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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : airbag aversionen



Ruprecht
20.12.2013, 16:44
das thema airbag ja/ nein wird zwar oft angeschnitten, aber selten verläuft die daraus entstehende diskussion halbwegs vernünftig ab. es kommen dann zumeist aussagen wie diese:


ich glaub es sind nicht mal mehrere Prozent ... [geringere sterblichkeit mit airbag]


Sag ja auch gar nicht dass ich generell gegen einen Airbag bin.
Definitiv gibt es derzeit aber keine Daten, die einen tatsächlichen Nutzen klar belegen. Und jetzt wo der Airbag immer weiter verbreitet ist, werden auch immer mehr Fälle bekannt, wo der Airbag eben nichts nutzt.

Kann durchaus sein, dass es sehr spezielle Situationen gibt, in denen der Airbag wirklich einen Nutzen bringt. Wenn durch das tragen die Risikobereitschaft aber gesteigert wird (vielleicht auch nur unterbewußt), dann kann es durchaus sein, dass der Airbag mehr schadet als nützt.

Insofern denke ich ist es auch durchaus verständlich, wenn man sich dazu entschließt, keinen Airbag zu tragen. Und wenn man sich dazu entschließt, sollte man sich davor sehr genau informiert haben, und zwar außerhalb der Sportgeschäfte, wie gering der tatsächlcihe Nutzen in der Regel sein wird. Denn dann sieht man den Airbag eher nicht als Überlebenshilfe und geht auch eher nicht mehr Risiko ein, nur weil man einen Airbag trägt.

deshalb möchte ich mal was konstruktives hier im forum beitragen und stelle mal ein paar zahlen zur diskussion, die mir die entscheidung zum airbag erleichtert haben.
die studien, die es zur nützlichkeit von lawinenairbags gibt, lassen zwar wahrscheinlich kein statistikerherz höher schlagen (siehe eigenen absatz im verlinkten bergundsteigen artikel), aber es lässt sich für die praxis eine durchaus annehmbare tendenz ableiten, die man auch als kritisch denkender mensch als grundlage für eine entscheidung für oder gegen einen airbag hernehmen kann.
die studie von brugger et al. (http://www.bergundsteigen.at/file.php/archiv/2003/4/print/60-65%20%28effizienz%20am%20lawinenkegel%29.pdf), auf die sich der artikel aus bergundsteigen bezieht, ist zwar schon etwas älter, es gibt allerdings eine neuauflage mit besserer datenlage, von der ich allerdings nur auf das abstract (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/17689170) zugriff hab.

Quintessenz daraus: mortalität mit airbag 2,9%, mortalität ohne airbag 18,9%. genaueres zur methodik kann man aus dem bergundsteigen artikel ableiten (wenngleich die zahlen dort nicht mehr ganz aktuell sind). es lohnt sich, den gesamten artikel zu lesen.

das argument "mit airbag gehe ich möglicherweise ein ein größeres risiko ein, deshalb lass ichs lieber" find ich übrigends bullshit. man schaffts doch auch irgendwie, nicht gleich jedem prall gefüllten bikini an die möpse zu fassen..

achja, und ich möchte auch noch darauf hinweisen, dass die verwendung von ABS als synonym für airbag irgendwann so wirkt wie UHU für kleber. das möchte ich nicht. vielleicht trage ich mit dem hinweis dazu bei, dass sich das nicht durchsetzt. ;)

skyman
20.12.2013, 17:33
1+
Für die die meinen, das Sie mit Airbag mehr Riskiobereitschaft zeigen könnten. Könnten sich mit dem Buch Free Ski (http://www.powderguide.com/community/forum/post/media/free-ski-freeride-lehrbuch-aus-dem-hause-pg.html) mehr Wissen und somit mehr Sicherheit anlesen. Sehr gut und sicher angelegte € 34,95 schöne Weihnachten!

