwangflue in Kandersteg geplant. Die gemeldeten Temperaturen im zweistelligen Bereich bis in hohe Lagen, veranlassten uns zum umdenken. Waren doch die Verhältnisse bereits zwei Wochen zuvor nicht prickelnd.
Was macht man dann an einem supersonnigen Spätwintertag? Natürlich die Titlis-Rundtour, die haben wir beide noch nicht gemacht und die muss man ja mal gemacht haben. Schnell merkten wir, dass wir nicht alleine waren mit dieser Idee. Als uns klar wurde, dass der Andrang gross sein würde, verwarfen wir auch Plan B.
Ich wollte auch schon lange was steileres fahren auf zwei Brettern. Nicht immer nur hoch, auch mal runter. Plan C entstand, eine Befahrung der Mönch Südwand. Nach Abklärung der vorliegenden Verhältnisse verwarfen wir auch diesen Plan schnell wieder. Anscheinend war weiter oben viel Wind drin.
Uns gingen langsam die Ideen aus. Schlussendlich einigen wir uns auf etwas weniger anspruchsvolles, was uns dann doch genug fordern würde.


https://www.youtube.com/watch?v=iGnoZJ097Gs

https://www.freeskiers.net/community/attachment.php?attachmentid=44274&d=1458510230
Früh Morgens, mit dem ersten Zug, machen wir uns auf den Weg nach Zermatt. Die lange Anreise wird standesgemäss mit Smartphone und Kaffee (auch wenn das einige wohl nicht so nennen würden) verkürzt.

https://www.freeskiers.net/community/attachment.php?attachmentid=44273&d=1458510240
In Zermatt angekommen gönnen wir uns, faul wie wir sind, ein Taxi zur Talstation. Ich habe gehört, dass der Alpinist von Format neuerdings mit dem Elektrotaxi anreist. Ob an diesem Gerücht wirklich etwas dran ist?

https://www.freeskiers.net/community/attachment.php?attachmentid=44272&d=1458510249
Auf dem klein Matterhorn erspähen wir unser gar nicht so weit entferntes Ziel. Wir halten Ausschau nach einer weiteren Mitfahrgelegenheit.

https://www.freeskiers.net/community/attachment.php?attachmentid=44271&d=1458510258
Überall doofe Berge, aber kein Taxi. Na dann gehen wir halt zu Fuss weiter.

https://www.freeskiers.net/community/attachment.php?attachmentid=44269&d=1458510274
Das Wetter ist schon geil. Und richtig warm ist es an der Sonne.

https://www.freeskiers.net/community/attachment.php?attachmentid=44270&d=1458510267
Das Ziel ist fast erreicht. Die Pollux Westflanke. Als wir den Hang von nahem sehen, schwant uns böses. Der obere Teil sieht stark abgeblasen aus.
Die Westflanke des Pollux ist mit rund 250m Länge und einer Neigung von durchschnittlich rund 45 Grad (kurze Stellen 50 Grad) in der Regel keine sonderlich anspruchsvolle Abfahrt und bei gutem Schnee für viele Leute fahrbar. Doch dazu später mehr.

https://www.freeskiers.net/community/attachment.php?attachmentid=44276&d=1458605475
Wir schnallen die Ski auf die Rucksäcke und beginnen mit dem Aufstieg. Die Eisgeräte finden guten Halt. Viel zu guten Halt. Es braucht schon etwas Schwung, um die ganze Haue zu versenken. Der Schnee ist im unteren Teil hart, im oberen Teil noch härter und stellenweise blank.

https://www.freeskiers.net/community/attachment.php?attachmentid=44267&d=1458510598
Wir analysieren noch etwas den Schnee und geniessen die Aussicht.

https://www.freeskiers.net/community/attachment.php?attachmentid=44266&d=1458510618
Echt einen guten Tag erwischt! Das Panorama ist immer wieder schön hier oben.

https://www.freeskiers.net/community/attachment.php?attachmentid=44263&d=1458511905
So laufen wir munter weiter, die letzten paar Meter in einfachem Gelände, bis wir irgendwann auf dem Gipfel stehen.

Der Hintergrund sieht sehr verdächtig nach einem weiteren 4000er aus.
Wir spüren die Höhe langsam, an einem Tag von 500m auf über 4000m ist nicht so einfach für den Kreislauf eines Bürolisten.

