Nassschneelawinen (Tourenplanung an einem konkreten Beispiel)
Hallo zusammen,
es ist ja langsam wieder Frühling und das Thema Nassschneelawinen wird wichtig. Leider finde dazu nicht gerade viele Informationen und vorallem keine klaren Verhaltensregeln (evt. weil es keine gibt?). Und in allen Lawinenkursen, die ich bis jetzt besucht habe, wurde auf das Thema kaum eingegangen (ist irgendwie logisch, da die meist zu Beginn der Saison stattfinden...).
Ich weiss grob, wie sich Nasschneelawinen verhalten: die Schneedecke wird durch Erwärmung feucht und somit schwer und kann irgendwann abrutschen, meistens weil sich Wasser auf einer harten Schicht oder über dem Boden sammelt und als Gleitschicht dient. Ausserdem gehen sie generell spontan ab und nicht wegen einer Zusatzbelastung z.B. durch einen Skifahrer. Und sie kommen generell in allen Hangneigungen vor und nicht eher in steileren Hängen wie trockene Lawinen. Dadurch lässt sich die einfache/grafische Reduktionsmethode wohl nicht wirklich anwenden...
Wie geht man also damit um? Verzichtet man auf feuchte Hänge komplett, egal wie steil sie sind? Wann gilt ein Hang als durchfeuchtet? Was heisst "tageszeitliche Erwärmung" genau, ab welcher Uhrzeit wird es kritisch?
Habt ihr Tipps oder am liebsten einigermassen konkrete Verhaltensregeln?
Im Moment bin ich hin- und hergerissen, ob ich folgende Tour morgen durchführen soll: Oberalppass (2000m) -> Pazolastock (2700m) -> Tschamut
Link zur Karte: http://map.geo.admin.ch/?X=167072.26...igung-ueber_30
Wetter: In der Nacht bedeckt, evtl. wenig Schneefall, tagsüber dann auch teils bedeckt, Lufttemperatur auf dem Oberalppass bis ca. 5°.
LLB (heute): Für trockene Lawinen mässig (Expositionen W über N bis O oberhalb von 2200m), für nasse Lawinen im Tagesverlauf auch mässig ("vermehrt kleine bis mittlere Nass-/Gleitschneelawinen an S-Hängen unterhalb 3000m und O-Hängen unterhalb von 2500m"). Tendenz: "Die Gefahr von trockenen Lawinen nimmt ab. Die Gefahr von Nass- und Gleitschneelawinen steigt mit Sonneneinstrahlung und Erwärmung jeweils im Tagesverlauf an". Wenn der LLB für morgen schlechter wird, dann verzichte ich definitiv auf die Tour.
Folgende Stellen betrachte ich als heikel:
- Im Aufstieg muss man von der Ostflanke zur Südflanke unter einem steilen Hang (40°) durchqueren (S bis SO ausgerichtet). Geht das am Vormittag oder ist das bereits kritisch?
- Die Abfahrt führt über einen mittelsteilen (bis ca. 35°) Hang (Nurschalas Grondas, O bis SO ausgerichtet). Geht das am frühen Nachmittag (vor 13 Uhr) oder ist das bereits kritisch?
Vielen Dank für eure Inputs.
Disclaimer: natürlich weiss ich, dass mir niemand ein definitives Go oder No-Go geben kann. Bei weiterhin bestehenden Zweifeln meinerseits werde ich definitiv auf die Tour verzichten...
AW: Nassschneelawinen (Tourenplanung an einem konkreten Beispiel)
bei klarer Nacht und wenig Wind könnte man das bei einem sehr frühen Start schon angehen. 700hm sind jetz auch nicht die Welt. Mancheiner macht das ja auch in einer Stunde. Früh los und dann aufs Auffirnen warten ist in jedem Falle sinnvoller als zu spät dransein und in der Suppe zu sitzen und zu beten.
Prinzipiell find ich es immer eher fragwürdig nicht vor Ort zu sein und zu sagen das und das mach ich morgen definitiv. Fahr hin, schaus dir an, wenn nicht alles auf grün steht, lass es sein und nimm Plan B, C, D oder Bier.
Einfache Verhaltensregel: Wenn du durchbrichst, dh die Firndecke dich nicht hält -> umdrehen (ähnlich natürlich wenn in einer später zu begehenden/fahrenden Exposition mehr frühere Sonneneinstrahlung zu erwarten ist.
Wo bei der verlinkten Tour aufn Oberalpsstock nun Südhänge im Nord-Osthang sind, ist mir allerdings schleierhaft. Wieso du den vmtl guten Schnee im Nordhang aufsteigst und im vmtl eher maximal mittelprächtigen Schnee O abfahren willst ist ebenso.
Nassschneelawinen (Tourenplanung an einem konkreten Beispiel)
problem beim oberalp ist, dass du nicht vor 0750 oben bist, da der zug erst dann fährt. evtl könntest du direkt von tschamut aus laufen, da kommst mit der karre hoch.
AW: Nassschneelawinen (Tourenplanung an einem konkreten Beispiel)
Vielen Dank für die Inputs!
Konsens scheint also zu sein:
- so früh wie möglich los
- wenn der Schnee matschig wird, umkehren/verzichten
Und generell wärs wohl sinnvoll, eher was mit Nordexpositionen in Angriff zu nehmen, da sich die Schneedecke dort nicht so schnell aufwärmt...
Zitat:
Zitat von
Zorro
Wo bei der verlinkten Tour aufn Oberalpsstock nun Südhänge im Nord-Osthang sind, ist mir allerdings schleierhaft. Wieso du den vmtl guten Schnee im Nordhang aufsteigst und im vmtl eher maximal mittelprächtigen Schnee O abfahren willst ist ebenso.
Es gibt vom Pazolastock sehr tolle Nordabfahrten, die ich auch nicht so kritisch eingestuft hätte... Ich wäre aber mit einer Gruppe unterwegs gewesen, die zur Maighelshütte weiterwollte, welche halt leider im Süden ist...
AW: Nassschneelawinen (Tourenplanung an einem konkreten Beispiel)
Zitat:
Zitat von
selle
es ist ja langsam wieder Frühling und das Thema Nassschneelawinen wird wichtig. Leider finde dazu nicht gerade viele Informationen und vorallem keine klaren Verhaltensregeln (evt. weil es keine gibt?).
Interessant ist es ja immer noch und wird es auch wieder.
http://bergundsteigen.at/file.php/ar...lawinen%29.pdf
Und noch zwei Sachen zum Risikomanagement und Tourenplanung:
http://bergundsteigen.at/file.php/ar...raining%29.pdf
http://bergundsteigen.at/file.php/ar...terplan%29.pdf
AW: Nassschneelawinen (Tourenplanung an einem konkreten Beispiel)
Interessant und informativ- danke dafür !
AW: Nassschneelawinen (Tourenplanung an einem konkreten Beispiel)
Echt hochkarätige Fachinfos! Im Bergundsteigen Archiv gibt's auch noch mehr davon: http://bergundsteigen.at/?module=archiv/themen.
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Zitat:
Zitat von
DasFerkel
Guter Stoff. Hat mich einige Stunden von meinen lästigen Pflichten abgehalten.