gex
20.12.2013, 17:37
das argument "mit airbag gehe ich möglicherweise ein ein größeres risiko ein, deshalb lass ichs lieber" find ich übrigends bullshit. man schaffts doch auch irgendwie, nicht gleich jedem prall gefüllten bikini an die möpse zu fassen..



wenn man weiß, dass die konsequenzen aber evtl. gar nicht so schlimm sind, wird das verlangen größer, es zu tun ;)


Edit:
Danke für den guten Tipp Skyman, ich denk mal drüber nach...
Du könntest dir ja in der Zwischenzeit das hier durchlesen:
http://freeskier.com/stories/why-decision-making-is-greater-than-a-beacon-with-drew-tabke

Ruprecht
20.12.2013, 19:05
wenn man weiß, dass die konsequenzen aber evtl. gar nicht so schlimm sind, wird das verlangen größer, es zu tun ;)


Edit:
Danke für den guten Tipp Skyman, ich denk mal drüber nach...
Du könntest dir ja in der Zwischenzeit das hier durchlesen:
http://freeskier.com/stories/why-decision-making-is-greater-than-a-beacon-with-drew-tabke

möpse anfassen oder in riskanten hang einfahren? hrhrhr

zu tabke: ich mag den gerne, aber ich habs mir angewöhnt, sportler mehr nach dem zu bewerten, was sie tun und weniger danach, was sie so von sich geben.. es gibt da sehr wenige persönlichkeiten, die reflektiert genug sind, dass man auch mit ihren aussagen was anfangen kann. wobeis ja auch nicht kompletter blödsinn ist, was er hier sagt, nur halt manchmal etwas widersprüchlich..

freak
20.12.2013, 20:31
ich mag eigentlich nur zwei dinge anmerken



das argument "mit airbag gehe ich möglicherweise ein ein größeres risiko ein, deshalb lass ichs lieber" find ich übrigends bullshit. man schaffts doch auch irgendwie, nicht gleich jedem prall gefüllten bikini an die möpse zu fassen.

das mag für dich (und einige andere hier) gelten, allgemein sieht das aber definitiv etwas anders aus. wie oft habe ich schon sätze gehört wie "ja das ist/war schon sau gefährlich, aber wir haben ja alle airbag-rucksäcke", "hmja ich weiss ja nicht ob das jetzt so 100%ig is, aber ok, ich (wahlweise du/er/sie) fahre einfach zuerst, ich hab ja nen airbag", "ich brauche keinen piepser, ich hab ja einen airbag" und vieles mehr. ebenso aber auch "wie kann man nur ohne airbag skitouren gehen/freeriden" oder "also hier würde ich ohne airbag aber nicht runterfahren/hochgehen". meist kommt das von leuten die ganz offensichtlich recht planlos sind. mir wird da immer fast schlecht.

gerade dazu passt dann das zweite was mich stört und das ist eben die tatsache das airbagrucksäcke mittlerweile vielfach zur grundausrüstung gezählt werden, das hirn aber leider nicht.

ich hab sicher nichts gegen airbags (höchstens gegen das marketing von abs), finde aber diese ewigen sicherheitsgurt (oder in diesem fall bikini) vergleiche einfach nicht treffend. natürlich ist ein sicherheitsgurt eine gute erfindung (ähnlich wie ein helm oder ein lawinenairbag), aber trotzdem rettet ein führerschein (alternativ piepser und damit umgehen können, überlegen was man fährt, wie man fährt etc.) vmtl. mehr leben.

freak~[:fish:&:ghost:]

saschad
20.12.2013, 21:07
das argument "mit airbag gehe ich möglicherweise ein ein größeres risiko ein, deshalb lass ichs lieber" find ich übrigends bullshit.
Da mag ich Dir so gar nicht zustimmen. Ich finde es bewundernswert, wieviele Leute bei Sicherheitsthemen generell für sich ausschließen können, unbewusst Risiken zu kompensieren. Das interessante bei unbewusster Risikokompensation ist übrigens, dass sie unbewusst stattfindet. Klingt komisch, ist aber so. ;)