Wir gehen zurück in den Sattel wo man in die Westflanke einfahren würde und beginnen zu überlegen. Lohnt es sich jetzt wirklich diese Flanke zu fahren? Oben war der Schnee schon sehr hart und stellenweise war es auch blank. Wie gefährlich ist es? Wir argumentieren damit, dass es ja wie auf einer langen Rutschbahn sei, wenn man ins rutschen kommt. Man muss einfach den Felsen und dem Bergschrund ausweichen. Der Bergschrund war ja eh fast komplett zu.
Der Schnee war durchgehend hart und ich bin mir sicher, dass man frühestens nach dem Bergschrund, also rund 300m weiter unten wieder zum stehen gekommen wäre.
Wir kommen wieder auf den Punkt, dass diese Flanke doch nicht so schwierig ist und von vielen anderen Leuten ständig gefahren wird. Ein Kinderhang im Vergleich zu unserem Plan C. Jedoch ist auch eine kurze Wand mit rund 45 Grad bei pickelhartem Schnee alles andere als einfach zu fahren. Wir sind uns unschlüssig und wissen nicht so recht, ob wir zu Fuss wieder runter sollen oder doch fahren.


























https://www.freeskiers.net/community/attachment.php?attachmentid=44265&d=1458510627
Der Kompromiss ist gefunden. Wir seilen einfach die ganze Flanke ab.

Nein, haben wir nicht gemacht. Aber da wir nicht recht wissen, wie viel halt man finden würde auf dieser Unterlage, entscheiden wir uns die ersten Meter abzuseilen und dann weiter zu schauen. Also im flachen Gelände mal etwas Schnee wegräumen und eine nicht sehr solide Eissanduhr einrichten.
Ich gehe vor bis das Seil aus ist.
Noch eingebunden versuche ich auf den Skikanten zu stehen. Es ist mir kaum möglich, ich rutsche. Weiter unten wird der Schnee ja etwas griffiger und flacher wird es auch. Wird schon schief gehen. Ich binde mich mit einer Hand aus, mit der andere halte ich mich vorsichtshalber am Eisgerät fest.

https://www.freeskiers.net/community/attachment.php?attachmentid=44281&d=1458607406
Wieso sehen so Sachen von oben immer steiler aus als von unten? Vielleicht habe ich einfach das Handy schief gehalten.

https://www.freeskiers.net/community/attachment.php?attachmentid=44264&d=1458511043
An der Skispitze sind die Spuren der Frontzacken vom Aufstieg gut erkennbar.

Das Seil ist verstaut, ein Pickel bleibt aber in der Hand. Vorsichtig rutschen wir ein paar Meter ab. Die Kanten finden schlechten halt. Wir sind von unten aus gesehen auf der rechten Seite, über den Felsen. Ins rutschen kommen, möchte man hier lieber nicht. Es wäre schmerzhaft.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich hier überhaupt einen Schwung machen kann. Also doch, den Schwung schon. Aber ob ich dann wieder verlangsamen kann ist mir unklar, ist doch bereits kontrolliertes abrutschen schwierig.
Ich überwinde mich und setze zu einem Schwung an. Was dann folgt, gefiel mir nicht so. Die Kanten springen über den Schnee und finden nur schlecht halt. Es gibt harte Schläge. Ich vermute, eine nicht verriegelte Bindung, hätte hier auslösen können. Irgendwann stehe ich dann wieder.
Ich entscheide mich noch ein paar Meter abzurutschen, bis ich in die Mitte quere. Ab da wurde der Schnee besser und das fahren leichter. Genussvoll oder schön war es jedoch nicht.

https://www.freeskiers.net/community/attachment.php?attachmentid=44282&d=1458607410
Wie bereits vermutet, von unten sieht es sauflach aus.

Irgendwann sind wir beide unten. Da es bereits spät ist, entscheiden wir uns gegen eine Abfahrt über das Schwarztor und laufen zum klein Matterhorn zurück. Der Weg war dann weiter als gedacht...Schwarztor wäre schlauer gewesen. Über die Skipiste geht es zurück nach Zermatt.

https://www.freeskiers.net/community/attachment.php?attachmentid=44283&d=1458607414
Schlussbouquet.

Zeit ins Bett zu gehen...hoffentlich habe ich mal Gelegenheit einen TR zu unserem Plan C zu schreiben!

Fab02
22.03.2016, 02:49
Toller Report. hat mir Spaß gemacht den zu lesen. Das Schlussbankett bei der goldenen Möwe ist ja das Highlight.