Die Münchner Taxifahrer, denen die Versicherungen Anfang der 80er eigentlich Rabatte wegen der innovativen Ausstattung ihrer Fahrzeuge mit ABS (!) (ja, good old Times) gewähren wollten, sind bestimmt auch nicht vorsätzlich riskanter gefahren, haben es aber trotzdem geschafft, den Sicherheitsvorteil von ABS nicht nur zu kompensieren, sondern sogar überzukompensieren, waren also trotz sicherer Fahrzeuge unsicherer unterwegs.

Klar, bewusste Kompensation gibt's auch, aber die ist bei vernunftbegabten Menschen ja eher nicht so häufig.

Hier 'mal ein Link zum Einstieg: http://www.sueddeutsche.de/wissen/vernunft-und-risikobereitschaft-ablasshandel-mit-der-eigenen-psyche-1.1127740-2

Gruß,
Sascha

Ruprecht
21.12.2013, 00:12
@freak und sascha: ich behaupte nicht, dass es die von euch beschriebenen typen nicht gibt und ebenso behaupte ich nicht, dass man nicht auch unbewusst von verschiedensten faktoren beim risikomanagement beeinflusst wird. aber imho trifft das nicht auf airbagrucksäcke allein zu, weshalb ichs nicht als argument allein gegen airbag anwenden kann.
wenn ich meinen piepser vergesse, dann starte ich nicht auf eine tour. wird dadurch das risiko höher? fühlt man sich sicherer bei schönem wetter oder bei miesem mit schlechter sicht? wenn man mit erfahreneren leuten mitgeht, oder wenn man unerfahrenere begleitet? risikobereiter mit tourenpommes oder mit breiten freerideski? allein oder in größerer gruppe?
möglicherweise ist momentan der airbaggedanke stärker als manch anderer, aber das wird sich mit größerer verbreitung und meldungen von lawinentoten trotz airbag bald einpendeln. das mit höherer risikobereitschaft nur bei airbag lass ich nicht gelten, weils für andere faktoren genauso gilt. sonst dürfte ich bei schönem wetter auch nicht mehr raus. und die dummheit von manchen muss ich ja auch immer auf alle faktoren anwenden und als grundvoraussetzung annehmen und kann die ja auch nicht auf den airbag zurückführen. wahrscheinlich kommen da gedanken wie "da fahr ich nur mit airbag rein" eben auch analog bei nem pieps.

und natürlich ist das hirn immer noch der entscheidenste faktor, ob ich einen skitag überleb oder nicht, aber auch das muss ich doch als grundvoraussetzung annehmen. das wird doch nicht weniger wenn ich jetzt nen airbag hab bzw. es wird auch nicht mehr, wenn ich mich dagegen entscheid.

unterm strich kann man sich dann immer noch die zahlen ansehn, um zu sehn, ob der sicherheitsgewinn durch die vermeintlich höhere risikobereitschaft aufgehoben wurde wie beim beispiel von sascha und den taxifahrern. und die zahlen sprechen ja dann für sich.

saschad
21.12.2013, 05:07
unterm strich kann man sich dann immer noch die zahlen ansehn, um zu sehn, ob der sicherheitsgewinn durch die vermeintlich höhere risikobereitschaft aufgehoben wurde wie beim beispiel von sascha und den taxifahrern. und die zahlen sprechen ja dann für sich.
Sorry, vielleicht habe ich was übersehen (ist ja noch früh), aber ich habe in den beiden verlinkten Quellen eben keine Zahlen darüber finden können, wieviel Prozent der im Gelände gehenden/fahrenden Personen ein Airbagsystem verwenden und wie die Verteilung bei der Beteiligung an Lawinenunfällen ist. Das wären aber m.E. die Zahlen, die man bräuchte, wenn man eine Aussage darüber treffen will, ob die Verwendung eines Airbags die Risikobereitschaft und damit die Wahrscheinlichkeit, an einem Lawinenunfall beteiligt zu sein, erhöht.