Brecher
22.03.2016, 06:57
Wer Handyfotos von unangenehmen Situationen machen kann, steht nicht so unangenehm wie er sagt ;) Schick! Bin gespannt, was noch kommt :)

PS: Alpinist von Format ist man dann, wenn die Hose nicht mehr über die Boots passt. Also alles richtig gemacht eigentlich.

knut
22.03.2016, 07:19
Aye carramba. Schicker TR. Bei der Abfahrt Schlacken mir beim Lesen die Knie. Das Gefühl, dass beim nächsten Schwung der Kantenhalt plötzlich und unerwartet nicht mehr da ist, verfolgt mich bis in die Träume. So Abfahrten hasse ich.

maestro
22.03.2016, 07:54
Sehr spannend!

renegade5569
22.03.2016, 08:01
Schöner TR, bei Schnieftee kein Problem. Bei Eis würde ich beim Hochsteigen abbrechen....

Ich hasse Eis....

Dicki
22.03.2016, 08:23
Und mitten drin fragt man sich..."warum mach ich das, das war ja von vornherein klar!" :D

osti
22.03.2016, 08:49
danke, super TR!

Ruprecht
22.03.2016, 09:54
sehr spannend geschrieben, daumen hoch!

klar
22.03.2016, 10:06
haha, sehr schön. solche aktionen kenn ich gut...

viennacalling
22.03.2016, 10:09
Sehr geil!:o

Danke für den TR!

Mc4air
22.03.2016, 10:11
Nach Whatsapp, Instagram und Facebook auch hier:
GEIL! :D

th1nk
22.03.2016, 10:20
Freut mich, wenn es sich gut liest.


Und mitten drin fragt man sich..."warum mach ich das, das war ja von vornherein klar!" :D

Ist so. War wirklich klar, dass das mehr ein runterkommen war als irgendetwas anderes.


Nach Whatsapp, Instagram und Facebook auch hier:
GEIL! :D

Klar, der Alpinist von Format weiss social media zu nutzen, um allen zu zeigen: Hey ich hatte Zeit in die Berge zu gehen. Obwohl es beim TR (hoffentlich) mehr um den beschreibenden als den bebilderten Teil geht. Dieser bleibt natürlich DEM Forum vorbehalten (und hat übrigens auch am meisten Zeit in Anspruch genommen).

Brecher
22.03.2016, 14:06
Ein Forumsuser von Format!

skyman
22.03.2016, 17:16
Plan? D?

Ich finde es generell toll was hier für Ideen/Möglichkeiten gezeigt werden. Das Steilwand fahren wird in letzter Zeit auch durch campagnard eindrucksvoll präsentiert.
Wenn ich aber Euren Bericht richtig lese und verstehe. War das ganze hin und her am Gipfel und Eure "Lösung" das abrutschen ein Argument? Die Gefahr in kauf zu nehmen sich schwer zu verletzten als sicher den Berg abzusteigen. Ist Reell gesehen ein klares Gegenargument.
Ich wage zu bezweifeln, dass Du dich Falle eines Sturzes mit dem Pickel vor dem Absturz gerettet hättest.

Noch eingebunden versuche ich auf den Skikanten zu stehen. Es ist mir kaum möglich, ich rutsche. Weiter unten wird der Schnee ja etwas griffiger und flacher wird es auch. Wird schon schief gehen. Ich binde mich mit einer Hand aus, mit der andere halte ich mich vorsichtshalber am Eisgerät fest.


Aye carramba. Schicker TR. Bei der Abfahrt Schlacken mir beim Lesen die Knie. Das Gefühl, dass beim nächsten Schwung der Kantenhalt plötzlich und unerwartet nicht mehr da ist, verfolgt mich bis in die Träume. So Abfahrten hasse ich.

Ich persönlich nehme Euer D und nenne das Dumm/Doof.
Zu was eignet sich der TR jetzt? Zum nach machen oder als dumme Aktion, demütig Bitte nicht nach machen?

Sich dann zusätzlich noch im social hart zu feiern lassen, sagt alles aus!
Wo wir beim D angekommen sind.

Nun sagen ich mal Glück gehabt und schön das wir nicht in der Rubrik Unfälle am Berg gelandet sind. Siehe Vater und Sohn

th1nk
22.03.2016, 17:38
Plan? D?

Ich finde es generell toll was hier für Ideen/Möglichkeiten gezeigt werden. Das Steilwand fahren wird in letzter Zeit auch durch campagnard eindrucksvoll präsentiert.
Wenn ich aber Euren Bericht richtig lese und verstehe. War das ganze hin und her am Gipfel und Eure "Lösung" das abrutschen ein Argument? Die Gefahr in kauf zu nehmen sich schwer zu verletzten als sicher den Berg abzusteigen. Ist Reell gesehen ein klares Gegenargument.
Ich wage zu bezweifeln, dass Du dich Falle eines Sturzes mit dem Pickel vor dem Absturz gerettet hättest.

Das war keine Steilwand. Welche Risiken ich in kauf nehme und insbesondere wie ich Situationen und die möglichen Konsequenzen einschätze, ist meine Sache. Ich entscheide auch, ob ich das fahren, abrutschen oder abseilen kann. Ein Urteil darüber zu fällen, ohne die Situation vor Ort beurteilt zu haben sollte nicht allzu ernst genommen werden.
Ich möchte aber an dieser Stelle keine Diskussion bezüglich Egoismus und Risikomanagement lostreten. Zu konkreten Fragestellung bezüglich der Tour nehme ich hingegen gerne Stellung.



Ich persönlich nehme Euer D und nenne das Dumm/Doof.
Zu was eignet sich der TR jetzt? Zum nach machen oder als dumme Aktion, demütig Bitte nicht nach machen?

Nenn es wie Du möchtest. Es ist ein Trip Report, ein Tourenbericht. Nicht mehr und nicht weniger. Das erlebte reflektiert und dokumentiert. Übrigens auf mehrfachen Wunsch hin.



Sich dann zusätzlich noch im social hart zu feiern lassen, sagt alles aus!
Wo wir beim D angekommen sind.

Da ist wohl was dran. Das muss ich nicht schöner reden als es ist.



Nun sagen ich mal Glück gehabt und schön das wir nicht in der Rubrik Unfälle am Berg gelandet sind. Siehe Vater und Sohn
Dann möge meine Glückssträhne hoffentlich noch etwas anhalten, es stehen noch ein paar Sachen auf der Wunschliste.
So gefährlich, wie Du es darstellst, war diese Tour mMn jedoch nicht.

Ich verstehe nicht, warum Du gleich persönlich und beleidigend werden musst. Eigentlich war der Wunsch nach TRs immer präsent im Forum und es wurde entsprechend anständig und sachlich diskutiert in den TRs.
Ich werde mir das nächste Mal zwei mal überlegen, ob ich mir die Mühe nochmals mache.

knut
22.03.2016, 17:48
Plan? D?

[...]

Ich persönlich nehme Euer D und nenne das Dumm/Doof.

Da Du mich zitiert hast und damit in Deine pauschale Verurteilung mit hinein gezogen hast, fühle ich mich irgendwie genötigt, darauf zu antworten:

Bist Du schonmal bei solchen Verhältnissen und in solchem Gelände unterwegs gewesen?
Ich selbst habe keine Ahnung, ob ich es schon war. Ich kann es schlicht aus dem sehr emotional und aus der eigenen Innenwelt heraus beschriebenen sowie aus den Bildern nicht sagen.

Denn das ist es ganz klar. Eine Beschreibung der erlebten Gefühle, kein Tatsachenbericht, der möglichst sachlich und nüchtern die Gegebenheiten widerspiegelt.

Und als solchen kann ich mich sehr gut in die Lage hinein versetzten. Ich selbst war schon (ob das nun zu der hiesigen Tour vergleichbar ist, sei dahin gestellt) ein paar Mal bei Bedingungen unterwegs, bei denen ich in ähnlichen Gedankenwelten unterwegs war. Man spürt den Berg, die Kante, den Schnee und weiss, dass die Bedingungen nicht einfach sind. Man ist völlig im Moment, total fokussiert auf die Bewegung und das Feedback der Füsse. Man setzt jeden Schwung, jeden Kantendruck mit vollem Fokus. Die Zeit wird zäh wie Honig. Man hat gehörigen, ja sogar äussersten Respekt vor der ganzen Sache. Nicht zuletzt aufgrund der möglichen ernsthaften Konsequenzen.

Das heisst aber nicht, dass man fahrlässig mit der eigenen Gesundheit spielt oder gar mit dem Leben. Die Sache ist trotzdem absolut vertretbar. Die Bedingungen lassen eine Abfahrt zu.
Natürlich würde ein Verlust des Kantengriffes, ein Sturz ernsthafte Konsequenzen haben. Die hätte er aber auch, wenn man in weichem Schnee stürzt, weil man in den Windharschdeckel eingestochen hat, einen Stein erwischt hat oder ähnliches. Das ist eines der Restrisiken, die Steilwandabfahrten, ja der gesamte Alpinismus so mit sich bringen. Für den Normalbürger alles Verrückte. Das gehört verboten! - Nein, gehört es nicht. Meiner Meinung nach hat jeder grundsätzlich das Recht, für sich selbst beliebiges Risiko einzugehen (solange es nicht andere beeinflusst, aber das sprengt mir jetzt den Rahmen der Diskussion).