Und natürlich ist Risikokompensation kein Argument gegen Airbags alleine, aber das habe ich auch nicht behauptet. Ich hatte allerdings Dein ursprüngliches Statement dahingehend verstanden, dass Du aussagen wolltest "Risikokompensation existiert (bei mir) nicht".

Nebenbei bemerkt muss ich allerdings zugeben, dass - sollten die Zahlen auch bei größeren untersuchten Mengen auch nur ansatzweise auf dem Niveau stabil bleiben - ich es gefühlsmäßig eher für unwahrscheinlich halte, dass dieser Sicherheitsgewinn in der Realität komplett kompensiert oder gar überkompensiert wird.

Gruß,
Sascha

Ruprecht
21.12.2013, 09:35
Sorry, vielleicht habe ich was übersehen (ist ja noch früh), aber ich habe in den beiden verlinkten Quellen eben keine Zahlen darüber finden können, wieviel Prozent der im Gelände gehenden/fahrenden Personen ein Airbagsystem verwenden und wie die Verteilung bei der Beteiligung an Lawinenunfällen ist. Das wären aber m.E. die Zahlen, die man bräuchte, wenn man eine Aussage darüber treffen will, ob die Verwendung eines Airbags die Risikobereitschaft und damit die Wahrscheinlichkeit, an einem Lawinenunfall beteiligt zu sein, erhöht.

achso, nein, das kann man daraus nicht ableiten. hab aber mal kurz recherchiert und dabei folgendes rausgefunden, was zwar wissenschaftlich niemlas bestand haben könnte, aber für uns hier vielleicht ausreichend ;):
aus einer einer erhebung zu tourengehern in südtirol (http://www.bergrettung.it/de/download/skitourenzahlung-2011-ergebnisse-180/download.html) geht hervor, dass 2011 3,5% der erfassten personen mit airbag ausgerüstet waren.
aus dem paper von brugger et al. aus 2007 (das mir mittlerweile freundlicherweise von jemandem mit unizugang übermittelt wurde) geht hervor, dass 2,3% der in einen lawinenunfall verwickelten personen mit airbag ausgerüstet waren.
nun kann man die beiden zahlen wie gesagt nicht direkt vergleichen, weil beim einen nur tourengeher (und schneeschuhwanderer) aus südtirol erfasst sind, beim andern auch variantenfahrer und das aus der schweiz und österreich. die zahlen zu den tourengehern wurden 2011 gesammelt, während die der lawinenopfer von 1990 bis 2004 gesammelt wurden. wenn ich daraus trotzdem eine tendenz ableiten möchte, dann würde ich behaupten, dass es keine (oder nur geringe) signifikanten unterschiede zwischen in lawinen verwickelte sportler mit und ohne airbag gibt.
um den sicherheitsgewinn durch höhere risikobereitschaft aufzuheben, müssten verhältnismässig aber tatsächlich etwa 4-5mal mehr personen mit aribag als ohne airbag in lawinenunfälle verwickelt werden.



Und natürlich ist Risikokompensation kein Argument gegen Airbags alleine, aber das habe ich auch nicht behauptet. Ich hatte allerdings Dein ursprüngliches Statement dahingehend verstanden, dass Du aussagen wolltest "Risikokompensation existiert (bei mir) nicht".
nein, das wollte ich damit nicht aussagen. ich denke sogar, dass ich unbewusst sehr stark von verschiedensten faktoren beeinflusst werde und hoffe, dass mir das bewusstsein darüber helfen kann, das irgendwie auszugleichen. was ich allerdings nicht glaube ist, dass der airbag hier überdurchschnittlich hoch zu gewichten ist, deshalb meine schlussfolgerung airbag -> höhere risikobereitschaft = bullshit.