Und das th1nk und seine Seilschaft den ersten (vermutlich am stärksten vereisten, steilsten und exponiertesten) Teil des Hanges am Seil abgerutscht sind, zeigt eine gute Herangehensweise mit gutem Risikomanagement. Am Seil eingebunden kann gut getestet werden, wie verlässlich sich auf der Oberfläche abrutschen lässt.
Keiner, der so etwas macht, kommt zum Ende des Seils und denkt ernsthaft "Scheisse. Seil aus. Was mach ich jetzt? Nagut, einfach ab die Luzi." - So wenig Hirnschmalz und Selbsterhaltungstrieb hat keiner, der es schafft, eine Karte zu lesen und eine Skitour zu planen. Dass Du das denkst, zeigt mir, dass Du keine Erfahrung in der Materie hast. Aber voll abledern und verurteilen, sauber.
Also, sowas denkt keiner. Die logischen Gedankengänge sehen eher so aus: "Ich fühl mich zwar ganz schön scheisse, aber eigentlich hat das abrutschen am Seil sehr gut geklappt. Das sollte auch ohne gut funktionieren". Und so gelangt man zu der Entscheidung, nicht Stand zu machen und weiter am Seil zu rutschen, sondern eben frei weiter ab zu fahren. Eine absolut tragbare Entscheidung (natürlich mit Restrisiko).

Die Gefühlswelt ist aber eine andere. Anfühlen tut es sich, wie beschrieben. Die Sicherheit des Seils ist weg und eine kleine, aber panische Stimme im Hinterkopf schreit irgendwas von "Wir stürzen uns in den sicheren Tod!!! Sind wir denn bescheuert?? Und jetzt machen wir auch noch Schwünge!!!! Ich kann nicht hinsehen! Wer steuert eigentlich diesen Kahn? Ist der mit der Merkel verwandt? Wir schaffen das am Arsch!!!"
Diese Gedankenwelt gehört zum Extremsport dazu. Und ich rede vom individuellen Extrem. Dort, wo man seine eigenen Grenzen überwindet. Für andere mag das total wahnsinnig sein oder aber relativ easy. Hilft einem selbst aber nicht, für einen selbst ist es extrem und damit einher geht dieses Gefühl, dass auch Teil des Spasses an der Sache ist und zum Belohnungsgefühl beim Erfolg beiträgt.

Und mit diesem Gefühl wurde der Trip Report geschrieben. Nicht als Sachbericht einer Skialpinismus-Tour.

Wer das nicht heraus lesen kann, der tut mir ehrlich gesagt ein wenig leid. Denn dem entgeht der gesamte Spass beim Lesen dieses TRs.

th1nk
22.03.2016, 18:03
Merci, Du hast das schöner und treffender ausgedrückt, als ich es kann.

Zorro
22.03.2016, 18:38
danke, netter TR
Diese Entscheidungen Mitte der Woche, was man am Wochenende macht und es dann auch bei suboptimalen Bedingungen durchzuziehen... naja. Meiner Meinung ist das tendenziell keine lebensverlängernde Massnahme. 45° und halbwegs griffig ist schon machbar, muss man natürlich nicht. Ich finds etwas doof bei schlechten Bedingungen Risiko einzugehen, mancher hat ja aber Freude daran. Sich flexibel den Bedingungen anzupassen find ich prinzipiell sympathischer.

th1nk
22.03.2016, 18:51
danke, netter TR

merci



Diese Entscheidungen Mitte der Woche, was man am Wochenende macht und es dann auch bei suboptimalen Bedingungen durchzuziehen... naja. Meiner Meinung ist das tendenziell keine lebensverlängernde Massnahme. 45° und halbwegs griffig ist schon machbar, muss man natürlich nicht. Ich finds etwas doof bei schlechten Bedingungen Risiko einzugehen, mancher hat ja aber Freude daran. Sich flexibel den Bedingungen anzupassen find ich prinzipiell sympathischer.

Die Verhältnisse waren gemäss meiner Einschätzung nach nicht optimal. Andere Leute, andere Vorstellungen von schlechten Verhältnissen. TR ist halt sehr subjektiv geschrieben.

Die Diskussionen begannen Mitte der Woche, entschieden wurde am Samstag. Wir sind dort hin, wo wir uns die besten Bedingungen erhofften. Ob es geht, sieht man sowieso erst vor Ort.
Eine Tatsache, die solche Entscheidungen nicht beeinflussen soll. Wie Du sagst, 45° und halbwegs griffig kann man, muss man aber nicht. Wir haben uns halt gesagt, wir seilen mal ab, wenn es nicht geht können wir wieder hoch oder noch weiter abseilen.
Dass man den Sinn solcher Sachen nicht zwingend nachvollziehen kann, verstehe ich jetzt noch.

obi wan kenobi
22.03.2016, 20:23
Guter TR - gut geschrieben - kann man alles nachvollziehen - wer selbst schon in einer "spannenden" Situation am Berg war (und das sollten die meisten hier bereits erlebt haben), kann nur sagen: Jup, so isses...

viennacalling
23.03.2016, 11:24
Ein paar Sätze aus meiner Zulassungsarbeit zum Thema:

"Bette schreibt: „Extremsport thematisiert den Körper allerdings nicht protektiv oder rehabilitativ, sondern setzt ihn bewußt aufs Spiel und konfrontiert ihn mit bisweilen lebensgefährlichen Herausforderungen und Risiken“ (Bette, 2004, S. 74). Der von ihm verwendete Begriff des Risikoakteurs im Extrem- und Abenteuersport verdeutlicht, dass Bette dem Wagnis den eigenen Körper zu riskieren eine große Bedeutung zuspricht, weshalb sich dies als konstituierendes Element des Risikosports verstehen lässt. Die dort erlebte Selbstgefährdung ist konkret, was dazu führt, dass die dabei gemachten Empfindungen eindeutig und wahrhaftig sind und eine totalisierende Wirkung mit sich bringen. Euphorie, aber auch Angst sind konkret und werden intensiv erlebt (vgl. Bette, 2004, S. 93-96). „Das Erleben erhält durch das Risiko eine über den Moment hinausreichende Qualität“ (Bette, 2004, S. 115)."

Kurz: Eine risikoreiche Situation mit den eigenen Fähigkeiten bewältigen zu können, hat eine über den Moment hinausreichende Qualität. Man ist sozusagen der "Manager" des eigenen Risikos. Übersteht man diese risikoreiche Situation (und ist nicht überfordert), so hat man einen nachhaltigen und wertvollen Moment erlebt.

"Allerdings kann man auch aufgrund von Unwissenheit Risiken eingehen, über deren Auswirkungen man sich nicht im Klaren ist. Die Entscheidung jedoch, sich in potentiell gefährliches Gelände zu begeben oder potentiell gefährliche Handlungen auszuführen, ist immer die eigene. Es wird vom Sportler also freiwillig ein Risiko eingegangen, selbst wenn dieser sich dessen möglicherweise nicht immer voll bewusst ist."

Hier könnte man einen Bezug herstellen zum Abfahren auf gefrorenen 45 Grad Hängen. Klar man kann das fahren, aber kann ich mich im Falle eines Sturzes noch halten!? Bin ich mir dessen in seiner letzten Konsequenz bewusst?

"Bezugnehmend auf die Gefahr für das Leben im Risikosport und die Angst bzw. Auseinandersetzung mit der Angst dieses möglicherweise zu verlieren, ließe sich auch sagen, dass der Risikosport die Chance bieten kann, sich im „Sterben-Lernen“ nach Platon zu versuchen. Diese besagt, dass Sterben-Lernen die Möglichkeit mit sich bringt um Leben-Lernen zu können. D.h. das Befassen mit dem Sterben und Sterblichsein, wie es bei bewusst geplanten risikoreichen Aktionen oder Bergtouren vorkommt und reflektiert wird, hilft, sich des eigenen Lebens und seiner Sterblichkeit bewusst zu werden, was in Gelassenheit und Ruhe mündet (vgl. Müller, 2008, S. 146). So schreibt Debrunner (1996, S. 287): „Der Mensch, der versucht, den Tod auszuhalten, ist Existenz“ (zitiert nach Müller, 2008, S.146)."

So seh ichs am Ende... Man muss sich damit auseinandersetzen, die Risiken reflektieren, am besten nichts leichtfertig riskieren. Wie genau das aussieht, wo die Risiken des Einzelnen liegen, sollte jedem selbst freigestellt sein!

Ich möchte nicht urteilen und sage nur: Danke für den TR der gut geschrieben und schön bebildert war! Ähnlich hab ich mich vor kurzem auch gefühlt. Nur immer aufpassen und reflektieren, wir wollen ja mit 60 noch Skifahren:)

Dicki
23.03.2016, 11:39
Naja, all das ist doch etwas schwer zu beurteilen. Ich/Du kennen den Protagonisten ja nicht und deshalb auch nicht seine persönliche Grenze. Thema "life begins at the end of your comfort zone"

viennacalling
23.03.2016, 11:45
Genau so ist es! Es ist alles sehr subjektiv und daher will ich das auch garnicht beurteilen.

Dicki
23.03.2016, 12:55
außerdem, für ein kölner ist alles extrem, was höher als sein dom ist :D

Hannness
23.03.2016, 14:00
Auch in der Schweiz findet man nicht viel höheres als den Dom! ;)

Edith sagt danke für den TR

Wetzi75
23.03.2016, 14:32
Ein paar Sätze aus meiner Zulassungsarbeit zum Thema:

"Bette schreibt: „Extremsport thematisiert den Körper allerdings nicht protektiv oder rehabilitativ, sondern setzt ihn bewußt aufs Spiel und konfrontiert ihn mit bisweilen lebensgefährlichen Herausforderungen und Risiken“ (Bette, 2004, S. 74). Der von ihm verwendete Begriff des Risikoakteurs im Extrem- und Abenteuersport verdeutlicht, dass Bette dem Wagnis den eigenen Körper zu riskieren eine große Bedeutung zuspricht, weshalb sich dies als konstituierendes Element des Risikosports verstehen lässt. Die dort erlebte Selbstgefährdung ist konkret, was dazu führt, dass die dabei gemachten Empfindungen eindeutig und wahrhaftig sind und eine totalisierende Wirkung mit sich bringen. Euphorie, aber auch Angst sind konkret und werden intensiv erlebt (vgl. Bette, 2004, S. 93-96). „Das Erleben erhält durch das Risiko eine über den Moment hinausreichende Qualität“ (Bette, 2004, S. 115)."

Kurz: Eine risikoreiche Situation mit den eigenen Fähigkeiten bewältigen zu können, hat eine über den Moment hinausreichende Qualität. Man ist sozusagen der "Manager" des eigenen Risikos. Übersteht man diese risikoreiche Situation (und ist nicht überfordert), so hat man einen nachhaltigen und wertvollen Moment erlebt.

"Allerdings kann man auch aufgrund von Unwissenheit Risiken eingehen, über deren Auswirkungen man sich nicht im Klaren ist. Die Entscheidung jedoch, sich in potentiell gefährliches Gelände zu begeben oder potentiell gefährliche Handlungen auszuführen, ist immer die eigene. Es wird vom Sportler also freiwillig ein Risiko eingegangen, selbst wenn dieser sich dessen möglicherweise nicht immer voll bewusst ist."

Hier könnte man einen Bezug herstellen zum Abfahren auf gefrorenen 45 Grad Hängen. Klar man kann das fahren, aber kann ich mich im Falle eines Sturzes noch halten!? Bin ich mir dessen in seiner letzten Konsequenz bewusst?

"Bezugnehmend auf die Gefahr für das Leben im Risikosport und die Angst bzw. Auseinandersetzung mit der Angst dieses möglicherweise zu verlieren, ließe sich auch sagen, dass der Risikosport die Chance bieten kann, sich im „Sterben-Lernen“ nach Platon zu versuchen. Diese besagt, dass Sterben-Lernen die Möglichkeit mit sich bringt um Leben-Lernen zu können. D.h. das Befassen mit dem Sterben und Sterblichsein, wie es bei bewusst geplanten risikoreichen Aktionen oder Bergtouren vorkommt und reflektiert wird, hilft, sich des eigenen Lebens und seiner Sterblichkeit bewusst zu werden, was in Gelassenheit und Ruhe mündet (vgl. Müller, 2008, S. 146). So schreibt Debrunner (1996, S. 287): „Der Mensch, der versucht, den Tod auszuhalten, ist Existenz“ (zitiert nach Müller, 2008, S.146)."

So seh ichs am Ende... Man muss sich damit auseinandersetzen, die Risiken reflektieren, am besten nichts leichtfertig riskieren. Wie genau das aussieht, wo die Risiken des Einzelnen liegen, sollte jedem selbst freigestellt sein!

Ich möchte nicht urteilen und sage nur: Danke für den TR der gut geschrieben und schön bebildert war! Ähnlich hab ich mich vor kurzem auch gefühlt. Nur immer aufpassen und reflektieren, wir wollen ja mit 60 noch Skifahren:)

Das ist eine sehr präzise Beschreibung der Thematik und bringt es auf den Punkt. Dieses oft umschriebene "sich selbst erleben" in Extremsituationen, das viele Leute nicht verstehen (wollen). Jeder hat das Recht mit sich und seinem Körper zu tun was er möchte, solange dabei keine Unbeteiligten gefährdet werden.
Dieses moralschwangere Kritikgeheuchel der Gesellschaft an vielleicht für sie ungewöhnliche Verhaltensweisen/Hobbies geht mir schon lange gehörig auf den Sack.

renegade5569
23.03.2016, 19:31
Das ist eine sehr präzise Beschreibung der Thematik und bringt es auf den Punkt. Dieses oft umschriebene "sich selbst erleben" in Extremsituationen, das viele Leute nicht verstehen (wollen). Jeder hat das Recht mit sich und seinem Körper zu tun was er möchte, solange dabei keine Unbeteiligten gefährdet werden.
Dieses moralschwangere Kritikgeheuchel der Gesellschaft an vielleicht für sie ungewöhnliche Verhaltensweisen/Hobbies geht mir schon lange gehörig auf den Sack.
Ich glaube, dem brauchen wir uns nicht zu stellen.

Desweiteren möchte ich an den Zwischenfälle am Berg Thread erinnern. Da werden Bergführer als nicht reif hingestellt, weil sie auf die vielleicht Wünsche der Kunden eingehen. Deshalb kann man diesen TR so oder so sehen. Denn hier werden eigene, ich sage jetzt mal lebensgefährliche Wünsche, in die Tat umgesetzt. Wäre was passiert, hätte wahrscheinlich ein großer Teil diese Aktion aufgrund der Verhältnisse verurteilt, wenn wir es in der Zeitung lesen. Ich kann skymans Meinung nachvollziehen, aber auch den Wunsch nach Selbstverwirklichung.

Gesendet von meinem GT-I9195 mit Tapatalk

Wetzi75
23.03.2016, 20:39
Kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Da macht sich einer die Mühe und schreibt einen schönen TR mit angenehm ehrlichen Schilderungen, und anstatt das zu würdigen und sachlich über die Bedingungen und Geschehnisse zu plaudern, wird wieder der Oberlehrerzeigefinger gehoben und die Verfasser als fahrlässig betitelt.
Das weckt bestimmt große Lust bei den restlichen Usern auch mal nen TR zu schreiben, wenn der Shitstorm schon vorprogrammiert ist.

th1nk
23.03.2016, 22:12
Wenn ich etwas publiziere, muss ich damit rechnen, dass das nicht alle gut finden. Jeder darf seine Meinung haben, solange diese sachlich kommuniziert wird, sehe ich kein Problem.
Ich finde es nur schade, wenn das auf der persönlichen Ebene passiert.

Die Situation, meine Erfahrung und mein Können, ist für aussenstehende schwierig zu beurteilen, genau darum ist der Zeigefinger fehl am Platz. Die Situation als lebensgefährlich zu bezeichnen, finde ich übertrieben. Anspruchsvoll und fordernd passen besser.

Schlussendlich muss ich Entscheidungen dieser Art vor allem mir selbst gegenüber rechtfertigen können.

edit:
Vielleicht schadet es nicht, nochmals zu erwähnen, dass das sonst eine gängige Abfahrtsvariante ist und noch nicht viel mit richtigen Steilwänden gemein hat.
Aber gerade die nicht optimalen Verhältnisse, haben die Abfahrt für uns besonders gemacht.

Brecher
23.03.2016, 22:20
Diese schweizer Sachlichkeit... Find ich gut.

renegade5569
24.03.2016, 10:17
Kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Da macht sich einer die Mühe und schreibt einen schönen TR mit angenehm ehrlichen Schilderungen, und anstatt das zu würdigen und sachlich über die Bedingungen und Geschehnisse zu plaudern, wird wieder der Oberlehrerzeigefinger gehoben und die Verfasser als fahrlässig betitelt.
Das weckt bestimmt große Lust bei den restlichen Usern auch mal nen TR zu schreiben, wenn der Shitstorm schon vorprogrammiert ist.

1. Hebe ich nicht den Zeigefinger, sondern versuche hier Pro- und Kontra zu verstehen (dialektisch Denken).
2. Bezeiche ich hier niemand als fahrlässig.
3. Falls Du es nicht gelesen hast, schreibe ich "Schöner TR".
4. Wo bitte ist hier ein shitstorm? Das mit Klaus und dir war shitstorm, das hier nicht.
5. Finde die Aussage jeder kann mit seinem Köper machen was er will sehr egoistisch. Aber das liegt wohl daran,
das ich es seit 35 Jahren nicht machen kann, sonst müsstest du wohl alleine Freeriden, zumindest nicht mit mir.

renegade5569
24.03.2016, 10:36
Ich finde es nur schade, wenn das auf der persönlichen Ebene passiert.

Das ist imho ein großes Problem hier.

Lebensgefährlich sollte man als Hyperbel sehen...

groshkover
24.03.2016, 13:07
ff

Zorro
24.03.2016, 21:38
interessante Diskussion!

Umdrehen in nicht ganz klaren Situation schärft oftmals die Risikoentscheidungsfindung, denke ich. Der Knackpunkt ist diese Punkte zu erkennen und nicht zu spät zu entscheiden.